OLG Celle: Aufbringung der Kosten eines Schadensersatzprozesses gegen Gläubigerausschussmitglieder für Massegläubiger nicht zumutbar

29.05.2009

ZPO § 116; InsO § 71

Aufbringung der Kosten eines Schadensersatzprozesses gegen Gläubigerausschussmitglieder für Massegläubiger nicht zumutbar

OLG Celle, Beschl. v. 17. 9. 2008 – 4 W 53/08

Leitsatz des Gerichts:

Bei der Prüfung der Zumutbarkeit i.S.v. § 116 Satz 1 Nr. 1 ZPO für die Verfolgung eines Schadensersatzanspruchs nach § 71 InsO sind nur die Anspruchsberechtigten, also die absonderungsberechtigten Gläubiger und die Insolvenzgläubiger, zu berücksichtigen. Eine Beteiligung der Massegläubiger an den Verfahrenskosten kommt mangels Aktivlegitimation für den Schadensersatzanspruch nicht in Betracht, so dass Masseverbindlichkeiten und Masse bei der Prüfung der Zumutbarkeit nicht zu berücksichtigen sind.

Gründe:

I. Der Antragsteller begehrt als Insolvenzverwalter die Bewilligung von PKH für eine beabsichtigte Schadensersatzklage gegen Mitglieder eines Gläubigerausschusses.

Die Antragsgegner zu 2) bis 5) sowie der Rechtsvorgänger der Antragsgegnerin zu 1) (im Folgenden: Antragsgegner zu 1) waren Mitglieder des Gläubigerausschusses in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der R. AG. In diesem Verfahren war zunächst M. als Insolvenzverwalter eingesetzt worden. Der Antragsteller ist mit Beschluss vom 30. Juni 2005 anstelle des Insolvenzverwalters M. zum neuen Insolvenzverwalter ernannt worden, da dieser aus Krankheitsgründen sein Amt nicht mehr ausüben könne. Der ehemalige Insolvenzverwalter M. ist mittlerweile wegen diverser Untreuehandlungen rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt worden, wobei sich die abgeurteilten Taten auch auf andere als das vorliegende Insolvenzverfahren bezogen.

M. wurde mit Beschluss vom 13. August 1999 zum Insolvenzverwalter bestellt. Der vorläufige Gläubigerausschuss, der aus den Antragsgegnern zu 1) bis 3) gebildet wurde, bestimmte den Antragsgegner zu 3) in der Sitzung vom 23. August 1999 als Kassenprüfer. Die Gläubigerversammlung wählte am 28. September 1999 die Antragsgegner zu 1) bis 5) zu Mitgliedern des Gläubigerausschusses. In dieser Sitzung wurde der ehemalige Insolvenzverwalter ermächtigt, über das Hinterlegungskonto und die Betriebskonten allein zu verfügen. Die erste Gläubigerausschusssitzung fand am 23. August 1999 statt, die zweite Gläubigerausschusssitzung am 9. November 1999. Insgesamt erfolgten sechs Kassenprüfungen, und zwar am 1. November 2000, am 29. März 2001, am 15. August 2002, am 5. Juni 2003, am 1. Juni 2004 und am 31. März 2005. Die in Rede stehenden Abverfügungen vom Insolvenzsonderkonto nahm M. am 16. November 2000 (6 Mio. DM), 12. Dezember 2000 (5.500.000 DM), 20. April 2001 (1.100.000 DM), 16. März 2001 (1.100.000 DM), 29. August 2001 (1.600.000 DM), 23. November 2001 (220.000 DM) und 28. Oktober 2002 (100.000 €) vor.

Der Antragsteller begehrt die Bewilligung von PKH für die Verfolgung eines Schadensersatzanspruchs in Höhe der Summe sämtlicher Abverfügungen abzüglich zwischenzeitlich erfolgter Gutschriften, die durch Rücküberweisungen auf das Insolvenzsonderkonto erfolgten, von insgesamt 5.736.635,04 €. Entgangene Zinsen auf dem Insolvenzsonderkonto werden i.H. v. 1.089.647,08 € zusätzlich geltend gemacht. Das LG hat die Bewilligung von PKH versagt. Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Antragstellers.

