OLG Celle: Darlehensvertrag und Restschuldversicherung keine verbundenen Verträge bei freiwilligem Abschluss des Versicherungsvertrags

17.09.2009

BGB §§ 495, 355, 358 Abs. 3; InsO § 96 Abs. 1

Darlehensvertrag und Restschuldversicherung keine verbundenen Verträge bei freiwilligem Abschluss des Versicherungsvertrags

OLG Celle, Urt. v. 17. 6. 2009 – 3 U 53/09

Leitsatz des Gerichts:

Darlehensvertrag und Restschuldversicherung sind im Regelfall jedenfalls dann keine verbundenen Verträge i.S.v. § 358 BGB, wenn der Abschluss des Versicherungsvertrages vom Darlehensgeber nicht gefordert wird, sondern freiwillig erfolgt.

Gründe:

I. Der Kläger ist durch Beschluss des AG Celle vom 23. November 2007 (44 IK 151/07) zum Insolvenzverwalter über das Vermögen der B. bestellt worden. Die Insolvenzschuldnerin schloss gemeinsam mit O. am 19. Juli 2002 mit der beklagten Bank einen Darlehensvertrag über eine Nettokreditsumme von 23.423,25 €. Am gleichen Tag unterzeichneten die Insolvenzschuldnerin und O. einen Versicherungsvertrag für Ratenkredite. Dieser umfasste neben einer Risikolebensversicherung, bei der O. als Versicherungsnehmer und die Insolvenzschuldnerin als zusätzlich versicherte Person im Versicherungsvertrag aufgenommen sind, auch eine Arbeitsunfähigkeitszusatzversicherung sowie eine Arbeitslosigkeitsversicherung für O. Die Versicherungsprämie belief sich auf insgesamt 5.275,40 € und wurde über den Nettokredit hinaus durch die Beklagte finanziert, woraus sich eine Antragssumme von 28.698,65 € ergab. Der Darlehensvertrag enthält eine Belehrung zum Widerrufsrecht, die sich auf den Darlehensvertrag bezieht. Im Versicherungsvertrag heißt es, der Vertrag gelte nur in Verbindung mit dem gleichzeitig aufgenommenen Kredit. Des weiteren enthält der Vertrag den Hinweis, die Versicherungsnehmer könnten von diesem binnen eines Monats seit Beginn der Versicherung zurücktreten. In diesem Fall werde der Einmalbetrag dem genannten Kreditkonto gutgeschrieben.

Das Kreditverhältnis ist am 26. Januar 2005 aufgelöst, die nicht verbrauchten Versicherungsprämien sind dem Kreditkonto gutgeschrieben worden. Die Beklagte hat am 28. April 2006 ihre Forderung an die A. GmbH verkauft und dies der Insolvenzschuldnerin angezeigt.

Der Kläger hat für die Insolvenzschuldnerin am 17. März 2008 die Restschuldversicherung und – jedenfalls während des laufenden Verfahrens – auch den Darlehensvertrag widerrufen und aus eigenem und abgetretenem Recht des Mitdarlehensnehmers O. die Rückzahlung der Versicherungsprämie i.H. v. 5.275,40 € begehrt. Er hat die Auffassung vertreten, der Widerruf des Darlehensvertrags sei noch möglich, da die Belehrung im Darlehensvertrag unzureichend sei. Darlehensvertrag und Restschuldversicherung seien verbundene Verträge. Deshalb, so seine Auffassung, hätte die Widerrufsbelehrung im Darlehensvertrag zusätzlich den Hinweis enthalten müssen, dass der Darlehensnehmer bei Widerruf des Darlehensvertrages auch an den Versicherungsvertrag nicht gebunden ist. Infolge der unzureichenden Widerrufsbelehrung sei die zweiwöchige Widerrufsfrist des § 355 Abs. 1 Satz 2 BGB nicht in Gang gesetzt und deshalb der Widerruf des Darlehensvertrages, der sich auch auf den Versicherungsvertrag als verbundenen Vertrag auswirke, nicht verfristet. Infolge des wirksamen Widerrufs sei die Beklagte verpflichtet, die Versicherungsprämie zur Masse zurückzuerstatten. Diesem Zahlungsanspruch könne die Beklagte ihren sich aus §§ 346, 357, 358 BGB ergebenden Anspruch auf Rückzahlung der Kreditvaluta nicht entgegenhalten, da der Anspruch der Insolvenzschuldnerin erst nach Insolvenzeröffnung entstanden sei, einer Aufrechnung seitens der Beklagten stehe daher § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO entgegen.

