OLG Dresden: Zur Beweislast des Insolvenzverwalters bei der Schenkungsanfechtung

22.06.2009

InsO § 134

Zur Beweislast des Insolvenzverwalters bei der Schenkungsanfechtung

OLG Dresden, Urt. v. 23. 12. 2008 – 13 U 1163/07

Leitsatz der Redaktion:

Den Insolvenzverwalter trifft im Rahmen einer Schenkungsanfechtung die Beweislast hinsichtlich der Frage, ob der Anfechtung ein Zwei-Personen-Verhältnis oder, wie vom Anfechtungsgegner behauptet, ein Drei-Personen-Verhältnis zugrunde liegt, da die Unentgeltlichkeit der Verfügung in diesen Fällen nach unterschiedlichen Maßstäben zu beurteilen ist.

Gründe:

I. Der Kläger ist Verwalter in dem auf Eigenantrag am 1.8.2005 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der W. GmbH (im Folgenden: Schuldnerin), die bis zum 31.12.2002 als O. GmbH firmierte und im hier maßgeblichen Zeitraum durch den – ab dem 6.12.2002 nicht mehr alleinigen, jedoch mit Einzelvertretungsbefugnis ausgestatteten – Geschäftsführer J. geleitet wurde. Dieser war zugleich einzelvertretungsberechtigter Geschäftsführer bzw. persönlich haftender Gesellschafter der beiden Gesellschafterinnen der Schuldnerin, nämlich der M. GmbH und der vormals als J. & S. KG firmierenden J. KG. Deren alleinige Kommanditistin wiederum war und ist die Ehefrau von J., die Beklagte.

Im „Wärmelieferungsvertrag“ vom 27.11./5.12.2002 übertrug die Schuldnerin der E. GmbH vom 1.1.2003 an für die Dauer von mindestens 20 Jahren die Versorgung ihres Mietwohnungsbestands mit Fernwärme. In einer zugleich abgeschlossenen „Sondervereinbarung“, an welcher die J. & S. KG gemeinsam mit der Schuldnerin als „Kunde“ beteiligt war, versprach die E. GmbH als „Lieferant“ dem „Kunden“ für dessen „Leistung“, nämlich der Eingehung der Verpflichtung zum „ausschließlichen Bezug von Wärme durch den Lieferanten“ für die Dauer von mindestens 20 Jahren, eine „Gegenleistung“ in Gestalt einer einmaligen Zahlung i.H. v. 490.840 € nebst Umsatzsteuer, die „rechnerisch gleichermaßen auf 240 Monate der Vertragslaufzeit verteilt“ wurde. Mit Schreiben vom 5.12.2002 unterrichtete die E. GmbH den Notar N. vom wesentlichen Inhalt der vorbezeichneten Verträge. Sie bat um die Einrichtung eines Notaranderkontos, auf das – so die Absenderin –, „um auch der O. entsprechende Sicherheit für Insolvenz der E. zu gewähren“, die Einmalzahlung zunächst „zu treuen Händen“ angewiesen werde und ZIP 2009, Seite 1126das „ohne Weiteres auf den Namen der O. und der J. & S KG lauten“ könne. Nachdem der Notar weisungsgemäß ein Anderkonto bei der B. AG eingerichtet und die E. GmbH die Einmalzahlung darauf geleistet hatte, erklärte diese ihm gegenüber mit Schreiben vom 27.12.2002 die „Freigabe“ und bat, „den Betrag entsprechend auszukehren“. Daraufhin veranlasste der Notar mit einem an die B. AG gerichteten Schreiben vom 30.12.2002 von dem Notaranderkonto „Blitzüberweisungen“ über 140.000 € auf ein Konto der V. Versicherung und über 429.324,00 € auf ein Konto der Beklagten, die noch am selben Tag ausgeführt wurden. Dem zugrunde lag eine schriftliche Anweisung vom 12.12.2002, die J. unter Verwendung eines Briefbogens der A. KG, deren einzelvertetungsberechtigter Komplementär er ebenfalls war, dem Notar erteilt hatte. Das nach Abrechnung des Notaranderkontos verbliebene Restguthaben von 35,31 € wurde am 24.1.2003 auf dasselbe Konto der Beklagten überwiesen, von dem sie behauptet, es diene nach Maßgabe des „Kontenverwaltungsvertrags“ vom 30.6.2002 als Treuhandkonto zu Gunsten der J. KG.