II. Die zulässige sofortige Beschwerde ist unbegründet. Jedenfalls den an diesem Verfahren beteiligten Großgläubigern ist es zuzumuten, die Prozesskosten vorzuschießen. Der Insolvenzverwalter ist gehalten, diese Prozesskosten bei den Großgläubigern oder jedenfalls einem von ihnen einzutreiben. Hierdurch werden keine unzumutbaren Anforderungen an ihn gestellt.

1. Der Senat stimmt zunächst mit dem LG darin überein, dass eine hinreichende Erfolgsaussicht nur in Höhe eines Betrags von 209.972,29 € zzgl. ggf. entgangener Anlagezinsen besteht. Hierbei ist von folgenden Grundsätzen auszugehen:

ZIP 2009, Seite 934

a) Aufgabe des Gläubigerausschusses ist im Wesentlichen eine Zweckmäßigkeitskontrolle in Bezug auf die Amtsführung des Verwalters. Der Gläubigerausschuss hat gem. § 149 Abs. 1 InsO das Bestimmungsrecht bei der Hinterlegung von Geld, Wertpapieren und Kostbarkeiten. Die Überwachungsaufgaben, die sich aus § 69 InsO ergeben, schließen die Einsicht in die Bücher und Geschäftspapiere ein. Die Mitglieder des Gläubigerausschusses haben mit ihrer Prüfung umgehend nach ihrer Bestellung zu beginnen. Der Rhythmus der Kassenprüfung kann allerdings flexibel gestaltet werden, je nach dem pflichtgemäßen Ermessen der Mitglieder oder des Kassenprüfers. Der Gläubigerausschuss muss sich jedoch bei der Beauftragung eines Mitglieds von der Richtigkeit der Prüfung überzeugen (MünchKomm-Schmid-Burgk, InsO, 2. Aufl., § 69 Rz. 11, 16 ff.; Pape, WM 2006, 19, 22). Bei der Kassenprüfung sind auch die Konten und Belege zu prüfen (Pape, ZInsO 1999, 675, 679). Alle Mitglieder des Gläubigerausschusses stehen in einer Gesamtverantwortung. Die Bestellung eines Mitglieds zur Kassenprüfung entbindet die übrigen nicht von der Pflicht, sich um die Durchführung und das Ergebnis der Prüfung zu kümmern (OLG Rostock ZInsO 2004, 814, 815). Die Verletzung dieser Kontrollpflicht kann ebenso zur insolvenzspezifischen Haftung führen wie die Verletzung der eigenen Überwachungspflicht selbst (Pape/Schmidt, ZInsO 2004, 955, 957). Die Pflichtverletzung muss kausal für einen eingetretenen Schaden sein. Der BGH hat die Auffassung vertreten, dass nach der Lebenserfahrung davon auszugehen sei, dass ein Vermögensverwalter es bei sorgfältiger Überwachung nicht wage, sich durch strafbare Handlungen an den ihm anvertrauten Werten zu vergreifen; dies stelle einen Anscheinsbeweis dar (BGHZ 124, 86, 95 = ZIP 1994, 46, dazu EWiR 1994, 281 (Lüke)). Zwar ist normalerweise die Kausalität vom Anspruchsteller zu beweisen. In Ausnahmefällen komme jedoch ein Beweis des ersten Anscheins in Betracht, beispielsweise wenn ein Verwalter Unterschlagungen begangen hat, da hier die Lebenserfahrung dafür spreche, dass der Verwalter vom Gläubigerausschuss mangelhaft überwacht worden sei (MünchKomm-Schmid-Burgk, a.a.O., § 71 Rz. 10 m.w.N.).

