LG Itzehoe: Zuständigkeit der Sozialgerichte für die Klage eines Sozialversicherungsträgers gegen insolventen Beitragsschuldner auf Feststellung des Rechtsgrunds der unerlaubten Handlung

10.06.2009

GVG §§ 13, 17; SGG § 51; InsO §§ 181, 174

Zuständigkeit der Sozialgerichte für die Klage eines Sozialversicherungsträgers gegen insolventen Beitragsschuldner auf Feststellung des Rechtsgrunds der unerlaubten Handlung

LG Itzehoe, Beschl. v. 18. 7. 2008 – 9 T 27/08

Leitsätze des Gerichts:

1. Klagt eine gesetzliche Krankenkasse gegen einen in Insolvenz gefallenen Arbeitgeber auf Feststellung, dass er unstreitig rückständige Beiträge aus dem Rechtsgrund der unerlaubten Handlung schulde, so ist die Sozialgerichtsbarkeit zur Entscheidung berufen (Anschluss an SG Gelsenkirchen ZfF 2007, 252; gegen LSG Baden-Württemberg v. 30.8.2005 – L 9 SF 863/05 B; Abgrenzung zu BGH NJW 1976, 2129; BGH ZIP 1984, 633 = NJW 1984, 1622; BGH ZVI 2006, 311 = NJW 2006, 2922).

2. Die gesetzliche Krankenkasse kann durch Verwaltungsakt feststellen, dass ihre Forderung aus dem Rechtsgrund der unerlaubten Handlung begründet ist (vgl. AG Hamburg ZIP 2006, 1915 = ZVI 2007, 146 = NZI 2007, 123).

Gründe:

I. Die Klägerin ist als Betriebskrankenkasse eine Körperschaft des öffentlichen Rechts. Eine bei ihr gesetzlich versicherte Arbeitnehmerin war im Betrieb des Beklagten tätig. Über das Vermögen des Beklagten hat das AG Pinneberg das Insolvenzverfahren eröffnet. Die Klägerin hat in diesem Rahmen rückständige Sozialversicherungsbeiträge i.H. v. 4.621,03 € zur Insolvenztabelle angemeldet. Dabei hat ZIP 2009, Seite 1029sie angegeben, dass die Forderung i.H. v. 2.009 € auf einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung des Beklagten beruhe. Der Beklagte hat der Anmeldung insoweit widersprochen, als die Forderung i.H. v. 2.009 € auf einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung beruhen soll.

Die Klägerin hat bei dem AG Pinneberg Klage auf Feststellung erhoben, dass die angemeldete Forderung i.H. v. 2.009 € aus dem Rechtsgrund der vorsätzlich unerlaubten Handlung bestehe.

Das AG hat nach Anhörung der Parteien mit Beschluss vom 20.3.2008 die Unzulässigkeit des beschrittenen Rechtswegs ausgesprochen und den Rechtsstreit an das SG Kiel verwiesen. Gegen den Verweisungsbeschluss hat die Klägerin sofortige Beschwerde erhoben.

II. 1. Die zulässige Beschwerde ist nur teilweise begründet.

a) Das AG hat zu Recht den Rechtsweg zu den Zivilgerichten für unzulässig erklärt.

Der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten ist nicht eröffnet, weil nach § 51 SGG die Zuständigkeit der Sozialgerichtsbarkeit begründet ist (§ 13 GVG). Es liegt eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit in Angelegenheiten der gesetzlichen Krankenversicherung vor (§ 51 Abs. 1 Nr. 2 SGG). Streitgegenständlich ist eine öffentlich-rechtliche Forderung der Klägerin gegen den Beklagten (aa). Dass die Forderung zugleich auf den Rechtsgrund der unerlaubten Handlung gestützt wird, ändert an der Zuständigkeit der Sozialgerichte nichts (bb), selbst wenn im Rechtsstreit der Rechtsgrund der vorsätzlichen unerlaubten Handlung zu prüfen ist (cc). Dies muss auch dann gelten, wenn ausschließlich die Frage des Vorliegens einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung streitig ist (dd). Dafür lassen sich der Gesetzeswortlaut (ee) und der Wille des Gesetzgebers (ff) anführen. Schließlich dient die Einordnung als öffentlich-rechtliche Streitigkeit der Prozessökonomie (gg).

aa) Die Klägerin klagt, um eine öffentlich-rechtliche Forderung zu realisieren und sie vor dem Erlöschen im Insolvenzverfahren (§ 302 Nr. 1 InsO) zu bewahren. Dass der Anspruch der Krankenkasse gegen den Arbeitgeber auf Zahlung der Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung ein öffentlich-rechtlicher ist und die Sozialgerichte über solche Streitigkeiten entscheiden (§ 51 Abs. 1 Nr. 2 SGG), ist unstreitig (BGH NJW 1972, 1237; BGH ZIP 1984, 633 = NJW 1984, 1622, 1623).

bb) Geklärt ist außerdem, dass ein Rechtsstreit über eine öffentlich-rechtliche Forderung nicht dadurch in die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte fällt, dass die Forderung auf eine zivilrechtliche Anspruchsgrundlage – namentlich eine unerlaubte Handlung – gestützt wird (BGH NJW 1962, 200).

