LG Frankfurt: Zur Berücksichtigung des Börsenkurses bei der Verschmelzungswertrelation („T-Online/Deutsche Telekom“)

15.07.2009

SpruchG § 1; UmwG § 15; ZPO § 287

Zur Berücksichtigung des Börsenkurses bei der Verschmelzungswertrelation („T-Online/Deutsche Telekom“)

LG Frankfurt/M., Beschl. v. 13. 3. 2009 – 3-5 O 57/06

Leitsätze des Gerichts:

1. Auch bei einer Verschmelzung innerhalb eines Konzerns können die Grundsätze einer Verschmelzung unter Gleichen angewendet werden, wenn festgestellt werden kann, dass es keinerlei Einflussnahmen der Muttergesellschaft auf die Tochtergesellschaft für die Ermittlung der Verschmelzungswertrelation gegeben hat.

2. Im Allgemeinen kann man davon ausgehen, dass bei funktionierenden Marktkräften der Börsenwert der Aktie dem Wert des damit verkörperten Unternehmensanteils entspricht, d.h. der Markt nicht bereit wäre, einen bestimmten Preis für die Aktie zu zahlen, wenn dieser dem darin verkörperten (Zukunftswert) nicht entspricht, so dass bei der Verschmelzung zweier börsennotierter Unternehmen mit Börsenhandel der Aktien ohne Marktenge für die Verschmelzungswertrelation auch auf die Börsenkurse der Unternehmen abgestellt werden kann.

3. Im Hinblick auf die Ungenauigkeiten eines (Schätz-) Werts nach der Ertragswertmethode kann bei einem funktionierenden Aktienmarkt nicht festgestellt werden, dass für die Ermittlung der Verschmelzungswertrelation hierin eine bessere Erkenntnisquelle als der Börsenkurs liegt.

4. Für die Ermittlung des Börsenkurses ist der Tag, an dem die Verschmelzungsabsicht dem Markt erstmalig bekannt wird, als Stichtag zu wählen, wenn aufgrund eines gleichzeitig veröffentlichten Übernahmeangebots und in der Folgezeit Ad-hoc-Mitteilungen zu der zu erwartenden Verschmelzungswertrelation erkennbar Auswirkungen auf die Börsenkurse der beteiligten Unternehmen haben.

5. Bei der Berücksichtigung von Börsenkursen ist nicht auf einen Stichtagskurs, sondern zur Vermeidung zufälliger oder gar gestalteter Ergebnisse auf einen gewichteten Durchschnittskurs in einem Referenzzeitraum von 3 Monate vor dem Stichtag abzustellen.

Gründe:

I. Die T. AG war ein großer Internetdiensteanbieter und früher zunächst eine 100 %ige Tochtergesellschaft der Antragsgegnerin. Die T. AG ging im April 2000 an die Börse, indem sie ihr Kapital von 1 Mrd. € auf 1,1141 Mrd. € erhöhte und die neuen Aktien am Markt bei privaten und institutionellen Investoren platzierte. Der Emissionskurs der Aktien lag bei 27 € pro Stück. In den ersten Jahren nach dem Börsengang erzielte die T. AG zunächst Verluste. Der unmittelbar nach der Emission kurzzeitig angestiegene Aktienkurs sank in der Folgezeit im Zuge des Platzens der sog. Internetblase und lag im Herbst 2004 bei unter 9 €. Erstmals im Geschäftsjahr 2004 erwirtschafte die T. AG konzernweit einen Überschuss von ca. 300 Mio. € bei einem Umsatz ca. 2 Mrd. €.

Mit einer Ad-hoc-Mitteilung vom 9.10.2004 veröffentlichte die Antragsgegnerin ihre Absicht, die Verschmelzung der T. AG auf die Antragsgegnerin durchzuführen. Dabei wird in der Mitteilung bereits darauf hingewiesen, dass die Antragsgegnerin nach einem vorläufigen Ertragswertgutachten davon ausgehe, dass das zu erwartende Umtauschverhältnis zwischen Aktien der T. AG und der Antragsgegnerin im Rahmen der Verschmelzung unter der damaligen Marktpreisrelation liegen werde. Zugleich kündigte die Antragsgegnerin ein freiwilliges Erwerbsangebot von 8,99 € je T. AG-Aktie an, was dem Kurs der T. AG-Aktie am Tag vor der Bekanntgabe entsprach. Zu diesem Zeitpunkt hielt die Antragsgegnerin ca. 73,93 % der Aktien der T. AG.

Am 8.11.2004 unterzeichneten die Vorstände beider Gesellschaften eine Grundsatzvereinbarung über die Zusammenführung der Unternehmen. Entsprechend der Ankündigung vom 9.10.2004 richtete die Antragsgegnerin am 25.11.2004 ein von der BaFin gebilligtes freiwilliges öffentliches Kaufangebot an alle außenstehenden Aktionäre der T. AG und bot den Erwerb von Aktien zum Stückpreis von 8,99 € an; als Annahmefrist war der Zeitraum vom 26.11.2004 – 4.2.2005 angegeben. Unter Ziff. 3.3 des Angebotes wies die Antragsgegnerin darauf hin, dass eine Aktualisierung der Angebotsunterlage nur im Rahmen gesetzlicher Veröffentlichungspflichten erfolgen werde; ungeachtet dessen sei aber beabsichtigt, zusätzliche Informationen über den Stand der Bewertungsarbeiten für die Ermittlung des Umtauschverhältnisses zu veröffentlichen.

Der Vorstand der T. AG nahm unter dem Datum des 3.12.2005 zum Erwerbsangebot der Antragsgegnerin Stellung; nach seiner Einschätzung war damit zu rechnen, dass der Wert der T. AG Aktie nach Beendigung der gerade erst begonnenen Bewertungsarbeiten deutlich höher als 8,99 € sei. Eine Empfehlung zur Annahme oder Nichtannahme des Erwerbsangebotes gab der Vorstand der T. AG ausdrücklich nicht ab.

Am 27.1.2005 erteilte die Antragsgegnerin die „Zusätzlichen Informationen“ zum Stand der Bewertungsarbeiten, wobei diese Informationen vorab bereits durch die Ad-hoc-Mitteilung vom 25.1.2005 veröffentlicht wurden. Darin wurde mitgeteilt, dass zwischen der D. AG und der T. AG ein gemeinsames Verständnis über die Spanne des Umtauschverhältnisses bei der geplanten Verschmelzung erzielt worden sei; danach gingen beide Unternehmen von einem Umtauschverhältnis der Aktien zwischen 0,45 und 0,55 Aktien der D. AG für je eine T. AG-Aktie aus. Zur Begründung wird in den „Zusätzlichen Informationen“ Bezug genommen auf den Stand der damaligen Bewertungsarbeiten, wobei voraussichtliche Ertragswerte von 27 € je Aktie der D. AG und 14 € je T. AG Aktie ermittelt seien.

Infolge des Angebots erhöhte die Antragsgegnerin ihren Aktienanteil an der T. AG bis Frühjahr 2005 auf mehr als 90 % der Aktien. Seit 31.12.2004 betrug das gezeichnete Kapital der T. AG 1.223.890.578 €; es war in genauso viele, auf den Namen lautende Stückaktien eingeteilt.

In Vorbereitung der Verschmelzung erstellten die T. AG und die D. AG einen gemeinsamen Verschmelzungsbericht. Nach Abschluss der Bewertungsarbeiten und des Verschmelzungsberichtes veröffentlichte die Antragsgegnerin per Ad-hoc-Mitteilung vom 8.3.2005, dass die beteiligten Unternehmen eine endgültige Vereinbarung über das Umtauschverhältnis bei der geplanten Verschmelzung getroffen hätten, wonach ein Umtauschverhältnis von 0,52 D. AG-Aktien für eine T. AG-Aktie zugrunde zu legen sei.

