OLG Celle: Keine Beseitigung einer gesicherten Aufrechnungsbefugnis des Gläubigers durch Insolvenzplan

21.01.2009

InsO §§ 94, 254; BGB §§ 387, 389 BGB

Keine Beseitigung einer gesicherten Aufrechnungsbefugnis des Gläubigers durch Insolvenzplan

OLG Celle, Urt. v. 23. 12. 2008 - 14 U 108/08 (nicht rechtskräftig; LG Hannover)

Leitsatz des Gerichts:

Eine durch § 94 InsO geschützte Aufrechnungsbefugnis wird durch einen rechtskräftigen Insolvenzplan nicht berührt. Der Insolvenzgläubiger bleibt daher ungeachtet eines im Insolvenzplan vorgesehenen Forderungserlasses berechtigt, mit dieser Forderung in ihrer ursprünglichen Höhe gegen eine Forderung des Schuldners aufzurechnen, sofern die weiteren Voraussetzungen einer Insolvenzaufrechnung nach den §§ 94 bis 96 InsO vorliegen
(Abweichung von OLG Celle, Urt. v. 13. 11. 2008 - 16 U 63/08, ZIP 2008, 2372).


Gründe:


A. Die Klägerin verlangt von der Beklagten Zahlung restlichen Werklohns aufgrund zweier Bauverträge. Die Parteien streiten (im
Berufungsverfahren nur noch) um die Berechtigung einer demgegenüber von der Beklagten mit Schreiben vom 3. Juli 2007 erklärten Aufrechnung i. H. v. 131.951,32 . mit einem entsprechenden Teilbetrag des Bundesanteils an den Steuerrückständen der Klägerin aus der
Umsatzsteuer für die Jahre 2005 und 2006, wobei die Beklagte ihre Aufrechnung gegen denjenigen Teil der Werklohnforderungen der Klägerin gerichtet hat, die sich auf von der Klägerin erbrachte Bauleistungen aus der Zeit vor Insolvenzeröffnung beziehen.

Das LG hat mit seinem am 30. Mai 2008 verkündeten Urteil der Klägerin lediglich einen Teil der geltend gemachten Zinsforderung
(nämlich jeweils Verzugszinsen bis zum Zeitpunkt zweier auf die Rechnung vom 27. Dezember 2006 geleisteter Teilzahlungen von
50.000 . und 15.000 .) zugesprochen und die Klage im Übrigen abgewiesen. Hierzu hat das LG ausgeführt: Die Aufrechnung der Beklagten
sei wirksam. Der rechtskräftige Insolvenzplan habe nach § 94 InsO das im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bestehende
Aufrechnungsrecht der Beklagten nicht berührt.

Dagegen richtet sich die Berufung der Klägerin, mit der sie anfangs ihre Werklohnforderungen i. H. v. 131.951,32 . nebst Verzugszinsen
weiterverfolgt hat. Nachdem die Beklagte im Verlauf des Berufungsverfahrens hilfsweise die Aufrechnung gegenüber der mit der Berufung
weiterverfolgten Klageforderung von 131.951,32 . mit einem gleich hohen, nach Grund und Höhe unstreitigen erstrangigen Teilbetrag
des Bundesanteils der Umsatzsteuer für die Monate Juni bis August 2008 erklärt hat, hat die Klägerin ihrerseits den Rechtsstreit
in der Hauptsache einschließlich der Zinsnebenforderung für erledigt erklärt. Sie beantragt nunmehr, festzustellen, dass der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt ist.

B. I. Die Berufung der Klägerin bleibt ohne Erfolg. Das LG hat ohne Rechtsfehler die Klage i.H. v. 131.951,32 . nebst Zinsen abgewiesen, weil die betreffende Werklohnforderung der Klägerin gem. § 389 BGB durch die wirksame Aufrechnung der Beklagten vom 3. Juli 2007 erloschen ist. Damit war über die von der Beklagten im Berufungsverfahren mit Schriftsatz vom 14. November 2008 erklärte Hilfsaufrechnung nicht zu entscheiden, weshalb auch die von der Klägerin zuletzt begehrte Feststellung der Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache nicht in Betracht kam. Denn die Klage war von Anfang an unbegründet.

