OLG Dresden: Beendigung des Abschlussprüfermandats mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft

11.01.2010

InsO § 155 Abs. 3 Satz 2; HGB § 318 Abs. 3

Beendigung des Abschlussprüfermandats mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft

OLG Dresden, Beschl. v. 30. 9. 2009 – 13 W 281/09 (rechtskräftig; LG Dresden)

Leitsätze des Gerichts:

1. Der Prüfungsauftrag des Abschlussprüfers endet, soweit nicht ein Fall des § 155 Abs. 3 Satz 2 InsO vorliegt, jedenfalls dann mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der prüfungspflichtigen Gesellschaft, wenn der Insolvenzverwalter nicht die Erfüllung des Prüfungsauftrags wählt.

2. Nach § 155 Abs. 3 Satz 2 InsO bleibt eine bereits vor der Verfahrenseröffnung vorgenommene Bestellung eines Abschlussprüfers durch die Eröffnung nur dann unberührt, wenn diese sich auf das mit ihr endende Rumpfgeschäftsjahr bezieht. Für vorher liegende Geschäftsjahre hat die Bestellung nach § 155 Abs. 3 Satz 1 InsO auf Antrag des Insolvenzverwalters durch das Registergericht zu erfolgen.

Gründe:

I. Der Antragsteller ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der B. Bank AG (Schuldnerin), das mit Wirkung vom 16.7.2003 eröffnet wurde. Er begehrt die gerichtliche Bestellung eines Abschlussprüfers für die Prüfung der Jahresabschlüsse der Schuldnerin zum 31.12.2000 und 31.12.2001.

Die Hauptversammlung der Schuldnerin wählte mit Beschlüssen vom 20.7.2000 und vom 26.7.2001 für die Prüfung der Jahresabschlüsse zum 31.12.2000 und 31.12.2001 die Beteiligte zu 2) als Abschlussprüferin, die die entsprechenden Prüfaufträge annahm. Die von der Schuldnerin erstellten Jahresabschlüsse prüfte die Beteiligte zu 2) und versah sie mit einem uneingeschränkten Bestätigungsvermerk.

Auf eine vom Antragsteller gegen die Schuldnerin, vertreten durch ihren Vorstand, erhobene Klage, erklärte das LG Dresden die festgestellten Jahresabschlüsse der Schuldnerin zum 31.12.2000 und 31.12.2001 mit Versäumnisurteil vom 1.3.2007 für nichtig (44 O 450/05). Das Urteil wurde rechtskräftig.

Mit Antrag vom 19.12.2007 beantragte der Antragsteller, unter Abberufung der Beteiligten zu 2) als Abschlussprüferin, die W. GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschafterin zur Abschlussprüferin gem. § 316 HGB für die Prüfung der Jahresabschlüsse zum 31.12.2000 und 31.12.2001 zu bestellen. Zur Begründung hat sich der Antragsteller unter Bezugnahme auf die Anspruchsbegründung in einem gegen die Beteiligte zu 2) geführten Haftungsprozess darauf berufen, die Beteiligte zu 2) sei befangen i.S.d. § 319 Abs. 2 HGB und genieße nicht das Vertrauen des Antragstellers.

Das AG hat den Antrag zurückgewiesen. Ein Antragsrecht nach § 155 Abs. 3 Satz 1 InsO bestehe nicht, weil dieses sich nur auf die im Insolvenzverfahren zu bestellenden Abschlussprüfer beziehe. Die Wirksamkeit der Bestellung eines vorher von den Gesellschaftsorganen wirksam bestellten Abschlussprüfers bleibe von der Eröffnung ZIP 2009, 2459des Insolvenzverfahrens unberührt. Eine gerichtliche Ersetzung des Abschlussprüfers nach § 318 Abs. 3 HGB komme ebenfalls nicht in Betracht, weil der Antragsteller insoweit die Zwei-Wochen-Frist des § 318 Abs. 3 Satz 2 HGB nicht eingehalten habe. Die Frist habe mit dem Bekanntwerden der befangenheitsbegründenden Umständen begonnen, hier spätestens mit der Rechtskraft des Urteils, mit dem die Jahresabschlüsse 2000 und 2001 für nichtig erklärt worden seien.