Am 8.3.2005 wurde der Verschmelzungsvertrag beurkundet. In diesem Vertrag wurde das Umtauschverhältnis für Aktien nicht beteiligter, außenstehender Aktionäre derart festgelegt, dass diese für 25 T.-Aktien je 13 D.-Aktien erhalten sollten. Dem lag eine Ermittlung des Unternehmens- und Anteilswertes beider Untenehmen nach der Ertragswertmethode zugrunde. Hier wurde für die T. AG zum 29.4.2005 ein Unternehmenswert von 17.998 Mio. € und ein Anteilswert von 14,71 € ermittelt. Für die D. AG wurde für diesen Stichtag ein Unternehmenswert von 118.771 Mio. € und ein Anteilswert von 28,31 € angegeben. Seit Oktober 2004 erreichten weder der Börsenkurs der T. AG noch der D. AG jemals diese in dem Verschmelzungsbericht ermittelten Anteilswerte. Unter dem 9.3.2005 erstattete der vom LG Frankfurt/M. beauftragte Verschmelzungsprüfer seinen Bericht. In diesem bestätigte er die Angemessenheit des Umtauschverhältnisses. Am 28. und 29.4.2005 fand die Hauptversammlung der T. AG statt. Diese stimmte mit einer Mehrheit von 99,46 % der abgegebenen Stimmen dem Verschmelzungsvertrag zu. Nachdem einige Aktionäre der T. AG gegen diesen Beschluss Klage erhoben hatten, leitete die T. AG das sog. Freigabeverfahren nach § 16 Abs. 3 UmwG ein. Nachdem noch das LG Darmstadt mit Beschluss vom 29.11.2005 – 12 O 491/05 (AG 2006, 127 – T-Online, dazu EWiR 2006, 57 (Krolop)) den Freigabeantrag zurückgewiesen hatte, hat das OLG Frankfurt/M. mit Beschluss vom 8.2.2006 – 12 W 185/05 (ZIP 2006, 370 (m. Bespr. Decher, S. 746) = AG 2006, 249 – T-Online/Deutsche Telekom, dazu EWiR 2006, 189 (Wilsing/Goslar)) dem Freigabeantrag stattgegeben. Nachdem der BGH mit Beschluss vom 29.5.2006 – II ZB 5/06 (ZIP 2006, 1151 (m. Bespr. Waclawik, S. 1428) = AG 2006, 540 – T-Online/Deutsche Telekom) die hiergegen eingelegten Beschwerden zurückgewiesen hatte, ist die Eintragung der Verschmelzung in das Handelsregister am 6.6.2006 erfolgt. Die letzte Bekanntmachung in den Veröffentlichungsblättern der Gesellschaften erfolgte für die T. AG am 28.6.2006 und für die Antragsgegnerin am 30.6.2006. Von der Verschmelzung waren zu diesem Zeitpunkt 9,86 % außenstehender Aktionäre der T. AG, d.h. 120.634.965 Aktien betroffen.

Die Antragsteller wenden sich gegen die Angemessenheit der Verschmelzungswertrelation.

II. Die Anträge auf Zuzahlung gem. § 1 Nr. 4 SpruchG i.V.m. § 15 UmwG sind begründet. Das im Verschmelzungsvertrag vom 8.3.2005 festgesetzte Umtauschverhältnis von 13 Aktien der D. AG für 25 Aktien der T. AG ist unangemessen und benachteiligt die (ehemaligen) Aktionäre der T. AG. Dies ist durch bare Zuzahlung an die Aktionäre der T. AG der i.H. v. 1,15 € je Aktie auszugleichen.

Nach § 15 Abs. 1 und 2 UmwG ist eine bare Zuzahlung festzusetzen, wenn das im Verschmelzungsvertrag nach § 5 Abs. 1 Nr. 3 UmwG zu vereinbarende Umtauschverhältnis zu niedrig bemessen ist. Dabei ist das Umtauschverhältnis der Anteile nicht die Relation der Verkehrswerte der einzelnen Anteile vor und nach der Verschmelzung, sondern die Relation der auf das einzelne Mitgliedschaftsrecht entfallenden Werte. Die den Anteilseignern des übertragenden Rechtsträgers zu gewährenden Anteile am übernehmenden Rechtsträger sind die Gegenleistung dafür, dass der übertragende Rechtsträger sein Vermögen als Ganzes im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf den übernehmenden Rechtsträger überträgt (§§ 2, 5 Abs. 1 Nr. 2 UmwG). Trotz des Erlöschens der übertragenden Gesellschaft geht deshalb die Beteiligung von deren Anteilseignern nicht unter, sondern setzt sich in gewandelter Form am übernehmenden Rechtsträger fort. Die Funktion des Umtauschverhältnisses ist es, für alle Mitgliedschaften die Beteiligungsquote an dem aus der Verschmelzung hervorgegangenen Rechtsträger festzustellen (vgl. OLG Stuttgart v. 8.3.2006 – 20 W 5/05, ZIP 2006, 764 (LS) = AG 2006, 420, 421 m.w.N. – Wüstenrot/Württembergische AG). Das Umtauschverhältnis ist dann angemessen, wenn der Wert der Anteile am untergegangenen übertragenden Rechtsträger dem Wert der neuen Anteile am übernehmenden Rechtsträger entspricht (vgl. BayObLGZ 2002, 400, 403 = ZIP 2003, 253 (m. Bespr. Paschos, S. 1017) m.w.N., dazu EWiR 2003, 583 (Wilhelm/Dreier)). Dabei ist als Wert der Anteile nicht der Verkehrswert des Anteils als eigenständiges Wirtschaftsgut, sondern der auf das Mitgliedschaftsrecht nach der jeweiligen Beteiligungsquote (§ 1 Abs. 2, § 8 Abs. 2 AktG) entfallende Anteil am Wert des Unternehmens als Ganzes zu verstehen. Ziel ist nicht die Bestimmung eines exakt richtigen Umtauschverhältnisses, das es als solches nicht gibt. Maßgeblich ist vielmehr, dass die erhaltenen Anteile im Wesentlichen den Wert der hingegebenen Anteile erreichen (OLG München AG 2007, 701).

Das ist im Ergebnis auch im hier zu beurteilenden Fall nicht deshalb anders, weil es um eine sog. Konzernverschmelzung einer Tochter- auf die Muttergesellschaft geht.

Die Festsetzung einer angemessenen Zuzahlung im Spruchverfahren setzt die Feststellung voraus, dass das im Verschmelzungsvertrag vereinbarte Umtauschverhältnis im dargestellten Sinne unangemessen ist. Die dafür maßgeblichen rechtlichen Faktoren hat das Gericht zu bestimmen und auf ihrer Grundlage die maßgeblichen Werte festzustellen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass es nicht möglich ist, mathematisch einen exakten oder „wahren“ Wert am Stichtag festzustellen. Jede Bewertung kann nur eine mit Unsicherheiten behaftete Schätzung und keine punktgenaue Messung sein. Wie es für jedes einzelne Unternehmen deshalb eine Bandbreite von Werten gibt, kann auch die Relation der Werte von mehreren Unternehmen nicht mathematisch exakt auf einen allein richtigen Wert festgelegt werden. Aufgabe des Gerichts ist es deshalb, unter Berücksichtigung anerkannter Methoden die Unternehmenswerte der beteiligten Unternehmen im Wege der Schätzung nach § 287 Abs. 2 ZPO zu bestimmen und davon ausgehend zu beurteilen, ob das vertraglich festgelegte Umtauschverhältnis der Anteile als angemessen zu bewerten ist.

Die Festsetzung einer angemessenen Zuzahlung im Spruchverfahren setzt somit die Feststellung voraus, dass das im Verschmelzungsvertrag vereinbarte Umtauschverhältnis im dargestellten Sinne unangemessen ist. Die Angemessenheit des Umtauschverhältnisses als solches kann nicht Gegenstand einer Beweisaufnahme durch eine sachverständige Begutachtung sein. Vielmehr hat die dafür maßgeblichen rechtlichen Faktoren (dazu oben) das Gericht zu bestimmen und auf ihrer Grundlage die maßgeblichen Unternehmenswerte festzustellen (BayObLG AG 2002, 390; OLG Stuttgart ZIP 2006, 764 (LS) = AG 2006, 420).

Das bedeutet weder, dass das Gericht in jedem Fall eine völlige und eigenständige Neubewertung durchführen muss (so aber im Grundsatz Lutter/Drygala, UmwG, 3. Aufl., 2004, § 10 Rz. 20 f. unter der Voraussetzung konkreter Angriffe der Antragsteller), noch muss dazu zwingend ein Sachverständiger hinzugezogen (BayObLGZ 2002, 400, 404 = ZIP 2003, 253) oder die Beweisaufnahme ohne Weiteres auf sämtliche tatsächlichen Detailfragen der Unternehmensbewertung erstreckt werden (OLG Stuttgart AG 2006, 420, 423; BayObLG AG 2006, 41). Das Gesetz verlangt weder materiell (§ 15 UmwG) noch verfahrensrechtlich nach einer Neubewertung der an der Verschmelzung beteiligten Unternehmen in jeder Hinsicht, sondern die Beantwortung der Rechtsfrage, ob das Umtauschverhältnis angemessen oder zu niedrig, also unangemessen ist. Bei der Feststellung und Bewertung der erforderlichen Tatsachen, aus denen sich das Umtauschverhältnis ergibt, hat sich das Gericht der ihm nach der Verfahrensordnung zur Verfügung stehenden Erkenntnismöglichkeiten zu bedienen, soweit das nach den Umständen des zu entscheidenden Falles geboten ist. Soweit zu umstrittenen Bewertungsfaktoren Tatsachenfeststellungen erforderlich sind, entscheidet das Gericht über Notwendigkeit, Art und Umfang einer Beweisaufnahme nach pflichtgemäßem Ermessen; hier ist außerdem § 287 Abs. 2 ZPO auch im Hinblick darauf anwendbar, dass jede Bewertung naturgemäß eine mit Unsicherheiten behaftete Schätzung – wobei zudem § 738 BGB als Grundnorm der Unternehmensbewertung selbst von Schätzung spricht – und keine punktgenaue Messung sein kann und dass deshalb Aufwand, Kosten und Dauer des Verfahrens in einem angemessenen Verhältnis zum Erkenntnisgewinn liegen müssen (OLG Stuttgart AG 2006, 420, 423 m.w.N.). Das Gericht kann im Spruchverfahren nach pflichtgemäßem Ermessen und insbesondere nach Maßgabe des § 287 Abs. 2 ZPO auch auf sonstige Erkenntnismöglichkeiten zurückgreifen, so insbesondere auf den Verschmelzungsvertrag und -bericht oder den Verschmelzungsprüfungsbericht (vgl. OLG Düsseldorf v. 14.1.2004, AG 2004, 614 = NZG 2004, 429, 430) sowie auf die sonstigen Umstände des Verschmelzungsverfahrens, das zu dem im Verschmelzungsvertrag festgelegten Umtauschverhältnis geführt hat.