Der Kläger hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 5.275,40 € nebst Zinsen zu zahlen. Das LG hat der Klage stattgegeben.

II. Die Berufung der Beklagten ist zulässig, sie hat auch in der Sache Erfolg. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Rückzahlung der Versicherungsprämie zur Insolvenzmasse.

1. Der Kläger ist wegen Ablaufs der zweiwöchigen Widerrufsfrist des § 355 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 BGB nicht berechtigt, den zwischen der Insolvenzschuldnerin und der Beklagten geschlossenen Darlehensvertrag zu widerrufen. Die seitens der Beklagten verwandte, auf den Widerruf des Darlehensvertrages abstellende Belehrung ist nicht zu beanstanden. Insbesondere war ein Hinweis seitens der Beklagten auf das Schicksal des Versicherungsvertrages bei Widerruf des Darlehensvertrages deshalb nicht geschuldet, weil es sich bei Darlehens- und Versicherungsvertrag nicht um verbundene Geschäfte i.S.v. § 358 BGB handelt. Damit kommt auch eine Rückabwicklung des Versicherungsvertrages nicht in Betracht. Die gegenteilige, vom Kläger insbesondere unter Hinweis auf eine in der Literatur verbreitet vertretene Meinung (vgl. etwa Palandt/Grüneberg, BGB, 68. Aufl., 2009, § 358 Rz. 7; MünchKomm-Habersack, 5. Aufl., 2007, § 358 Rz. 12; Reifner, WM 2008, 2329, 2337; ebenso OLG Rostock NJW-RR 2005, 1416; OLG Schleswig NJW-RR 2007, 1347) überzeugt den Senat nicht.

a) Nach § 358 Abs. 3 BGB sind ein Vertrag über die Lieferung einer Ware oder die Erbringung einer anderen Leistung und ein Verbraucherdarlehensvertrag dann miteinander verbunden, wenn das Darlehen ganz oder teilweise der Finanzierung des anderen Vertrages dient und beide Verträge eine wirtschaftliche ZIP Heft 37/2009, Seite 1756Einheit bilden. Eine solche wirtschaftliche Einheit ist insbesondere dann anzunehmen, wenn der Unternehmer selbst die Gegenleistung des Verbrauchers finanziert oder – im Falle der Finanzierung durch einen Dritten – sich der Darlehensgeber bei der Vorbereitung oder dem Abschluss des Verbraucherdarlehensvertrages der Mitwirkung des Unternehmers bedient.

b) Diese Voraussetzungen des § 358 Abs. 3 Satz 2 BGB liegen schon ihrem Wortlaut nach nicht vor, da sich nicht die Beklagte als Darlehensgeberin der Mitwirkung eines anderen Unternehmers bedient hat, sondern der Versicherer der Mitwirkung des Darlehensgebers.

