LG Gießen: Keine Prüfung der Verjährung des Vergütungsanspruchs des vorläufigen Insolvenzverwalters von Amts wegen

30.12.2009

InsVV § 11; InsO §§ 63, 64; BGB §§ 194, 214

Keine Prüfung der Verjährung des Vergütungsanspruchs des vorläufigen Insolvenzverwalters von Amts wegen

LG Gießen, Beschl. v. 23. 6. 2009 – 7 T 34/09 (nicht rechtskräftig; AG Gießen)

Leitsatz der Redaktion:

Die Geltendmachung der Verjährung des Vergütungsanspruchs des vorläufigen Insolvenzverwalters erfolgt durch eine entsprechende Einrede; das Insolvenzgericht hat den Eintritt der Verjährung nicht von Amts wegen zu berücksichtigen.

Gründe:

Nachdem der Schuldner am 4.4.2004 die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen beantragt hatte, bestellte das AG Gießen mit Beschluss vom 8.4.2004 den Beschwerdeführer zum vorläufigen Insolvenzverwalter. Mit Beschluss vom 18.6.2004 eröffnete das AG das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners und bestellte den Beschwerdeführer zum Insolvenzverwalter. Am 22.10.2008 erstattete der Insolvenzverwalter den Schlussbericht.

Ebenfalls am 22.10.2008 beantragte der Beschwerdeführer, für seine Tätigkeit als vorläufiger Insolvenzverwalter eine Vergütung i.H. v. 1.334 € inkl. Auslagen und Umsatzsteuer festzusetzen und ihm zu gestatten, den festgesetzten Betrag der von ihm verwalteten Masse zu entnehmen. Mit Beschluss vom 18.12.2008 wies das AG den Antrag auf Festsetzung der Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters zurück. Das AG ist der Auffassung, der Vergütungsanspruch sei verjährt.

Die gegen diesen Beschluss gerichtete sofortige Beschwerde ist zulässig (§ 64 Abs. 3 InsO).

In der Sache hat das Rechtsmittel Erfolg und führt zu der Anweisung gegenüber dem AG, die beantragte Vergütung festzusetzen, die der vorläufige Verwalter dann auch der Masse entnehmen darf. Dem vorläufigen Insolvenzverwalter steht gem. § 11 InsVV eine Vergütung in der beantragten Höhe von 1.334 € zu.

Der Festsetzung der Vergütung steht nicht entgegen, dass der vorläufige Insolvenzverwalter diese erst nach Ablauf der Verjährungsfrist beantragt hat.

Der Vergütungsanspruch des Beschwerdeführers als vorläufiger Insolvenzverwalter ist mit der Erledigung der zu honorierenden Tätigkeit fällig geworden (Hess, Insolvenzrecht, § 63 Rz. 11; Haarmeyer/Wutzke/Förster, InsVV, 3. Aufl., § 1 Rz. 66), also jedenfalls mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens (MünchKomm-Nowak, InsO, 2. Aufl., § 63 Rz. 7, § 11 InsVV Rz. 3; Eickmann, in: HK-InsO, 5. Aufl., § 3 Rz. 3), die am 18.6.2004 erfolgt ist. Soweit im Hinblick auf die Änderung des § 11 Abs. 2 InsVV durch die 2. ÄndVO ab dem 29.12.2006 eine andere Beurteilung in Betracht kommen könnte, gilt das nur für Ansprüche, die nach dem Inkrafttreten der 2. ÄndVO entstanden sind (Rüffert, ZInsO, 2009, 757). Das dürfte auch für Überlegungen gelten, im Rahmen einer verfassungskonformen Anwendung von § 11 Abs. 2 InsVV eine Hemmung der Verjährung so lange anzunehmen, als Vermögenswerte, die in die Berechnungsgrundlage der Vergütung einzubeziehen sind, im eröffneten Verfahren nicht verwertet sind (Keller, NZI 2007, 378, 380).