Das LG hat die Entscheidung des AG aufgehoben, soweit der Antrag des Beteiligten zu 1) auf Bestellung der Abschlussprüferin zurückgewiesen wurde. Gegen diese Entscheidung richtet sich die am 23.3.2009 eingegangene weitere Beschwerde der Beteiligten zu 2).

II. Das Rechtsmittel der Beteiligten zu 2) bleibt ohne Erfolg.

1. Das als sofortige weitere Beschwerde nach § 146 Abs. 2, § 29 Abs. 2 FGG statthafte Rechtsmittel ist zulässig.

a) Die Einlegungsfrist von zwei Wochen (§ 29 Abs. 4, § 22 Abs. 1 FGG) wurde eingehalten.

b) Die Beteiligte zu 2) ist beschwerdeberechtigt (§ 20 Abs. 1 FGG). Nach der Entscheidung des LG hat das AG nunmehr einen neuen Abschlussprüfer für die Prüfung der Jahresabschlüsse zum 31.12.2000 und 31.12.2001 zu bestellen. Von dieser Entscheidung ist die Rechtsstellung der Beteiligten zu 2), die sich als bestellte Abschlussprüferin ansieht, betroffen.

2. Die sofortige weitere Beschwerde ist aber unbegründet. Die Entscheidung des Beschwerdegerichts erweist sich zumindest im Ergebnis als richtig (§ 27 Abs. 1 FGG, §§ 446, 561 ZPO).

a) Das Beschwerdegericht hat ausgeführt: Nach der Feststellung der Nichtigkeit der Jahresabschlüsse müssten neue Jahresabschlüsse aufgestellt werden. Das der Beteiligten zu 2) erteilte Prüfungsmandat sei mit der Vornahme der ersten Prüfung und abschließend erfolgter Testierung beendet. Die Bestellung des Abschlussprüfers sei nach § 155 Abs. 3 InsO, § 318 Abs. 1 HGB durch das Registergericht vorzunehmen.

b) Die Entscheidung erweist sich jedenfalls aus anderen Gründen als richtig.

Der Senat lässt offen, ob außerhalb des Insolvenzverfahrens das Mandat des Abschlussprüfers bestehen bleibt, wenn der geprüfte und testierte Jahresabschluss sich nachfolgend als nichtig erweist (bejahend: Forster, in: Festschrift Welf Müller, S. 183; verneinend: Kowalski, AG 1993, 502, 506). Der Prüfungsauftrag endet, soweit nicht ein Fall des § 155 Abs. 3 Satz 2 InsO vorliegt, jedenfalls dann mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens, wenn der Insolvenzverwalter nicht die Erfüllung wählt.

aa) Im Ausgangspunkt ist zwar zwischen dem handelsrechtlichen Prüfungsauftrag einerseits und dem ihm zugrunde liegenden schuldrechtlichen Prüfungsvertrag zu differenzieren. Die Stellung als Abschlussprüferin steht und fällt allerdings mit der Wirksamkeit des Prüfungsvertrages (MünchKomm-Ebke, HGB, 2. Aufl., § 318 Rz. 22).

bb) Der zwischen dem prüfungspflichtigen Unternehmen und dem Abschlussprüfer geschlossene Prüfungsvertrag endet, wenn nicht das Geschäftsjahr vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens betroffen ist, jedenfalls dann mit der Verfahrenseröffnung, wenn der Insolvenzverwalter nicht die Erfüllung wählt.

