OLG Dresden: Wegfall des eigenkapitalersetzenden Charakters einer Gesellschafterleistung nach Formwechsel der GmbH in KG

21.07.2009

GmbHG § 32a

Wegfall des eigenkapitalersetzenden Charakters einer Gesellschafterleistung nach Formwechsel der GmbH in KG

OLG Dresden, Urt. v. 7. 8. 2008 – 1 U 1317/07

Leitsatz der Redaktion:

Als eigenkapitalersetzend zu qualifizierende Gesellschafterleistungen verlieren ihre Verstrickung, wenn die GmbH in eine KG umgewandelt wird, deren Komplementär eine natürliche Person ist.

Gründe

I. Die Parteien streiten um die Erfüllung der Verpflichtung der Beklagten zur Rückzahlung eines von der S. GmbH der Beklagten zu 1) im Jahr 1998 gewährten Darlehens i.H. v. 290.684,34 €.

Der Kläger ist Insolvenzverwalter im Insolvenzverfahren über das Vermögen der S. KG. Die Beklagte zu 1) war zwischen dem 22.5.1997 und 21.3.2000 Alleingesellschafterin der GmbH, der Beklagte zu 2) ist Komplementär der Beklagten zu 1).

Die S. GmbH gewährte der Beklagten zu 1) am 23.12.1998 ein Darlehen über 924.700 DM, welches bereits voll valutierte. Die Beklagte zu 1) verpflichtete sich zur Zahlung von Zinsen i.H. v. 5 % p.a. Am 5./28.7.1999 gewährte die Bank der S. GmbH einen Kontokorrentkreditrahmen für die Inanspruchnahme des Kreditkontos i.H. v. bis zu 4 Mio. DM, für welches der Beklagte zu 2) eine selbstschuldnerische Höchstbetragsbürgschaft übernahm.

Am 21.3.2000 trat die Beklagte zu 1) ihre Geschäftsanteile an der S. GmbH nach Teilung an H.S. und C.S. (mit Wirkung zum 1.1.2000) ab. Mit notarieller Urkunde vom 21.3.2000 beschlossen H.S. und C.S. die Umwandlung der S. GmbH in eine unter S.+C. KG (im Folgenden: Insolvenzschuldnerin) firmierende KG, deren alleiniger Komplementär H.S. wurde. Am 12.5.2000 wurde die Umwandlung im Handelsregister eingetragen. Die Insolvenzschuldnerin setzte ihre werbende Tätigkeit in unverändertem Umfang fort.

Der Beklagte zu 2) zahlte am 27.6.2000 für die Beklagte zu 1) an die Insolvenzschuldnerin auf das Darlehen 338.170,84 DM zurück. Am 3.11.2000 überwies der Beklagte zu 2) vom Bankkonto der Beklagten zu 1) insgesamt 1,7 Mio. DM mit dem Verwendungszweck „Rückzahlung Kredit“ auf das Kreditkonto der Insolvenzschuldnerin. Vor der Zahlung befand sich das Konto mit 3.272.336,45 DM im Soll, danach – aufgrund einer weiteren Überweisung der Beklagten zu 1) über 72.000 DM – mit 1.500.336,45 DM.

Mit Schreiben vom 7.11.2000 bat der Beklagte zu 2) unter Verwendung des Briefbogens der Beklagten zu 1) die Insolvenzschuldnerin um Bestätigung, dass mit „unserer Überweisung vom 3.11.2000“ der „noch offene Restbetrag des o.a. Darlehens“ verrechnet wird, was der Komplementär der Insolvenzschuldnerin S. bestätigte.

Mit Beschluss vom 7.1.2002 hat das AG Dresden das Insolvenzverfahren über das Vermögen der S.+C. KG eröffnet und den Kläger zum Verwalter bestellt. Der Kläger meint, das Darlehen vom 23.12.1998 sei i.H. v. 586.529,16 DM (299.887,59 €) zur Rückzahlung fällig und fordert hiervon 290.684,34 €. Das LG hat der Klage vollumfänglich stattgegeben. Mit ihrer Berufung verfolgen die Beklagten die Klageabweisung weiter.