Der Kläger verlangt von der Beklagten, die beiden auf ihrem Konto eingegangenen Zahlungen über insgesamt 429.359,31 € nebst Verzugszinsen der Insolvenzmasse zu erstatten. Das LG hat der Klage stattgegeben.

II. Die Berufung der Beklagten ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet, mithin zulässig. In der Sache hat das Rechtsmittel Erfolg. Auf der Grundlage des Tatsachenvorbringens der Beklagten, welches im maßgeblichen Punkt des „Kontenverwaltungsvertrags“ der insoweit beweisbelastete Kläger nicht widerlegt hat, könnte der Insolvenzmasse der geltend gemachte Erstattungsanspruch lediglich gegen die J. KG zustehen.

1. Die – vom LG für gegeben gehaltenen – Voraussetzungen einer Leistungskondiktion nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB hingegen hat der Kläger schon nicht schlüssig dargetan. Denn seinem Vorbringen ist zu entnehmen, dass J. als Geschäftsführer der Schuldnerin die beiden angeblich aus deren Vermögen geleisteten Zahlungen im Bewusstsein des Fehlens eines dahin gehenden Rechtsanspruchs der Beklagten zugewandt habe. Eine Rückforderung durch die Schuldnerin als Bereicherungsgläubigerin scheidet damit gem. § 814 BGB aus, wonach das zum Zwecke der Erfüllung einer Verbindlichkeit Geleistete nicht zurückgefordert werden kann, wenn der Leistende gewusst hat, dass er zur Leistung nicht verpflichtet war. Aufgrund dieser Einwendung ist auch dem Kläger als Insolvenzverwalter ein solcher Anspruch versagt (vgl. BGHZ 113, 98 = ZIP 1991, 35 = WM 1991, 112 unter II 1, dazu EWiR 1991, 75 (Ackmann)).

2. In Betracht kommt stattdessen eine Schenkungsanfechtung nach § 143 Abs. 1 i.V.m. § 134 Abs. 1 InsO. Dabei kann, nachdem die Parteien das Datum des Insolvenzantrags nicht vorgetragen haben, aus dem Aktenzeichen des Insolvenzverfahrens und dem Beschluss des Insolvenzgerichts über die Anordnung der vorläufigen Insolvenzverwaltung abgeleitet werden, dass der Eigenantrag im Zeitraum zwischen dem 1.1.2005 und dem 3.6.2005 gestellt, mithin die angefochtenen Zahlungen vom 30.12.2002 und 24.1.2003 innerhalb des in § 134 Abs. 1 InsO bezeichneten Vierjahreszeitraums geleistet wurden; verbleibende Zweifel würden insoweit ohnehin zu Lasten der Beklagten gehen, die als Anfechtungsgegnerin für eine Vornahme der Leistung außerhalb dieser Frist darlegungs- und beweisbelastet ist („es sei denn“). Jedoch ist es dem Kläger nicht gelungen, den – ihm als Insolvenzverwalter obliegenden (vgl. BGH ZIP 2006, 957 = ZVI 2006, 246 = WM 2006, 1156 unter 4, dazu EWiR 2006, 469 (Henkel)) – Beweis der Unentgeltlichkeit der Leistung zu führen.