Bei der Verschmelzung voneinander unabhängiger Aktiengesellschaften führt das vom UmwG vorgesehene Verfahren einer Vertragsverhandlung durch die jeweiligen Vertretungsorgane, deren Ergebnis nicht nur einer zusätzlichen Prüfung durch den gerichtlich bestellten Verschmelzungsprüfer unterliegt, sondern auch von den jeweiligen Anteilseignern der zu verschmelzenden Gesellschaften mit qualifizierter Mehrheit gebilligt werden muss, zu einer erhöhten Gewähr für ein „richtiges“ und damit angemessenes Ergebnis. Das Umtauschverhältnis ist im Verschmelzungsvertrag festzusetzen, §§ 4, 5 Abs. 1 Nr. 3 UmwG. Es ist danach Gegenstand und vor allem Ergebnis der Verhandlungen über die Verschmelzung, die die jeweiligen Vorstände im Rahmen ihrer Geschäftsführungs- und Vertretungskompetenz führen. Dem Gesetz liegt also für die Verschmelzung ein Vertrags- oder Verhandlungsmodell zugrunde. Die Verhandlungssituation, in der sich die für den Vertragsschluss zuständigen Unternehmensvertreter befinden, und die Billigung durch die jeweiligen Hauptversammlungen mit einer großen Mehrheit, die nicht vom Eigeninteresse eines Mehrheitsaktionärs, sondern von gleichgerichteten Interessen von Klein- und Großaktionären bestimmt ist, bietet daher eine gewisse Gewähr für ein angemessenes Umtauschverhältnis (OLG Stuttgart AG 2006, 420, 423 m.w.N.). Die verhandlungsführenden Vorstände haben bei der Einigung auf die Verschmelzung pflichtgemäß zudem ein angemessenes Umtauschverhältnis zu vereinbaren (Wiedemann, ZGR 1978, 477, 490; Mertens, AG 1990, 20, 25 f.; Decher, in: Festschrift Wiedemann, 2002, S. 789, 804). Eine unangemessene Wertrelation darf also nicht vereinbart werden. Schon das muss im Grundsatz zu einem angemessenen „Preis“ für die Fusion führen (vgl. OLG Stuttgart AG 2006, 420, 423 m.w.N.). Dieser Pflicht zur Förderung und Wahrung der Interessen ihrer jeweiligen Gesellschafter kommen die Verhandlungspartner auch nach, wenn sie sich entweder darauf verständigen, ein neutrales Gutachten eines außenstehenden Sachverständigen zu akzeptieren (vgl. Mertens, AG 1990, 2, 26), oder wenn sie, bei einer Fusion bislang unabhängiger Unternehmen besonders nahe liegend und auch üblich, zwei ihrerseits voneinander unabhängige Beratungsunternehmen in der Weise in den Verhandlungsmechanismus einbeziehen, dass sie diese getrennt mit der Erstellung eines gemeinschaftlichen Gutachtens beauftragen; die damit gleichwertige Vertretung der jeweiligen Interessen führt auch zu einer Einigung auf ein beidseits angemessenes Ergebnis (vgl. Philipp, AG 1998, 264, 272; Nonnenmacher, AG 1982, 153). Auch in einer solchen gemeinsamen, durch die gegenläufigen Interessen geprägten Beherrschung des Bewertungsverfahrens liegt schon ein Regulativ (Günther, AG 1968, 98, 102). Das so gewonnene und im Bericht dokumentierte Verhandlungsergebnis unterliegt zudem der Prüfung durch den gerichtlich bestellten Verschmelzungsprüfer (§§ 9 ff. UmwG). Sie ist wie der Verschmelzungsbericht ebenfalls ein Instrument des präventiven Aktionärsschutzes und erstreckt sich auf eine Prüfung der Plausibilität der Annahmen und Festsetzungen im Verschmelzungsbericht, insbesondere auch zur Frage des Umtauschverhältnisses. Diese Umstände ergeben nicht nur eine erhöhte Richtigkeits- (besser: Angemessenheits-)gewähr, sondern sprechen auch dafür, dass das Gericht nicht ohne Weiteres sein Angemessenheitsurteil an die Stelle der vertragsautonom ermittelten Festsetzung und Bewertung der beteiligten Organe und Aktionäre setzen kann.

Eine erhebliche Zuzahlung verändert die ausgehandelten Ausgangsbedingungen für eine Seite wesentlich, die Konsequenzen sind bei der ausgehandelten Fusion für die davon betroffene Seite erheblich einschneidender als in einer Konzernsituation, in der zwar formal auch sämtliche Anteilseigner des übertragenden Rechtsträgers zuzahlungsberechtigt sind, im wirtschaftlichen Ergebnis ein Ausgleich aber nur den Minderheitsaktionären zugute kommt.

Deshalb kann die Aufgabe der gerichtlichen Prüfung des Umtauschverhältnisses im Spruchverfahren, das der Gesetzgeber auch für die Verschmelzung wirtschaftlich und rechtlich unverbundener Unternehmer vorgesehen hat, in einem solchen Fall nicht eine eigenständige Bewertung durch das Gericht zur Simulation einer Verhandlung zwischen außenstehenden Aktionären und übernehmender Gesellschaft sein, sondern eine Nachprüfung des Ergebnisses der tatsächlich geführten Verhandlung unter den Verschmelzungspartnern (OLG Stuttgart ZIP 2006, 764 (LS) = AG 2006, 420).

Daraus folgt, dass das Umtauschverhältnis nur einer Prüfung unterliegt, die insoweit eingeschränkt ist, als sie Wertungen und Entscheidungen, auf denen die Festlegung des Umtauschverhältnisses beruht, weitgehend akzeptiert. Es unterliegen die einzelnen Faktoren der Berechnung jedoch nach ihrem Charakter und ihrer Bedeutung für die Wertfestsetzung einer unterschiedlichen Prüfung. Das Gericht hat die maßgeblichen rechtlichen Faktoren für die Bewertung eigenständig zu bestimmen, so beispielsweise die generelle Frage nach einer Berücksichtigungsfähigkeit von Synergieeffekten, die Relevanz des Börsenkurses aus einfach- und verfassungsrechtlicher Sicht oder die Frage nach dem geltenden Steuerrecht.

Diese vom OLG Stuttgart in seinem Beschluss vom 8.3.2006 – 20 W 5/05 (ZIP 2006, 764 (LS) = AG 2006, 420) herausgearbeiteten und von der Kammer für zutreffend gehaltenen Grundsätze bei der Verschmelzung von zunächst unabhängigen Gesellschaften sind auch auf die hier streitgegenständliche Verschmelzung von T. AG und D. AG anzuwenden, obwohl die T. AG schon zuvor in den Konzern der D. AG eingebunden war, mithin es sich nicht um zwei unabhängige Gesellschaften gehandelt hat.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass die handelnden Beteiligten sich in der Weise verhalten haben, als ob es sich um eine Verschmelzung zwischen bislang unabhängigen Gesellschafen handeln würde. Dies ergibt sich sowohl aus den Aussagen der von der Kammer in der mündlichen Verhandlung vom 12.2.2008 vernommenen Zeugen als auch aus der von der Kammer eingeholten ergänzenden Stellungnahme des Verschmelzungsprüfers vom 22.9.2008, die dieser im Rahmen seiner Anhörung auch noch einmal – insoweit im Protokoll nicht ausdrücklich enthalten – bestätigt hat.

Hier spricht zunächst nichts zu Lasten der Aktionäre der T. AG, dass ggf. nur anlässlich der vorliegenden Verschmelzung für die konkrete Planungsphase ein 10-Jahres-Planungszeitraum zugrunde gelegt wurde, während eine derartig Planungsdauer ansonsten bei der Antragsgegnerin ggf. nicht angesetzt wurde. (Wird ausgeführt.)

Eine Zuzahlung nach § 15 UmwG war jedoch aufgrund der Börsenkurse der beteiligten Unternehmen festzusetzen. Umstritten ist, ob der Börsenkurs auch bei der Verschmelzung für die Bestimmung der Verschmelzungswertrelation maßgeblich ist (vgl. Hüffer, AktG, 8. Aufl., § 305 Rz. 24j, k m.w.N. zum Meinungsstand). Sind beide Unternehmen börsennotiert, ist jedoch entgegen der Auffassung des OLG Stuttgart (ZIP 2007, 1951 (LS) = AG 2007, 705 m.w.N. – Kuka AG) auch bei der Verschmelzung der Börsenkurs der beteiligten Unternehmen von Bedeutung, zumal für den Kleinanleger sich der Wert seiner Beteiligung am Untenehmen überwiegend am Börsenkurs orientiert. Nach Ansicht der Kammer wird künftig ohnehin im Rahmen der Ermittlung von Unternehmens- und Anteilswerten im Rahmen von Spruchverfahren dem Börsenkurs eine höhere Bedeutung zukommen müssen, als es bisher in der Rechtsprechung stattgefunden hat (s. hierzu auch Entschließung des DJT 2008).