Für noch nicht bestandskräftig festgesetzte Vergütungsansprüche des Insolvenzverwalters gilt die dreijährige Regelverjährung gem. § 195 BGB n.F. (BGH ZIP 2007, 1070 = ZVI 2007, 438 = BB 2007, 1245). Sie beginnt gem. § 199 Abs. 1 Nr. 1 und 2 BGB mit dem Schluss des Jahres der Entstehung des Anspruchs und Kenntnis (MünchKomm-Nowak, a.a.O., § 63 Rz. 8), begann hier also am 31.12.2004 zu laufen. Nicht festgesetzte Vergütungsansprüche verjähren gem. § 195 BGB innerhalb von drei Jahren, beginnend mit dem Ende des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist (Haarmeyer/Wutzke/Förster, a.a.O., § 1 Rz. 67).

Damit ist zwar vorliegend am 31.12.2007 die Verjährungsfrist abgelaufen, während der Vergütungsantrag erst 30.10.2008 bei dem AG eingegangen ist.

Eine Hemmung der Verjährung, die in entsprechender Anwendung des Vergütungsrechts für Rechtsanwälte oder Sachverständige (§ 11 Abs. 7 RVG, § 2 Abs. 3 JVEG) angenommen wird, wenn der Insolvenzverwalter den Vergütungsantrag nach § 8 Abs. 1 Satz 3 InsVV gestellt hat (BGH ZIP 2007, 1070 = ZVI 2007, 438 = BB 2007, 1245; Keller, NZI, 2007, 378, 379), ist hier nicht eingetreten, weil der vorläufige Insolvenzverwalter den Vergütungsantrag erst im Oktober 2008, also nach Ablauf der Verjährungsfrist gestellt hat.

Es wird auch die Auffassung vertreten, die Verjährung der Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters sei bis zur Beendigung des geöffneten Insolvenzverfahrens in entsprechender Anwendung von § 8 Abs. 2 Satz 1 RVG gehemmt, weil es üblich sei, dass der vorläufige Insolvenzverwalter, der gleichzeitig der endgültige Insolvenzverwalter ist, seine Vergütung erst bei Beendigung des eröffneten Insolvenzverfahrens beantragt (Eickmann, a.a.O., § 63 Rz. 3). Hiergegen wird aber zu Recht eingewandt, dass eine solche Analogie nur dann geboten sein könnte, wenn der vorläufige Insolvenzverwalter bis zu diesem Zeitpunkt gehindert wäre, seine Vergütung zu beantragen, was nicht der Fall ist (Keller, NZI 2007, 378, 380).

ZIP 50/2009, 2399

Die Geltendmachung der Verjährung, die dem Schuldner ein Leistungsverweigerungsrecht einräumt, erfolgt durch die entsprechende Einrede. Von Amts wegen ist der Eintritt der Verjährung im zivilrechtlichen Bereich nicht zu berücksichtigen (Palandt, BGB, 68. Aufl., § 214 Rz. 1, 2). Der Schuldner, dem auch im Beschwerdeverfahren Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden ist, hat sich nicht geäußert und demgemäß den Eintritt der Verjährung nicht geltend gemacht.

