LG Potsdam: Delegierbarkeit von Tätigkeiten des Zwangsverwalters

06.03.2009

ZwVwV § 1 Abs. 1, 3, § 19

Delegierbarkeit von Tätigkeiten des Zwangsverwalters

LG Potsdam, Beschl. v. 5. 5. 2008 – 5 T 669/07

Leitsätze der Redaktion:

1. Dem Zwangsverwalter obliegt zwar die Aufsichts- und Kontrollpflicht und die haftungsrechtliche Alleinverantwortung für das Zwangsverwaltungsverfahren; er kann aber im Interesse einer Optimierung der Arbeitsabläufe und einer effizienteren Verfahrensabwicklung Tätigkeiten auf Hilfskräfte und Bevollmächtigte übertragen. Delegierbar sind insbesondere Inbesitznahme, Buchhaltung, Aktenführung und Objektbetreuung; des Weiteren kann zwischen Regel- und Sonderaufgaben zu unterscheiden sein.

2. Die Übertragung delegierbarer Aufgaben auf eine Service GmbH, deren Gesellschafter und Geschäftsführer der Zwangsverwalter ist, widerspricht nicht der höchstpersönlichen Führung der Zwangsverwaltung und führt zu keiner Haftungsbeschränkung.

Gründe:

I. Auf den Antrag der Bank, der Beteiligten zu 1), ordnete das AG Luckenwalde mit Beschluss vom 29. Mai 2006 die Zwangsverwaltung des Wohnungseigentums an, an dem laut Grundbuch die Schuldner, die Beteiligten zu 2) und 3), jeweils zur Hälfte Miteigentum innehaben, und bestellte den Beteiligten zu 4) zum Zwangsverwalter.

Der Beteiligte zu 4) erstattete am 12. Juni 2006 einen Inbesitznahmebericht. Danach erfolgte die Inbesitznahme des verwalteten Wohnungseigentums, bei dem es sich um eine 2-Zimmer-Wohnung mit Balkon im Obergeschoss handelt, am 2. Juni 2006. Bei Inbesitznahme der Wohnung wurde diese von den Eheleuten S., den Eltern des Beteiligten zu 2), die selbst Eigentümer des im Erdgeschoss gelegenen Wohnungseigentums Nr. 1 sind, genutzt. Der Beteiligte zu 4) berichtete darüber, dass nach Aussage des Beteiligten zu 2) und der Nutzer sie durch einen Wechsel der Wohnungen die Zahlung einer Nutzungsentschädigung untereinander umgehen wollten.

Am 29. Januar 2007 erstattete der Beteiligte zu 4) einen Zwischenbericht unter Verwendung eines Briefbogens der K. Zwangsverwaltungen Service GmbH, Geschäftsführerin W. Er führte aus, die Eltern des Beteiligten zu 2) hätten mehrfach erklärt, die Dachgeschosswohnung sei ihr Eigentum; sie hätten an eine Verwechslung im Grundbuch geglaubt. Er habe dem vom Eigentümer angekündigten Wechsel der Wohnungen widersprochen. Nachdem die Mutter des Beteiligten zu 2) noch Anfang Dezember 2006 die Nutzung der Dachgeschosswohnung bestätigt habe, habe er den Eheleuten S. am 14. Dezember 2006 einen Mietvertrag über die beschlagnahmte Wohnung mit der Mitteilung, rückwirkend ab 1. Juli 2006 ein Nutzungsentgelt zu fordern, übersandt. Daraufhin habe der Eigentümer mit Schreiben vom 22. Dezember 2006 mitgeteilt, die Wohnung selbst zu nutzen.

Die Beteiligten zu 2) und 3) nahmen am 20. Februar 2007 zum Zwischenbericht Stellung. Der Beteiligte zu 4) erwiderte darauf mit Schreiben vom 14. März 2007, gefertigt auf einem Briefbogen der K. Zwangsverwaltungen Service GmbH.

Die Schuldner haben am 25. April 2007 beantragt, die K. Zwangsverwaltungen Service GmbH als Zwangsverwalter abzuberufen. Sie haben die Ansicht vertreten, es sei nicht statthaft, wenn sich eine förmlich zum Zwangsverwalter bestellte natürliche Person zur Erfüllung ihrer Aufgaben einer Kapitalgesellschaft bediene. Sie haben außerdem beantragt, den Beteiligten zu 4) als Zwangsverwalter ebenfalls abzuberufen.