1. Bis zu dem Abstimmungstermin über den Insolvenzplan am 26. Februar 2007 war die Beklagte zur Aufrechnung mit den von ihr zu dem am 29.Dezember 2006 eröffneten Insolvenzverfahren angemeldeten Umsatzsteuerforderungen berechtigt.

Die Aufrechnung war entgegen dem Berufungsvorbringen der Klägerin nicht durch § 95 Abs.1 Satz 3 InsO ausgeschlossen.

Denn das setzt voraus, dass die Forderung, gegen die aufgerechnet werden soll (hier also die Werklohnforderungen der Klägerin), unbedingt und fällig wird, bevor die Aufrechnung erfolgen kann. Im vorliegenden Fall ist jedoch die Umsatzsteuerforderung der Beklagten bereits vor Fälligkeit der Werklohnforderungen der Klägerin ihrerseits fällig geworden. Denn nach der von der Beklagten zutreffend zitierten Rechtsprechung des BFH (ZIP 2004, 1423 = BB 2004, 1546) kann im Insolvenzverfahren mit Steuerforderungen aufgerechnet
werden, die - wie hier - vor Verfahrenseröffnung entstanden sind, ohne dass es deren vorheriger Festsetzung, Feststellung oder Anmeldung zur Insolvenztabelle bedarf. Der BFH hat in der zitierten Entscheidung ausgeführt, dass im Falle einer Insolvenzer öffnung die Einschränkung des § 220 Abs. 2 Satz 2 AO (Eintreten der Fälligkeit erst mit Bekanntgabe der Steuerfestsetzung) nicht Platz greift, weil das Finanzamt nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens durch § 87 InsO gehindert ist, seine Forderungen durch Steuerbescheid festzusetzen. In einem solchen Fall richtet sich die Fälligkeit der Steuerforderung nach der Grundregel des § 220 Abs. 2 Satz 1 AO, wonach der Anspruch bei Fehlen einer anderweitigen gesetzlichen Regelung mit seiner Entstehung fällig wird. Der BFH hat daraus abgeleitet (ZIP 2004, 1423 = BB 2004, 1546, juris-Rz.17), dass im Falle der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Steuerzahlers die in diesem Zeitpunkt entstandenen Steuerforderungen fällig werden, ohne dass es dafür ihrer Festsetzung oder Feststellung durch Verwaltungsakt bedürfe. Dass im vorliegenden Fall spezielle steuergesetzliche Fälligkeitsbestimmungen zu einem anderen Ergebnis führen könnten, hat die Klägerin weder vorgetragen noch ist dies ansonsten ersichtlich. Nachdem der Anspruch auf Umsatzsteuervorauszahlungen
mit dem Ende des letzten Tages des maßgeblichen Voranmeldungszeitraums entsteht (vgl. BFH ZIP 2004, 1423 = BB 2004, 1546, juris-Rz.13 a. E.), erweist sich demnach die Rechtsauffassung der Beklagten als zutreffend, dass ihre Aufrechnungsforderung hier spätestens mit Ablauf des 31.Dezember 2006 fällig geworden ist.

Demgegenüber ist die Werklohnforderung der Klägerin nach der Regelung in § 16 Nr. 3 der von den Parteien unstreitig dem Bauvertrag zugrunde gelegten VOB/B erst zwei Monate nach Zugang der jeweiligen Schlussrechnungen, also im Verlauf der Monate Januar und Februar 2007, fällig geworden (denn die Rechnungen stammen vom 8. November, 6. November und 27. Dezember 2006).

Das LG ist deshalb im Ergebnis zutreffend von einer im Insolvenzverfahren zu Gunsten der Beklagten bestehenden Aufrechnungslage
ausgegangen.

2. Das angefochtene Urteil hält den Berufungsangriffen der Klägerin auch insoweit stand, als das LG angenommen hat, die Wirkungen des rechtskräftig gewordenen Insolvenzplans stünden der erst nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens mit Schreiben vom 3. Juli 2007 erklärten Aufrechnung der Beklagten hier nicht entgegen.

