LG Neuruppin: Keine Haftung des Insolvenzverwalters für Vergütungsausfall des auf seinen Antrag hin bestellten Zwangsverwalters

18.03.2009

InsO § 61

Keine Haftung des Insolvenzverwalters für Vergütungsausfall des auf seinen Antrag hin bestellten Zwangsverwalters

LG Neuruppin, Urt. v. 21. 10. 2008 – 4 S 44/08

Leitsatz des Gerichts:

Ein Zwangsverwalter, der auf Antrag eines Insolvenzverwalters bestellt worden ist und aufgrund eintretender Masseinsuffizienz einen Ausfall in Bezug auf seine Vergütungsforderung erleidet, gehört nicht zu dem durch § 61 InsO geschützten Personenkreis.

Gründe:

I. Die Parteien streiten über eine Schadensersatzpflicht des Beklagten gem. § 61 InsO. Im Insolvenzverfahren über das Vermögen der Firma E. GmbH ist der Beklagte Insolvenzverwalter. Zur Insolvenzmasse gehörte eine Grundschuld, die i.H. v. 25.000 DM auf dem Grundstück eines der Gesellschafter eingetragen war. Auf Antrag des Beklagten ordnete das AG Neuruppin am 23.8.2004 die Zwangsverwaltung an und bestellte den Kläger zum Zwangsverwalter. Mit Schreiben vom 27.8.2004 wies der Beklagte den Kläger auf die Masseunzulänglichkeit, die er dem AG bereits im Jahre 2003 mitgeteilt hatte, hin. Nachdem der Kläger im Verlauf des Zwangsverwaltungsverfahrens den Beklagten darüber unterrichtet hatte, dass im Hinblick auf eine Eigennutzung durch den Eigentümer Einnahmen nicht zu erwarten seien und er eine Kostendeckungszusage zum Abschluss von Versicherungsverträgen benötige, nahm der Beklagte den Antrag auf Zwangsverwaltung beim AG zurück.

Auf Antrag des Klägers setzte das Zwangsverwaltungsgericht die Mindestvergütung für den Zwangsverwalter auf 640 € fest. Der Kläger forderte den Beklagten vergeblich zur Zahlung des festgesetzten Betrags auf und mahnte diese an. Der Beklagte zahlte unter Verweis auf die Masseunzulänglichkeit nicht.

Der Kläger hat in erster Instanz Schadensersatz nach § 61 InsO beantragt. Das AG hat der Klage im Wesentlichen stattgegeben.

II. Die Berufung des Beklagten ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingereicht worden. Sie hat auch in der Sache Erfolg.

Im Ergebnis zu Recht hat das AG allerdings die Zulässigkeit der Klage bejaht. (Wird ausgeführt.)

Die Klage ist jedoch unbegründet. Dem Kläger steht unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt ein Schadensersatzanspruch gegen den Beklagten zu. Ein solcher ergibt sich insbesondere nicht aus § 61 InsO.

Die Vorschrift schützt Massegläubiger, die aufgrund einer Unternehmensfortführung mit der Masse in Kontakt kommen und deren Vermögen mehren oder sonst einen Vorteil verschaffen (BGHZ 161, 236, 239 = ZIP 2005, 131). Die Haftung des bei der Begründung von Masseschulden fahrlässig handelnden Insolvenzverwalters bezweckt eine Milderung des erhöhten Ausfallrisikos bei Geschäften mit einem insolventen Partner. Sie soll den Erfolg der Unternehmensfortführung zum Zwecke der Reorganisation oder Liquidation durch Erhöhung des Vertrauens im Geschäftsverkehr unterstützen (vgl. zur Entstehungsgeschichte: Zweiter Bericht der Kommission für Insolvenzrecht, S. 83 f.; Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drucks. 12/2443, S. 129 zu § 72).

§ 61 InsO betrifft, diesem insolvenzwirtschaftlichen Zweck entsprechend, hauptsächlich die Begründung von Masseverbindlichkeiten durch Vertragsschluss und daneben noch die Erfüllungswahl und die unterlassene Kündigung von Dauerschuldverhältnissen (BGHZ 161, 236, 239 = ZIP 2005, 131). Ob auch die auf Antrag des Insolvenzverwalters erfolgte Bestellung eines Zwangsverwalters zur Haftung nach dieser Vorschrift führen kann, ist bislang in der veröffentlichten Rechtspraxis noch nicht entschieden. Allerdings ist anerkannt, dass im Rahmen der Abwägung der widerstreitenden Interessen einer Ausuferung der Haftung des Insolvenzverwalters vorgebeugt werden soll (BGH ZIP 2004, 1107 = VersR 2004, 1609, 1610 m.w.N.). So werden nach dem Schutzzweck der Norm solche Massegläubiger nicht erfasst, die für oder im Zusammenhang mit ihrem Anspruch gegen die Masse keine Gegenleistung erbringen (BGHZ 161, 236, 240 = ZIP 2005, 131). Zu dieser Gläubigergruppe gehört der Kläger, dessen Aufgabe als Zwangsverwalter es war, der Insolvenzmasse Vermögensvorteile zuzuführen, allerdings nicht. Seine Vergütung stellt das Entgelt für seine Leistungen zu Gunsten der Masse dar.