In einem Vergleichsvorschlag hat der BGH ausgeführt, dass problematisch sei, ob sich die erforderliche Kontrolldichte durch frühere Kontrolldefizite, die Schädigungen der Masse zur Folge hatten, steigern kann und ob Mitglieder des Gläubigerausschusses auch für weitere Schädigungen einstehen, die nicht mit normalen, wohl aber mit gesteigerten Kontrollmaßnahmen hätten verhindert werden können. Hinsichtlich der Kausalität sei fraglich, ob die Pflicht zur Überwachung des Verwalters dazu diene, solche Straftaten zu verhindern, die auch bei sorgfältiger Überwachung nicht erkennbar sind, und ob insoweit der Anscheinsbeweis greife, dessen Reichweite dabei zu prüfen ist. Der BGH hat insoweit die Frage aufgeworfen – ohne sie abschließend zu beantworten –, ob das bedeute, dass die „Kontrolleure“ die (künftigen) Taten des Verwalters schon dadurch verursacht haben, dass sie ihm durch oberflächliche Kontrollen das Gefühl vermittelt haben, er könne sich relativ risikolos bedienen. Dabei könne entscheidend sein, ob den Mitgliedern des Gläubigerausschusses zum Vorwurf zu machen ist, die Taten nicht verhindert oder aber sie nur nicht aufgedeckt zu haben. Im letzteren Fall sei der Antragsteller dafür beweisbelastet, dass der untreue Insolvenzverwalter in der Lage war, den Fehlbetrag aus dem eigenen Vermögen zu entnehmen (BGH, Beschl. v. 22.3.2007 – IX ZR 136/06).

b) Unter diesen Voraussetzungen sind die Ausführungen des LG zur beschränkten hinreichenden Erfolgsaussicht der beabsichtigten Klage nicht zu beanstanden.

aa) Nach dem Vorbringen des Antragstellers ist nicht davon auszugehen, dass die Antragsgegner den durch die Abverfügungen an die B. Bank entstandenen Schaden rechtzeitig hätten verhindern können. Sicherlich wird man zunächst als Pflichtverletzung konstatieren müssen, dass die erste Kassenprüfung vom 1. November 2000 viel zu spät stattfand, da angesichts dieses komplexen Verfahrens eine etwa vierteljährliche Kontrollprüfung (vgl. Pape, WM 2006, 19, 22) erforderlich war. Bis zu diesem Datum sind jedoch noch keine ungerechtfertigten Abverfügungen durch den untreuen Insolvenzverwalter vorgenommen worden. Soweit M. in der Folgezeit, also nach der ersten Kassenprüfung, Überweisungen vorgenommen hat, ist nach Auffassung des Senats kein Anscheinsbeweis zu Lasten der Antragsgegner anzunehmen. Es kann auch nicht aufgrund der Lebenserfahrung davon ausgegangen werden, dass der Insolvenzverwalter sich durch eine ungenaue Kassenprüfung hat zu den Abverfügungen verleiten lassen. Dann wäre eher zu erwarten gewesen, dass er bereits vor der ersten Kassenprüfung solche Abverfügungen vorgenommen hätte. Im Übrigen hätte seitens des Antragstellers genauer zu den Umständen der Kassenprüfung vorgetragen werden müssen, nämlich inwieweit der Antragsgegner zu 3) unsorgfältig geprüft hätte. Offenbar ist nämlich der Insolvenzverwalter M. bei diesen Kassenprüfungen gar nicht anwesend gewesen und zum Zeitpunkt der ersten Kassenprüfung waren auch keine Unregelmäßigkeiten festzustellen, da keine begangen worden waren.