a) Die Vorschriften der §§ 94, 254 InsO sind nach Auffassung des Senats dahin gehend auszulegen, dass eine durch § 94 InsO gesicherte Aufrechnungsbefugnis eines Gläubigers auch durch einen Insolvenzplan nicht beseitigt werden kann. Nach § 94 InsO wird das Recht eines Insolvenzgläubigers, der zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zur Aufrechnung berechtigt ist, durch das Verfahren nicht berührt. Eine bereits begründete Aufrechnungslage bleibt also erhalten. Dies soll nach dem Willen des Gesetzgebers auch gegenüber einem
rechtskräftigen Insolvenzplan gelten. In der Begründung zu § 106 RegE-InsO (der - bis auf die spätere zusätzliche Einbeziehung von Aufrechnungsvereinbarungen - mit § 94 InsO wortgleich ist) heißt es insoweit (BT-Drucks.12/2443, S.140): "Die Formulierung der neuen Vorschrift bringt zusätzlich zum Ausdruck, dass auch der weitere Ablauf des Verfahrens, insbesondere die Annahme und Bestätigung eines Sanierungsplans, die Befugnis zur Aufrechnung nicht beeinträchtigen kann (vgl. § 54 Satz 2 VerglO). Eine erworbene Aufrechnungsbefugnis
ist eine gesicherte Rechtstellung, die auch im Insolvenzverfahren uneingeschränkt anerkannt wird." Die in der Gesetzesbegründung ausdrücklich in Bezug genommene Vorgängervorschrift des § 54 Satz 2 VerglO lautet wie folgt: "Soweit die Aufrechnung hiernach statthaft ist, wird die Befugnis hierzu durch die Wirkungen des Vergleichs nicht berührt."

Diese Bestimmung war vom BGH (vgl. ZIP 1983, 332 = NJW 1983, 1119, juris-Rz.11 f.) dahin gehend ausgelegt worden, dass der Insolvenzgläubiger selbst nach Vergleichsbestätigung ungeachtet einer Stundungs- und Erlasswirkung des Vergleichs berechtigt blieb, mit der gesamten Forderung in ihrer ursprünglichen Höhe weiter aufzurechnen. Lediglich die sich nach § 54 Satz 1 Halbs. 2 der VerglO aus den darin in Bezug genommenen Vorschriften der §§ 54, 55 KO ergebenden Einschränkungen für die Zulässigkeit der Aufrechnung könnten zu einer Beschränkung der Aufrechnung mit dem die Vergleichsquote des Gläubigers übersteigenden Teil seiner Forderung führen.

Der Gesetzgeber hat demnach eindeutig zum Ausdruck gebracht, dass er an der früher ausdrücklich in § 54 Satz 2 VerglO geregelten fortbestehenden Aufrechnungsbefugnis des Insolvenzgläubigers ungeachtet eventueller Erlassregelungen in einem Sanierungsplan für das neue Recht weiterhin festhalten wollte. Dieses Ergebnis der historischen Auslegung ist auch vom Gesetzeswortlaut gedeckt. Denn wenn eine zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bestehende Aufrechnungsbefugnis "durch das Verfahren nicht berührt" werden soll, kann dies durchaus dahin gehend ausgelegt werden, dass dem auch ein in einem Insolvenzplan vorgesehener Forderungs(teil-)erlass nicht entgegensteht. Dann bezieht sich die aus § 254 Abs.1 Sätze 1, 3 InsO folgende Erlasswirkung des Insolvenzplans nur auf künftig entstehende Aufrechnungslagen. Dieser Auslegung stehen weder der Wortlaut von § 254 InsO noch der Sinn und Zweck des Insolvenzplanverfahrens entgegen. Der Eintritt der in § 254 Abs.1 InsO festgeschriebenen Rechtswirkungen setzt voraus, dass eine planunterworfene Rechtsposition betroffen ist. Hierunter fällt jedoch unter Berücksichtigung der Regelung in § 94 InsO eine bereits bei Insolvenzeröffnung begründete Aufrechnungsbefugnis nicht. Das korrespondiert auch mit § 217 InsO. Diese Bestimmung legt fest, inwieweit bei der Plangestaltung eine Abweichung von Vorschriften der InsO möglich ist. § 217 InsO stellt indessen § 94 InsO nicht zur Disposition.