a) Streitig sind freilich auch die Umstände, die die gem. § 129 InsO für jede Art der Insolvenzanfechtung erforderliche objektive Gläubigerbenachteiligung begründen könnten. Insoweit ist es zwar nicht von Bedeutung, ob, wie die Beklagte behauptet, die aufgrund der Sondervereinbarung vom 27. 11./5.12.2002 seitens der E. GmbH geschuldete Zahlung von 490.840 € nebst Umsatzsteuer – sei es bereits nach dem Inhalt dieses Vertrags selbst, sei es aufgrund einer internen Vereinbarung zwischen den darin als „Kunden“ bezeichneten Personen – der J. KG allein (oder zumindest anteilig) zustand. Vielmehr wäre das nach Maßgabe der §§ 35 ff. InsO zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen der Schuldnerin durch die vom Anderkonto des Notars auf das Konto der Beklagten geleisteten Zahlungen dann verkürzt worden, wenn die Schuldnerin, nachdem die anwaltlichen Vertreter der E. GmbH in deren Namen mit Schreiben vom 27.12.2002 die „Freigabe“ des Guthabens erklärt hatten, allein oder zumindest neben der Beklagten Gläubigerin des gegen den Notar gerichteten Auskehranspruchs nach § 667 BGB gewesen wäre. Das wiederum bestimmt sich ausschließlich danach, wie der Notar den Treuhandauftrag, der ihm nicht von der Schuldnerin und/oder der J. KG, sondern in Gestalt eines Vertrags zu Gunsten Dritter (§ 328 Abs. 1 BGB) von der E. GmbH übertragen worden war, nach dem Inhalt deren Schreibens vom 5.11.2002 sowie etwaiger ergänzender Äußerungen der E. GmbH verstanden hat und verstehen durfte. Dabei streiten für eine Berechtigung der Schuldnerin als (zumindest neben der J. KG) treuhandbegünstigte Dritte sowohl der Wortlaut des vorbezeichneten Schreibens als auch der vom Notar ausweislich seines Schreibens vom 30.12.2002 sowie der Kontoauszüge vom selben Tag und vom 24.1.2003 dem Anderkonto beigegebene Name „O.W.“, ferner der Inhalt des an den Kläger gerichteten Schreibens vom 18.8.2006 der anwaltlichen Vertreter der E. GmbH. Weitere Bestätigung seines Prozessvorbringens verspricht sich der Kläger durch den Notar N. selbst, dessen Vernehmung als Zeuge er beantragt hat.

b) Indessen hat die Beklagte dem Tatsachenvorbringen des Klägers nicht nur entgegengehalten, dass die J. KG (Allein-)Begünstigte des dem Notar von der E. GmbH erteilten Treuhandauftrags gewesen sei, sondern darüber hinaus – und zwar entgegen der Auffassung des LG hinreichend substanziiert – behauptet, das Girokonto, auf welches die aus dem Notaranderkonto bewirkten Zahlungen vom 30.12.2002 und 24.1.2003 geleistet wurden, werde von ihr im Auftrag und für Rechnung der J. KG treuhänderisch verwaltet. Zwar wäre auch im Falle einer derartigen Treuhandabrede nicht die Treugeberin, sondern die Beklagte als Treuhänderin Empfängerin der Leistung (vgl. BGH WM 1961, 651 = NJW 1961, 1461 unter 1 b; BGH ZIP 1983, 43 = WM 1983, 14 = NJW 1983, 626 unter II 2 a, jeweils zu § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB; ferner BGHZ 124, 298 = ZIP 1994, 218 = WM 1994, 459 unter II 3 a zu § 7 Abs. 1 AnfG a.F. für den – hier freilich nicht gegebenen – Fall, dass der Schuldner Treugeber ist, dazu EWiR 1994, 319 (Canaris)), jedoch beurteilte sich die Unentgeltlichkeit nach anderen Maßstäben.

