LG Chemnitz: Zulässigkeit beurkundungsrechtlich bedingter Abweichungen vom Text des Musterprotokolls bei Gründung einer GmbH oder UG

14.01.2010

GmbHG § 2 Abs. 1, 1a

Zulässigkeit beurkundungsrechtlich bedingter Abweichungen vom Text des Musterprotokolls bei Gründung einer GmbH oder UG

LG Chemnitz, Beschl. v. 11. 8. 2009 – 2 HKT 546/09 (rechtskräftig; AG Chemnitz)

Leitsätze der Redaktion:

1. Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 GmbHG ist auch bei einer Gesellschaftsgründung unter Verwendung des Musterprotokolls die notarielle Beurkundung zwingend erforderlich. Der Notar hat bei der Beurkundung nicht nur gesell-ZIP 2010, 35schaftsrechtliche, sondern auch die Vorgaben des BeurkG zu beachten.

2. Die Unabänderlichkeit des Musterprotokolls zur Gründung einer Gesellschaft im vereinfachten Verfahren gilt nicht für die Teile des Musterprotokolls, die beurkundungsrechtliche Vorgaben erfüllen müssen.

Gründe:

I. Der Beschwerdeführer hat eine Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) zur Eintragung in das Handelsregister unter Beifügung eines Musterprotokolls angemeldet. Das Musterprotokoll lautet eingangs wie folgt:

„Nummer 687 der Urkundenrolle für 2009/L – MN

Gründung einer Unternehmergesellschaft (§ 2 Abs. 1 A GmbHG)

Verhandelt zu Dresden, am 8. Juli 2009

Vor Dr. ..., Notarassessor aus Dresden, als amtlich bestelltem Vertreter für ... Notar mit dem Amtssitz in ... erschien in seinen Amtsräumen ...:

Herr ... , geboren am ..., wohnhaft in: ... Ausgewiesen durch ... Nach seinen Angaben nicht verheiratet.

Der Erschienene erklärte Folgendes zur Beurkundung.

Gründung einer Unternehmergesellschaft (§ 2 Abs. 1 A GmbHG) ...“

Mit der angegriffenen Verfügung vom 16.7.2009 hat das Registergericht dem Beschwerdeführer als Eintragungshindernis mitgeteilt, dass das Musterprotokoll nicht unverändert aus dem Gesetzestext übernommen worden ist, weil der Urkundseingang abgeändert wurde. Die Gesellschaft könne deshalb nur dann nach § 2 Abs. 1a GmbHG gegründet werden, wenn es sich bei den Änderungen um berichtigungsfähige Fehler handele.

Hiergegen hat der Beschwerdeführer Beschwerde eingelegt.

II. Die zulässige Beschwerde ist begründet. Das Registergericht hat, worauf die Beschwerde zutreffend hingewiesen hat, die rechtliche Tragweite des § 2 Abs. 1a GmbHG verkannt.

1. Nach § 2 Abs. 1a GmbHG n.F. kann die Gesellschaft in einem vereinfachten Verfahren gegründet werden, wenn sie höchstens drei Gesellschafter und einen Geschäftsführer hat (Satz 1). Für die Gründung im vereinfachten Verfahren ist das in der Anlage bestimmte Musterprotokoll zu verwenden (Satz 2). Darüber hinaus dürfen keine vom Gesetz abweichenden Bestimmungen getroffen werden (Satz 3). Das Musterprotokoll gilt zugleich als Gesellschafterliste (Satz 4). Im Übrigen finden auf das Musterprotokoll die Vorschriften dieses Gesetzes über den Gesellschaftsvertrag entsprechende Anwendung (Satz 5).

a) Die Regelung des § 2 Abs. 1a GmbHG wurde durch das am 1.11.2008 in Kraft getretene MoMiG in das GmbHG eingefügt. Mit dem MoMiG wollte der Gesetzgeber u.a. eine Erleichterung und Beschleunigung von Unternehmensgründungen bewirken. Nachdem er zunächst u.a. dafür vorgesehen hatte, eine vereinfachte Form der Gründung unter Verwendung einer sog. Mustersatzung vorzusehen (BT-Drucks. 16/6140), wurde dies im Gesetzgebungsverfahren verworfen und stattdessen auf die Beschlussempfehlung und den Bericht des Rechtsausschusses zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung BT-Drucks. 16/6140 das nunmehr vorgesehene Musterprotokoll als Gründungsvoraussetzung in die Regelung aufgenommen (BT-Drucks. 16/9737).