Im Gegensatz zu fundamentalanalytisch gewonnenen Bewertungen durch Sachverständigengutachten aufgrund betriebswirtschaftlicher Methoden stellen die Börsenkurse das Ergebnis eines tatsächlich stattfindenden Preisbildungsprozesses am Markt dar und beruhen auf einer Beurteilung des Unternehmens durch die Anleger aufgrund der diesen bekannten oder zumindest allgemein zugänglichen Unternehmensdaten und sonstiger für den Markt relevanten Informationen. Da auch das Ergebnis einer fundamentalanalytischen Bewertung letztendlich nichts anderes als eine Schätzung des Unternehmenswertes darstellt, ergibt sich, dass der Börsenkurs der Wertermittlung aufgrund betriebswirtschaftlicher Methoden jedenfalls nicht unterlegen ist (vgl. Veil, in: Spindler/Stilz, AktG, § 305 Rz. 51; Tonner, in: Festschrift K. Schmidt, S. 1581, 1589; krit.: Großfeld, a.a.O., S. 310 ff.), zumal für den (Klein-)Anleger sich der Börsenwert als der Wert seiner konkreten Anlage im Regelfall darstellt (vgl. Luttermann, ZIP 1999, 45, 49; Tonner, a.a.O., S. 1587). Es kann – insbesondere im Licht der gegenwärtigen wirtschaftlichen Entwicklung, die in keinem der Kammer bekannten Gutachten oder Prüfbericht über die Bewertung eines Unternehmens, insbesondere von Banken, die bei Verfahren vor der Kammer häufig Streitgegenstand sind, in irgend einer Weise in den letzten Jahren vorausgesehen oder berücksichtigt worden ist – nicht festgestellt werden, dass die hier in allen Fällen vorgenommene betriebswirtschaftliche Unternehmens- und Anteilsbewertung über den Ertragswert zu besseren oder genaueren Ergebnissen gelangt als die marktwirtschaftliche Bewertung eines Unternehmensanteils über den Börsenkurs. Im Allgemeinen wird man davon ausgehen müssen, dass bei funktionierenden Marktkräften der Börsenwert der Aktie dem Wert des damit verkörpern Unternehmensanteils entspricht. d.h. der Markt nicht bereit wäre, einen bestimmten Preis für die Aktie zu zahlen, wenn dieser dem darin verkörperten (Zukunfts-)Wert nicht entspricht.

Eine Schlechterstellung der (Minderheits-)Aktionäre ist damit nicht verbunden, denn alle betriebswirtschaftlichen Bewertungsmethoden beschäftigen sich auch nur damit, auf möglichst gesicherter Basis theoretisch den wirklichen Marktwert zu ermitteln bzw. die interessengerechten Grenzpreise. Die Widerlegung mittels einer anderen Bewertungsmethode würde im Übrigen voraussetzen, dass die andere Bewertungsmethode, z.B. die üblicherweise angewandte Ertragswertmethode, für eine höhere Richtigkeitsgewähr stünde und damit der Preisbildung am Markt überlegen wäre. Dass die Ertragswertmethode ein realitätsgerechteres Ergebnis hervorbringen würde, kann aber nicht angenommen werden, weil sie mit Schätzungen und Plausibilisierungen arbeitet (vgl. OLG Frankfurt/M., Beschl. v. 9.12.2008 – WpÜG 2/08, ZIP 2009, 74 = NZG 2009, 74 – Deutsche Hypothekenbank, dazu EWiR 2009, 93 (Wilsing/Ogorek); Tonner, a.a.O., S. 1590). Bei dieser – auch im vorliegenden Fall von den Vertragsparteien zur Ermittlung der Verschmelzungswertrelation verwandten – Methode werden die bilanzrechtlich ermittelten künftigen ausschüttbaren Ertragsüberschüsse auf den maßgeblichen Stichtag abgezinst (vgl. Großfeld, a.a.O., S. 69). Das Gesetz schreibt das Ertragswertverfahren als Bewertungsmethode aber nicht vor. Es gibt keinen „richtigen“ objektiven Unternehmenswert an sich. Darstellbar ist nur eine Bandbreite vertretbarer Bewertungen, gewissermaßen ein Zielkorridor, der bei zutreffenden realen Unternehmensdaten konsistente Bewertungsergebnisse enthält. Bewerten bedeutet auch vergleichen. Am Markt bekannte Preise für Unternehmen lassen sich nur dann auf das zu bewertende Unternehmen übertragen, wenn diese dem zu bewertenden Unternehmen möglichst vergleichbar sind. Die zu diskontierenden Zahlungsströme sind Erwartungswerte (vgl. Ballwieser, WPg 2008, 102, 103).

Die Ertragswertmethode gibt zwar ein (komplexes) mathematisches Modell vor, doch wird hier angesichts der Ungenauigkeiten und des wissenschaftlichen Streits zu den einzelnen Abzinsungsparametern mit einer Scheingenauigkeit gearbeitet, die sie gegenüber der kapitalmarktorientierten Ermittlung des Wertes eines Unternehmens(anteils) nicht überlegen macht.

Die erste Ungenauigkeit liegt zunächst darin, dass in der Regel die Prognosen künftiger Erträge ein Ergebnis der jeweiligen unternehmerischen Entscheidung der für die Geschäftsführung verantwortlichen Personen sind. Diese Entscheidungen haben zwar auf zutreffenden Informationen und daran orientierten, realistischen Annahmen aufzubauen; sie dürfen zudem nicht in sich widersprüchlich sein. Kann die Geschäftsführung auf dieser Grundlage vernünftigerweise annehmen, ihre Planung sei realistisch, kann diese Planung nicht durch andere – letztlich ebenfalls nur vertretbare – Annahmen des Gerichts oder anderer Verfahrensbeteiligter ersetzt werden (vgl. Kammerbeschl. v. 13.11.2007 – 3-5 O 174/04 m.w.N.). Problematisch ist dabei auch, inwieweit letztlich im Spruchverfahren überhaupt die tatsächliche Entwicklung nach dem Stichtag zur Frage der Plausibilität der Planung herangezogen werden kann (vgl. BayObLG AG 2002, 390; LG Dortmund AG 1998, 142 – Sinalco, dazu EWiR 1997, 679 (Schulze-Osterloh); Großfeld, a.a.O., S. 77).

Bei der Bewertung nach dem Ertragswertverfahren wird weiter überwiegend auf einen vom IDW – einer privaten Organisation der Wirtschaftsprüfer, dort der Facharbeitskreis Unternehmensbewertung (FAUB, früher AKU) – entwickelten Standard Bezug genommen. Selbst wenn man die Bedenken dagegen hintanstehen lässt, dass trotz der kritischen Diskussion in der Betriebswirtschaftslehre diese Organisation festlegt, was der aktuelle Standard der zutreffenden Unternehmensbewertung sein soll, wurde dieser Standard (IDW S1) in den letzten Jahre doch mehrfach abgeändert (S1 2000, S1 Oktober 2005, S1 April 2008), wobei jeweils zuvor Entwürfe vorgestellt wurden, die in Fachkreisen diskutiert wurden, was teilweise zu Änderungen in den endgültig verabschiedeten Standards geführt hat. Hier stellt sich in allen Fällen die Frage, inwieweit eine Änderung des Standards, die nach dem Stichtag der Bewertung erfolgte, im späteren gerichtlichen Verfahren Anwendung finden soll. Die Gerichte haben die Frage bisher unterschiedlich beantwortet, eine einheitliche Linie fehlt (vgl. hierzu OLG Stuttgart ZIP 2007, 1320 (LS) = NZG 2007, 112, 116; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 16.7.2008 – 12 W 16/02, ZIP 2008, 625 (LS) = BeckRS 2008, 18939 – Rheinelektra/Lahmeyer, jew. m.w.N.) Auch die Literatur ist hier gespalten (vgl. hierzu Bungert, WPg 2008, 811; Hüttemann, WPg 2008, 822; Wagner/Saur/Willershausen, WPg 2008, 731; Großfeld, a.a.O., S. 49 ff., jew. m.w.N. zur Rechtsprechung und Literatur). In vielen Fällen führt aber die Anwendung der verschiedenen Standards bei gleichem prognostizierten Ertrag zu nicht unbeträchtlich unterschiedlichen Unternehmens- und Anteilswerten. Wenn die Frage der Anwendung eines bestimmten Standards auch letztlich eine Rechtsfrage ist, die von den Gerichten zu beantworten ist, zeigt dies dennoch, dass hier eine gewisse Beliebigkeit der Bewertung innewohnt.