ZIP 2009, Seite 1127

Legt man die Darstellung des Klägers zugrunde, der die Treuhändereigenschaft der Beklagten bestreitet, (und betrachtet man insoweit aus Gründen der vereinfachten Darstellung auf Seiten des Verfügenden die Schuldnerin und den angeblich auf deren Rechnung handelnden Notar als Einheit), so läge den beiden vorbezeichneten Zahlungen anfechtungsrechtlich jeweils ein „Zwei-Personen-Verhältnis“ zwischen der Schuldnerin als Verfügende und der Beklagten als Zuwendungsempfängerin zugrunde. Bei einem derartigen Zuwendungsverhältnis ist die Verfügung als unentgeltlich anzusehen, wenn ihr nach dem Inhalt des Rechtsgeschäfts keine Leistung gegenübersteht, dem Verfügenden also keine Gegenleistung zufließen soll, die dem aufgegebenen Vermögenswert entspricht (vgl. BGHZ 174, 228 = ZIP 2008, 125 = ZVI 2009, 78 = WM 2008, 173  unter II 1 a m.w.N., dazu EWiR 2008, 211 (Keller)). Dass der Schuldnerin – unterstellt, es gelänge dem Kläger zu beweisen, dass diese Gläubigerin des gegen den Notar gerichteten Auskehranspruchs gewesen sei – für die beiden Zahlungen vom 30.12.2002 und 24.1.2003 eine Gegenleistung habe zufließen sollen, behauptet auch die Beklagte nicht.

Hingegen macht die Beklagte hilfsweise geltend, dass die Schuldnerin der J. KG zur Herausgabe der – angeblich der Letztgenannten zustehenden, von der E. GmbH ggf. aber durch Einsetzung des Notars als Treuhänder und Zahlung auf dessen Anderkonto sowie anschließender Freigabe zunächst der Schuldnerin zugewendeten – Einmalzahlung über 490.840 € nebst Umsatzsteuer verpflichtet gewesen sei. Höchst hilfsweise lässt die Beklagte gegen sich gelten, dass die Schuldnerin die Zahlungen über 429.324,00 € vom 30.12.2002 und über 35,31 € vom 24.1.2003 der J. KG unentgeltlich zuwenden wollte. Jedenfalls aber, so behauptet die Beklagte, sei die (möglicherweise aus dem Vermögen der Schuldnerin erbrachte) Leistung an die J. KG gerichtet gewesen und von ihr lediglich als deren Treuhänderin empfangen worden. Träfe diese Darstellung zu, so läge ein „Drei-Personen-Verhältnis“, nämlich zwischen der Schuldnerin, der Beklagten und der J. KG vor. Bei einem solchen Verhältnis ist nicht entscheidend, ob der Verfügende selbst einen Ausgleich für seine Verfügung erhalten hat; vielmehr kommt es darauf an, ob der Zuwendungsempfänger seinerseits eine Gegenleistung zu erbringen hat (BGH ZIP 2008, 125 = ZVI 2009, 78). Bezahlt der Verfügende die gegen einen Dritten gerichtete Forderung des Zuwendungsempfängers, besteht dessen Gegenleistung in der Regel darin, dass er aufgrund des Empfangs der Leistung eine werthaltige Forderung gegen den Dritten verliert (BGH ZIP 2008, 125 = ZVI 2009, 78).

Entsprechend diesen Grundsätzen kann nach Auffassung des Senats eine die Unentgeltlichkeit ausschließende Gegenleistung des Zuwendungsempfängers auch darin liegen, dass er durch den Empfang der Leistung eine werthaltige Verbindlichkeit gegenüber dem Dritten begründet, etwa so wie im Streitfall nach eigener Darstellung die Beklagte, die ihrer Treugeberin, der J. KG, gem. § 667 BGB zur Herausgabe oder gem. § 662 BGB zur weisungsgemäßen Verwendung der Zahlungseingänge auf dem von ihr in deren Auftrag und für deren Rechnung treuhänderisch verwalteten Girokonto verpflichtet war.

