LG Köln: Heilung eines wegen Stimmrechtsverlusts aufgrund Verstoßes gegen WpHG-Meldepflicht fehlerhaften Hauptversammlungsbeschlusses durch Bestätigungsbeschluss („Strabag“)

01.10.2009

WpHG §§ 21 f., 28 Satz 1; AktG §§ 131, 136, 142, 244, 245, 246

Heilung eines wegen Stimmrechtsverlusts aufgrund Verstoßes gegen WpHG-Meldepflicht fehlerhaften Hauptversammlungsbeschlusses durch Bestätigungsbeschluss („Strabag“)

LG Köln, Urt. v. 22. 4. 2009 – 91 O 59/07

Leitsätze der Redaktion:

1. Eine aktienrechtliche Anfechtungsklage ist nicht bereits dann rechtsmissbräuchlich, wenn die Kläger in vielen Hauptversammlungsverfahren als sog. Berufskläger auftreten, und dies durch einen in der Literatur aufgearbeiteten empirischen Befund (Baums/Keinath/Gajek, ZIP 2007, 1629) gestützt wird. Für die Annahme eines Rechtsmissbrauchs bedarf es vielmehr dezidierter Darlegungen der beweisbelasteten AG, welche konkreten Anhaltspunkte einen Missbrauch nahelegen.

2. Bei einem Verstoß gegen eine Meldepflicht nach dem WpHG, der zum Stimmrechtsverlust nach § 28 Satz 1 WpHG führt, handelt es sich um einen Verfahrensfehler; der unter einem solchen Verstoß zustande gekommene Hauptversammlungsbeschluss kann deshalb durch einen Bestätigungsbeschluss gem. § 244 AktG geheilt werden.

Tatbestand:

Die Kläger, Aktionäre der Beklagten, fechten mehrere in der Hauptversammlung der Beklagten am 1.6.2007 gefasste Beschlüsse an und begehren zugleich die positive Feststellung ihrer abgelehnten Beschlussvorschläge.

Mit Bekanntmachung im elektronischen Bundesanzeiger (Veröffentlichungsdatum: 23.4.2007) lud die Beklagte zur Hauptversammlung am 1.6.2007 ein und machte die TOP 1 – 13 bekannt. Am 1.6.2007 fand daraufhin die 79. ordentliche Hauptversammlung der Beklagten statt. Ein wesentlicher Schwerpunkt der Beschlussfassung in der Hauptversammlung 2007 lag dabei auf der Bestätigung mehrerer Beschlüsse (TOP 7 – 13) der Hauptversammlung 2006, die Gegenstand einer vor dem LG Köln erhobenen Anfechtungsklage sind (LG Köln, Urt. v. 5.10.2007 – 82 O 114/06, n. rkr. (Az. OLG Köln: 18 U 182/07), dazu EWiR 2008, 159 (Dörfler)).

Sämtliche Tagesordnungspunkte der Hauptversammlung vom 1.6.2007 wurden im Sinne der Vorschläge der Verwaltung der Beklagten angenommen bzw. abgelehnt.

Die Kläger greifen die streitgegenständlichen Beschlussgegenstände unter mehreren Aspekten an und tragen u.a. vor: Die Stimmabgabe eines Aktionärs sei wegen eines Verstoßes gegen §§ 21 f. WpHG gem. § 28 WpHG unwirksam. Die Möglichkeit einer Bestätigung der unter Verstoß gegen § 28 WpHG zustande gekommenen Beschlüsse in der Hauptversammlung 2006 scheide aus, da ein solcher Verstoß einen endgültigen Verlust bewirke.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage der Kläger zu 1) – 5) ist unbegründet.

I. 2. Die Anfechtungsklagen der Kläger zu 1) – 5) sind zulässig.

Sie sind insbesondere auch nicht missbräuchlich erhoben und deshalb unzulässig. Die Beklagte hat lediglich pauschal darauf verwiesen, dass die Kläger, was in der Tat aufgrund des in der ZIP Heft 38/2009, Seite 1819Literatur aufgearbeiteten empirischen Befunds nicht von der Hand zu weisen ist (Baums/Keinath/Gajek, ZIP 2007, 1629), in vielen Hauptversammlungsverfahren als sog. Berufskläger auftreten. Der Hinweis allein auf diese Tätigkeit vermag jedoch noch nicht einen Missbrauch zu belegen. Vielmehr hätte die Beklagte dezidiert darlegen müssen, aufgrund welcher konkreten Anhaltspunkte auf den Missbrauch geschlossen werden kann, da diese insoweit beweisbelastet ist (RGZ 146, 385, 396 f.; BGHZ 107, 296, 312 = ZIP 1989, 980 (m. Bespr. Heckschen, S. 1168) – Kochs-Adler, dazu EWiR 1989, 843 (Hirte)).

II. Die Klagen der Kläger zu 1) – 5) sind jedoch unbegründet.

(Ausführungen u.a. zum Entstehen der Meldepflicht)

2. b) Im Weiteren sind auch die Bestätigungsbeschlüsse wirksam zustande gekommen.

Die Kammer geht davon aus, dass es sich bei einem Verstoß gegen eine Meldepflicht nach dem WpHG, der zum Stimmrechtsverlust nach § 28 Satz 1 WpHG führt, um einen Verfahrensfehler handelt, der durch einen Bestätigungsbeschluss gem. § 244 AktG geheilt werden kann.