Entgegen der Ansicht der Klägerin spricht auch der Sinn und Zweck des Insolvenzplanverfahrens nicht gegen die vorstehende Gesetzesauslegung. Zwar können der Planzweck und die Planerfüllung gefährdet werden, wenn dem Schuldner vermeintlich freie Geldmittel aus Forderungen gegen einen Insolvenzgläubiger im Ergebnis nicht zur Verfügung stehen, weil sich der Gläubiger bei Aufforderung zur Zahlung nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens auf die bereits bei Insolvenzeröffnung bestehende Aufrechnungslage beruft und nunmehr
die Aufrechnung erklärt. Das ist aber lediglich die Folge einer Fehlbeurteilung der Rechtslage durch den Planaufsteller, der es versäumt hat, die fortbestehende Aufrechnungsmöglichkeit des Insolvenzgläubigers von vornherein in seine Überlegungen mit einzubeziehen. Insoweit hat sich keine Änderung gegen über der früheren Rechtslage unter Geltung der VerglO ergeben, bei der in einem solchen Fall ebenfalls der vom Gesetzgeber mit dem gerichtlichen Vergleichsverfahren bezweckte Sanierungserfolg gefährdet gewesen wäre. Deshalb trägt das Argument der Klägerin nicht, eine Auslegung des § 94 InsO i. S. d. § 54 Satz 2 VerglO komme wegen des vom Gesetzgeber mit der Einführung des Insolvenzplanverfahrens verfolgten Sanierungszwecks nicht in Betracht. Im Übrigen war auch im RegE-InsO bereits das Insolvenzplanverfahren vorgesehen, so dass davon ausgegangen werden muss, dass dem Gesetzgeber die möglichen plangefährdenden Auswirkungen der von ihm gewollten und über die offene Formulierung von § 94 InsO auch im Gesetzeswortlaut hinreichend zum Ausdruck gebrachten inhaltlichen Fortgeltung der früheren Regelung des § 54 Satz 2 VerglO durchaus bewusst waren; diese Auswirkungen
sind deshalb nicht geeignet, eine dem in der Gesetzesbegründung klar zum Ausdruck gebrachten Willen des Gesetzgebers
widersprechende Auslegung des § 94 InsO zu rechtfertigen.

Die von der Klägerin im Rechtsstreit angeführte Entscheidung des IX. Zivilsenats des BGH vom 29. März 2007 (ZIP 2007, 923) steht ebenfalls einer Auslegung des § 94 InsO im Sinne der Gesetzesbegründung zu § 106 RegE-InsO nicht entgegen. Denn der BGH hatte über einen Fall zu entscheiden, der eine erst nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens begründete Aufrechnungslage betraf. Er hat insoweit ausgeführt, bei einem im Insolvenzplan vorgesehenen vollständigen und unbedingten Erlass der zur Tabelle festgestellten Forderungen sei eine spätere Aufrechnung gegen nach Bestätigung des Insolvenzplans neu entstandene Forderungen des Schuldners schon wegen Fehlens einer aufrechenbaren Forderung ausgeschlossen. Die genannte Entscheidung präjudiziert somit nicht die Beurteilung der vom erkennenden Senat zu entscheidenden Frage, wie sich die Bestätigung des Insolvenzplans auf eine schon während des Insolvenzverfahrens bestehende und zunächst
durch § 94 InsO geschützte Aufrechnungsbefugnis auswirkt. Auch die insolvenzrechtliche Literatur stützt insoweit überwiegend die auf eine historische Gesetzesauslegung gegründete Rechtsauffassung des LG und des erkennenden Senats (vgl. namentlich Jaeger, InsO, 2007, § 94 Rz. 21; Häsemeyer, Insolvenzrecht, 3. Aufl., 2003, Rz.19.32; Kübler/Prütting, InsO, Stand: August 2008, § 254 Rz.16 (mit anderer Tendenz hingegen bei § 94 Rz. 91 bis 94); Eickmann, in: HK-InsO, 4. Aufl., 2006, § 94 Rz.18; Wimmer, InsO, 4. Aufl., 2006, § 94 Rz. 2; Uhlenbruck, InsO, 12. Aufl., 2003, § 94 Rz. 1, 40 und 52). Ein Aufrechnungsverbot durch den bestätigten Insolvenzplan bejahen
demgegenüber lediglich Gottwald (Insolvenzrechtshandbuch, 3. Aufl., 2006, § 70 Rz. 20) und Loose (in: Tipke/Kruse, AO/FGO, Stand: September 2008, § 251 Rz.116, unter Hinweis auf den auch von den Parteien zitierten Erlass des BMF). In den zuletzt genannten Literaturstellen fehlt jedoch jegliche Auseinandersetzung mit der abweichenden Gesetzesbegründung und der Problematik insgesamt. Insbesondere wird daraus mangels dahingehender Erörterungen nicht deutlich, ob sich das von den betreffenden Autoren angenommene Aufrechnungsverbot auch auf von § 94 InsO geschützte Aufrechnungslagen oder aber nur auf erst später entstehende Forderungen
des vormaligen Insolvenzschuldners beziehen soll.