Es erscheint jedoch zweifelhaft, ob die aus dem Tätigwerden eines Zwangsverwalters der Masse zufließenden Vorteile allein ausreichen, ihn mit Personen gleichzusetzen, die vertragliche Geschäftsbeziehungen mit einem insolventen Unternehmen aufnehmen oder aufrechterhalten, weil sie auf den besonderen Schutz vor einer fahrlässig unzutreffenden Masseprognose durch den Insolvenzverwalter vertrauen. So ist der Zwangsverwalter schon aufgrund seiner rechtlichen Stellung mit einem Vertragspartner nicht zu vergleichen. Er erhält sein Amt durch gerichtliche Entscheidung und erfüllt seine Aufgaben nicht auf vertraglicher sondern ausschließlich gesetzlicher Grundlage. Auch wenn hinsichtlich seiner Vergütung eine gesetzliche Sonderverbindung zum Gläubiger besteht (vgl. BGH ZIP 2004, 1521 = WM 2004, 1590), handelt der Zwangsverwalter frei von der Einflussnahme der Vollstreckungsbeteiligten und ist auch an Wünsche und Anregungen nicht gebunden (Stöber, ZVG, 18. Aufl., § 152 Rz. 3).

Entscheidend aber ist, dass die Realisierung des Vergütungsanspruchs eines Zwangsverwalters bereits einen hinreichenden gesetzlichen Schutz genießt. § 155 Abs. 1 ZVG ermächtigt ihn, den Kostenaufwand für seine Vergütung direkt aus den Nutzungen des Grundstücks zu bestreiten. Soweit diese nicht ausreichen, kann er das Vollstreckungsgericht darüber unterrichten und so die Einzahlung eines Kostenvorschusses durch den Gläubiger, dem andernfalls die Verfahrenseinstellung droht (§ 161 Abs. 3 ZVG), herbeiführen. Er hat es daher weitgehend selbst in der Hand, für die Sicherstellung seiner Ansprüche zu sorgen.

Bei dieser Sachlage bedarf es keiner weiteren Sicherung durch einen Rückgriff auf den Insolvenzverwalter bei erlittenem Ausfallschaden. Ein die Anwendung der Vorschrift erforderndes Schutzdefizit (vgl. BGH ZIP 2004, 1107 = VersR 2004, 1609, 1610 m.w.N.) besteht nicht. Dem kann der Kläger nicht entgegenhalten, sein umfänglicher Ausschluss aus dem Anwendungsbereich des § 61 InsO führe jedenfalls dann zu einer regelwidrigen Lücke, wenn, wie hier, keinerlei Nutzungen im Rahmen der Zwangsverwaltung erwirtschaftet werden. Es mag sein, dass am Anfang der Zwangsverwaltung nicht jeder Teil des Vergütungsanspruchs durch rechtzeitige Vorschussanforderung gesichert werden kann und in den Grenzen der Mindestvergütung dem Zwangsverwalter der Forderungsausfall oder der Verweis auf die Quote und damit die Folge droht, die bereits unter der Geltung der KO bestand. Dies ist jedoch hinzunehmen. § 61 InsO ist insoweit kein Auffangtatbestand für das geschlossene Sicherungssystem der Kostendeckung des ZVG. Es würde zu der vom Gesetzgeber nicht gewollten Ausuferung der Insolvenzverwalterhaftung führen, wenn dieser auch die Risiken zu tragen hätte, die zum allgemeinen Risiko einer Zwangsverwaltung gehören. Auch mit Blick auf den Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes verlangt die Aufgabe und Tätigkeit des Zwangsverwalters keine Gleichstellung mit Ver-ZIP 2009, Seite 433tragspartnern im Wirtschaftsverkehr. Seine Bestellung steht weder in einem besonderen Zusammenhang mit der Unternehmensfortführung noch ist sie Teilnahme am allgemeinen Wirtschaftsverkehr. Insoweit ist eine gegenüber dem früheren Rechtszustand veränderte Interessenlage der Insolvenzbeteiligten, die eine Grundlage oder einen Anreiz für einen noch höheren Risikoschutz des Zwangsverwalters bieten könnte, nicht gegeben.

Nach alledem ist festzustellen, dass ein Zwangsverwalter, der auf Antrag eines Insolvenzverwalters bestellt worden ist und aufgrund eintretender Masseinsuffizienz einen Ausfall in Bezug auf seine Vergütungsforderung erleidet, nicht zu dem durch § 61 InsO geschützten Personenkreis gehört.

Da der Parteivortrag auch keinen Anhaltspunkt für eine Haftung des Beklagten aus § 60 InsO oder aus § 826 BGB bietet, ist die Klage insgesamt abzuweisen.

Im Hinblick auf die dargelegte Frage der Anwendung des § 61 InsO auf den Ausfallschaden eines Zwangsverwalters wird die Revision zugelassen.

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