Im Insolvenzverfahren sind zur Geltendmachung der Einrede neben dem Schuldner jedenfalls auch die einzelnen Insolvenzgläubiger berechtigt (MünchKomm-Nowak, a.a.O., § 63 Rz. 10). Bisher sind Insolvenzgläubiger jedoch nicht am Vergütungsfestsetzungsverfahren beteiligt worden. Eine solche Beteiligung brauchte auch nicht zu erfolgen. Zwar werden durch die Vergütungsfestsetzung Interessen der Gläubiger betroffen, dies schon deshalb, weil die Vergütung die zur Verfügung stehende Masse mindert. Auch steht gem. § 64 Abs. 3 InsO neben dem Verwalter und dem Schuldner auch jedem Insolvenzgläubiger die sofortige Beschwerde zu. Die Gewährung von vorherigem rechtlichen Gehör für jeden Beschwerdeberechtigten wird deshalb von Stimmen in der Literatur als erforderlich angesehen, weil die Verweisung auf ein Rechtsmittel verfassungsrechtlich bedenklich erscheint und auch zum Verlust einer Instanz führt (MünchKomm-Nowak, a.a.O., § 64 Rz. 5; Hess, a.a.O., § 64 InsO Rz. 1). Diese Argumentation, die grundsätzlich auch der Rechtsprechung der Kammer in verfahrensrechtlich ähnlichen Situationen entspricht, erfährt allerdings auch angesichts von Besonderheiten des Verfahrens über die Vergütung von Insolvenzverwaltern deutliche Kritik, wobei die Notwendigkeit einer vorherigen Gläubigerbeteiligung verneint wird. Die Kammer folgt dieser wohl überwiegenden Auffassung. Es wird darauf verwiesen, dass der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs zurücktritt, wenn sich aus den Besonderheiten des Verfahrens die zwingende Notwendigkeit ergibt (BVerwGE 9, 89), und dass sich eine solche daraus ergibt, dass die Anhörung der Vielzahl der Gläubiger schon deshalb regelmäßig unmöglich ist, weil häufig die Anschriften nicht feststehen oder feststellbar sind (Eickmann, a.a.O., § 64 Rz. 3; Haarmeyer/Wutzke/Förster, InsVV, 4. Aufl., § 8 Rz. 1 m.w.N.). Darüber hinaus sieht das Gesetz selbst keine Zustellung des Vergütungsfestsetzungsbeschlusses an einzelne Gläubiger vor, sondern der Beschluss ist gem. § 64 Abs. 2 InsO öffentlich bekannt zu machen und dem Verwalter, dem Schuldner und, wenn ein Gläubigerausschuss bestellt ist, den Mitgliedern des Ausschusses besonders zuzustellen. Bei der Veröffentlichung sind die festgesetzten Beträge nicht zu veröffentlichen; in der öffentlichen Bekanntmachung ist darauf hinzuweisen, dass der vollständige Beschluss in der Geschäftsstelle eingesehen werden kann. Auch diese im Gesetz selbst verankerte Einschränkung des rechtlichen Gehörs für einzelne Gläubiger spricht gegen die Notwendigkeit ihrer Beteiligung vor einer Festsetzung (Haarmeyer/Wutzke/Förster, a.a.O., § 8 Rz. 1).

Die Kammer ist der Auffassung, dass der Ablauf der Verjährungsfrist nicht von dem Insolvenzgericht von Amts wegen berücksichtigt werden darf, wenn kein dazu Berechtigter die erforderliche Einrede erhebt. Aus dem im Insolvenzverfahren geltenden Grundsatz der Amtsermittlung (§ 5 Abs. 1 InsO) lässt sich eine Berücksichtigung von Amts wegen nicht herleiten. Dieser Grundsatz bedeutet, dass die Verantwortung für die Beibringung der relevanten Tatsachen beim Gericht liegt. Dieses ist weder bei der Einbringung von Tatsachen noch bzgl. der Beweiserhebung an Anträge, Bestreiten oder Geständnisse oder übereinstimmenden Parteivortrag gebunden (Hess, a.a.O., § 5 Rz. 5). Bei der Frage, ob der Ablauf einer Verjährungsfrist zu berücksichtigen ist, geht es nicht um die Beibringung und die Erforschung von Tatsachen, sondern um die Geltendmachung von Rechten. Das Insolvenzgericht ist kein Träger materieller Rechte (MünchKomm-Nowak, a.a.O., § 63 Rz. 10) und vertritt auch nicht den Schuldner oder einen anderen zur Erhebung der Verjährungseinrede Berechtigten.