Der BGH hatte in dem zitierten Fall über die Klage eines Sozialversicherungsträgers gegen den Stellvertreter eines Arbeitgebers und Beitragschuldners zu entscheiden. Der Sozialversicherungsträger verlangte die Erstattung von Sozialversicherungsbeiträgen, die ihm der Stellvertreter durch unerlaubte Handlung vorenthalten habe. Der BGH erklärte den beschrittenen Rechtsweg für zulässig, weil ein seiner Natur nach zivilrechtlicher Anspruch auf Schadensersatz geltend gemacht werde. Streitgegenständlich sei nicht die öffentlich-rechtliche Beitragspflicht zur Sozialversicherung, sondern die Frage einer Vermögensschädigung durch unerlaubte Handlung. Die Entscheidung über den Rechtsstreit setze zwar eine Prüfung der sozialversicherungsrechtlichen Pflichten des Beklagten voraus. Dabei handele es sich aber lediglich um eine Vorfrage. An der zivilrechtlichen Natur des geltend gemachten Anspruchs ändere nichts, dass der Anspruch aus der Verletzung einer öffentlich-rechtlichen Pflicht hergeleitet werde. Weiter heißt es in dem Urteil: „Anders wäre es nur dann, wenn der Beklagte nach dem maßgebenden Sozialversicherungsrecht selbst Schuldner der einbehaltenen Beiträge wäre oder wenn das Sozialversicherungsrecht ihn neben dem Arbeitgeber als für dessen Beitragsschuld haftbar erklärt hätte. Dann könnte der Sozialversicherungsträger nicht dadurch die Rechtsverfolgung vor den Zivilgerichten erreichen, daß er seinen Anspruch auf Verletzung eines Schutzgesetzes i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB stützt. Unbeschadet dieser zivilrechtlichen Begründung würde es sich dann in der Sache um die Geltendmachung einer öffentlich-rechtlichen Beitragsforderung handeln.“

Der BGH stellt in diesem Zusammenhang zutreffend darauf ab, ob ein öffentlich-rechtliches Rechtsverhältnis vorliegt oder nicht (§ 51 SGG). Er entscheidet nicht danach, wo der Schwerpunkt des jeweiligen Rechtsstreits liegt. Dieses Kriterium ist dem Gesetz unbekannt und der Rechtssicherheit abträglich.

In dem vom BGH entschiedenen Fall war der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten eröffnet, weil der Beklagte nach den sozialversicherungsrechtlichen Normen nicht Schuldner des Beitragszahlungsanspruchs war und lediglich die einschlägigen Strafvorschriften weitere Personen – darunter Stellvertreter – erfassten. Könne der Versicherungsträger den Beklagten ausschließlich über § 823 Abs. 2 BGB in Anspruch nehmen, so sei der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten gegeben, so die Entscheidung des BGH.

Auch in weiteren Entscheidungen hat der BGH den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten fast ausnahmslos in Fällen für einschlägig erachtet, in denen ein Schadensersatzanspruch allein aus unerlaubter Handlung geltend gemacht werden konnte (BGH NJW 1976, 2129; BGH ZIP 1984, 633 = NJW 1984, 1622; BGH ZVI 2006, 311 = NJW 2006, 2922). Es handelte sich nicht um Streitigkeiten zwischen Sozialversicherungsträger und Sozialversicherungsschuldner, sondern um Streitigkeiten mit Dritten, etwa zwischen Sozialversicherungsschuldner und Insolvenzverwalter, Sozialversicherungsträger und Bürgen oder Sozialversicherungsträger und Geschäftsführer der Sozialversicherungsschuldnerin. Auch die Entscheidung des BGH, dass die ordentlichen Gerichte für Streitigkeiten über die Frage der Insolvenzbefangenheit einer öffentlich-rechtlichen Forderung zuständig seien (BGH ZIP 1984, 1501 = NJW 1985, 976), betraf die Klage eines Gemeinschuldners gegen den Konkursverwalter. Rechtsverhältnisse, an denen Dritte beteiligt sind, mögen sich nach dem Schwerpunkt der anzuwendenden Rechtsnormen der ordentlichen Gerichtsbarkeit zuordnen lassen. Anders liegt es aber bei Streitigkeiten zwischen den an einem öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnis unmittelbar Beteiligten. Soweit der BGH mit Urteil des IX. Zivilsenats vom 18.1.2007 (BGH ZIP 2007, 541 = ZVI 2007, 424 = NJW-RR 2007, 991) auch einen Rechtsstreit zwischen Sozialversicherungsträger und Sozialversicherungsschuldner entschieden hat, ohne die Rechtswegfrage anzusprechen, kann dem nicht entnommen werden, dass von der Grundsatzent-ZIP 2009, Seite 1030scheidung des VI. Senats vom 7.11.1961 (BGH NJW 1962, 200) abgewichen werden sollte.