c) Zwar ist unabhängig hiervon vom Vorliegen verbundener Verträge aber auch dann auszugehen, wenn sich die wirtschaftliche Einheit der Verträge lediglich aus Indizien ergibt. Dies ist nach der Rechtsprechung des BGH (vgl. etwa BGH ZIP 2008, 962 m.w.N.) etwa dann anzunehmen, wenn die fraglichen Verträge über ein Mittel-Zweck-Verhältnis hinaus derart miteinander verbunden sind, dass ein Vertrag ohne den anderen nicht abgeschlossen worden wäre. Dies ist dann der Fall, wenn beide Verträge sich wechselseitig bedingen bzw. der eine seinen Sinn erst durch den anderen erhält. Dazu bedarf es der Verknüpfung beider Verträge durch konkrete Umstände, die sich nicht wie notwendige Tatbestandselemente abschließend umschreiben lassen, sondern im Einzelfall verschieden sein oder gar fehlen können, wenn sich die wirtschaftliche Einheit aus anderen Umständen ergibt. Zu diesen Indizien gehören die Zweckbindung des Darlehens zur Finanzierung eines bestimmten Geschäfts, durch die dem Darlehensnehmer die freie Verfügbarkeit über die Darlehensvaluta genommen wird, der zeitgleiche Abschluss beider Verträge, das Verwenden einheitlicher Formulare mit konkreten wechselseitigen Hinweisen auf den jeweils anderen Vertrag, die Einschaltung derselben Vertriebsorganisation durch Kreditgeber und Verkäufer und das Abhängigmachen des Wirksamwerdens eines Erwerbsvertrages vom Zustandekommen des Finanzierungsvertrages mit einer vom Unternehmer vorgegebenen Bank (vgl. BGH ZIP 2008, 962).

Vorliegend spricht danach der Umstand, dass beide Verträge, also Darlehens- und Versicherungsvertrag am gleichen Tag geschlossen worden sind, für die Annahme verbundener Geschäfte. Gleiches ließe sich aus dem Umstand folgern, dass bei Wegfall des Kreditvertrages bedingungsgemäß der Versicherungsvertrag seine Wirkung verliert, da er der Sicherung des Rückzahlungsanspruchs des Kreditgebers aus dem Kreditvertrag dient. Insoweit nehmen beide Verträge aufeinander Bezug.

Letztlich kann die Bedeutung dieser Indizien jedoch deshalb dahinstehen, weil – entgegen den Anforderungen des § 358 Abs. 3 BGB – das Darlehen nicht der Finanzierung der Vereinbarung über die Restschuldversicherung, also des anderen Vertrages i.S.v. § 358 Abs. 3 BGB, dient. Zweck der gesetzgeberischen Regelung ist es, den Darlehensnehmer und Verbraucher vor den erhöhten Risiken zu schützen, die sich aus der Konstellation drittfinanzierter Abzahlungsgeschäfte ergeben und die sich aus der Aufspaltung eines einheitlichen wirtschaftlichen Vorgangs in zwei rechtlich selbstständige Verträge und der damit verbundenen Gefahr, dass der Verbraucher zur vollständigen Rückzahlung des Darlehens verpflichtet bleibt, obwohl er dem Vertragspartner des Warenlieferungs- oder Dienstleistungsgeschäftes gegenüber zu Einwendungen berechtigt ist, ergeben.

An dieser vom Gesetzgeber den Vorschriften der §§ 358, 359 BGB zugrunde gelegten Konstellation fehlt es vorliegend. Der Verbraucher schließt den Darlehensvertrag gerade nicht, um in der Folge den Abschluss eines Restschuldversicherungsvertrages zu ermöglichen. Der Abschluss des Darlehensvertrages dient vielmehr dem Zweck der Finanzierung eines anderen Rechtsgeschäftes, in der Regel eines Konsumgüterkaufs oder der Ablösung von Vorkrediten. Zweck des Versicherungsvertrages ist es lediglich, die vom Verbraucher geschuldete Rückzahlung des Darlehensvertrages zu sichern. Nicht die Restschuldversicherung ist Grund für die Aufnahme des Darlehens, sondern das Darlehen ist Grund für den Abschluss des Restschuldversicherungsvertrages. Die Aufnahme des Darlehens dient auch in der Vorstellung des Verbrauchers nicht dem Abschluss des Restschuldversicherungsvertrages, vielmehr dient – umgekehrt – der Abschluss des Versicherungsvertrages der Abwicklung des Darlehensvertrages.