II. Die zulässige Berufung ist begründet.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Darlehensrückzahlung gegen die Beklagten, weil die offene Restdarlehensforderung mit der Vereinbarung vom 7.11.2000 i.V.m. der Zahlung vom 3.11.2000 durch Erfüllung erloschen ist.

1. Zwar können die Beklagten nicht einwenden, die Zahlung vom 3.11.2000 sei von der eigenkapitalrechtlich ungebundenen Beklagten zu 1) an die Insolvenzschuldnerin vorgenommen worden, weshalb die Verrechnungsabrede vom 7.11.2000 keine eigenkapitalrechtliche Relevanz besessen habe.

Ungeachtet der Frage, ob der Beklagte zu 2) auch in diesem Fall von einer eigenkapitalersetzenden Sicherheit zu Lasten des Vermögens der Insolvenzschuldnerin befreit worden und damit einem – nicht streitgegenständlichen – Anspruch aus § 32b Abs. 2 GmbHG ausgesetzt gewesen wäre, war zwischen den Parteien erstinstanzlich unstreitig geworden, dass es sich bei der Zahlung der 1,7 Mio. DM um eine Leistung des Beklagten zu 2) – und nicht der Beklagten zu 1) – an die Bank handelte. Daher hat das LG seine Entscheidung zu Recht auf diese – den Anlagen allerdings nicht zu entnehmende – Tatsache gestützt. Soweit die Beklagten erstmalig mit der Berufungsbegründung Gegenteiliges vortragen, sind sie damit nach § 531 Abs. 2 ZPO ausgeschlossen.

2. Der Beklagte zu 2) hat aber – im eigenen Namen und dem der Beklagten zu 1) – mit H.S. am 7.11.2000 eine wirksame Vereinbarung über die Verrechnung des restlichen Darlehensrückzahlungsanspruchs der Insolvenzschuldnerin gegenüber der Beklagten zu 1) mit dem diesen der Höhe nach übersteigenden Bürgenregressanspruch des Beklagten zu 2) gegenüber der Insolvenzschuldnerin nach § 774 BGB – oder, was das LG alternativ für möglich gehalten hat, aus § 670 BGB – getroffen.

Selbst wenn man mit dem Kläger und dem LG unterstellt, die Bürgschaft des Beklagten zu 2) hätte durch ihr Stehenlassen nach Eintritt einer (von den Beklagten erkannten) Überschuldung der S. GmbH zum 31.12.1999 – mithin ca. Mitte Februar 2000 – eigenkapitalersetzenden Charakter erlangt, wäre die Verrechnungsvereinbarung wirksam gewesen, weil die Bürgschaft mit Eintragung der Umwandlung der Gemeinschulderin in eine KG mit einer natürlichen Person als Komplementär ihre – einer Erfüllungswirkung sonst entgegenstehende – Eigenkapitalersatzverstrickung verloren hätte.

a) Die Gemeinschulderin wurde durch Beschluss der neuen Gesellschafter vom 21.3.2000 identitätswahrend in eine KG mit einer natürlichen Person als Komplementär umgewandelt. Anhaltspunkte für eine Unwirksamkeit dieser Umwandlung werden weder vortragen noch sind sie sonst ersichtlich. Der Formwechsel wurde spätestens mit Eintragung im Handelsregister am 12.5.2000 wirksam (Happ, MünchHdb. KG, 2. Aufl., § 2 Rz. 11).

b) Dieser Formwechsel bewirkte den Wegfall eines etwaig zuvor begründeten eigenkapitalersetzenden Charakters der Bürgschaft des Beklagten zu 2).

aa) Der Formwechsel ist maßgeblich dadurch gekennzeichnet, dass der formwechselnde Rechtsträger in der im Umwandlungsbeschluss bestimmten Rechtsform fortbesteht und die Anteilsinhaber des formwechselnden Rechtsträgers an dem Rechtsträger nach den für die neue Rechtsform geltenden Vorschriften beteiligt sind. Die formwechselnde Umwandlung lässt somit die Identität des Rechtsträgers unberührt und ändert allein dessen Verfassung.