Im vorliegenden Fall kann die Klägerin den Beklagten nicht ausschließlich über § 823 Abs. 2 BGB in Anspruch nehmen. Vielmehr ist der Beklagte als Arbeitgeber selbst Schuldner der geltend gemachten öffentlich-rechtlichen Beitragsforderung. Die Klägerin macht ihre öffentlich-rechtliche Beitragsforderung lediglich aus dem besonderen Rechtsgrund der unerlaubten Handlung geltend, weil sich daran besondere insolvenzrechtliche Folgen anschließen. Diese Anspruchskonkurrenz ändert aber nichts daran, dass der Anspruch öffentlich-rechtlicher Natur ist. Der sozialversicherungsrechtliche Beitragsanspruch entsteht als öffentlich-rechtlicher Anspruch und wird nicht dadurch zu einem privatrechtlichen, dass eine unerlaubte Handlung des Schuldners hinzutritt.

Sind danach aber die Sozialgerichte für die Geltendmachung des – auch auf unerlaubte Handlung gestützten – Zahlungsanspruchs des Sozialversicherungsträgers umfassend zuständig (§ 17 Abs. 2 GVG), so muss ihre Zuständigkeit als „Minus“ auch dann begründet sein, wenn im Wege der Feststellungsklage lediglich ein Rechtsverhältnis festgestellt werden soll, dessen Bestehen Voraussetzung dieses Anspruchs ist. Der Rechtsprechung des BGH lässt sich nicht entnehmen, dass die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte stets dann begründet sei, wenn privatrechtliche Elemente eines öffentlich-rechtlichen Anspruchs den alleinigen Gegenstand eines Rechtsstreits bilden (a.A. wohl Zöller/Gummer, ZPO, § 13 GVG Rz. 43). Eine solche Regel würde dazu führen, dass über dieselbe Fallkonstellation je nach prozessualer Konstellation unterschiedliche Gerichtsbarkeiten zu entscheiden hätten. Dies liefe der Einheitlichkeit der Rechtsprechung zuwider.

cc) Haben die Sozialgerichte über öffentlich-rechtliche Zahlungsansprüche auch dann zu entscheiden, wenn sie auf unerlaubte Handlung gestützt werden, so muss der Rechtsweg zur Sozialgerichtsbarkeit auch dann begründet sein, wenn neben der Zahlungsklage die Feststellung begehrt wird, dass der Anspruch aus unerlaubter Handlung begründet sei (so auch SG Gelsenkirchen ZfF 2007, 252).

Das Sozialgericht hatte in dem zitierten Fall über eine Klage auf Feststellung einer öffentlich-rechtlichen Erstattungsforderung zur Insolvenztabelle sowie auf Feststellung des Rechtsgrunds der Forderung aus vorsätzlicher unerlaubter Handlung zu entscheiden. Die Klägerin war eine Sozialhilfeträgerin, die die Rückzahlung von an die Beklagte gezahlter Sozialhilfe und Wohngeld begehrte. Das Sozialgericht hat sich zur Entscheidung über beide Feststellungsanträge für zuständig gehalten. Zur Begründung hat es angeführt, die Klägerin begehrte lediglich die Feststellung, dass das Verhalten der Beklagten, das einen Rückforderungsanspruch nach § 45 SGB X begründet habe, auch als eine vorsätzlich begangene unerlaubte Handlung zu qualifizieren sei. Dies ändere nichts an der sozialrechtlichen Natur der Klageforderung.