In Rechtsprechung und Literatur ist es umstritten, ob der aufgrund eines Verstoßes gegen eine nach dem WpHG bestehende Meldepflicht gefasste Beschluss nach § 244 AktG wirksam bestätigt werden kann. Die 2. Kammer für Handelssachen des LG Köln hat bei der Überprüfung der Hauptversammlungsbeschlüsse der Beklagten des Jahres 2006, unter Anführung eines Urteils des LG Mannheim (Urt. v. 7.4.2005 – 23 O 102/04, AG 2005, 780 f.), die Meinung vertreten, dass eine Heilung des Verstoßes gegen eine wertpapierrechtliche Mitteilungspflicht von vornherein ausscheidet, da der Verstoß materieller und nicht formeller Natur sei (LG Köln, Urt. v. 5.10.2007 – 82 O 115/06, S. 58). In die gleiche Richtung gehen auch Stellungnahmen aus der Literatur, (Bozenhardt, in: Festschrift Mailänder, 2006, S. 301, 307 f.; Schäfer, in: Marsch-Barner/Schäfer, Handbuch der börsennotierten AG, 2. Aufl., 2009, § 17 Rz. 58). Gegen eine solchermaßen vorgenommene Qualifizierung spricht jedoch, dass ein Ausschluss des Stimmrechts nach § 28 WpHG keinen Einfluss auf den Beschlussinhalt, sondern lediglich auf die Feststellung des Abstimmungsergebnisses hat (vgl. auch OLG Stuttgart ZIP 2004, 1456 = AG 2004, 457, 458). Mit dem Stimmrechtsausschluss nach § 28 WpHG wird bezweckt, die Nichtbefolgung der kapitalmarktrechtlichen Beteiligungspublizitätsregelungen zu sanktionieren, indem es für den Zeitraum der Nichtmeldung zu einem Rechtsverlust der aus der Mitgliedschaft stammenden Rechte kommt (vgl. BT-Drucks. 13/8933, S. 95 f.). Zu unterscheiden von der Sanktion des § 28 WpHG ist jedoch, welche Konsequenzen die Nichtmeldung auf das Abstimmungsergebnis in der Hauptversammlung einer AG hat. Dabei gilt es zu berücksichtigen, dass das Beschlussverfahren in der AG durch ein formales Hauptversammlungsverfahren bestimmt wird. Der Beschluss in der Hauptversammlung einer AG kommt dabei so zustande, wie er verkündet und protokolliert wurde (K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl., 2002, § 15 II 1, S. 441). Eine fehlerhafte Feststellung des Beschlussergebnisses führt nicht von vornherein zur Nichtigkeit, sondern nur zur Anfechtbarkeit des Beschlusses (K. Schmidt, in: Großkomm. z. AktG, 1996, § 243 Rz. 38). Ein solcher Verfahrensfehler kann jedoch in einer nachfolgenden Hauptversammlung gem. § 244 AktG bestätigt werden. Ist im Zeitpunkt des Bestätigungsbeschlusses der Verfahrensmangel noch nicht behoben und stimmt der gleiche von dem Ausschluss betroffene Aktionärskreis wiederum ab, so ist auch der Bestätigungsbeschluss anfechtbar. Ist der Mangel jedoch zwischenzeitlich behoben worden, ist nicht ersichtlich, warum eine Bestätigung gem. § 244 AktG ausscheiden sollte. Auch Sinn und Zweck der Sanktion des § 28 WpHG gebieten nichts anderes. Sanktioniert wird nur die Nichtmeldung durch den Meldepflichtigen. Das besagt jedoch nichts darüber, ob eine Hauptversammlung einen zunächst verfahrensfehlerhaft zustande gekommenen Beschluss gem. § 244 AktG bestätigen kann, indem die Beschlussfassung erneut vorgenommen wird (in diesem Sinne auch: OLG Stuttgart ZIP 2004, 1456 = AG 2004, 457, 458). Die Sanktion des § 28 WpHG hat nur Einfluss auf das Zustandekommen des Beschlusses, kann jedoch keine inhaltlichen Fehler des Beschlusses hervorrufen. Dies entspricht auch der Rechtsprechung des BGH, der zu § 142 Abs. 1 AktG die Meinung vertreten hat, dass eine Bestätigung im Falle des Verstoßes gegen § 142 Abs. 1 AktG infrage kommt (BGH ZIP 2006, 227 = DB 2006, 381 – Webatec; aus der Literatur Hüffer, AktG, 8. Aufl., 2008, § 244 Rz. 2; Habersack/Schürnbrandt, in: Festschrift Hadding, 2004, S. 391, 394 f.; Bork, EWiR 2006, 161, 162; Kocher, NZG 2006, 1, 5; Würthwein, in: Spindler/Stilz, AktG, Bd. 2, 2007, § 244 Rz. 16; a.A. Schwab, a.a.O., § 244 Rz. 4). Die Rechtsprechung des BGH ist auch auf den vorliegenden Fall zu übertragen, da es gleichermaßen im Fall des § 142 AktG wie auch des § 28 WpHG darum geht, dass ein fehlerhaftes Abstimmungsergebnis ermittelt wird. Ein relevanter Unterschied ist dabei zwischen diesen beiden Fällen nicht zu erkennen (so auch: Segna, AG 2008, 311, 318). Dieses Ergebnis wird auch von der herrschenden Meinung in der Literatur für § 327a AktG vertreten (vgl. Fleischer, in: Großkomm. z. AktG, 2007, Rz. 56 m.w.N.; a.A. LG Mannheim AG 2005, 780). Verlangt ein Hauptaktionär den Ausschluss der Minderheitsgesellschafter, obwohl dessen Rechte aufgrund einer Verletzung der Mitteilungspflicht gem. § 28 WpHG zur Zeit nicht wirksam ausgeübt werden können, so soll dies nur zur Anfechtbarkeit des Beschlusses führen.

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Anmerkung der Redaktion:

Die Berufung ist anhängig beim OLG Köln unter dem Az. 18 U 62/09.

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