b) Für die vereinfachte Gründung unter Verwendung der zunächst vorgesehenen Mustersatzung hat der Gesetzgeber angeführt, dass die Gründung einer GmbH in unkomplizierten Standardfällen erleichtert und dadurch die Wettbewerbsfähigkeit der GmbH gestärkt werden soll. Sofern das Muster Verwendung findet, dürfen nach den Vorstellungen des Gesetzgebers außer den Einschränkungen in den vorgegebenen Feldern keine weiteren Ergänzungen und Änderungen vorgenommen werden, ohne dass die Beurkundung ausgelöst wird. Nach der Einschätzung des Gesetzgebers würde dann nämlich der Beratungsbedarf gesteigert, während es bei einer vereinfachten Gründung unter Verwendung der vorgesehenen Mustersatzung wegen der in diesen Fällen gegebenen Einfachheit der enthaltenen Regelungen der notariellen Beratung und Belehrung in der Regel nicht bedarf. Die vereinfachte Gründung sieht der Gesetzgeber jedenfalls auch dadurch gerechtfertigt, dass der Regelungsinhalt des Vertragsmusters auf den des § 3 GmbHG beschränkt geblieben ist, ergänzt durch die Regelungen zur Vertretung und zum Gründungsaufwand, während im Übrigen dann für die Gesellschaft die gesetzlichen Bestimmungen und Regelungen gelten sollten, die der Gesetzgeber als für die Gesellschafter im Regelfall angemessen erachtet und die deshalb nicht zwingend einer Beratung durch den Notar bedürfen, sofern die Gründer keine vertraglichen Bestimmungen wünschen, die von dem Regelfall abweichen (BT-Drucks. 16/6140). Durch die Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses (BT-Drucks. 16/9737), statt der Mustersatzung, gegen die er sich wandte, ein von ihm vorgeschlagenes Musterprotokoll zu verwenden, wurde die Begründung des Regierungsentwurfs in der Sache selbst nicht in Frage gestellt.

2. Tatsächlich weicht das hier verwandte Gründungsprotokoll im Rubrum von dem Musterprotokoll ab.

a) Ob das Verbot von Abweichungen vom Musterprotokoll in Fällen wie dem vorliegenden allerdings auch für solche Abweichungen im Urkundseingang gilt oder nicht, kann nach der Auffassung der Kammer aber nicht allein nach dem Wortlaut entschieden werden, sondern muss die von dem Gesetzgeber verfolgten Zwecke und Ziele berücksichtigen und die damit in unmittelbarem Zusammenhang stehenden besonderen rechtlichen Verhältnisse, denen das Musterprotokoll bei seiner Verwendung unterworfen ist und die bei der Beurkundung zu berücksichtigen sind.

b) Zuzugeben ist dem Registergericht jedoch, dass der Wortlaut des § 2 Abs. 1a Satz 3 GmbHG eindeutig ist und allein danach keine Spielräume für Abweichungen lässt. Ein nur damit begründetes Verbot von Abweichungen wie den hier zu beurteilenden würde aber die gesetzgeberischen Ziele der Gesetzesänderung ad absurdum führen.