In der betriebswirtschaftlichen Literatur ist auch die Frage, ob mit oder ohne persönliche Ertragsteuern zu rechnen ist, im Streit (vgl. hierzu OLG Stuttgart, Beschl. v. 19.3.2008 – 20 W 3/06, ZIP 2008, 2020 = BeckRS 2008, 12675; Großfeld/Merkelbach, NZG 2008, 241, 245, jew. m.w.N.). Zwar wird nach allen Standards IDW S1 bei aktienrechtlichen Strukturmaßnahmen die sog. Nachsteuerbetrachtung vorgenommen, d.h. persönliche Ertragsteuern werden berücksichtigt, doch ist dies in der Literatur und neueren Rechtsprechung nicht unumstritten (vgl. Jonas, WPg 2008, 826; Großfeld, a.a.O., S. 109 ff.), zumal es sich bei der Berücksichtigung der persönlichen Ertragsteuern um eine weitgehend nur in Deutschland verwandte Methode handelt, während ansonsten im internationalen Bereich dies weit überwiegend nicht berücksichtigt wird (vgl. Nicklas, Vergleich nationaler und internationaler Standards der Unternehmensbewertung, Diss. Chemnitz 2008, S. 96 ff.; Barthel, DStR 2007, 83, jew. m.w.N.). Selbst wenn man die Berücksichtigung persönlicher Ertragsteuern aufgrund der besonderen deutschen Verhältnisse für grundsätzlich angemessen halten würde, ist jedoch fraglich, ob der aufgrund einer über 10 Jahre alten Ermittlung, deren Empirie unklar ist (vgl. Großfeld, a.a.O., S. 113 m.w.N.), angesetzte pauschalierte Steuersatz von 35 % (vgl. hierzu im Einzelnen Kammerbeschl. v. 13.11.2007 – 3-5 O 174/04, BeckRS 2008, 19899; WP-Handbuch 2008, Bd. II, S. 69 ff.) überhaupt noch der steuerlichen Wirklichkeit entspricht, nachdem in diesem Zeitraum mehrfach sich die Steuersätze und die Besteuerungsansätze von Erträgen aus gesellschaftlichen Kapitalbeteiligungen geändert haben (Anrechnungsverfahren, Halbeinkünfteverfahren, Anrechnungssteuer mit Besteuerung von Kursgewinnen in allen Fällen – hierzu auch OLG Stuttgart ZIP 2008, 2020 = BeckRS 2008, 12675; Wegener, DStR 2008, 935; Zeidler/Schöniger/Tschöpel, FB 2008, 276, jew. m.w.N.). Noch problematischer sind die Fragen zur Kapitalisierung (hierzu ausführlich: Munkert, Der Kapitalisierungszins in der Unternehmensbewertung; Großfeld, a.a.O., S. 145 ff.).

Fraglich ist zunächst, ob es gerechtfertigt ist, die Marktzinssätze und Marktrenditen zum Stichtag der Hauptversammlung anzusetzen oder bei nicht zeitnaher Abfindung bzw. Ausgleichs-/Zuzahlung auf den Zeitpunkt des Zuflusses beim Aktionär (vgl. hierzu Schwetzler, WPg 2008, 890; Schwetzler, FB 2008, 30). Das Gesetz spricht bei der Normierung des Stichtagsprinzips nur von den Verhältnissen der Gesellschaft, wozu jedoch die Parameter der Abzinsung nicht gehören. Selbst wenn aus theoretisch-ökonomischer Sicht viel dafür spricht, dass dies geboten sein könne, dürften dem jedoch erhebliche praktische Schwierigkeiten entgegenstehen. Zunächst müsste dabei das Problem gelöst werden, dass es im Regelfall zwei Zeitpunkte gibt, nämlich einmal die Zahlung, die aufgrund des Hauptversammlungsbeschlusses und der folgenden Eintragung in das Handelsregister geleistet wird, und die Zahlung, die nach Durchführung eines Spruchverfahrens und der Festlegung einer Erhöhung durch das Spruchgericht erfolgt. Im Spruchverfahren und der sich anschließenden Zahlung geht es regelmäßig nur noch um Zuzahlungen, da die von der Hauptversammlung beschlossene Abfindungszahlung der Höhe nach in fast allen Fällen vor Beginn oder kurz nach der Einleitung eines Spruchverfahrens an die betroffenen Aktionäre erfolgt. Hier wäre dann für die Zahlung auf diesen Zeitpunkt abzustellen, während für die Zuzahlung auf den oft Jahre späteren Zahlungszeitpunkt abzustellen wäre.

Unklar ist auch, wie das Problem gelöst werden soll, wenn zwischen dem Beschluss der Hauptversammlung, in der die Abfindung und damit auch die (aktuellen) Kapitalisierungsparameter erläutert werden, und der Eintragung und damit Wirksamkeit der Maßnahme ein beträchtlicher Zeitablauf liegt, der selbst bei Durchführung von Freigabeverfahren in der Regel mindestens 6 – 8 Monate, oft sogar noch darüber hinaus betragen kann. Gerade die aktuelle Situation zeigt, dass sich bereits in einem derartigen Zeitraum die Marktrenditen und Marktzinssätze beträchtlich ändern können.

Auch für den (zweiten) Zeitpunkt der Zahlung aufgrund der Festlegung durch das Spruchgericht ergeben sich praktische Schwierigkeiten. Da die Entscheidung des Spruchgerichts für die Minderheitsaktionäre keinen unmittelbaren Zahlungstitel darstellt, wie § 16 SpruchG zeigt, kann das Spruchgericht bei seiner Entscheidung noch nicht feststellen, wann die Zahlungspflicht besteht. Selbst wenn man dies ignorieren sollte, bleibt unklar, auf welchen Zeitpunkt das Spruchgericht bei seiner Entscheidung abstellen soll.

Daneben sind weiter alle Parameter des Zinssatzes problematisch und in der betriebswirtschaftlichen Literatur im Streit (vgl. hierzu Reuter, AG 2007, 1; Jonas, WPg 2007, 835; Widmann/Schieszl/Jeromin, FB 2003, 800, jew. m.w.N.).

Am einfachsten verhält es sich noch mit dem sog. Basiszins, der nach der Empfehlung des Arbeitskreises Unternehmensbewertung des Instituts der Wirtschaftsprüfer – AKU (IDW-Fachnachrichten 2005, 555; s.a. Kniest, Bewertungspraktiker Beilage FB Oktober – Dezember 2005, S. 9 ff.; krit. hierzu: Obermaier, FB 2008, 493; Reese/Wiese, ZBB 2007, 38) und der in der Rechtsprechung häufig akzeptierten, aber letztlich nicht einhellig angenommenen Methode (vgl. hierzu OLG Stuttgart ZIP 2007, 1320 (LS) = AG 2007, 128 m.w.N.; Kammerbeschl. v. 2.5.2006 – 3-5 O 153/04, AG 2007, 42; Großfeld, a.a.O., S. 160) mittels täglich veröffentlichter Daten der Bundesbank zur Zinsstrukturkurve ermittelt werden soll (krit. hierzu: Knoll, WiSt 2006, 525 m.w.N.). Abgesehen davon, dass schon fraglich ist, inwieweit die hierbei gemachte theoretische Annahme einer abschätzbaren Zinsstruktur auf die weite Zukunft möglich ist, bleibt jedenfalls unklar, ob nur die Daten des konkreten Stichtags anzusetzen sind, oder eine Durchschnittsbildung über einen gewissen Zeitraum vorher sachgerecht wäre (vgl. hierzu auch Großfeld/Merkelbach, NZG 2008, 241, 243), wobei hier nach den Beobachtungen der Kammer in Gutachten und Prüfberichten (überwiegend ohne Offenlegung) drei Monatsdatensätze, teilweise 90 Tagesdaten angesetzt werden, teilweise aber auch nur bis zu 74 Datensätze, da die Bundesbank an Samstagen und Sonntagen keine Daten veröffentlicht. Allein diese Diskrepanz hat schon in Verfahren vor der Kammer zu Abweichungen von bis zu 0,2 % geführt, was ggf. auch Auswirkungen auf die dann entsprechend der Empfehlung der AKU (jetzt FAUB, IDW Fachnachrichten 2006, 581) vorzunehmenden Rundungen (zur Problematik: Kammer AG 2007, 42; Großfeld/Merkelbach, NZG 2008, 241, 243) hat und zu nicht unerheblichen Änderungen des Abzinsungsfaktors führt.

Am problematischsten und am umstrittensten ist die Ermittlung des sog. Risikozuschlags, der sich nach den Standards S1 aus der sog. Marktrisikoprämie und einem unternehmensindividuellen sog. Beta-Faktor ergeben soll (CAPM bzw. Tax-CAPM). Bei der Ermittlung der Marktrisikoprämie wird versucht, aus den Verhältnissen am Aktienmarkt die von den Anlegern geforderte Überrendite gegenüber sicheren Gläubigerpapieren abzuleiten, betrachtet also im Marktprozess realisierte Bewertungsergebnisse ohne Rekurs auf individuelle Risikopräferenzen (vgl. Stehle, WPg 2004, 906).

Groß und in gewisser Weise beliebig ist die Zahl der dabei auftretenden Freiräume. Zunächst kann diese Prämie auf der Basis historischer Kurse oder aktueller Markterwartungen ermittelt werden. In der vorwiegend angewandten ersten Alternative kann es über die Festlegung eines bestimmten Untersuchungszeitraums und der verglichenen Indizes, der (Nicht-)Berücksichtigung von Performancekomponenten und steuerlichen Aspekten sowie die Frage der Methode rechnerischer Mittelung (arithmetisch oder geometrisch) zu erheblichen Unterschieden in der ermittelten Prämie kommen (vgl. z.B. OLG Stuttgart ZIP 2007, 1320 (LS) = NZG 2007, 112, 117; Knoll, DStR 2007, 1053; Knoll, ZSteu 2006, 463; Großfeld, a.a.O., S. 173 ff., jew. m.w.N. zum Streitstand).