Das AG hat den Antrag der Beteiligten zu 2) und 3) mit Beschluss vom 6. Juli 2007 zurückgewiesen. Es hat zur Begründung ausgeführt, eine Pflichtverletzung des Beteiligten zu 4) sei nicht erkennbar. Der Zwangsverwalter könne auch zur Besorgung nicht höchstpersönlicher Aufgaben Mitarbeiter und Servicepersonal einsetzen. Die Frage des Wohnungstausches sei vom Versteigerungsgericht nicht zu prüfen.

Die Beteiligten zu 2) und 3) haben gegen diesen Beschluss Beschwerde eingelegt. Das AG hat der sofortigen Beschwerde mit Beschluss vom 17. Oktober 2007 nicht abgeholfen und die Sache dem LG zur Entscheidung vorgelegt.

II. Die gem. § 11 Abs. 1 RPflG, §§ 793, 569 Abs. 1 ZPO zulässige sofortige Beschwerde ist nicht begründet. Die Entscheidung des AG ist nicht zu beanstanden.

Nach § 153 Abs. 2 ZVG kann das Zwangsversteigerungsgericht den Verwalter entlassen. Eine Entlassung des Zwangsverwalters gegen seinen Willen kommt nur aus wichtigem Grund in Betracht, wenn andere Zwangsmittel erfolglos geblieben sind oder keinen Erfolg versprechen. Als wichtiger Grund kommen in Betracht: eine schwere Pflichtverletzung, wie Veruntreuung von Geldern, die offensichtliche Unfähigkeit zur Zwangsverwaltungsgeschäftsführung, die Unverträglichkeit mit dem Schuldner, wenn diese in der Person des Verwalters begründet liegt und hierdurch das Verfahren erheblich beeinträchtigt wird, ein Eingriff in das beschlagnahmefreie Vermögen des Schuldners mit Verpachtung von dessen Gewerbebetrieb, eine längere Krankheit, die Unvereinbarkeit der Verwaltung mit der sonstigen beruflichen Tätigkeit des Verwalters, insbesondere Interessenkollision, die spätere Bestellung eines Instituts oder Schuldnerverwalters, die Verletzung von Rechnungs-ZIP 2009, Seite 392legungs- und Belegpflichten nach Zwangsgeldfestsetzung, die Annahme von Vermögensvorteilen seitens der Beteiligten im Zusammenhang mit dem Verfahren und die wiederholte Nichtbefolgung von rechtlich und tatsächlich begründeten Anweisungen (vgl. Dassler/Schiffhauer/Hintzen/Engels/Rellermeyer, ZVG, 13. Aufl., § 153 Rz. 57, 58 m.w.N.).

Die Voraussetzungen für eine Entlassung des Zwangsverwalters liegen hier jedoch nicht vor. Entgegen der Ansicht der Beteiligten zu 2) und 3) kann nicht festgestellt werden, dass der Beteiligte zu 4) sein Amt als Zwangsverwalter nicht höchstpersönlich ausübt, weil er die Inbesitznahme des Zwangsverwaltungsobjekts nicht selbst vorgenommen hat und die Korrespondenz auf Briefbögen der K. Zwangsverwaltungen Service GmbH geführt hat.