In der Tat macht es Sinn, die Feststellung einer nach Haftungsgrund und -höhe streitigen Forderung demselben Gericht zuzuweisen, um eine umfassende und zügige Entscheidung der Streitigkeit zu ermöglichen.

dd) Entscheiden die Sozialgerichte in der genannten Fallkonstellation ohnehin über vorsätzliche unerlaubte Handlungen der Schuldner öffentlich-rechtlicher Forderungen, so sichert es die Einheitlichkeit der Rechtsprechung, den Rechtsweg zu den Sozialgerichten auch für Streitigkeiten ausschließlich über den Haftungsgrund einer nach Bestehen und Höhe unstreitigen öffentlich-rechtlichen Forderung anzunehmen. Nicht zu folgen ist daher der Entscheidung des LSG Baden-Württemberg vom 30.8.2005 (L 9 SF 863/05 B, Juris).

Jener Entscheidung lag dieselbe Konstellation zugrunde wie dem vorliegenden Fall: Eine Sozialversicherungsträgerin klagte gegen den insolventen Beitragsschuldner auf Feststellung, dass eine – unstreitige – Beitragsforderung aus vorsätzlicher unerlaubter Handlung begründet sei. Das Landessozialgericht sah den Rechtsweg zur ordentlichen Gerichtsbarkeit als eröffnet an. Zur Begründung führte es an, der Schwerpunkt des Rechtsstreits liege nicht bei der Anwendung von Vorschriften des Sozialversicherungsrechts, sondern bei Vorschriften des bürgerlichen Rechts. Die deliktische Haftung des Arbeitgebers habe ihren Rechtsgrund nur dann im Sozialversicherungsrecht, wenn die Beitragsforderung als solche streitig sei.

Diese Argumentation überzeugt nicht. Dass im Fall der Anspruchskonkurrenz aus Gründen der Rechtssicherheit nicht auf einen Schwerpunkt des Rechtsstreits abzustellen ist, sondern die öffentlich-rechtliche Natur des Anspruchs maßgeblich bleibt, ist bereits ausgeführt worden. Ferner hängt die Rechtsnatur einer Forderung nicht davon ab, ob bereits ihr Bestehen oder nur ihr Rechtsgrund streitig ist.

ee) Für die Eröffnung des Rechtswegs zur Sozialgerichtsbarkeit spricht ferner der Gesetzeswortlaut. Nach § 181 InsO werden Forderungen zur Insolvenztabelle nach Grund, Betrag und Rang festgestellt. Die Frage, ob eine Forderung (auch) aus vorsätzlicher unerlaubter Handlung begründet ist, ist eine Frage des Anspruchsgrunds. Dementsprechend spricht das Gesetz in § 174 Abs. 2 InsO davon, die unerlaubte Handlung liege der Forderung „zugrunde“. In § 181 InsO hat der Gesetzgeber die Frage der unerlaubten Handlung nicht gesondert angesprochen, weil er sie dem Merkmal des Anspruchsgrunds zugeordnet hat. Dass das zuständige Gericht im Feststellungsverfahren über Grund, Betrag und Rang der Forderung einheitlich entscheidet, ist anerkannt (MünchKomm-Schumacher, InsO, § 185 Rz. 3). Als Frage des Anspruchsgrunds muss diese Zuständigkeit auch die Frage der vorsätzlichen unerlaubten Handlung umfassen.

ff) Für die Zuständigkeit der Sozialgerichte sprechen auch die Motive des Gesetzgebers: Der Gesetzgeber hat in der Begründung des Entwurfs von § 174 Abs. 2 InsO ausgeführt, die Frage des Vorliegens einer unerlaubten Handlung lasse sich „wie die Behandlung eines Konkursvorrechts nach altem Recht behandeln“ (BT-Drucks. 14/5680, S. 27 f.; vgl. auch BGH ZIP 2008, 566 = ZVI 2008, 116 = NZI 2008, 250, 251). In der Rechtsprechung zum Konkursvorrecht nach § 51 KO war aber anerkannt, dass die Frage der Bevorrechtigung einer sozialrechtlichen Forderung im Konkurs selbst dann von den Sozialgerichten zu entscheiden ist, wenn sie den alleinigen Gegenstand des Rechtsstreits bildet (BGH NJW 1971, 1271; BSG ZIP 1981, 998).