(1) Der Senat braucht nicht zu entscheiden, ob der Prüfungsvertrag, der ungeachtet seiner umstrittenen Rechtsnatur (vgl. dazu MünchKomm-Ebke, a.a.O., § 318 Rz. 23) eine Geschäftsbesorgung i.S.d. §§ 115, 116 InsO zum Inhalt hat, nach diesen Vorschriften erlischt (so wohl MünchKomm-Füchsl/Weishäupl, InsO, 2. Aufl., § 155 Rz. 21) oder – weil die Geschäftsbesorgung sich nicht auf das zur Masse gehörende Vermögen bezieht – dessen Schicksal nach § 103 InsO von der Erfüllungswahl des Insolvenzverwalters abhängt (so Adler/Düring/Schmalz, Rechnungslegung und Prüfung von Unternehmen, 6. Aufl., § 318 Rz. 258), denn hier hat der Antragsteller die Erfüllung abgelehnt.

(2) Nach dem ausdrücklichen Wortlaut von § 155 Abs. 3 Satz 2 InsO sieht diese Norm nur für das mit der Eröffnung des Verfahrens endende Geschäftsjahr eine Ausnahme vor (vgl. auch MünchKomm-Füchsl/Weishäupl, a.a.O., § 155 Rz. 21). Der Senat vermag der in der Literatur vertretenen Ansicht, nach der diese Regelung auch für frühere Geschäftsjahre gilt (KPB/Kübler, InsO, § 155 Rz. 69), nicht beizutreten.

(2.1) Die Vorschriften der § 103 bzw. §§ 115, 116 InsO dienen der Sicherung der Verfügungsbefugnis des Insolvenzverwalters hinsichtlich der Insolvenzmasse. Der Insolvenzverwalter soll, bezogen auf die bei Verfahrenseröffnung schwebenden Geschäfte, selbst entscheiden können, ob und ggf. in welchem Umfang sie zu Lasten der Masse nach Verfahrenseröffnung erfüllt werden (HambKomm-InsO/Ahrendt, 3. Aufl., § 103 Rz. 1) und – damit zusammenhängend – ob und inwieweit Leistungen aus der Masse hierfür gewährt werden (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO). Zur Sicherung der Verfügungsbefugnis des Verwalters erlöschen sämtliche auf die Insolvenzmasse bezogenen Aufträge nach § 115 InsO. Die Vorschrift des § 155 Abs. 3 Satz 2 InsO stellt vor dem Hintergrund der von der Verfahrenseröffnung grundsätzlich unberührt bleibenden Rechnungslegungspflichten eine Ausnahme zu diesen allgemein geltenden Bestimmungen dar.

(2.2) Es ist nicht zu ersehen, dass eine vom Wortlaut abweichende Auslegung dieser Bestimmung zwingend geboten wäre. Die Anwendung der dem Schutz der Unabhängigkeit des Abschlussprüfers dienenden Vorschrift des § 318 Abs. 1, 3 HGB erscheint nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht mehr zwingend geboten. Die Unabhängigkeit des Abschlussprüfers wäre auch dann, wenn dem Insolvenzverwalter das Wahlrecht gem. § 103 InsO zustünde, nicht gefährdet, weil dieses in erster Linie der Wahrung der Masseinteressen dient und aufgrund des durch § 80 InsO bewirkten Wechsels der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis die Gefahr der missbräuchlichen Wahlrechtsausübung nicht in gleicher Weise besteht, wie es bei einem allgemeinen freien Widerrufsrecht des Auftraggebers anzunehmen wäre. Auch die Bindung an den lediglich im Innenverhältnis der Gesellschaftsorgane wirkenden Wahlakt der Gesellschafter nach § 318 Abs. 1 Satz 1 HGB stellt keinen zwingenden Grund für die Fortwirkung des Prüfungsauftrages dar, denn der Insolvenzverwalter soll nach dem Übergang der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über die Insolvenzmasse gerade von solchen Bindungen frei sein.

<einsender></einsender>Mitgeteilt von Richter am OLG Volker Sander, Dresden</einsender><//einsender>

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