Nach § 1 Abs. 1 ZwVwV führen Zwangsverwalter und Zwangsverwalterinnen die Verwaltung selbstständig und wirtschaftlich nach pflichtgemäßem Ermessen aus. Abs. 3 dieser Vorschrift regelt, dass der Verwalter die Verwaltung nicht einem anderen übertragen darf. Im Falle seiner Verhinderung kann er sich jedoch zur Besorgung einzelner Geschäfte, die keinen Aufschub dulden, anderer Personen bedienen. Nach der Neufassung des § 1 Abs. 1 und 3 ZwVwV und der Regelung des § 19 ZwVwv kann zu Recht davon ausgegangen werden, dass der Zwangsverwalter zwar „höchstpersönlich“ in der Verantwortung und Haftung für eigenes sowie Handeln seiner Mitarbeiter steht, er im Übrigen aber viele Tätigkeiten auf Hilfskräfte und Bevollmächtigte delegieren kann. Ausdrücklich untersagt ist ihm allein die Übertragung der Geschäftsführung auf eine andere Person. Das ZVG als auch die alte Verordnung gingen als gesetzliches Leitbild noch vom Gelegenheitsverwalter aus, der neben seiner sonstigen Berufstätigkeit als Rechtsanwalt, Steuerberater o. Ä. einzelne Zwangsverwaltungen übernimmt und diese „nebenher“ unter Delegation einzelner Tätigkeiten erledigt. Wenngleich die haftungsrechtliche Alleinverantwortung des Zwangsverwalters als höchstpersönliches Merkmal unverändert geblieben ist, hat sich mehr und mehr eine Veränderung des Erscheinungsbildes ergeben, die es erforderlich macht, die delegationsfähigen Bereiche deutlicher als bisher gegen die nicht delegierbaren höchstpersönlichen Arbeiten abzugrenzen. Der Zwangsverwalter kann und muss angesichts der Vielzahl der angeordneten Verfahren nicht alle Tätigkeiten selbst erledigen. Der Verordnungsgeber macht nicht nur schwierige, sondern auch einfache und durchschaubare Verfahren nach der Begründung weitestgehend delegationsfähig (vgl. Haarmeyer/Wutzke/Förster/Hintzen, Zwangsverwaltung, 4. Aufl., § 1 Rz. 4, 10 – 12). Soweit der Zwangsverwalter nach der Regelung des § 1 Abs. 3 ZwVwV die Verwaltung keinem anderen übertragen darf, ist zwischen höchstpersönlichen Aufgaben, die der Verwalter im Rahmen der Abwicklung eines Verfahrens delegieren kann, zu unterscheiden, da zu seiner Büroorganisation auch die entsprechend ausgebildeten Hilfskräfte gehören. Die haftungsrechtliche Alleinverantwortung obliegt dem Verwalter. Aufgrund des Tätigkeitsbildes kann er die ihm obliegenden Tätigkeiten jedoch nicht ausschließlich in seiner Person ausführen, so dass er auf Hilfspersonen angewiesen ist. Dies ist neben § 1 Abs. 3 Satz 3 ZwVwV auch im Rahmen der Vergütungsvorschriften zum Ausdruck gekommen, die das Delegationsrecht und die Abgeltung dieser Tätigkeiten berücksichtigen. Hierbei kommt es auf die Anforderungen des Verfahrens an und eine professionelle und optimierte Aufgabenverteilung. Gleichwohl verbleibt ihm die Aufsichts- und Kontrollpflicht und die höchstpersönliche haftungsrechtliche Alleinverantwortung. Als höchstpersönliche Aufgaben werden u.a. die Abgabe von rechtsgestaltenden Erklärungen angesehen oder die Abgabe der Schlussrechnung, wobei es bei dem Abschluss von Verträgen auf die Frage der ordnungsgemäßen Vertretung und Erfüllung ankommen soll. Die Buchhaltung, Aktenführung und Objektbetreuung kann jedoch delegiert werden. Des Weiteren kann zwischen Regel- und Sonderaufgaben, die über das Normalverfahren hinausgehen, zu unterscheiden sein, woraus sich auch vergütungsrechtliche Fragen ergeben (vgl. Dassler/Schiffhauer/Hintzen/ Engels/Rellermeyer, a.a.O., § 150 Rz. 16).

Der Beteiligte zu 4) übt die Zwangsverwaltung höchstpersönlich aus; er hat die Inbesitznahme des Zwangsverwaltungsobjekts auf eine insoweit bevollmächtigte qualifizierte Mitarbeiterin delegiert. Die Inbesitznahme durch insoweit bevollmächtigte qualifizierte Mitarbeiter entspricht der bisherigen Praxis. Soweit der Beteiligte zu 4) anfangs delegierbare Aufgaben von Mitarbeitern seiner Kanzlei ausführen ließ und nach Umstrukturierung eines Bereichs seiner Kanzlei die K. Zwangsverwaltungen Service GmbH gegründet hat, deren Gesellschafter und Geschäftsführer er ist, widerspricht dies nicht der höchstpersönlichen Führung der Zwangsverwaltung und führt zu keiner Haftungsbeschränkung. Denn die Mitarbeiter dieser Gesellschaft erledigen delegierbare Aufgaben des Zwangsverwalters. Dies dient der Optimierung der Arbeitsabläufe und einer effizienten Verfahrensbetreuung. Dass der Beteiligte zu 4) für den Schriftverkehr Briefbögen der GmbH verwendet, ist deshalb unbeachtlich.

Soweit die Beteiligten zu 2) und 3) weiter geltend machen, es habe im Schriftverkehr mit dem Zwangsverwalterbüro Vorkommnisse gegeben, über die sie nicht hätten hinwegsehen können, der bisherige Schriftverkehr zeige Dissonanzen, die von einer rüden Vorgehensweise des Zwangsverwalterbüros gekennzeichnet seien, rechtfertigt dies – abgesehen von dem unsubstanziierten Vortrag – ebenfalls nicht die Abänderung.

Die sofortige Beschwerde war deshalb zurückzuweisen.

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