Die sich über den Willen des Gesetzgebers hinwegsetzende Gegenansicht würde im Übrigen einem Insolvenzgläubiger aufnötigen, vorsorglich im Falle eines Insolvenzplanverfahrens die Aufrechnung selbst dann erklären zu müssen, wenn aus seiner Sicht die Hauptforderung des Schuldners in der Sache gar nicht begründet ist. Würde dadurch die aufgerechnete Gegenforderung voll verbraucht, könnte sie vom Insolvenzgläubiger dann auch nicht mehr mit der ihm sonst zustehenden Quote in den Insolvenzplan eingestellt werden. Dies stützt
ebenfalls die auf eine historische Auslegung gestützte Ansicht des Senats, dass der Insolvenzplan nach § 94 InsO geschützte
Aufrechnungsbefugnisse nicht berührt.

b) Vor dem Hintergrund der Gesetzeslage, wie sie sich nach den vorstehenden Ausführungen aus Sicht des Senats darstellt, kann auch die durch das Finanzamt erklärte Zustimmung zu dem Insolvenzplan vom 26. Februar 2007 nicht im Sinne eines weitergehenden Verzichts auf die Rechte aus der bereits bei Insolvenzeröffnung begründeten Aufrechnungsbefugnis ausgelegt werden. Denn es sind weder Umstände vorgetragen
noch sonst ersichtlich, die auf einen dahingehenden Erklärungswillen deuten würden. Zur Ermittlung des rechtlich maßgeblichen Sinns der im Rahmen der Abstimmung über den vorgeschlagenen Insolvenzplan vom Finanzamt abgegebenen Willenserklärung können die gesetzlichen Rahmenbedingungen, die die Wirkungen eines Insolvenzplans regeln, nicht außer Betracht bleiben. Solange keine anderen Anhaltspunkte
vorliegen, kann der Schuldner die Zustimmung eines Insolvenzgläubigers zum Insolvenzplan nach Treu und Glauben aus objektivierter Empfängersicht (vgl. §§ 133, 157 BGB) nur so verstehen, dass der Gläubiger mit seiner Erklärung diejenigen Wirkungen des Insolvenzplans gegen sich gelten lassen will, wie sie nach dem Inhalt der im Plan getroffenen Regelungen und im Übrigen aufgrund der Vorgaben des Gesetzes eintreten sollen. Der hier geltende Insolvenzplan sieht in seinem gestaltenden Teil einen quotalen Erlass der Forderungen der
Absonderungsberechtigten und nicht nachrangigen Insolvenzgläubiger gem. einem dem Plan als Anlage beigefügten Vermögensstatus vor. Dieser Status weist zwar offene Forderungen aus Lieferungen und Leistungen per 31. Dezember 2006 i.H. v. 12.463.162 . aus; es ist jedoch nicht erkennbar, dass dabei auch Forderungen einbezogen worden sind, denen schon während des Insolvenzverfahrens aufrechenbare Insolvenzforderungen nicht nachrangiger Insolvenzgläubiger gegen überstanden. Infolgedessen bietet der Planinhalt als solcher keinen hinreichenden Anhalt dafür, dass dadurch nach dem Willen der Beteiligten hinsichtlich der bereits bei Insolvenzeröffnung begründeten Aufrechnungslagen Rechtsfolgen vereinbart werden sollten, die von der gesetzlichen Regelung des § 94 InsO abweichen.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht unter Berücksichtigung des Erlasses des BMF vom 17. Dezember 1998 (BStBl I, 1500). Zwar wird darin in Abschnitt 9.3 unter der Überschrift "Wirkung des bestätigten Insolvenzplans" ausgeführt, Abgabenforderungen, auf die nach dem Insolvenzplan zu verzichten sei, würden zu sog. "unvollkommenen" Forderungen und seien deshalb zwar weiterhin erfüllbar, dürften aber "gegenüber dem Schuldner nicht mehr geltend gemacht werden (Vollstreckungsverbot, Aufrechnungsverbot)". Damit wird aber lediglich die allgemeine Rechtsfolge der Planwirkung nach § 254 InsO erläutert. Hingegen setzt sich der BMF-Erlass nicht mit der Problematik auseinander, ob die Wirkung des gerichtlich bestätigten und rechtskräftigen Plans von § 94 InsO geschützte Aufrechnungsbefugnisse erfasst oder ob stattdessen der Plan - ungeachtet seiner Rechtswirkungen im Übrigen - eine solche Aufrechnungsbefugnis von vornherein nicht berührt. Da der BMF-Erlass auch an anderer Stelle (insbesondere im Abschnitt 7 "Aufrechnung im Insolvenzverfahren") keinen Hinweis darauf enthält, die Finanzbehörden wollten ihren im Verfahren abgegebenen Erklärungen einen weiterreichenden Inhalt beimessen als nach der gesetzlichen Regelung vorgesehen, kann die hier vom Finanzamt am 26. Februar 2007 abgegebene Zustimmung zu dem vorgeschlagenen Insolvenzplan selbst im Lichte des Erlasses seiner obersten Dienstbehörde nicht im Sinne eines umfassenden Verzichts auf insolvenzrechtlich geschützte Aufrechnungsbefugnisse ausgelegt werden.