Einzelne Gerichte haben daher einen pauschalen Zuschlag (vgl. BayObLG NZG 2006, 156, 159; OLG München AG 2007, 411; OLG München ZIP 2007, 2221 (LS) = AG 2008, 37, dazu EWiR 2007, 613 (Luttermann); LG Dortmund ZIP 2007, 2029 (m. Bespr. Wittgens/Redeke, S. 2015) = AG 2007, 792 – Grohe) für angemessen erachtet, während die Kammer – jedenfalls in Fällen der Ermittlung der Abfindung beim Ausschluss von Minderheitsaktionären nach § 327a AktG – hier den Risikozuschlag mit einer Modifizierung des sog. dividend discount models zu erfassen versucht hat (vgl. z.B. Kammer BeckRS 2008, 19899; Kammerbeschl. v. 13.6.2006 – 3-5 O 110/04, NZG 2006, 868). Dabei ist sich die Kammer bewusst, dass sie herbei selbst auf Kapitalmarktdaten abstellt, was in gewisser Weise den Anschein eines Zirkelschlusses erweckt (näher hierzu Kammer BeckRS 2008, 19899; zur Kritik z.B. WP-Handbuch 2008, Bd. II, S. 171 f.; vgl. grundsätzlich hierzu auch Ballwieser, Unternehmensbewertung, 2. Aufl., S. 101 f.; Großfeld, a.a.O., S. 262 f.).

Für die Marktrisikoprämie gelangen daher die zahlreich vorliegenden Studien zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen. Diese hängen – abgesehen von dem untersuchten Wirtschaftsraum – u.a. davon ab, welcher Zeitraum für den Renditevergleich gewählt und auf welche Art der Mittelwert gebildet wird (vgl. Ballwieser, a.a.O., S. 95 ff. m.w.N.). Es ergibt sich ein „vielfältiges Bild“ und eine beträchtliche Streubreite der ermittelten Marktrisikoprämien (vgl. Drukarczyk/Schüler, Unternehmensbewertung, 5. Aufl., S. 254 – 7 Studien, MRP 2,66 % – 8,2 %; Ballwieser, a.a.O., S. 97 – 12 Studien, MRP 1,2 % – 10,4 %). Den Zweifeln daran, ob die in der Vergangenheit beobachteten Marktrisikoprämien auch in Zukunft erzielt werden können, soll durch einen (nicht näher begründeten) pauschalen Abschlag von 1 – 1,5 % von der Nach-Steuer-Risikoprämie Rechnung getragen werden (vgl. Drukarczyk/Schüler, a.a.O., S. 257). Der Arbeitskreis Unternehmensbewertung des IDW (FAUB/AKU) hat zunächst eine Marktrisikoprämie von 4 % – 6 % (vor Steuern) empfohlen. Nunmehr sieht er eine Marktrisikoprämie vor Steuern von 4 % – 5 % als sachgerecht an, die für Bewertungsstichtage nach dem 31.12.2004 herangezogen werden soll (vgl. Drukarczyk/Schüler, a.a.O., S. 257; Wagner/ Jonas/Ballwieser/Tschöpel, WPg 2006, 1005, 1019; Ballwieser/ Kruschwitz/Löffler, WPg 2007, 765, 768).

Dem weiteren Element des Risikozuschlags, dem Beta-Faktor, kommt ebenfalls eine erhebliche Hebelwirkung zu (vgl. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 7.5.2008 – 26 W 16/06 AktE, BeckRS 2008, 17151), da mit ihm die angenommene Marktrisikoprämie multipliziert wird. Dabei drückt der Betafaktor die zukünftige Korrelation der Renditeschwankung der Aktie des zu bewertenden Unternehmens zur Marktrenditeschwankung aus. Wenn das Risiko der Anlage in dem konkret zu bewertenden Unternehmen dem Marktdurchschnitt entspricht, ist der Betafaktor 1. Ist das Risiko geringer, so liegt er unter 1, und wenn das Risiko größer ist, so liegt er über 1 (Großfeld, a.a.O., S. 210 ff.). Als Anhaltspunkt für das Risiko einer Geldanlage in einem börsennotierten Unternehmen dient die Volatilität der Aktie, wobei die Marktvolatilität das Durchschnittsrisiko aller Unternehmen im jeweiligen Index ist (Betafaktor = 1). Schwankt die Aktie über dem Durchschnitt der Marktvolatilität in dem Index, so liegt der Betafaktor über 1.

Hier sind die Beliebigkeiten noch deutlicher, insbesondere bei faktischen und Vertragskonzernen (vgl. hierzu Brüchle/Erhardt/Nowak, ZfB 2008, 455). Auch die Ermittlung des Beta-Faktors unterliegt, wie gerade der vorliegende Fall zeigt, beträchtlichen Ermessensspielräumen (vgl. Großfeld, a.a.O., S. 212; Großfeld/Stöver, BB 2004, 2799). Denn er kann insbesondere durch die Wahl der Messperiode (z.B. 250 Tage, 52 Wochen, 60 Monate), des Intervalls zur Bestimmung der Rendite (Tages-, Wochen- oder Monatsrendite) und des Vergleichsindex in erheblichem Maße beeinflusst werden.

Schon die bloße Wahl der Dauer der Messperiode und der Indices führt zu nicht unerheblichen Veränderungen, wie das vom Antragsteller eingeholte Gutachten IVC vom 22.8.2007 sowie die von der Kammer eingeholte Stellungnahme des Verschmelzungsprüfers vom 22.9.2008 zeigen. Abhängig von Beobachtungszeitraum und Index sind hier von IVC Beta-Verhältnisse von T. AG und D. AG zwischen 72,8 % und 165,2 % ermittelt worden. Mit den vorliegenden Zahlen könnten folglich ausgehend von der im Verschmelzungsbericht angesetzten Marktrisikoprämie von 5,5 % für die T. AG Risikozuschläge zwischen 3,35 % und 5,66 % und für die D. AG (bei gleichen Beobachtungsparametern) von 5,5 % und 4,12 % begründet werden. Auch nach der Ermittlung des Verschmelzungsprüfers ändern sich die Verhältnisse der Betafaktoren abhängig vom gewählten Beobachtungszeitraum. Auch hier ausgehend von einer Marktrisikoprämie von 5,5 % ergeben sich bei gleichen Beobachtungszeiträumen mit Index DAX und wöchentlicher Periodizität Risikozuschläge für die T. AG von 4,51 % bis 6,10 % und für die D. AG von 4,01 % bis 4,73 %.

Für die verschiedenen Erhebungszeiträume können jeweils durchaus nachvollziehbare sachliche Gründe angeführt werden, obwohl nach Kenntnis der Kammer keine wissenschaftlichen Studien über die Angemessenheit des Zeitraums verfügbar sind. Für den bei der Bewertung herangezogenen längeren Zeitraum von 30.4.2000 bis 30.9.2004 könnte sprechen, dass durch umfangreicheres Datenmaterial stabilere Werte ermittelt werden können. Die geschilderten Betafaktoren sind jedoch Vergangenheit. Die Unternehmensbewertung zielt aber auf Zukunft; das gilt ebenfalls für den Betafaktor. Daher zählen an sich die künftige Marktrendite und die künftigen Volatilitäten, was für einen kürzeren Beobachtungszeitraum sprechen könnte (vgl. Großfeld, a.a.O., S. 212 ff.).

Durch seine Entscheidung, welche Ausgangsdaten er für die Ermittlung des Beta-Faktors im konkreten Fall für sachgerecht erachtet, nimmt der Bewerter folglich zugleich Einfluss auf das Ergebnis, so dass letztlich auch hier die Bestimmung des Risikozuschlags von seinem sachverständigen (beliebigen) Ermessen abhängt. (vgl. OLG München, Beschl. v. 2.4.2008 – 31 Wx 85/06, BeckRS 2008, 11182; Großfeld, a.a.O., S. 219).

Auch die Annahme und die Größe eines sog. Wachstumsabschlags sind nicht unumstritten (vgl. Großfeld, a.a.O., S. 267 ff.; Großfeld/Merkelbach, NZG 2008, 241, 245; Hansen/Knoll, ZSteu 2005, 256; Knoll/Sedlacek, ZSteu 2008, 135; WP-Handbuch 2008, Bd. II, S. 75 ff., 113 ff., jew. m.w.N.). Der Wachstumsabschlag (vgl. dazu BGH ZIP 2003, 1745 (m. Bespr. Knoll, S. 2329) = NJW 2003, 3272, 3273 – Ytong AG, dazu EWiR 2004, 1 (W. Müller); BayObLG NZG 2006, 156, 159; Riegger, in: Kölner Komm. z. SpruchG, Anh. § 11 Rz. 23; Großfeld, a.a.O., S. 267) hat die Funktion, in der Phase der ewigen Rente die zu erwartenden Veränderungen der Überschüsse abzubilden, die bei der nominalen Betrachtung im Ausgangspunkt gleichbleibend aus dem letzten Planjahr abgeleitet werden. Mit dem Abschlag soll dem Umstand Rechnung getragen werden, dass die Geldentwertung in einem Unternehmen besser aufgefangen werden kann als bei der Kapitalanlage in festverzinslichen Wertpapieren (OLG Stuttgart ZIP 2007, 1320 (LS) = NZG 2007, 112, 118), wobei sich die Frage stellt, ob ein Abschlag unterhalb der Inflationsrate angebracht sein kann (vgl. hierzu Schüler, Referat auf dem IACVA Symposium in der Rechtsprechung in Frankfurt/M. am 18.11.2008). Neuerdings wird aber die Annahme eines Wachstumsabschlags bei Wertbeitrag aus Thesaurierungen in Abrede gestellt (Schöniger, Referat auf dem IACVA Symposium in der Rechtsprechung in Frankfurt/M. am 18.11.2008).

