LG Frankfurt/M.: Wirksamkeit eines satzungsmäßigen Schriftformerfordernisses für die Stimmrechtsvollmacht von Kreditinstituten und Aktionärsvereinigungen

27.08.2009

AktG §§ 134, 135, 23 Abs. 5, § 245 Nr. 1, § 248

Wirksamkeit eines satzungsmäßigen Schriftformerfordernisses für die Stimmrechtsvollmacht von Kreditinstituten und Aktionärsvereinigungen

LG Frankfurt/M., Urt. v. 28. 10. 2008 – 3-5 O 113/08

Leitsatz der Redaktion:

In der Satzung einer Aktiengesellschaft kann für die Stimmrechtsbevollmächtigung von Kreditinstituten und Aktionärsvereinigungen die Schriftform wirksam angeordnet werden.

Tatbestand:

Am 5.6.2008 fand die ordentliche Hauptversammlung der Beklagten statt. Zu dieser Hauptversammlung hatte die Beklagte durch Bekanntmachung im elektronischen Bundesanzeiger vom 23.4.2008 geladen und unter den Hinweisen angegeben:

„Zur Teilnahme an der Hauptversammlung und zur Ausübung des Stimmrechts sind sämtliche Aktionäre berechtigt, die sich spätestens bis zum Ablauf des siebten Tages vor dem Tag der Hauptversammlung in Textform in deutscher oder englischer Sprache angemeldet und der Gesellschaft ihre Berechtigung zur Teilnahme an der Hauptversammlung und zur Ausübung des Stimmrechts nachgewiesen haben. Der Nachweis muss durch einen von dem depotführenden Kredit- oder Finanzdienstleistungsinstitut in Textform erstellten, in deutscher oder englischer Sprache abgefassten Nachweis des Anteilsbesitzes erfolgen. Der Nachweis hat sich auf den Beginn des 21. Tages vor der Hauptversammlung zu beziehen.

Das Stimmrecht in der Hauptversammlung kann auch durch einen Bevollmächtigten – auch eine Vereinigung von Aktionären – ausgeübt werden. Die Vollmacht muss schriftlich erteilt und der Gesellschaft vorgelegt werden.

Der Jahresabschluss der Gesellschaft zum 31.12.2007, der Lagebericht und der Bericht des Aufsichtsrats, der Konzernabschluss zum 31.12.2007 sowie der erläuternde Bericht des Vorstands liegen ebenfalls in den Geschäftsräumen der Gesellschaft zur Einsichtnahme ZIP Heft 34/2009, Seite 1623aus. Auf Verlangen erhält jeder Aktionär kostenlos eine Abschrift der Auslagen. Sie sind auch auf der Homepage der Gesellschaft zum Herunterladen oder zur Ansicht verfügbar.“

In § 17 der Satzung der Beklagten ist zum Stimmrecht in der Hauptversammlung Folgendes geregelt:

„(1) Jede Stückaktie gewährt dem Inhaber in der Hauptversammlung eine Stimme. Das Stimmrecht lebt auf mit der gesetzlichen Mindesteinlage.

(2) Es kann durch schriftlich Bevollmächtigte ausgeübt werden.“

In dieser Hauptversammlung wurden dann zu dem TOP 2 die Entlastung des Vorstandes, zum TOP 3 die Entlastung des Aufsichtsrats, zu TOP 4 die Wahl der Abschlussprüfer für das Geschäftsjahr 2008, zu TOP 5 die Zustimmung zu einem Gewinnabführungsvertrag mit der V. GmbH, einer 100 %igen Tochter der Beklagten, als Untergesellschaft, zu TOP 6 die Neuwahl von zwei Aufsichtsratsmitgliedern, zu TOP 7 die Ermächtigung zum Erwerb eigener Aktien gem. § 71 Abs. 1 Nr. 8 AktG und deren Verwendung und zu TOP 8 verschiedene Satzungsänderungen beschlossen.

Die Kläger beantragen die Feststellung der Nichtigkeit dieser Beschlüsse bzw. deren Nichtigerklärung.

Entscheidungsgründe:

Das hinsichtlich der Streitbeitritte zu ergehende Zwischenurteil (§ 71 Abs. 2 ZPO) kann mit der Entscheidung über die Hauptsache verbunden werden, da auch die Hauptsache entscheidungsreif ist. Eine Trennung zwischen dem Zwischenurteil und der Entscheidung in der Sache ist nicht erforderlich (vgl. OLG München GRUR-RR 2001, 92; OLG Nürnberg MDR 1994, 834; OLG Frankfurt/M., Beschl. v. 4.5.2006 – 5 W 14/06, Beck RS 2006, 11129 m.w.N.).