c) Der Senat erachtet schließlich das Verhalten der Beklagten entgegen der Ansicht der Klägerin auch nicht als sitten- oder treuwidrig. Der Beklagten war es deshalb nicht gem. § 138 Abs.1 oder § 242 BGB verwehrt, am 3. Juli 2007 gegenüber den von der Klägerin geltend gemachten Werklohnforderungen nach Abschluss der Prüfung der vorgelegten Rechnungen die Aufrechnung mit dem über die Quote des Insolvenzplans hinausgehenden Teil ihrer Steuerforderung zu erklären. Unter Zugrundelegung der Gesetzesbegründung und der überwiegenden
Literaturauffassung konnte sich das Finanzamt darauf verlassen, dass die von ihm erklärte Zustimmung zum Insolvenzplan lediglich die Wirkung hatte, dass der Teilerlass der Steuerforderung einer Aufrechnung mit künftig neu entstehenden Forderungen der Klägerin entgegenstehen würde. Insoweit hat sich die Beklagte im Übrigen durchaus konsequent verhalten, weil sie auf der anderen Seite diejenigen Teile der Werklohnforderung, die nach ihrer (von der Klägerin nicht infrage gestellten) Auffassung auf einer Leistungserbringung der
Klägerin in der Zeit nach Insolvenzeröffnung beruhten und deshalb von § 94 InsO nicht erfasst waren, durch Zahlung ausgeglichen
hat. Es ist schließlich auch nicht ersichtlich, dass das Finanzamt etwa bei seiner Zustimmung zum Insolvenzplan am 26. Februar 2007 schon positiv Kenntnis vom Bestehen einer aufrechenbaren Gegenforderung der Beklagten gegen die Klägerin gehabt hätte.

Vor diesem Hintergrund erweist sich im Übrigen in zumindest gleicherWeise das Verhalten der Klägerin selbst als widersprüchlich.
Denn sie verlangt der Beklagten ab, auf ihre über die Quote hinausgehende Forderung zu verzichten, gleichzeitig aber die im Insolvenzverfahren aufrechenbar gegenüberstehende Werklohnforderung der Klägerin voll bezahlen zumüssen.

II. Die Zulassung der Revision erfolgt gem. § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Fall 2 ZPO im Hinblick auf die Abweichung von dem am 13.November 2008 verkündeten Urteil des 16. Zivilsenats des OLG Celle (ZIP 2008, 2372), der in einem parallel gelagerten Fall entschieden hat, die Wirkungen des rechtskräftigen Insolvenzplans stünden der später erklärten Aufrechnung des Gläubigers mit seiner Forderung auch dann entgegen, wenn schon während des Insolvenzverfahrens eine Aufrechnungslage bestand.

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