ZIP 2009, Seite 1031

Zur Begründung hat das BSG ausgeführt (BSG NJW 1971, 80): Das Konkursvorrecht einer Forderung wohne dieser als eine Eigenschaft oder Kraft inne und stehe nicht als besonderes Recht neben ihr. Schon daraus folge, dass Vorrechtsstreitigkeiten grundsätzlich vor dieselben Gerichte gehörten wie Streitigkeiten über Grund und Höhe der Forderung. Eine andere Auffassung sei mit der Regelung des § 146 Abs. 5 KO unvereinbar, der die Kompetenz der ordentlichen Gerichte für alle Streitigkeiten über Grund, Höhe und Vorrecht der Forderung ausschließe, soweit ein besonderes Gericht, ein Verwaltungsgericht oder eine Verwaltungsbehörde zuständig sei. Ob um den Bestand oder den Rang der Forderung gestritten werde, stelle nur einen graduellen, keinen prinzipiellen Unterschied dar. Es sei überdies zweckmäßig, die Entscheidung über das Bestehen einer Konkursforderung nach Grund und Höhe und über das Vorrecht derselben Forderung in die Hand desselben Richters zu legen. Andernfalls würden unter Umständen zwei Prozesse über dieselbe Forderung geführt werden müssen. Es komme hinzu, dass der Richter, der über Grund und Höhe der Forderung zu befinden hat, auch von der Sache her besonders berufen sei, die nach den Vorschriften der KO für die Feststellung des Vorrechts vorausgesetzten Merkmale der Forderung rechtlich zu beurteilen.

Der BGH hat sich dem vollumfänglich angeschlossen (BGH NJW 1971, 1271). Er hat neuerdings seine Rechtsprechung zu § 51 KO wieder aufgegriffen und – in anderem Zusammenhang – auf die Feststellung des Rechtsgrunds der unerlaubten Handlung übertragen (BGH ZIP 2008, 566 = ZVI 2008, 116 = NZI 2008, 250, 251).

gg) Für die Zuständigkeit der öffentlich-rechtlichen Gerichte spricht schließlich der Gesichtspunkt der Prozessökonomie. Nur wenn § 185 Satz 1 InsO anwendbar ist, sind die öffentlich-rechtlichen Rechtsträger befugt, ihre Forderung durch Verwaltungsakt festzustellen. Dies gilt auch für den Anspruchsgrund der vorsätzlichen unerlaubten Handlung (vgl. AG Hamburg ZIP 2006, 1915 = ZVI 2007, 146 = NZI 2007, 123 für die Finanzbehörden; Braun/Specovius, InsO, § 185 Rz. 7 für Krankenkassen). Es ist sachgerecht und entlastet die Gerichte, wenn die Frage der unerlaubten Handlung im Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren geklärt wird. Der vorliegende Rechtsstreit macht deutlich, dass sich die öffentlich-rechtlichen Rechtsträger vor den ordentlichen Gerichten oftmals darauf beschränken, ein vorsätzliches Vorenthalten der geschuldeten Beiträge zu behaupten, und sich im Übrigen auf die sekundäre Darlegungslast des Schuldners berufen. Somit bringt der Schuldner regelmäßig erstmals vor Gericht seine Einwendungen vor. Im Verwaltungsverfahren könnte er dies hingegen bereits auf Anhörung der Behörde oder jedenfalls im Widerspruchsverfahren tun.

hh) Ist danach bereits § 51 Abs. 1 Nr. 2 SGG einschlägig, so kommt es auf die Frage des Anwendungsbereichs des § 51 Abs. 2 SGG nicht an (dazu BGH NJW 2003, 1192).

b) Begründet ist die Beschwerde, soweit der Rechtsstreit an das SG Kiel verwiesen worden ist. Nach § 57 Abs. 1 Satz 2 SGG ist das SG Hamburg örtlich zuständig, weil der Beklagte in Hamburg seinen Wohnsitz hat.

2. Eine Kostenentscheidung hatte nicht zu ergehen, weil die Kosten des Beschwerdeverfahrens Bestandteil der Kosten des Rechtsstreits sind und schon die erstinstanzliche Entscheidung nach § 17a GVG keine Kostenentscheidung zu treffen hatte (vgl. Zöller/Gummer, a.a.O., § 572, Rz. 47).

3. Die Zulassung der Rechtsbeschwerde beruht auf § 574 ZPO. § 574 ZPO ist anwendbar, weil § 17a Abs. 4 Satz 4 GVG nur für die oberen Landesgerichte als abschließende Regelung formuliert ist. Wollte man § 17a Abs. 4 S. 4 GVG trotz seines Wortlauts auch auf Entscheidungen der Landgerichte anwenden (so BGHZ 155, 365), so ergibt sich nichts anderes, weil auch § 17a Abs. 4 Satz 5 GVG die Zulassung der Beschwerde in Fällen grundsätzlicher Bedeutung gebietet. Die vorliegende Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, weil sie einer Vielzahl ähnlich gelagerter Prozesse entspricht und eine einheitliche Handhabung der Rechtswegfrage geboten ist.

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