LG Memmingen: Keine unwiderrufliche Bezugsberechtigung der Bank an Einmalprämie aus Restschuldversicherungsvertrag ihres insolventen Kreditnehmers

20.07.2009

BGB § 812; InsO §§ 91, 115; VVG § 166 a.F.

Keine unwiderrufliche Bezugsberechtigung der Bank an Einmalprämie aus Restschuldversicherungsvertrag ihres insolventen Kreditnehmers

LG Memmingen, Urt. v. 6. 5. 2009 – 12 S 2165/08

Leitsatz der Redaktion:

Die kreditgebende Bank besitzt im Falle der Insolvenz des Kreditnehmers keine unwiderrufliche Bezugsberechtigung an einer Einmalprämie aus einem Lebensversicherungsvertrag, der zur Absicherung eines Ratenkredits abgeschlossen wurde.

Zum Sachverhalt:

Der Kläger verlangt von der Beklagten die Rückzahlung einer nicht verbrauchten Einmalprämie einer Kreditlebensversicherung an die Insolvenzmasse.

Der Kläger war mit Beschluss des AG Memmingen vom 9.10.2007 zum Treuhänder über das Vermögen des Schuldners bestellt worden. Diesem Beschluss war ein Antrag des Schuldners vom 25.9.2007 beim Insolvenzgericht vorausgegangen.

Am 15.9.2005 hatte der Insolvenzschuldner mit der Beklagten einen Darlehensvertrag geschlossen. Am selben Tag hatte der Insolvenzschuldner auch mit der C. Lebensversicherung AG einen Kreditlebensversicherungsvertrag einschließlich Arbeitsunfähigkeitszusatzversicherung zur Absicherung des Ratenkredits mit der Beklagten abgeschlossen. Für diese Kreditlebensversicherung wurde ein Einmalbetrag i.H. v. 2.077,70 € vereinbart, der von der Beklagten an die Kreditlebensversicherung ausbezahlt wurde.

Die AGB des Kreditlebensversicherungsvertrags enthalten in § 5 Nr. 2, 2. Spiegelstrich folgende Klausel: „Im Falle der Kündigung wird der zum Kündigungstermin berechnete nicht verbrauchte Einmalbetrag (Rückvergütung) dem versicherten Kreditkonto gutgeschrieben.“

Die Kreditlebensversicherung wurde nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens durch den Treuhänder gekündigt. Mit Schreiben vom 15.1.2008 forderte der Kläger die Beklagte auf, die C. Lebensversicherung AG anzuweisen, die nicht verbrauchte Einmalprämie i.H. v. 823,36 € auf das Treuhandkonto des Klägers zu überweisen. Mit Schreiben vom 8.5.2008 teilte die Beklagte mit, dass entsprechend dem Versicherungsvertrag die nicht verbrauchte Einmalprämie dem versicherten Kreditkonto gutgeschrieben werde.

Der Kläger hat beantragt, die Beklagte zur Zahlung von 823,36 € nebst Zinsen zu verurteilen. Das AG Memmingen hat der Klage vollumfänglich stattgegeben. Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten.

Gründe:

Die Berufung der Beklagten ist zulässig, aber unbegründet. Das angegriffene Urteil ist im Ergebnis richtig. Die Kammer teilt die zutreffenden Ausführungen im Ersturteil, wonach die Beklagte die von der Kreditlebensversicherung des Gemeinschuldners auf sein bei der Beklagten geführtes Kreditkonto ausbezahlten Gelder ohne Rechtsgrund erhalten hat und sie diese deshalb aufgrund ungerechtfertigter Bereicherung an den Kläger zurückzuzahlen hat. Die Beklagte hat aus dem Kreditlebensversicherungsvertrag keinen eigenen unwiderruflichen Anspruch gegen die auszahlende Versicherungsgesellschaft erworben.

Zwar hat der Kläger, nachdem er nach Insolvenzeröffnung die Versicherung kündigte, die im Versicherungsvertrag unter § 5 Nr. 2 vereinbarte Auszahlung der Rückvergütung auf sein Schuldkonto bei der Beklagten nicht gegenüber der Versicherung widerrufen. Allerdings ist der hierin allein liegende Auszahlungsauftrag automatisch gem. § 115 InsO mit der Insolvenzeröffnung erloschen. Entgegen der Ansicht der Berufungsbeklagten liegt in der vorgenannten allgemeinen Vertragsbestimmung kein eigenes und unwiderrufliches Bezugsrecht der Beklagten. Auf Seite eins des Versicherungsvertrags ist nämlich ausdrücklich bestimmt, dass bezugsberechtigt für alle Leistungen der Versicherungsnehmer ist. Die Regelung des § 5 Nr. 2 der Versicherungsbedingungen ist zudem im Zusammenhang mit § 166 Abs. 1 VVG a.F. zu sehen, wonach der Versicherungsnehmer im Zweifel jederzeit ohne Zustimmung des Versicherers einen anderen Bezugsberechtigten benennen kann, auch wenn die Bezeichnung des Bezugsberechtigten bereits im Vertrag erfolgt ist. Eine ausdrückliche Regelung dahin gehend, dass die in § 5 Nr. 2 bestimmte Bezugsberechtigung der Beklagten unwiderruflich sein sollte, fehlt.