Zwar ist die zweite Kassenprüfung angesichts der Ausmaße und Größe dieses Insolvenzverfahrens zu spät erfolgt, nämlich erst nahezu fünf Monate nach der ersten Prüfung. Insoweit ist vom Vorliegen eines Anscheinsbeweises auszugehen, als der Antragsgegner zu 3) es nicht vermocht hat, die Abverfügungen i.H. v. über 11 Mio. DM aufzudecken und zu hinterfragen. Insoweit ist allerdings eine Anlage auf einem Festgeldkonto erfolgt, die für sich genommen noch keine Veruntreuung darstellt. Insbesondere handelt es sich hier noch nicht um eine insolvenzpflichtwidrige Handlung. Die bei der B. Bank eröffneten Konten erfolgten ausdrücklich durch M. als Insolvenzverwalter über das Vermögen der R. AG und für fremde Rechnung. Eine insolvenzwidrige Handlung ist in der Eröffnung eines solchen Festgeldkontos für sich genommen nicht zu erkennen.

Eine dritte Kassenprüfung etwa im Mai 2001 hätte noch zu keinem weiteren anderen Ergebnis geführt. Erst die dann im August 2001 vorzunehmende Prüfung hätte Anlass zu weiteren Nachforschungen geben müssen. Insoweit ist vom LG allerdings bereits eine hinreichende Erfolgsaussicht bejaht worden, so dass der Senat hierzu nicht weiter Stellung zu nehmen braucht.

ZIP 2009, Seite 935

Es besteht demnach entsprechend der Berechnungsweise des LG jedenfalls hinsichtlich der Antragsgegner zu 1) bis 4) hinreichende Erfolgsaussicht für eine Klage über einen Zahlungsanspruch von 209.972,29 € zzgl. hierauf entfallender entgangener Anlagezinsen. Bei dem Zahlungsanspruch gegen die Antragsgegnerin zu 5) wird zu berücksichtigen sein, dass der Antragsteller selbst davon ausgeht, diese in Höhe eines Betrags von insgesamt 212.484,21 € wegen an die C. Bank erfolgter Überweisungen nicht in Anspruch nehmen zu können. Einer weitergehenden Erörterung bedarf es insoweit im Hinblick auf die nachstehenden Ausführungen zu Ziff. 2 nicht.

bb) Nach Auffassung des Senats bedarf es aus diesem Grund auch keiner Entscheidung, ob jedenfalls jetzt eine hinreichende Erfolgsaussicht für den Feststellungsantrag besteht. Ein rechtliches Interesse an alsbaldiger Feststellung setzt voraus, dass dem Recht des Klägers eine gegenwärtige Gefahr der Unsicherheit droht (Musielak/Foerste, ZPO, 5. Aufl., § 256 Rz. 8 m.w.N.). Diese Voraussetzungen dürften nunmehr vorliegen. Angesichts des Schreibens des Insolvenzverwalters W. vom 12. Dezember 2007 und der Antwort des Insolvenzverwalters erscheint es nicht ausgeschlossen, dass wegen des wechselseitigen Verzichts auf die Erhebung der Einrede der Verjährung bis zum 31. Oktober 2010 eine Inanspruchnahme erfolgen wird.

cc) Im Hinblick auf die von den Antragsgegnern erhobene Einrede der Verjährung und die Überprüfung der landgerichtlichen Entscheidung ist eine Auseinandersetzung mit dem Verbot der reformatio in peius – falls der Senat die Einrede für begründet halten würde – nicht erforderlich. Denn unter Berücksichtigung der zwischenzeitlich ergangenen Entscheidung des BGH v. 8.5.2008 – IX ZR 54/07, ZIP 2008, 1243, die für den Beginn der Verjährungsfrist für die Geltendmachung von Ersatzansprüchen auf die mögliche Kenntnisnahme eines neuen Verwalters abstellt, ist die Einrede unbegründet. Zwar ist die Entscheidung zu Ersatzansprüchen eines unter der Geltung der GesO gebildeten Gläubigerausschusses ergangen. Die Ausführungen des BGH sind aber auf den vorliegenden Sachverhalt übertragbar. Eine insoweit relevante Gesetzesänderung unter dem Geltungsbereich der InsO ist nicht ersichtlich.