Die Nebenintervention der Streithelfer zu 7) und 9) zu den Anfechtungsklagen ist nach der neueren Rechtsprechung des BGH (BGHZ 172, 136 = ZIP 2007, 1528, dazu EWiR 2007, 641 (Wilsing/Goslar); a.A. noch OLG Frankfurt/M., Beschl. v. 2.7.2007 – 5 W 17/07), der die Kammer nunmehr folgt, statthaft. (Wird ausgeführt.)

Die Klage ist unbegründet.

Eine mangelhafte Bekanntmachung der Teilnahmebedingungen wegen des Hinweises auf die Schriftlichkeit einer Vollmacht bei Ausübung des Stimmrechts in der Hauptversammlung durch einen Bevollmächtigten, die zur Nichtigkeit (vgl. Kammerurt. v. 26.8.2008 – 3-5 O 339/07, ZIP 2008, 1723 (m. Anm. J. Wagner) = BB 2008, 2141; OLG Frankfurt/M., Beschl. v. 15.7.2008 – 5 W 15/08, ZIP 2008, 1722Leica-Freigabeverfahren, dazu EWiR 2009, 163 (Winter/Liewald)) oder Anfechtbarkeit führen würde, ist nicht gegeben. Trotz der im Schrifttum vielfach geäußerten Kritik (z.B. Stohlmeier/Mock, BB 2008, 2143; Wilburger, DStR 2008, 1889; Verse, F.A.Z. v. 3.9.2008, S. 23) hält die Kammer an ihrer Ansicht fest, dass die Einberufung neben anderen Angaben die Bedingungen angeben muss, von denen die Teilnahme an der Hauptversammlung und die Ausübung des Stimmrechts abhängen, und dies auch den Fall der Vertretung durch einen Bevollmächtigten bei der Stimmrechtsausübung betreffen kann. Sind die gemachten Angaben zum Nachweis der Bevollmächtigung unzutreffend, führt dies ggf. zur Nichtigkeit, jedenfalls aber zur Anfechtbarkeit, wenn man hier keinen besonders schweren Mangel sehen wollte.

Ein derartiger Fall liegt hier aber entgegen der Auffassung der Kläger nicht vor.

Die Kammer hat bereits in ihrem Urteil von 26.8.2008 (3-5 O 339/07, ZIP 2008, 1723 = BB 2008, 2141; ebenso OLG Frankfurt/M. im dazugehörigen Freigabeverfahren 5 W 15/08, ZIP 2008, 1722) ausgeführt, dass ein Verstoß bei einem unterschiedslosen Verlangen einer schriftlichen Vollmacht trotz der Bestimmung des § 135 AktG, wonach eine Vollmacht, die einem Kreditinstitut oder einer der in § 135 Abs. 9, 12 i.V.m. § 125 Abs. 5 AktG genannten Personen(vereinigung) erteilt wird, nicht der Schriftform durch eine vom Vollmachtsgeber zu unterzeichnende Urkunde bedarf, sondern diese von dem Bevollmächtigten nur in nachprüfbarer Form festzuhalten ist, nur dann zur Nichtigkeit bzw. Anfechtbarkeit führen kann, wenn in der Satzung der Gesellschaft keine besonderen Regelungen über die Art und Weise der Bevollmächtigung bei der Stimmrechtsausübung in der Hauptversammlung enthalten sind.

Ein solcher Fall ist hier aber gegeben. In § 17 Abs. 2 der Satzung der Beklagten ist geregelt, dass die Ausübung des Stimmrechts durch einen schriftlich Bevollmächtigten ausgeübt werden kann. Dieses „kann“ ist dahin gehend zu verstehen, dass sich der Aktionär bei der Stimmrechtsabgabe durch einen Bevollmächtigten vertreten lassen kann, dieser aber einer schriftlichen Vollmacht bedarf.