Diese Unsicherheiten bei der Ermittlung von Unternehmens- und Anteilswerten führen daher dazu, dass die von vielen Antragstellern begehrte Einholung eines gerichtlichen Gutachtens zu den Werten der beteiligten Unternehmen nicht geboten ist. Der gerichtlich bestellte Gutachter müsste eigene Prognosen für beide Unternehmen aus der Sicht der Jahre 2004 und 2005 abgeben, die letztlich im Hinblick auf die seitdem tatsächlich eingetretene wirtschaftliche Entwicklung (Krise) ebenso unzutreffend und damit angreifbar wären wie die im Verschmelzungsbericht dargestellten Prognosen. Auch bei der Kapitalisierung der anzunehmenden jeweiligen angenommenen Erträge müsste sich der Gutachter für bestimmte, letztlich aber z.T. beliebige – jedenfalls letztlich umstrittene – Parameter entscheiden.

Auch die von der D. AG nicht gebildete Rückstellung für eine etwaige Schadensersatzleistung aus dem Bereich TC gebietet keine neue Bewertung. Unabhängig ob die D. AG überhaupt zu einer derartigen Rückstellung bei der Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme verpflichtet war (vgl. hierzu BGH, Urt. v. 16.2.2009 – II ZR 185/07, ZIP 2009, 460 (m. Anm. Mutter), Rz. 47 – Kirch/Deutsche Bank), hat der Verschmelzungsprüfer im Rahmen seiner Anhörung überzeugend dargelegt, dass selbst bei einer 100 %igen Inanspruchnahme (ohne Zinsen) sich dies auf den Unternehmenswert der D. AG nur i.H. v. 922 Mio. € auswirken würde, mithin den Wert je T.-Aktie (bei 4.195.183.321 Aktien zum Zeitpunkt der Verschmelzung) nur geringfügig (ca. 0,2 €) ändern würde.

Auch dass die von einigen Antragstellern und dem Vertreter der außenstehenden Aktionäre bemängelte freie Liquidität von 3.900 Mio. € bei der T. AG als nicht betriebsnotwendiges Vermögen angesetzt wurde, führt nicht zur Notwendigkeit der Einholung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens. Im Rahmen der Bewertung kann sich ein vom Gericht ggf. bestellter Gutachter oder das Gericht nicht an die Stelle der Organe der T. AG setzen. Diesen Betrag nicht im Rahmen der Planung ggf. zur Steigerung der Rendite durch Verwendung als Investition zu verwenden, stellt eine unternehmerische Entscheidung dar, die nicht gerichtlich überprüfbar ist. Denn derartige Entscheidungen werden in aller Regel nicht allein durch rechtliche Gesichtspunkte, sondern ganz wesentlich auch durch Zweckmäßigkeits- und Wirtschaftlichkeitserwägungen bestimmt, zu deren Abwägung allein die hierfür zuständigen Gesellschaftsorgane berufen sind. Deren Beurteilung in Bezug auf die Zweckmäßigkeit und Unternehmensführung ist dabei einer gerichtlichen Kontrolle entzogen. Dieses Ergebnis folgt nicht nur aus praktischen Erwägungen, sondern findet seinen Grund vor allem darin, dass nach der Rechts- und Wirtschaftsordnung der Bundesrepublik Deutschland zum Schutz des Kernbereichs unternehmerischer Eigenverantwortung ganz allgemein gewährleistet bleiben muss, dass autonome unternehmerische Handlungsbefugnisse weder allgemein durch Entscheidungen des Staates noch speziell durch solche der Gerichte ersetzt werden. Letztere haben deshalb im Falle ihrer Anrufung die Überprüfung von unternehmerischen Entscheidungen grundsätzlich darauf zu beschränken, ob diese mit Gesetz und ggf. der Unternehmensverfassung in Einklang stehen (vgl. OLG Düsseldorf ZIP 1995, 1183 = NJW-RR 1995, 1371 – ARAG/Garmenbeck, dazu EWiR 1995, 629 (Rittner); Kammerurt. v. 21.12.2007 – 3-5 O 8/07 m.w.N.). Das Gleiche gilt auch für die Verwendung des Erlöses aus dem Börsengang, aus dem dieser Betrag von 3.900 Mio. € resultiert. Dessen Verwendung im Rahmen künftiger Planung ist als wirtschaftliche Entscheidung der gerichtlichen Überprüfung entzogen.

Auch soweit einige Antragsteller geltend machen, es sei bei der Bewertung zu berücksichtigen gewesen, dass sich die D. AG von der T. AG (diese) Finanzmittel zu niedrigeren als marktüblichen Zinsen ausgeliehen habe, führt dies nicht zur Notwendigkeit der Einholung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens. Es handelt sich dabei um Vorgänge der Vergangenheit, die ohnehin bei der Unternehmenswertermittlung nach dem Ertragswertverfahren außen vor bleiben, da es hierbei um künftige Erträge geht. Zu denken könnte hier lediglich an etwaige Schadensersatzansprüche wegen einer ggf. nicht marktkonformen Ausleihung gegen die damals handelnden Organmitglieder der T. AG oder gegen die D. AG (ggf. aus §§ 311, 317 AktG) sein. Nach der herrschenden neueren obergerichtlichen Rechtsprechung (OLG Stuttgart NZG 2000, 744 – Schwaben-Zell, dazu EWiR 2000, 209 (Luttermann); OLG Düsseldorf AG 2000, 323 – HS, dazu EWiR 2000, 109 (Luttermann); OLG Celle ZIP 2007, 2025; a.A. noch OLG Düsseldorf AG 1991, 106) bleiben derartige Schadensersatzansprüche, soweit sie nicht anerkannt oder rechtskräftig festgestellt sind, im Rahmen der Bewertung nach dem Ertragswertverfahren außen vor.

Im Hinblick auf die dargelegte Ungenauigkeit eines (Schätz-)Werts nach der Ertragswertmethode, kann – jedenfalls für den vorliegenden Fall – nicht festgestellt werden, dass hier eine bessere Erkenntnisquelle als der Börsenkurs vorliegt (vgl. Luttermann, NZG 2007, 611, 617; Tonner, a.a.O., S. 1589). Bei der Frage der Angemessenheit der Verschmelzungswertrelation ist daher zweckmäßigerweise vorliegend auf den Börsenkurs der beteiligten Unternehmen abzustellen. Da beide Unternehmen vor der Verschmelzung börsennotiert waren, eine nicht unbeträchtliche Marktkapitalisierung im Streubesitz besaßen – auch die T. AG mit über 100 Mio. Aktien, die nicht von der D. AG gehalten wurden –, ist der jeweilige Börsenkurs aussagekräftig, womit der Börsenwert der Aktie dem Wert des damit verkörperten Unternehmensanteils entspricht. d.h. angenommen werden kann, dass der Markt nicht bereit wäre, einen bestimmten Preis für die Aktie zu zahlen, wenn dieser dem darin verkörperten (Zukunfts-)Wert nicht entsprochen hätte. Zudem waren beide Unternehmen in einem Börsenindex notiert, d.h. sie unterlagen besonderen Pflichten bei der Unterrichtung des Kapitalmarkts. Zudem wird mit dem Abstellen auf den Börsenkurs deutlich, dass der Wert eines Anteils letztlich wesentlich von Kapitalmarktdaten abhängt, was auch bei der Bewertung nach dem Ertragswert gegeben ist, da dort letztlich auch bei der Bestimmung von Parametern der Abzinsung auf Daten des Kapitalmarkts (Zinsstrukturkurve aufgrund beobachtbarer Renditen von Bundesanleihen, Marktrisikoprämie aus Beobachtung angenommener Überrenditen der Anlage in Aktien zu festverzinslichen Wertpapieren und Beta-Faktor aus der Volatilität des Kurses der konkreten Aktie zu einem Index) zurückgegriffen wird.