2. Der Senat ist – im Ergebnis mit dem LG – der Auffassung, dass den Großgläubigern zugemutet werden kann, die Prozesskosten aufzubringen. Entgegen der Auffassung des LG ist dabei nicht auf den Umstand abzustellen, dass die Insolvenzgläubiger bei Realisierung der geltend gemachten Forderung mit einer Quote von über 30 % zu rechnen haben. Dies verkennt, dass eine hinreichende Erfolgsaussicht nicht in Höhe des geltend gemachten Betrags von über 6 Mio. €, sondern nur i.H. v. etwa 200.000 € zu bejahen ist.

a) Der BGH hat ausgeführt, dass anhand einer Abwägung aller Gesamtumstände des Einzelfalls zu ermitteln ist, ob es bei einem PKH-Antrag des Insolvenzverwalters den wirtschaftlich Beteiligten zuzumuten ist, die Prozesskosten aufzubringen. Hierbei sind die im Fall der Rechtsverfolgung zu erwartende Insolvenzquote, das Prozess- und Vollstreckungsrisiko, das eigene, schutzwürdige Interesse des Insolvenzverwalters an einer Rechtsverfolgung sowie die Gläubigerstruktur zu berücksichtigen (BGH ZIP 2006, 682, dazu EWiR 2006, 415 (Beutler/Voss)). Bei mehreren Großgläubigern könne es dem Insolvenzverwalter u.U. nicht zumutbar sein, eine entsprechende Finanzierung zu organisieren. Vorschüsse auf die Prozesskosten sind nur solchen Beteiligten zumutbar, welche die erforderlichen Mittel unschwer aufbringen können und für die der zu erwartende Nutzen bei vernünftiger, auch das Eigeninteresse sowie das Prozesskostenrisiko angemessen berücksichtigender Betrachtungsweise bei einem Erfolg der Rechtsverfolgung voraussichtlich größer sein wird (BGH, Beschl. v. 6.11.2008 – II ZR 314/05; BGH, Beschl. v. 6.12.2007 – II ZA 12/07).

b) Bei der Berechnung der Quote ist vorliegend Folgendes zu beachten: Angesichts der besonderen Ausgestaltung des § 71 InsO, nach dem die Mitglieder des Gläubigerausschusses nur den absonderungsberechtigten Gläubigern und den Insolvenzgläubigern zum Schadensersatz verpflichtet sind, kommt eine Aktivlegitimation und Beteiligung der aussonderungsberechtigten Gläubiger (§ 47 InsO), des Schuldners selbst sowie der Massegläubiger (§§ 53 ff. InsO) nicht in Betracht (vgl. Kübler/Prütting, InsO, Stand: April 2008, § 71 Rz. 5). Dies bedeutet nach Auffassung des Senats gleichzeitig, dass der aus diesem Schadensersatzanspruch herrührende vollstreckte Betrag nicht den Massegläubigern, sondern nur den Anspruchsberechtigten, also den absonderungsberechtigten Gläubigern und den Insolvenzgläubigern zukommen dürfte. Hieraus folgt ferner, dass eine Beteiligung der Massegläubiger an den Kosten des Verfahrens nicht in Betracht kommt, da sie selbst nicht aktivlegitimiert sind. Auswirkungen hat dies ferner auf die Prüfung, ob den an dem Rechtsstreit wirtschaftlich Beteiligten es zumutbar ist, die Kosten aufzubringen; hierbei ist zu beachten, dass die Masseverbindlichkeiten und die ggf. vorhandene Masse nicht zu berücksichtigen sind. Vielmehr ist zu bedenken, dass der Betrag, für den eine hinreichende Erfolgsaussicht besteht, unmittelbar den Insolvenzgläubigern zugute kommt. Dies wird in aller Regel automatisch zu einer Erhöhung der Quote führen.