aa) Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 GmbHG ist auch bei einer Gesellschaftsgründung unter Verwendung des Musterprotokolls die notarielle Beurkundung zwingend erforderlich. Danach gilt, dass der Notar bei der Beurkundung nicht nur gesellschaftsrechtliche Vorgaben, sondern auch die Vorgaben des BeurkG zu beachten hat (vgl. Wachter, ZNotP 2009, 82; Tebben, RNotZ 2008, 441; Klutzny, NotBZ 2009, 255). Die Regelungen des BeurkG machen aber grundsätzlich Änderungen der Gründungsurkunde notwendig, die in dem gesetzlichen Musterprotokoll nicht ausdrücklich vorgesehen sind, wie bspw. solche zu einer Vorbefassung (§ 3 Abs. 1 Nr. 7 Satz 2 BeurkG), dem ZIP 2010, 36Beurkundungsort (§ 9 Abs. 2 BeurkG) oder aber anderen im Einzelfall zu berücksichtigenden Umständen (vgl. Wachter, ZNotP 2009, 82).

bb) Soweit der Gesetzgeber die Unabänderlichkeit des Musterprotokolls bestimmt, kann dies nach der Auffassung der Kammer für die Teile des Musterprotokolls, die zwingend beurkundungsrechtliche Vorgaben erfüllen müssen, aber nicht gelten.

Zu Recht weist Wachter, ZNotP 2009, 82, darauf hin, dass der Gesetzgeber nicht davon ausgegangen ist, ein Musterprotokoll zu schaffen, das durch die Praxis nicht verwandt werden kann. Wachter, ZNotP 2009, 82, ist auch darin zu folgen, dass der Gesetzgeber davon ausgegangen sein dürfte, dass alle zwingenden Gesetzesvorschriften auch bei der Verwendung des Musterprotokolls zu berücksichtigen sind, wofür die Formulierung in § 2 Abs. 1a Satz 3 GmbHG spricht, wonach keine vom Gesetz abweichenden Bestimmungen getroffen werden dürfen und sich diese Formulierung allgemein auf die Gesetze und damit auch das BeurkG bezieht und nicht nur auf das GmbHG (Wachter, ZNotP 2009, 82). Nur eine solche Auslegung trägt dem Willen des Gesetzgebers hinreichend Rechnung.

cc) Bei einer verständigen Würdigung des gesetzgeberischen Willens kann bei Beachtung dieser Voraussetzungen die Rechtsauffassung des Registergerichts, die offensichtlich allein auf den Wortlaut abstellt, dem Sinn und Zweck des § 2 Abs. 1a GmbHG nicht gerecht werden, weil das Registergericht die Reichweite der Regelung nicht geprüft hat, ebenso wenig wie die Konsequenzen seiner Rechtsauffassung für die praktischen Auswirkungen und die Übereinstimmung dieser Auswirkungen mit dem gesetzgeberischen Ziel der Neuregelung.

Seine die gesetzlichen Anforderungen maßlos überspannende Rechtsauffassung führt im Ergebnis zu einem Widerspruch mit der von dem Gesetzgeber mit der Gesetzesänderung beabsichtigten Vereinfachung der Unternehmensgründung (krit. zu den praktischen Vorteilen der Gründung unter Verwendung des Musterprotokolls: Heckschen, DStR 2009, 166), indem Beschränkungen aufgebaut werden, die in dem Gesetz selbst keine Grundlage haben.

dd) Die hier von dem Registergericht für die Zwischenverfügung zum Anlass genommenen Abweichungen in sprachlicher Hinsicht und bei der Gliederung, die inhaltlich aber mit den Vorgaben des Musterprotokolls korrespondieren, sind zudem in der Sache auch so unbedeutend, dass bei einer verständigen rechtlichen Beurteilung durch das Registergericht die Frage zu stellen war, ob Abweichungen, die die Teile des Musterprotokolls betreffen, die zwingend beurkundungsrechtlichen Vorgaben entsprechen müssen, wie es im Rubrum des Musterprotokolls der Fall ist, überhaupt Abweichungen i.S.d. § 2 Abs. 1a Satz 3 GmbHG darstellen (vgl. dazu Tebben, RNotZ 2008, 441; Klutzny, NotBZ 2009, 255; Wachter, ZNotP 2009, 82). Dass das Registergericht sich damit auseinandergesetzt hätte, geht aus seinen Verfügungen nicht hervor, bedarf letztlich aber auch keiner Entscheidung.

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Anmerkung der Redaktion:

Siehe hierzu den Kurzkommentar von Wachter, EWiR 2010, 19.

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