LG Hannover: Zur Verjährung des Vergütungsanspruchs des vorläufigen Insolvenzverwalters

16.11.2009

InsVV §§ 11, 8; BGB § 199

Zur Verjährung des Vergütungsanspruchs des vorläufigen Insolvenzverwalters

LG Hannover, Urt. v. 3. 8. 2009 – 11 T 35/09 (nicht rechtskräftig; AG Hannover)

Leitsätze der Redaktion:

1. Der Vergütungsanspruch des vorläufigen Insolvenzverwalters entsteht und wird fällig mit Beendigung seines Auftrags, also mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens.

2. Der Lauf der 3-jährigen Verjährungsfrist für nicht festgesetzte Vergütungsansprüche des vorläufigen Insolvenzverwalters beginnt mit Schluss des Jahres, in dem das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist. § 11 Abs. 2 InsVV ist kein verjährungshemmender Tatbestand zu entnehmen, dergestalt, dass die Verjährungsfrist erst mit dem Schluss des Jahres zu laufen beginnt, in dem die letzten Vermögensgegenstände im eröffneten Insolvenzverfahren verwertet worden sind.

3. Das Insolvenzgericht ist von Amts wegen verpflichtet, die Verjährung zu berücksichtigen.

ZIP Heft 44/2009, Seite 2109

Gründe:

Mit Beschluss vom 28.10.2004 ist in dem Insolvenzantragsverfahren betreffend das Vermögen des Gemeinschuldners die vorläufige Verwaltung angeordnet worden. Gleichzeitig ist Rechtsanwalt R. zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt worden. Mit Beschluss vom 22.11.2004 ist das Insolvenzverfahren eröffnet worden und R. zum Insolvenzverwalter bestellt worden.

Unter dem 18.2.2009 erstellte R. den Schlussbericht. Mit gleichem Datum beantragte er die Festsetzung einer Vergütung für seine Tätigkeit als vorläufiger Insolvenzverwalter und als Insolvenzverwalter.

Mit Beschluss vom 25.6.2009 hat das AG den Antrag auf Festsetzung einer Vergütung für die Tätigkeit als vorläufiger Insolvenzverwalter wegen Verjährung zurückgewiesen. Gegen diesen am 30.6.2009 zugestellten Beschluss hat R. am 8.7.2009 das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde eingelegt.

Die sofortige Beschwerde ist zulässig, hat in der Sache aber keinen Erfolg. Denn zu Recht hat das AG den Antrag auf Festsetzung einer Vergütung für die Tätigkeit als vorläufiger Insolvenzverwalter zurückgewiesen, da insoweit bereits Verjährung eingetreten ist.

Die Verjährungsfrist für nicht festgesetzte Vergütungsansprüche des Insolvenzverwalters und des vorläufigen Insolvenzverwalters beträgt 3 Jahre. Die Frist hat gem. § 199 BGB mit dem Schluss des Jahres zu laufen begonnen, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen.

Entstanden und fällig geworden ist der Anspruch des vorläufigen Insolvenzverwalters mit Beendigung seines Auftrages, also mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 24.11.2004 (vg. hierzu MünchKomm-Nowak, InsO, 2. Aufl., § 63 Rz. 7). Zeitnah zur Beendigung hätte auch der Festsetzungsantrag gem. §§ 11, 8 InsVV gestellt werden können, so dass davon auszugehen ist, dass mit Ende des Jahres 2004 die 3-jährige Verjährungsfrist zu laufen begonnen hat. Entgegen der auf den Aufsatz Rüffert (ZInsO 2009, 757) gestützten Auffassung des Beschwerdeführers ergibt sich auch nicht aus § 11 Abs. 2 InsVV, dass die Verjährungsfrist erst mit dem Schluss des Jahres zu laufen begonnen hat, in dem die letzten Vermögensgegenstände im eröffneten Insolvenzverfahren verwertet worden sind. Aus § 11 Abs. 1 und 2 InsVV folgt vielmehr klar und eindeutig, dass auch schon eine frühere Antragstellung und Festsetzung zulässig ist. Erst wenn sich nachträglich nach Vorlage der Schlussrechnung Differenzen von mehr 20 % ergeben, ist eine Änderung der früheren Festsetzung zulässig.

Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers lässt sich aus der gesetzlichen Regelung des § 11 Abs. 2 InsVV auch nicht ein verjährungshemmender Tatbestand entnehmen. Für einen solchen Willen des Gesetzgebers, der im Wege der Auslegung zu ermitteln wäre, gibt es keinerlei Anhaltspunkte. Ob für einen möglichen zusätzlichen Vergütungsanspruch des vorläufigen Insolvenzverwalters, der sich unter Umständen nach der endgültigen Verwertung ergeben könnte, ein anderer Beginn der Verjährungsfrist zu bestimmen ist, kann dahinstehen. Unerheblich ist es auch, dass es in der Praxis zumindest nicht unüblich ist, dass die Anträge auf Festsetzung der vorläufigen Insolvenzverwaltervergütung und der Insolvenzverwaltervergütung zusammen gestellt werden. Ein allgemeiner Hemmungstatbestand – etwa in entsprechender Anwendung des § 206 BGB – kann daraus nicht hergeleitet werden.

Schließlich lässt sich eine Hemmung auch nicht durch eine analoge Anwendung des § 8 Abs. 1 Satz 1 RVG begründen. Die gegenteilige Auffassung, die eine Hemmung bis zur Beendigung des Gesamtverfahrens annimmt (Eickmann, in: HK- InsO, 5. Aufl., § 63 Rz. 3), verkennt, dass sich das Insolvenzantragsverfahren und das sich nur unter Umständen anschließende Insolvenzverfahren als eigenständige und klar zu unterscheidende Verfahren darstellen.

Ohne Erfolg macht der Beschwerdeführer auch geltend, dass sein Vergütungsanspruch an die Sozietät S. abgetreten worden sei und der Insolvenzverwalter dieser gegenüber den Anspruch anerkannt und auf die Einrede der Verjährung verzichtet habe. Zum einen könnte dann, wenn der Anspruch tatsächlich abgetreten war, zweifelhaft sein, ob der Beschwerdeführer persönlich noch zur Stellung eines Festsetzungsantrags befugt war. Zum anderen hätte – unabhängig von der Zulässigkeit und Wirksamkeit eines „Anerkenntnisses“ des Vergütungsanspruchs durch den Insolvenzverwalter – dies nicht zu einem Neubeginn der Verjährung nach dem 31.12.2004 geführt (§ 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB). Zu einem umfassenden Verzicht auf die Erhebung der Einrede der Verjährung wäre der Insolvenzverwalter nicht berechtigt gewesen. Ein solches Verhalten würde sich als eine pflichtwidrige Amtsausübung darstellen, so dass auch insoweit die Beschwerdebegründung keinen Erfolg haben kann.

Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers war das Insolvenzgericht auch von Amts wegen verpflichtet, die objektiv eingetretene Verjährung zu berücksichtigen. Zwar ist es richtig, dass die Verjährung grundsätzlich nur das Recht einer Einrede gibt. Mit dieser Bewertung allein würde jedoch den Besonderheiten des Insolvenzrechts nicht Genüge getan. Entgegen einer in der Literatur vertretenen Auffassung (MünchKomm-Nowak, a.a.O., § 63 Rz. 10) kommt es daher auch nicht darauf an, ob dem Insolvenzgericht eine „Einredeberechtigung“ zusteht. Entscheidend ist vielmehr Folgendes: Grundsätzlich ist ein Insolvenzverwalter verpflichtet, verjährten Ansprüchen, die gegen die Masse geltend gemacht werden, die entsprechende Einrede entgegenzusetzen. Aus dem Sinn und Zweck dieser Verpflichtung ergibt sich, dass er verpflichtet war, objektiv bereits verjährte Vergütungsansprüche nicht mehr zur Festsetzung beim Insolvenzgericht anzumelden bzw. zu beantragen. Etwaige bereits vorgenommene Entnahmen aus der Masse müssten rückgängig gemacht werden. Ein anderes Ergebnis würde zu nicht hinnehmbaren Wertungswidersprüchen führen. Ein Insolvenzverwalter darf nicht daraus Vorteile ziehen können, dass er selbst Inhaber des entsprechenden Anspruchs gegen die Masse ist (vgl. hierzu auch LG Augsburg KTS 1981, 453).

Diese o.g. Grundsätze müssen auch dann gelten, wenn es um die Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters geht.

Ob etwas Anderes gilt, wenn der Insolvenzverwalter oder der vorläufige Insolvenzverwalter wirksame Verjährungsverzichtserklärungen der in Betracht kommenden Personen (vgl. hierzu MünchKomm-Nowak, a.a.O., § 63 Rz. 10) vorlegen können, kann dahinstehen, da ein solcher Fall nicht gegeben ist.

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