Vorliegend ist mit dem LG eine hinreichende Erfolgsaussicht für eine Klage über ungefähr 209.972 € zu bejahen. Bei dieser Größenordnung ist es den wirtschaftlich beteiligten Insolvenzgroßgläubigern zuzumuten, sich an den Kosten zu beteiligen. Die zu berücksichtigenden Kosten für eine zu erhebende Klage mit einem Streitwert von bis zu 230.000 € betragen insgesamt 10.595,45 €. Die zu erwartende Quote beträgt 1,26 % (209.972 € x 100 : 16.644.002 €, wobei der letzte Betrag die festgestellten Forderungen auch für den Ausfall beinhaltet). Von den an diesem Verfahren beteiligten Großgläubigern mit Forderungen von über 1 Mio. € wäre selbst bei dieser Berechnungsweise für das Bankhaus D. ein Zufluss von 13.628 € (1,26 % der festgestellten Forderung von 1.081.653,50 €) sowie für die S. AG von 19.031 € (1,26 % von 1.510.442,77 €) zu erzielen. Diese Beträge liegen weit über den zu erbringenden Vorschüssen. Ein Vollstreckungsrisiko ist angesichts der hinter den Antragsgegnern stehenden Haftpflichtversicherungen nicht ersichtlich. Natürlich hat der Antragsteller keinen direkten Anspruch gegen den Haftpflichtversicherer. Es sind aber keine Gründe ersichtlich, dass sich die Haftpflichtversicherung der Antragsgegner gegen die sie aus § 156 Abs. 2 VVG treffende Pflicht zur Zahlung der ausgeurteilten Summe wenden ZIP 2009, Seite 936würde; zudem unterfällt der Betrag, für den eine hinreichende Erfolgsaussicht bejaht wurde, der von der Haftpflichtversicherung gegebenen Deckung. Das Prozessrisiko ist angesichts der Ausführungen des LG als gering einzuschätzen.

Bei dieser Sachlage kommt es auf die Erhöhung der Quote um lediglich 1,26 % nicht an. Übersteigen die aus dem Verfahren zu erwartenden – realisierbaren – Ansprüche die aufzubringenden Vorschüsse deutlich, ergibt die für den Einzelfall vorzunehmende Abwägung aller Gesamtumstände, dass es den einzelnen Großgläubigern zumutbar ist, die Vorschüsse zu zahlen. Der vom Antragsteller zitierte Beschluss des Senats vom 21. Januar 2008 – 4 W 226/07, ZIP 2008, 433 = ZVI 2008, 360, ändert hieran nichts. Dieser Entscheidung – die sich inhaltlich mit den Voraussetzungen der PKH-Bewilligung für die Erhebung einer Teilklage beschäftigte – ist nicht zu entnehmen, dass der absolut zu erwartende Betrag die Vorschussleistung übersteigen würde. In jenem vom Senat entschiedenen Fall ging es um eine Teilklage auf Zahlung von 11.827,12 €, bei der bei einer Quotenverbesserung um 5 % (von 10 % auf 15 %) die zu leistenden Kostenvorschüsse der heranzuziehenden Gläubiger deren betragsmäßigen Gewinn aus einem Prozesserfolg nicht erreicht hätten. Dies – und nicht etwa eine generalisierende Aussage, dass erst ab einer bestimmten abstrakten Prozentzahl der Quotenverbesserung die Heranziehung zur Aufbringung von Prozesskosten zumutbar sei – war der tragende Grund des Beschlusses vom 21. Januar 2008 – 4 W 226/07, ZIP 2008, 433. Hierin besteht aber gerade der Unterschied zum vorliegenden Sachverhalt.