Ob in den Börsenkursen Ertragserwartungen zum Ausdruck gekommen sind, die sich im Nachhinein als unrealistisch erwiesen haben mögen, beeinträchtigt ihre Aussagekraft für den damaligen Zeitraum nicht. Die frühere Rechtsprechung des BGH, nach der Börsenkurse zu stark von „spekulativen Einflüssen und sonstigen nicht wertbezogenen Faktoren wie politischen Ereignissen, Gerüchten, Informationen und psychologischen Momenten“ abhängig seien, um zuverlässige Aussagen über den wahren Wert des Unternehmens zuzulassen (vgl. BGH NJW 1967, 1464), ist durch die verfassungsgerichtliche Rechtsprechung und durch die diese Rechtsprechung konkretisierende Rechtsprechung des BGH (ZIP 2001, 734 = AG 2001, 417 – DAT/Altana, dazu EWiR 2001, 605 (Wenger)) überholt. „Spekulative Einflüsse“ gehen auch in die Ermittlung des Werts der Beteiligung nach der Ertragswertmethode ein, bei der der Unternehmenswert letztlich auch nur unter Einbeziehung der in die Zukunft gerichteten Planungen der Unternehmen und den darauf aufbauenden Prognosen über die künftige Entwicklung des jeweiligen Unternehmens und seiner Erträge vom Sachverständigen geschätzt werden kann. Viel spricht dafür, Börsenkursen insoweit tendenziell sogar eine größere Aussagekraft für den „wahren Wert“ des Unternehmens zuzugestehen, sind sie doch Ergebnis eines tatsächlichen Preisbildungsprozesses am Markt, der auf einer Vielzahl realer Kauf- und Verkaufsentscheidungen der Anleger beruht. Bei der Beurteilung der Ertragslage eines Unternehmens werden sich die Anleger bzw. die Analysten der Banken an den allgemein zugänglichen Unternehmensdaten orientieren. Dass der Summe der hier getroffenen Entscheidungen von vornherein weniger Aussagekraft zukommt als der Bewertung eines einzigen Gutachters, lässt sich nicht annehmen (vgl. KG ZIP 2007, 75 = NZG 2007, 71, dazu EWiR 2007, 27 (M. Winter); Tonner, a.a.O., S. 1589; Luttermann, NZG 1997, 611, 616 f.; Luttermann, ZIP 2001, 869; Hüttemann, ZGR 2003, 454, 468; Weiler/Meyer, NZG 2003, 669, 670).

Es entspricht der ganz herrschenden Meinung, der sich die Kammer anschließt, dass es bei der Berücksichtigung von Börsenkursen nicht auf einen Stichtagskurs, sondern zur Vermeidung zufälliger oder gar gestalteter Ergebnisse auf einen Durchschnittskurs ankommt (vgl. KG ZIP 2007, 75 = NZG 2007, 71 m.w.N.). Für den Referenzzeitraum stellt die Kammer mit der insoweit – soweit ersichtlich – in der Literatur überwiegend vertretenen Meinung, jedenfalls in dem hier vorliegenden besonderen Einzelfall, in dem es zuvor ein freiwilliges Kaufangebot der Antragsgegnerin gegeben hat, auf den Durchschnittskurs während einer Referenzperiode vor Bekanntmachung der Maßnahme ab, die die umzuwandelnde Gesellschaft ihren ausscheidenden Aktionären angeboten hat (vgl. KG ZIP 2007, 75 = NZG 2007, 71 m.w.N.). Inwieweit für Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge oder den Ausschluss von Minderheitsaktionären mit dem BGH im Regelfall auf eine Referenzperiode vor dem Stattfinden der Hauptversammlung abzustellen ist, die mit der über die entsprechende Strukturmaßnahme beschließenden Hauptversammlung endet (so BGH ZIP 2001, 734 = AG 2001, 417, 419), kann auf sich beruhen.

Aus der Finanzierungstheorie heraus ist der Tag als Stichtag zu wählen, welcher zu einer Veränderung des Gleichgewichtspreises, d.h. einem neuen Gleichgewicht führt. Der ökonomisch korrekte Stichtag ist also der Tag, an dem das die Abfindung auslösende, somit Erwartungen der Marktteilnehmer ändernde Ereignis dem Markt erstmalig bekannt wird. Da der Tag der Hauptversammlung, insbesondere wenn die Mehrheitsverhältnisse des Unternehmens einen Beschluss direkt implizieren, keine neue Information bringt, spricht nichts für diesen als Stichtag.

Es erscheint daher schon generell fraglich, ob es angemessen ist, die Referenzperiode erst mit der beschlussfassenden Hauptversammlung und nicht mit der Bekanntgabe der Maßnahme enden zu lassen. Gerade der vorliegende Fall offenbart, wie sich die Ankündigung auf den Börsenkurs auswirken kann, ohne dass dies durch eine damit einhergehende Veränderung des Unternehmenswertes erklärbar wäre. Auch die Antragsgegnerin gibt solche Erklärungen nicht.

Der Aktienkurs der T. AG wies im Zeitraum 2000 bis zum 8.10.2004 im Vergleich zu den Werten der gleichen Branche oder des TecDax keine außerordentlich gute oder schlechte Performance auf. Eine Abkopplung dieser Entwicklung ist jedoch ab der Ankündigung vom 8.10.2004 über die Absicht der Verschmelzung und dem gleichzeitigen von der Antragsgegnerin gemachten Angebot eines Aktienerwerbes von 8,99 € zu beobachten. Mit der T. AG vergleichbare Gesellschaften erzielten in den Jahren 2005 und 2006 Kursgewinne. Der Kurs der T. AG erlebt hingegen in diesen beiden Jahren Kursverluste, d.h. im Vergleich zu Werten vergleichbarer Unternehmen fand eine negative Entwicklung statt. Diese vom allgemeinen Marktwert abweichende Entwicklung lässt sich mit der – teilweise auch gesetzlich vorgeschriebenen – Informationsveröffentlichung erklären. Die Antragsgegnerin gab am 25.1.2005 und damit neun Tage vor dem Ablauf der Annahmefrist für das Übernahmeangebot zu 8,99 € je T.-Aktie bekannt, dass die Spanne des Umtauschverhältnisses 0,45 – 0,55 betragen werde. Unter Berücksichtigung des Kurses der D. AG von 16,19 € am 25.1.2005 ergab sich danach ein rechnerischer am Börsenkurs orientierter Wert für die Aktie der T. AG zwischen 7,29 und 8,90 €, mithin ein Betrag der unter dem Wert des Übernahmeangebotes lag. Insbesondere durch die Angabe des Verhältnisses von 0,45 ergab sich für die außenstehenden Aktionäre ein gewisser ökonomischer Druck, das freiwillige Übernahmeangebot bis zum Ablauf der Frist am 4.2.2005 anzunehmen, um sich das dortige erheblich höhere Angebot von 8,99 € zu sichern. Es ist daher offensichtlich, dass durch die Bekanntgabe dieses freiwilligen Übernahmeangebotes und der Verschmelzungswertrelationen ein Einfluss auf die Kursentwicklung der T. AG genommen wurde, der es rechtfertigt, für die Verschmelzungswertrelationen auf die Börsenkurse auf den Zeitraum vor der Bekanntgabe der Verschmelzungsabsicht und des freiwilligen Übernahmeangebots abzustellen. Nur für diesen Zeitraum ist gewährleistet, dass die Börsenkurse das Ergebnis eines tatsächlich stattfindenden Preisbildungsprozesses am Markt darstellen und auf einer Beurteilung des Unternehmens durch die Anleger aufgrund der diesen bekannten oder zumindest allgemein zugänglichen Unternehmensdaten und sonstiger für den Markt relevanter Informationen beruhen.

Es ist daher auch bei grundsätzlicher Zugrundelegung der Rechtsprechung des BGH vorliegend auf einen Referenzzeitraum abzustellen, der drei Monate vor der (ersten) Veröffentlichung der Verschmelzungsabsicht liegt.

Unter Anwendung der vorstehend darlegten Grundsätze ist daher das Verschmelzungswertverhältnis zu ermitteln. Unter Zugrundelegung der gewichteten Durchschnittskurse gem. § 5 WpÜG-AngVO im Dreimonats-Zeitraum bis zum 8.10.2004 ergibt sich ein Wert einer T. AG-Aktie von 8,59 € und einer D. AG-Aktie von 14,31 €. Diese von der Antragsgegnerin durch Vorlage der entsprechenden BaFin-Mitteilung vom 5.4.2007 mitgeteilten Werte ergeben daher ein Verschmelzungswertverhältnis von 1:0,6 und nicht wie vorliegend im Verschmelzungsvertrag vereinbart von 1:0,52.

Diese Diskrepanz ist durch eine bare Zuzahlung von 1,15 € je T. AG-Aktie auszugleichen (25 x 8,59 = 214,75 / 13 x 14,31 = 186,03, ergibt Differenz 28,72 / 25 = 1,1488).

Die Kammer ist sich dabei bewusst, dass die (ehemaligen) Aktionäre der T. AG , die aufgrund der Verschmelzung jetzt Aktionäre der D. AG sind, durch die Belastung der D. AG mit der festgesetzten Zuzahlung in gewisser Weise dies mitfinanzieren (zur Problematik vgl. Friese-Dormann/Rothenfußer, AG 2008, 243), doch ist dieser Effekt angesichts der Relation von ca. 120 Mio. betroffenen Aktien zu ca. 4,3 Mrd. Aktien der D. AG vernachlässigbar.

<hinweis>

Anmerkung der Redaktion:

Die Berufung ist anhängig beim OLG Frankfurt/M. unter dem Az. 20 W 99/09.

</hinweis>

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