Im Zusammenhang mit der Berücksichtigung einer Verjährung wird auch die Auffassung vertreten, die Geltendmachung eines verjährten Anspruchs gegenüber der Masse sei als Pflichtwidrigkeit anzusehen. Deshalb müsse das Insolvenzgericht im Rahmen seiner Aufsichtspflicht über den Insolvenzverwalter (§ 58 InsO) der Geltendmachung eines verjährten Vergütungsanspruchs entgegentreten (Haarmeyer/Wutzke/Förster, a.a.O., § 8 Rz. 39). Soweit für diese Auffassung auf eine Entscheidung des LG Aachen vom 21.11.1980 – 7 T 2700/80 abgestellt wird, ist darauf hinzuweisen, dass diese Entscheidung nicht die Vergütung eines Insolvenzverwalters betrifft, sondern die Geltendmachung eines anwaltlichen Gebührenanspruchs durch den Insolvenzverwalter, der zugleich als Rechtsanwalt tätig geworden ist. Das Gleiche gilt für eine in diesem Zusammenhang erwähnte Entscheidung des LG Aachen (Rpfleger 1978, 380).

Gegen diese Auffassung, im Rahmen der Aufsichtspflicht des Insolvenzgerichts die Geltendmachung eines verjährten Gebührenanspruchs zu verhindern, spricht nach Auffassung der Kammer entscheidend, dass das Insolvenzgericht nicht Vertreter der zur Erhebung der Einrede der Verjährung Berechtigten ist und auch die Aufsichtspflicht nichts daran ändert, dass es sich bei der Verjährung um eine Einrede handelt. Die Geltendmachung eines Rechts, dem eine Einrede entgegengesetzt werden kann, lässt sich, solange die Einrede nicht erhoben ist, nicht als pflichtwidrig ansehen. Hierbei wird zu Recht auch darauf hingewiesen, dass es auch in Verbindung mit der Aufsichtspflicht des Insolvenzgerichts gem. § 58 InsO nicht zulässig ist, dass das Insolvenzgericht im Vergütungsfestsetzungsverfahren Entscheidungen trifft, die den ordentlichen Gerichten zugewiesen sind (MünchKomm-Nowak, a.a.O., § 63 Rz. 10).

Soweit das AG in dem angefochtenen Beschluss darauf hingewiesen hat, es sei auch zu bedenken, dass es, nachdem die Verfahrenskosten gestundet worden seien, dazu kommen könne, dass die Vergütung aus der Staatskasse geleistet werden müsse (§ 63 Abs. 2 InsO), wobei diese nicht berechtigt sei, ein Rechtsmittel gegen einen Vergütungsbeschluss einzulegen, hat der Insolvenzverwalter dargelegt, dass eine kostendeckende Masse vorhanden ist, wovon auch das AG in dem späteren Nichtabhilfebeschluss ausgeht.

Die Höhe der beantragten Vergütung hat der vorläufige Insolvenzverwalter anhand der Mindestvergütung gem. § 2 Abs. 2, §ZIP 50/2009, 2400 10 InsVV zutreffend berechnet. Insoweit hat auch das AG keine Einwände erhoben.

Was die eigentliche Festsetzung der Vergütung anbelangt, erschien es im Hinblick auf die Erforderlichkeit der Veröffentlichung im Internet (§ 64 Abs. 2, § 9 Abs. 1 InsO) sachgerecht, diese dem AG zu übertragen, damit dort der Text zur elektronischen Weiterverarbeitung zur Verfügung steht.

<hinweis>

Anmerkung der Redaktion:

Siehe hierzu den Kurzkommentar von Keller, EWiR 2009, 783.

Nach LG Hannover, ZIP 2009, 2108, ist das Insolvenzgericht von Amts wegen verpflichtet, die Verjährung des Vergütungsanspruchs des vorläufigen Insolvenzverwalters zu berücksichtigen..

</hinweis>

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