2. Auch bei Annahme eines verbundenen Geschäfts würde allerdings der seitens des Klägers erfolgte Widerruf zu keiner Verpflichtung der Beklagten, die Versicherungsprämien an den Kläger auszuzahlen, führen. Wie das OLG Stuttgart in seiner Entscheidung vom 26. Mai 2009 (6 U 21/09, ZIP 2009, 1757, nachstehend) überzeugend ausgeführt hat, folgt dies aus der Abwicklungsregelung des § 358 Abs. 4 Satz 3 BGB. Nach dieser Vorschrift tritt der Darlehensgeber im Verhältnis zum Verbraucher hinsichtlich der Rechtsfolgen des Widerrufs in die Rechte und Pflichten des Unternehmers aus dem verbundenen Vertrag ein, wenn das Darlehen dem Unternehmer bei Wirksamwerden des Widerrufs bereits zugeflossen ist. Letzteres ist in Konstellationen wie der vorliegenden insoweit der Fall, als das Darlehen zum Ausgleich des Versicherungsbeitrages ausgezahlt wurde. Eine teilweise Auszahlung reicht insoweit im Hinblick auf den Schutzzweck der Vorschrift aus (vgl. MünchKomm-Habersack, a.a.O., § 358 Rz. 74).

Nach der gesetzlichen Regelung des § 358 Abs. 4 Satz 3 BGB wird der Grundsatz der Rückabwicklung im jeweiligen Leistungsverhältnis für das Verhältnis zwischen Verbraucher einerseits und Darlehensgeber sowie Unternehmer andererseits durchbrochen und eingeschränkt. Der Darlehensgeber rückt in die Rechte und Pflichten des Unternehmers ein und wird anstelle des Unternehmers Gläubiger und Schuldner des Verbrauchers, so dass es zu einer nur zweiseitigen Rückabwicklung zwischen Darlehensgeber und Verbraucher kommt. Der Verbraucher ist danach nicht verpflichtet, die an den Unternehmer geflossene Darlehensvaluta an den Darlehensgeber zurückzuzahlen. Er schuldet diesem vielmehr nur die Herausgabe der finanzierten Leistung. Andererseits steht dem Verbraucher aber auch kein Anspruch auf Rückzahlung des an den Unternehmer geleisteten, darlehensfinanzierten Entgelts zu. Denn durch den Eintritt des Darlehensgebers in die Rechte und Pflichten des Unternehmers kommt es insoweit zum Zusammenfallen von Anspruchsberechtigung und Verpflichtung (vgl. Staudinger/Kessal-Wulf, BGB, 2004, § 358 Rz. 67; ähnlich Erman/Saenger, BGB, 12. Aufl., § 358 Rz. 27; MünchKomm-Habersack, a.a.O., § 358 Rz. 84). Die Rück-ZIP Heft 37/2009, Seite 1757abwicklung der erbrachten Leistungen erfolgt allein im Verhältnis zwischen Darlehensgeber und Unternehmer. Finanziertes Entgelt ist vorliegend der Versicherungsbeitrag. Ein gegen die Beklagte gerichteter Anspruch auf dessen Erstattung besteht damit nach der gesetzlichen Regelung nicht.

Dies entspricht dem Sinn und Zweck der gesetzlichen Vorschriften: Die gesetzliche Regelung bezweckt, dass der Verbraucher so steht, wie er stünde, wenn er ein einfaches Abzahlungsgeschäft geschlossen hätte, bei dem der Unternehmer den Kaufpreis selbst finanziert. Würde der Kläger vorliegend mit seiner Forderung durchdringen, würde es zu einer Bereicherung des Verbrauchers um einen Vermögenswert führen, der zuvor nicht zu seinem Vermögen gehörte. Der Verbraucher würde nicht nur vor den Risiken der Aufspaltung des Geschäfts geschützt, ihm würde ein Aufspaltungsgewinn verbleiben.

Die Regelung des § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO steht dem nicht entgegen. § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO hindert nur die Aufrechnung im Prozess. Eine solche ist hier jedoch, da Schuld und Forderung nach der gesetzlichen Regelung zusammenfallen und sich damit kraft Gesetzes gegenseitig zum Erlöschen bringen, nicht erforderlich.

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Anmerkung der Redaktion:

Im Ergebnis ebenso OLG Oldenburg ZIP 2009, 706 und OLG Köln ZIP 2009, 710. S. auch Freitag, ZIP 2009, 1297.

Die Revision ist anhängig beim BGH unter dem Az. XI ZA 18/09.

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