Auch Sinn und Zweck des Versicherungsvertrags zwingen nicht dazu, eine unwiderrufliche Bezugsberechtigung der beklagten Bank anzunehmen. Zwar mag es aus Sicht der Beklagten wünschenswert und sinnvoll sein, in § 5 Nr. 2 eine unwiderrufliche Bezugsberechtigung zu sehen, aber aus Sicht des Versicherungsnehmers ist dies nicht der Fall. Ihm ist eher gedient, wenn er frei über die Rückvergütung entscheiden kann und diese in die Insolvenzmasse fällt, etwa um für die Kosten des Insolvenzverfahrens zur Verfügung zu stehen. Ein objektiver Sinn und Zweck des Versicherungsvertrags und des § 5 Nr. 2 der Versicherungsbedingungen, welcher die Auslegungsregel des § 166 Abs. 1 VVG a.F. aushebeln würde, ist danach nicht eindeutig feststellbar. Hätten die Versicherung und der Gemeinschuldner ein unwiderrufliches Bezugsrecht der Beklagten begründen wollen, so hätten sie dies in § 5 Nr. 2 der Versicherungsbedingungen eindeutig regeln müssen. Insbesondere der Versicherung musste die Auslegungsregel des § 166 VVG a.F. bekannt sein, so dass sie eine ausdrückliche Regelung in ihre Bedingungen hätte aufnehmen können. Die von Beklagtenseite für ihre Annahme eines unwiderruflichen Bezugsrechts angeführten Urteile überzeugen nicht, weil sie die Auslegungsregel des § 166 VVG a.F. nicht berücksichtigen.

Schließlich konnte die Beklagte auch deshalb an der Rückvergütungsforderung kein eigenes Recht erlangen, welches sie zum Behaltendürfen berechtigen würde, weil der Rückvergütungsanspruch erst mit der vom Kläger nach Insolvenzeröffnung ausgesprochenen Kündigung des Versicherungsvertrags gegenüber der Versicherung entstand. Dieser Anspruch war zuvor noch gar nicht vorhanden. Ohne die Kündigung wäre er auch nie entstanden. Er hing nicht von einer bloßen Rechtsbedingung ab, sondern von einer Willenserklärung des Klägers bzw. des Gemeinschuldners, welche allein zur Kündigung berechtigt waren. Da diese erst nach Insolvenzeröffnung erfolgte, steht einem Rechtserwerb der Beklagten insoweit § 91 InsO entgegen, demzufolge Rechte an Gegenständen der Insolvenzmasse nach Insolvenzeröffnung nicht wirksam erworben werden können. Nur für solche Vermögensgegenstände ist § 91 InsO nicht anwendbar, welche im Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung aus dem Vermögen des Gemeinschuldners bereits ausgeschieden waren. Dies war bei dem Anspruch auf Rückvergütung nicht der Fall, weil er erst durch die nach Verfahrenseröffnung erfolgte Kündigung entstand.

Der Kläger hat schließlich auch zu Recht darauf verwiesen, dass ein Anweisungsfall im Dreiecksverhältnis vorliegt, so dass richtigerweise sich die von der Versicherung erfolgte Auszahlung an die Beklagte als Leistung des Klägers darstellt, weshalb es der Kläger und nicht die Versicherung ist, welcher zur Rückforderung der ungerechfertigten Bereicherung berechtigt ist. Sowohl aus Sicht der Beklagten als auch aus Sicht der Versicherung sollte die Auszahlung der Rückvergütung erfolgen als Leistung des Klägers bzw. Gemeinschuldners an die beklagte Bank zur Tilgung seiner dortigen Schulden aufgrund früher erteilter Weisung. Die Versicherung und die Beklagte gingen lediglich rechtsirrtümlich davon aus, dass die frühere Weisung, welche in § 5 Nr. 2 der Vertragsbedingungen zu sehen ist, noch fortbestehe, weil sie nicht widerruflich sei und durch § 91 InsO nicht berührt werde. Weder Versicherung noch beklagte Bank gingen von einer eigenen Leistung der Versicherung an die Bank aus.

Nachdem zur Frage der Unwiderruflichkeit des Bezugsrechts gegensätzliche Entscheidungen verschiedener Instanzgerichte vorliegen (z.B. einerseits LG Düsseldorf – 7 O 22/07, 22 T 132/07, 22 S 481/07, andererseits LG Düsseldorf – 11 O 169/07), aber soweit ersichtlich keine höchstrichterliche Entscheidung bislang ergangen ist und die gleiche Problematik in einer Vielzahl weiterer Verträge auftritt, liegen die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision vor (§ 543 ZPO).

<einsender>Mitgeteilt von RA Dr. Thomas Karg, Memmingen</einsender>

Verlagsadresse

RWS Verlag Kommunikationsforum GmbH & Co. KG

Aachener Straße 222

50931 Köln

Postanschrift

RWS Verlag Kommunikationsforum GmbH & Co. KG

Postfach 27 01 25

50508 Köln

Kontakt

T (0221) 400 88-99

F (0221) 400 88-77

info@rws-verlag.de

© 2024 RWS Verlag Kommunikationsforum GmbH & Co. KG

Erweiterte Suche

Seminare

Rubriken

Veranstaltungsarten

Zeitraum

Bücher

Rechtsgebiete

Reihen



Zeitschriften

Aktuell