Die Parteien des Rechtsstreits haben sich für bzw. wider das Bestehen der von der Beklagten behaupteten Treuhandvereinbarung zwischen ihr und der J. KG auf die Vernehmung des angeblich in Italien wohnhaften J. als Zeuge berufen. Der Senat hat, nachdem der Zeuge auf die ihm zunächst formlos mitgeteilte Ladung nicht erschienen ist, ein Ordnungsgeld gegen diesen verhängt und die förmliche Zustellung der Ladung im Wege der Rechtshilfe veranlasst. Die italienischen Behörden haben darauf mitgeteilt, die Zustellung habe nicht erfolgen können, weil der Zeuge seinen Wohnsitz nicht unter der von den Prozessparteien angegebenen Anschrift in Italien habe. Eine andere Anschrift haben die Parteien trotz Fristsetzung nach § 356 ZPO nicht beigebracht. Auch auf erneute, formlos mitgeteilte Ladung unter der Anschrift in Italien ist der Zeuge nicht erschienen. Hiernach sieht der Senat, der gem. § 286 Abs. 1 ZPO zur möglichst vollständigen Aufklärung des Sachverhalts verpflichtet ist (vgl. BGH NJW 1992, 1768 = MDR 1992, 708 unter II 2 a m.w.N.), die ihm zum Erwirken der Aussage zur Verfügung stehenden Mittel als erschöpft an. Zwar ist davon auszugehen, dass die Anordnungen des Senats den Zeugen erreichen, etwa weil sie ihm von der Beklagten, seiner Ehefrau, mitgeteilt werden oder weil sich unter der Anschrift in Italien ein Briefkasten mit dem Namen des Zeugen befindet, der in seinem Auftrag regelmäßig geleert wird; auch ergeben sich aus der Reaktion des Zeugen auf die Verhängung des Ordnungsmittels Hinweise darauf, dass er sich regelmäßig in Deutschland aufhält. Eine zwangsweise Durchsetzung seines Erscheinens ermöglichen diese Erkenntnisse jedoch nicht. Darüber hinaus hat der Prozessbevollmächtigte der Beklagten in der letzten mündlichen Verhandlung, zu welcher der Zeuge noch einmal formlos geladen worden war, mitgeteilt, dieser habe ihm gegenüber fernmündlich angekündigt, zum Termin nicht zu erscheinen. Die hiernach verbleibende Ungewissheit, ob die von der Beklagten behauptete Treuhandvereinbarung besteht, geht nach Auffassung des Senats zu Lasten des Klägers, da sie die gesetzliche Anfechtungsvoraussetzung der Unentgeltlichkeit betrifft, welche der Insolvenzverwalter zu beweisen hat. Andere Beweismittel bietet der Kläger nicht an.

3. Die Voraussetzungen anderer Anfechtungstatbestände sind ebenfalls nicht erfüllt. Die Beklagte ist – auch nach dem Vortrag des Klägers – nicht Insolvenzgläubigerin i.S.d. §§ 130, 131 InsO. Darüber hinaus behauptet der Kläger nicht, dass die Zahlungen binnen drei Monaten vor dem Eröffnungsantrag oder hiernach erfolgten. Aus dem gleichen Grund scheidet eine Anfechtung nach § 132 InsO aus.

Ob der Kläger im Verhältnis zur Beklagten die nach deren Darstellung zwischen der Schuldnerin und der J. KG getroffene Vereinbarung, dass die Einmalzahlung der E. GmbH der J. KG als Provision für die Vermittlung des Wärmelieferungsvertrags zustehen solle, nach § 133 Abs. 2 InsO Satz 1 InsO anfechten könnte, bedarf keiner Entscheidung. Zum einen hat der Kläger sich diese Behauptung der Beklagten nicht hilfsweise zu eigen gemacht, zum anderen wurde ein solcher Vertrag ggf. im Jahr 2002 geschlossen und wäre daher, nachdem der Insolvenzeröffnungsantrag erst im Jahr 2005 gestellt wurde, einer derartigen Anfechtung gem. § 133 Abs. 2 Satz 2 InsO entzogen.