Eine solche satzungsmäßige Regelung über den Nachweis der Vollmacht für alle Fälle – auch für die in § 135 AktG genannten Personen(vereinigungen) – ist statthaft, unabhängig davon, ob nicht die Beklagte schon deswegen die Bedingungen für die Ausübung des Stimmrechts entsprechend ihrer Satzungsbestimmung angeben musste, da diese Satzungsregelung schon über drei Jahre im Handelsregister eingetragen ist und eine eventuelle Nichtigkeit dieser Satzung wegen Verstoßes gegen § 135 AktG nicht mehr geltend gemacht werden könnte und die Gesellschaft zu ihrer Hauptversammlung nach den in der zum Zeitpunkt der Ladung in das Handelsregister eingetragenen Satzung genannten Teilnahmebedingungen zu laden hat (vgl. st. Rspr. des OLG Frankfurt/M., vgl. Urt. v. 22.7.2008 – 5 U 77/07 = ZIP 2008, 2286 – LaReDa Hessen, dazu EWiR 2009, 3 (von der Linden); zuletzt Beschluss vom 12.9.2008 – 5 W 21/08 – was in der Kritik von Stohlmeier/Mock übersehen wird).

Die Regelung des § 174 BGB ist im Verhältnis zwischen Gesellschaft, Aktionär und seinem Bevollmächtigten nicht anwendbar, da hier die aktienrechtlichen Spezialregelungen der §§ 134, 135 AktG eingreifen. Der Gesetzgeber (Reg.-Begr. BT-Drucks. 14/4051, S. 15) hat ausdrücklich die Anforderungen zurücknehmen und die Nachweiserfordernisse den Beteiligten überlassen wollen. Dies besagt aber, dass nach § 134 Abs. 3 Satz 2 AktG die Satzung entsprechende Regelungen über die Vollmachtserteilung für alle Bevollmächtigten treffen kann.

Die Regelungen der §§ 134, 135 AktG sind als Einheit zu sehen, so dass wegen dieser satzungsmäßigen Ermächtigung zur Regelung der Form der Vollmacht in § 134 Abs. 3 Satz 2 diese auch die in § 135 AktG genannten Personen(vereinigungen) betrifft, so dass auch § 23 Abs. 5 AktG gewahrt ist. Die Urheber des NaStraG betrachteten § 135 als Sonderregelung zu § 134 AktG. § 135 Abs. 1 AktG untersagt satzungsmäßige Schriftformerfordernisse nicht ausdrücklich, weshalb derartige ZIP Heft 34/2009, Seite 1624Gestaltungen als bloß gesetzesergänzende Regelung (§ 23 Abs. 5 AktG) zulässig sind, wenn man nicht schon die Regelung des § 135 Abs. 4 Satz 3 AktG als Öffnungsklausel für eine satzungsmäßige Bestimmung der Form der Vollmacht für die in § 135 AktG genannten Personen(vereinigungen) verstehen will. Zudem soll die Streichung des Wortes „schriftlich“ in § 135 AktG für die Beteiligten bloß die Möglichkeit begründen, die Nachweiserfordernisse selbst festzulegen, nicht aber diesen die Formfreiheit aufzwingen (vgl. hierzu Schulte/Bode, AG 2008, 730; Zetzsche/Gröning, NZG 2000, 393, 399; Kindler, NJW 2001, 1678, 1688 m.w.N.). Dabei sind als Beteiligte nicht nur die des Vollmachtverhältnisses zu sehen, sondern auch die Gesellschaft, die ein Interesse haben kann, über eine satzungsmäßige Regelung den Nachweis der Vollmacht für alle Aktionäre zu regeln.

Soweit daher die Kläger vortragen, dass das Schriftformerfordernis für die Bevollmächtigung zur Stimmrechtsausübung für alle Fälle einen Verstoß gegen aktienrechtliche Vorschriften begründe, ist dem nicht zu folgen. Vielmehr entspricht das hier in Rede stehende Schriftformerfordernis den Anforderungen des § 135 AktG. Zwar muss seit dem Inkrafttreten des NaStraG eine Vollmacht nicht mehr schriftlich erteilt werden. Schreibt indes die Satzung einer Gesellschaft für die Vollmacht nach § 135 AktG eine Form vor, ist diese zu beachten. Mit dem Absehen vom Schriftformerfordernis wollte der Gesetzgeber die Regelungen zur Bevollmächtigung von Kreditinstituten liberalisieren und nicht dergestalt einschränken, dass fortan in einer Satzung festgeschriebene Schriftformerfordernisse unzulässig seien (so auch LG Krefeld v. 20.8.2008 – 11 O 14/08, Beck RS 2008, 1985).

Auch die weiter gerügten Mängel bei Bekanntmachung und Ladung führen nicht zur Anfechtbarkeit oder Nichtigkeit. (Wird ausgeführt.)

<einsender></einsender>Mitgeteilt von Richter am LG Martin Müller, Frankfurt/M.</einsender><//einsender>

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