Infolge dieser wirtschaftlichen Kontinuität bleibt zwar der Vermögensbestand vor und nach dem Formwechsel gleich, d.h. alle Forderungen und Verbindlichkeiten setzen sich innerhalb der neuen Rechtsform schlicht fort. Dies bedeutet jedoch nicht, dass auch die besonderen gesellschaftsrechtlichen Bindungen die Umwandlung unbeschadet überdauern. Gerade Durchsetzungsgarantien und -sperren sind speziell auf die jeweilige Organisationsverfassung zugeschnitten und damit Teil der dem Grundsatz der Diskontinuität unterliegenden Rechtsordnung. Wie auch die Organe und die ihr Zusammenwirken steuernden Regeln der Willensbildung über den Formwechsel hinaus keinen Bestand haben können, können dies auch rechtsformspezifische Bindungen schuldrechtlicher Art nicht erfahren (Habersack/Schürnbrand, NZG 2007, 81, 91). Sie richten sich allein nach der neuen Verfassung.

Auf Kommanditgesellschaften, bei denen einer der persönlich haftenden Gesellschafter eine natürliche Person ist, finden die Regeln über den Kapitalersatz nach absolut herrschender Meinung in Rechtsprechung und Schrifttum keine Anwendung (vgl. für Gesellschafterleistungen des Komplementärs ausdrücklich: BGH, Urt. v. 2.7.1990 – II ZR 139/89, ZIP 1990, 1009, Rz. 17, dazu EWiR 1990, 915 (K. Schmidt); auch für die des Kommanditisten: OLG Frankfurt/M., Urt. v. 1.12.1981, WM 1982, 198, 199; LG Düsseldorf, Urt. v. 23.8.1988 – 36 O 78/88, ZIP 1988, 1569, 1570, dazu EWiR 1988, 1223 (Fleck); generell: Habersack, ZHR 162 (1998), 201, 213 f. m.w.N.; Ulmer/Habersack/Winter/Habersack, GmbHG, §§ 32a/b Rz. 14 m.w.N.; a.A. nur K. Schmidt, GmbHR 1986, 337, 340; K. Schmidt, ZIP 1991, 1, 4 ff.; Schlegelberger/K. Schmidt, HGB, 5. Aufl., § 172a Rz. 54; Scholz/K. Schmidt, GmbHG, 10. Aufl., §§ 32a, 32b Rz. 21 f.; MünchKomm-K. Schmidt, HGB, 2. Aufl., § 172a Rz. 5).

Beim Formwechsel in eine typische, d.h. über eine natürliche Person als unbeschränkt haftenden Gesellschafter verfügende Personengesellschaft endet mit dem Wirksamwerden der Umwandlung die Verstrickung des Darlehens (der eigenkapitalersetzenden Gesellschafterleistung), der Gesellschafter erlangt einen durchsetzbaren Anspruch auf Zahlung (Habersack/Schürnbrand, NZG 2007, 81, 85 f.; Widmann/Mayer/Vossius, Umwandlungsrecht, § 202 UmwG Rz. 95; Lutter/Decher, UmwG, 3. Aufl., § 204 Rz. 1); die Bindungen des Eigenkapitalersatzes entfallen.

Die Gläubiger werden in diesem Fall entgegen der Auffassung des Klägers nicht schutzlos gestellt. Für den erforderlichen Gläubigerschutz sorgt zunächst das UmwG selbst, indem es den Gläubigern nach §§ 202, 22 UmwG Anspruch auf Sicherheitsleistung gewährt (vgl. so ausdrücklich Lutter/Decher, a.a.O., § 204 Rz. 1). Auch haben sie nun die Möglichkeit, den unbegrenzt persönlich haftenden Komplementär in Anspruch zu nehmen, der nach § 130 HGB grundsätzlich auch für Altverbindlichkeiten einzustehen hat (Habersack/Schürnbrand, NZG 2007, 81, 86).