ZIP 2009, Seite 1128

Ferner greift § 133 Abs. 1 InsO nicht durch. Dabei kann dahinstehen, ob der J. KG wegen der Einmalzahlung der E. GmbH ein Herausgabeanspruch gegen die Schuldnerin zustand oder ob der Umstand, dass ein vom Gläubiger eingesetzter Treuhänder die für jenen bestimmte Leistung des Schuldners empfängt, für sich genommen Inkongruenz begründen könnte. Eine inkongruente Deckung bildet nur dann ein Beweisanzeichen für den Benachteiligungsvorsatz des Schuldners und die Kenntnis des anderen Teils hiervon, wenn die Wirkungen der Rechtshandlung zu einem Zeitpunkt eintraten, als zumindest aus Sicht des Empfängers Anlass bestand, an der Liquidität des Schuldners zu zweifeln (BGHZ 157, 242 = ZIP 2004, 319 = ZVI 2004, 98 = WM 2004, 299 unter II 2 b bb und III 2 c, dazu EWiR 2004, 865 (Homann); BGH ZIP 2006, 957 = ZVI 2006, 246 = WM 2006, 1156 unter 4). Dass hier die Schuldnerin zum Zeitpunkt der Zahlungen am 30.12.2002 und 24.1.2003 sich in Zahlungsschwierigkeiten befunden hätte, behauptet der Kläger nicht. Er trägt zwar vor, die Schuldnerin sei überschuldet gewesen. Die angebliche Kenntnis der Beklagten hiervon leitet er jedoch allein daraus ab, dass sie die Ehefrau des Geschäftsführers und Kommanditistin der Mehrheitsgesellschafterin der Schuldnerin war (und ist). Zwar könnte die gesetzliche Vermutung des § 130 Abs. 3 InsO, dass eine dem Schuldner i.S.d. § 138 InsO nahestehende Person die Zahlungsunfähigkeit oder den Eröffnungsantrag kannte, auf § 133 Abs. 1 InsO entsprechende Anwendung finden. Eine weitergehende Analogie, die die Vermutungswirkung gegenüber nahestehenden Personen auf die Kenntnis sonstiger Umstände erstreckt, ist jedoch abzulehnen. Beweis dafür, dass hier die Beklagte bei Empfang der angefochtenen Zahlungen um die angebliche Überschuldung der Schuldnerin wusste, hat der Kläger nicht angetreten.

4. Soweit nach dem (Hilfs-)Vorbringen des Klägers in Betracht kommt, dass es sich bei den Zahlungen an die Beklagte, so sie als Treuhänderin der J. KG empfangen haben sollte, um gem. § 30 GmbHG unzulässige Entnahmen der J. KG als Gesellschafterin handelte, würde sich der aus § 31 GmbHG folgende Rückforderungsanspruch ebenfalls gegen diese, nicht aber gegen die Beklagte richten. Eine Haftung nach § 31 Abs. 1 GmbHG analog wegen eines besonderen Näheverhältnisses zum Gesellschafter (vgl. dazu BGHZ 81, 365 = ZIP 1981, 1332 = WM 1981, 1270 unter II 2 c) greift gegenüber der Beklagten nicht durch, da eine solche nach Auffassung des Senats voraussetzt, dass der Drittempfänger die Unterbilanz kennt oder kennen muss. Eine entsprechende Kenntnis der Beklagten behauptet zwar der Kläger, er ist dafür jedoch beweisfällig geblieben. Der eine Unterbilanz andeutende Jahresabschluss für das Geschäftsjahr 2002 lag bis zum 24.1.2003 ohnehin nicht vor. Schon am fehlenden Nachweis des Vorsatzes scheitert schließlich ein Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte nach §§ 826, 830 Abs. 2 BGB wegen Beihilfe zu einem existenzvernichtenden Eingriff der J. KG in die Schuldnerin.

III. Der Senat lässt gem. § 543 Abs 1 Nr. 1 ZPO die Revision zu. Der Streitfall wirft die Rechtsfrage auf, wen die Beweislast trifft, wenn ihm Rahmen einer Anfechtung nach § 134 Abs. 1 InsO der Insolvenzverwalter ein „Zwei-Personen-Verhältnis“, der Anfechtungsgegner ein „Drei-Personen-Verhältnis“ behauptet, bei welchem der Rechtsprechung des BGH zufolge die Unentgeltlichkeit der Verfügung nach unterschiedlichen Maßstäben zu beurteilen ist. Diese Frage berührt das allgemeine Interesse an einer einheitlichen Entwicklung des Rechts und ist – soweit ersichtlich – höchstrichterlich noch nicht entschieden (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO).

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