LSG Berlin-Brandenburg: Rechtsmittel des Insolvenzschuldners gegen nach Insolvenzeröffnung ergangene Entscheidung zur Geltendmachung der Unterbrechung

28.12.2009

ZPO §§ 240, 249; InsO § 117 Abs. 1; SGG § 202

Rechtsmittel des Insolvenzschuldners gegen nach Insolvenzeröffnung ergangene Entscheidung zur Geltendmachung der Unterbrechung

LSG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 20. 8. 2009 – L 4 B 746/07 R (rechtskräftig; SG Frankfurt/O.)

Leitsätze des Gerichts:

1. Legt ein Insolvenzschuldner gegen eine nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens ergangene Entscheidung ein Rechtsmittel ein, mit dem er die Unterbrechung des Rechtsstreits geltend macht, so handelt es sich nicht um eine nach § 202 SGG i.V.m. § 249 Abs. 2 ZPO unwirksame Prozesshandlung.

2. § 117 InsO ist seinem Sinn und Zweck nach einschränkend auszulegen; die vom Insolvenzschuldner erteilte Vollmacht erlischt insoweit nicht, als das Einlegen eines Rechtsmittels der Beseitigung einer gegen § 240 ZPO verstoßenden richterlichen Entscheidung dienen soll.

3. Ist ein Verfahren in der Hauptsache erledigt, so kann es hinsichtlich der Kosten noch rechtshängig sein. In einem solchen Fall ist die Kostenentscheidung Hauptsache i.S.d. § 249 Abs. 2, § 240 ZPO und darf während der Unterbrechung des Verfahrens nicht getroffen werden.

Gründe:

Die Beschwerde des Klägers gegen den Kostenbeschluss des SG Frankfurt/O. hat Erfolg.

Die Beschwerde ist zulässig (§ 172 Abs. 1 SGG in der bis zum 31.3.2008 geltenden Fassung, § 173 SGG). Der Zulässigkeit der Beschwerde steht nicht entgegen, dass der die Insolvenzmasse betreffende Rechtsstreit seit Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 14. November 2005 nach § 202 SGG i.V.m. § 240 ZPO unterbrochen war. Die durch § 202 SGG i.V.m. § 249 Abs. 2 ZPO angeordnete Unwirksamkeit von Prozesshandlungen während der Unterbrechung beschränkt sich auf solche, die gegenüber dem Gegner vorzunehmen sind. Rechtsmittel sind indessen beim Gericht einzulegen. Im Übrigen stellt die Beschwerde auch keine „in Ansehung der Hauptsache“ vorgenommene Rechtshandlung dar, sondern soll lediglich die Unterbrechung des Verfahrens zur Geltung bringen (vgl. BAG, Urt. v. 24.1.2001 – 5 AZR 228/00, zit. nach juris; BGH, Urt. v. 16.1.1997 – IX ZR 220/96, ZIP 1997, 473, dazu EWiR 1997, 313 (Kick)). Der Insolvenzschuldner kann gegen eine nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens ergangene Entscheidung mit einem Rechtsmittel geltend machen, der Rechtsstreit sei infolge der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nach § 202 SGG i.V.m. § 240 ZPO unterbrochen worden, wenn das mit der Sache befasste Gericht dies außer Acht gelassen und eine Entscheidung getroffen hat, durch welche er materiell beschwert ist (vgl. BAG, Urt. v. 26.6.2008 – 6 AZR 478/07, ZIP 2009, 1134).

Entgegen der Auffassung des Beigeladenen ist die Beschwerde auch wirksam eingelegt worden. Nach § 117 Abs. 1 InsO erlischt zwar grundsätzlich eine vom Schuldner erteilte Vollmacht, die sich auf das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen bezieht, durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Das gilt auch für entsprechende Prozessvollmachten. § 117 InsO ist jedoch seinem Sinn und Zweck nach insoweit einschränkend auszulegen, als er die Vollmacht eines Prozessbevollmächtigten in Bezug auf die Einlegung der Beschwerde dann nicht zum Erlöschen bringt, wenn das Verfahren nicht in der Sache weiterbetrieben werden, sondern nur eine gegen § 240 ZPO verstoßende richterliche Entscheidung beseitigt werden soll (vgl. auch dazu sehr ausführlich BAG ZIP 2009, 1134, zit. nach juris, m.w.N.). So liegt der Fall hier.

Die Beschwerde ist auch begründet; das SG hätte die Kostengrundentscheidung nicht treffen dürfen, weil das Verfahren im Zeitpunkt der Beschlussfassung am 11. September 2006 unterbrochen war. Nach § 202 SGG i.V.m. § 240 Satz 1 ZPO wird ein die Insolvenzmasse betreffendes Verfahren im Fall der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Beteiligten unterbrochen. Während der Unterbrechung darf das Gericht Handlungen hinsichtlich der Hauptsache nicht vornehmen, insbesondere nicht entscheiden (vgl. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 67. Aufl., 2009, § 249 Rz. 11 ff.; MünchKomm-Feiber, ZPO, 2. Aufl., 2000, § 249 Rz. 21; Roth, in: Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl., 2004, § 249 Rz. 13 f.; Zöller, ZPO, 27. Aufl., 2009, § 249 Rz. 7 ff.). Im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Klägers, am 14. November 2005, war zwar die Klage bereits zurückgenommen und der Rechtsstreit damit gem. § 102 Abs. 1 Satz 2 SGG in der Hauptsache erledigt. Rechtshängig war die Sache jedoch noch hinsichtlich der Kosten. Es ist in Rechtsprechung und Literatur anerkannt, dass in einem solchen Fall die Kostenentscheidung Hauptsache i.S.d. § 249 Abs. 2, § 240 ZPO sein kann; als einzig verbliebene Streitposition tritt sie dann an die Stelle der früheren Hauptsache (vgl. BGH, Urt. v. 2.2.2005 – XII ZR 233/02, zit. nach juris, m. zahlr. Nachw.).

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