Nach Ansicht des Senats ist die Anzahl der Großgläubiger mit zwei nicht derart groß, dass dem Insolvenzverwalter eine Koordination derselben zur Übernahme der erforderlichen Vorschüsse und Zahlung der Kosten unzumutbar wäre. Es kommt nicht darauf an, ob hierbei auch die Insolvenzgroßgläubiger zu berücksichtigen sind, deren Forderungen – teilweise – für den Ausfall festgestellt sind.

c) Der Auffassung des Antragstellers, dass es wegen der besonderen Umstände dieses Falles – Veruntreuungen des Insolvenzverwalters – grundsätzlich und ohne Rücksicht auf etwa verbesserte Aussichten auf Befriedigung keinem Gläubiger zuzumuten sei, Kosten aufzubringen, vermag der Senat nicht zu folgen. Schon den Ansatz des Antragstellers, der gewissermaßen dem Staat die Verantwortung für die Handlungen des Insolvenzverwalters und des Gläubigerausschusses zuschieben will, weil die Aufsicht versagt habe, und es deshalb letztlich darum gehe, mit Hilfe der Gewährung von PKH aus der Staatskasse wieder Gelder hereinzuholen, die bereits einmal vorhanden waren, teilt der Senat so nicht. Zwar wird der Insolvenzverwalter vom Insolvenzgericht bestellt, jedoch können die Gläubiger einen anderen Insolvenzverwalter wählen, dessen Bestellung das Gericht in aller Regel nicht versagen darf, §§ 68, 70 InsO. Insbesondere in der Frage, ob ein Gläubigerausschuss überhaupt eingesetzt werden und wer ihm angehören soll, steht den Gläubigern ein weitreichendes Bestimmungsrecht zu, § 68 InsO. Ungeachtet der Aufsicht des Insolvenzgerichts haben auch die Gläubiger eine – wie § 68 Abs. 2 InsO zeigt: die des Gerichts sogar übersteigende – Kompetenz bei der Auswahl der Mitglieder des Gläubigerausschusses.

Aber auch der besondere Gegenstand des beabsichtigten Rechtsstreits rechtfertigt es nicht, andere als die sonst üblichen wirtschaftlichen Maßstäbe anzulegen, unter denen Gläubigern die Kostenaufbringung nach § 116 Nr. 1 ZPO zumutbar ist. Denn es geht nach dem Klageziel darum, die Mitglieder des Gläubigerausschusses für ein angebliches Versagen in die Haftung zu nehmen. Dann muss aber angesichts der Modalitäten, unter denen Mitglieder des Gläubigerausschusses bestellt werden und bei denen die Auswahl maßgeblich vom Willen der Gläubiger abhängt, bedacht werden, dass es sich beim Gläubigerausschuss um ein „Organ der Gläubiger“ handelt, wie die Überschrift des 3. Abschnitts der InsO ihn nennt. Es ist daher keineswegs unzumutbar, wenn Beteiligte des Insolvenzverfahrens in Fällen, in denen die Masse verbessert werden soll, indem Mitglieder des Gläubigerausschusses haftbar gemacht werden, in gleicher Weise an der Kostenaufbringung für die Prozessführung herangezogen werden wie in anderen „normalen“ Prozessen. Um es bildhaft auszudrücken: Es geht bei dem Versuch, Masseschmälerungen durch vom Insolvenzgericht und vom Gläubigerausschuss nicht verhinderten Veruntreuungen des früheren Insolvenzverwalters wieder auszugleichen, gewissermaßen darum, dass die Gläubiger „die Suppe auslöffeln müssen, die sie sich bei der Bestimmung der betreffenden Personen selbst eingebrockt haben“ (so Senatsbeschl. v. 2.9.2008 – 4 W 66/08, s. nachfolgenden LS).

d) Unerheblich ist auch, dass einige der Mitglieder des Gläubigerausschusses bei einzelnen Gläubigern beruflich tätig sind. Es liegt im Verantwortungsbereich der Gläubiger und wird auch organisatorisch zu handhaben sein, dass die betroffenen Antragsgegner von den zu treffenden Maßnahmen und Absprachen der Gläubiger keine Kenntnis erlangen.

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