Ein darüber hinausgehendes Schutzbedürfnis ist grundsätzlich nicht anzuerkennen. Zwar mag es für Gläubiger im Einzelfall problematisch sein, das Entfallen einer eigenkapitalersatzrechtlichen Verstrickung einer Gesellschafterleistung zu erkennen und dies gem. § 22 Abs. 1 Satz 2 UmwG glaubhaft zu machen. Zum einen sind diese Probleme jedoch dem allgemeinen wirtschaftlichen Lebensrisiko zuzuweisen und rechtfertigen es nicht, das vom Gesetzgeber bewusst angelegte System der Organisationsverfassungen zu durchbrechen. Zum anderen hat der Gesetzgeber den Gläubigern mit der 6-Monats-Frist des § 22 Abs. 1 Satz 1 UmwG ausreichend Zeit gegeben, die Anspruchsgefährdung zu prüfen. Schließlich steht den Gläubigern bei der typischen KG die Inanspruchnahme des unbegrenzt haftenden Komplementärs offen. Dass dieser im Einzelfall vermögenslos sein kann, ist wiederum dem allgemeinen Lebensrisiko zuzurechnen, rechtfertigt es aber nicht, die vom Gesetzgeber mit der Schaffung des § 172a HGB bewusst getroffene Abgrenzung zwischen der typischen KG und der, die keine natürliche Person als persönlich haftenden Gesellschafter hat, zu unterlaufen.

bb) So verhält es sich auch hier. Soweit man vorliegend überhaupt eine eigenkapitalersatzrechtliche Verstrickung der Bürgschaft des Beklagten zu 2) als einer der Beklagten zu 1) als Gesellschafterin nahe stehenden Person durch Stehenlassen trotz Kenntnis einer Krise vor Aufgabe der Gesellschafterstellung annehmen könnte, wäre diese mit der Eintragung der formwechselnden identitätswahrenden Umwandlung deshalb in Fortfall geraten.

cc) Ob dies in extrem gelagerten Grenzfällen, in denen der Formwechsel gezielt dafür eingesetzt wird, um vorhandenes Vermögen der Gesellschafter, welches der Eigenkapitalersatzverstrickung unterliegt, zu Lasten der Gesellschaftsgläubiger der Verstrickung zu entziehen, unter dem Gesichtspunkt der vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung anders zu beurteilen wäre, kann hier dahin stehen. Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagten die Umwandlung planmäßig und in verwerflicher Absicht betrieben haben, um die eigenkapitalersatzrechtliche Verstrickung der Bürgschaft des Beklagten zu 2) auflösen und damit vorhandenes Vermögen zu Lasten der Gläubiger der Gemeinschulderin entziehen zu können, sind vorliegend nicht ersichtlich. Allein die (streitige) Tatsache, dass der neue Komplementär H.S. im Zeitpunkt der Geschäftsanteilsabtretung nicht in der Lage war, den (streitigen) Kapitalbedarf der Insolvenzschulderin in Millionenhöhe aufzubringen, lässt hierauf nicht schließen. Vielmehr spricht die werbende Fortführung des Unternehmens durch die neuen Gesellschafter über den Zeitraum von weit mehr als einem Jahr deutlich dagegen, dass die Umwandlung – für deren Steuerung durch die Beklagten zudem nichts ersichtlich ist – in einer Gläubigerschädigungsabsicht betrieben wurde. Schließlich haftete der Beklagte zu 2) der Bank auch weiterhin als Bürge uneingeschränkt für den Kontokorrentkredit, weshalb die Umwandlung für ihn ohnehin zu keiner nennenswerten wirtschaftlichen Entlastung führen konnte.

<hinweis>

Anmerkung der Redaktion:

Siehe hierzu den Kurzkommentar von Heckschen, EWiR 2009, 445.

Das Rechtsmittelverfahren ist anhängig beim BGH unter dem Az. II ZR 211/08.

Der BGH hat mit Beschluss vom 23.10.2008 den Antrag des Klägers auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren zurückgewiesen, weil den Gläubigern die Aufbringung der Kosten zuzumuten sei (§ 116 Satz 1 Nr. 1 ZPO).

</hinweis>

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