OLG Düsseldorf: Bestellung eines Sonderprüfers wegen Pflichtverletzungen von Vorstand und Aufsichrat der IKB

13.01.2010

AktG §§ 142, § 91 Abs. 2; KWG § 25a

Bestellung eines Sonderprüfers wegen Pflichtverletzungen von Vorstand und Aufsichrat der IKB

OLG Düsseldorf, Beschl. v. 9. 12. 2009 – I-6 W 45/09 (nicht rechtskräftig; LG Düsseldorf)

Leitsätze der Redaktion:

1. Gegenstand einer Sonderprüfung nach § 142 Abs. 2 AktG kann auch ein sich über längere Zeit erstreckender Vorgang sein, dessen letzter Teil noch in den Fünfjahreszeitraum seit dem Tag der Hauptversammlung, in der die Sonderprüfung abgelehnt oder aufgehoben wurde, fällt.

2. Besteht der satzungsmäßige Gegenstand einer Bank in der Förderung und Finanzierung der gewerblichen Wirtschaft, insbesondere des Mittelstands, ist ein Anteil des Geschäftsvolumens von 46 % im Verbriefungssektor davon nicht mehr gedeckt.

3. Der Vorstand der Bank begeht eine grobe Pflichtverletzung, wenn er nicht auf ausreichender Informationsgrundlage handelt oder bewusst übergroße Risiken, insbesondere Klumpenrisiken, eingeht.

4. Bereits die übermäßige Komplexität und Intransparenz des Verbriefungssegments bedingt nahezu die Unmöglichkeit für den Vorstand, Entscheidungen auf ausreichender Informationsgrundlage zu treffen. Externe Ratings von Rating-Agenturen können den Vorstand von der Pflicht zu eigener Information nicht entbinden.

ZIP 2010, 29

Gründe:

I. Die Antragsteller begehren die gerichtliche Bestellung eines Sonderprüfers zur Untersuchung möglicher Pflichtverletzungen von Vorstand und Aufsichtsrat der Antragsgegnerin (IKB) im Zusammenhang mit den Umständen, die zur Krise der Antragsgegnerin im Sommer 2007 geführt haben.

Die Antragsteller sind Aktionäre der Antragsgegnerin. Der Antragsteller zu 1) hält ununterbrochen seit dem 8. September 2000 bzw. 19. April 2002 insgesamt 47.100 nennwertlose Inhaberstammaktien, die Antragstellerin zu 2) verfügt ununterbrochen seit dem 24. August bzw. 2. September 1999 über insgesamt 64.500 solcher Aktien und die Antragstellerin zu 3) besitzt ununterbrochen seit dem 20. September 1999 99.500 entsprechende Wertpapiere. Der Kurswert der Aktie im Zeitpunkt der Antragstellung betrug ca. 0,73 €.

In der Hauptversammlung der Antragsgegnerin vom 27. März 2008 wurde mit den Stimmen der KfW als damaliger Großaktionärin zu den Tagesordnungspunkten 2 und 3 (Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat) beschlossen, den Rechtsanwalt, Wirtschaftsprüfer und Steuerberater R. zum Sonderprüfer zur Untersuchung möglicher Pflichtverletzungen von Vorstand und Aufsichtsrat der Antragsgegnerin im Zusammenhang mit den Umständen, die zur Krise der Antragsgegnerin geführt haben, zu bestellen. Nachdem die KfW ihr inzwischen auf über 90 % gestiegenes Aktienpaket an die US-amerikanische Beteiligungsgesellschaft LSF6 Europe Financial Holdings L.P. (nachfolgend: LSF6), welche zur Gruppe des US-amerikanischen Finanzinvestors Lone Star gehört, verkauft hatte, wurden in der von LSF6 einberufenen außerordentlichen Hauptversammlung der Antragsgegnerin vom 25. März 2009 unter TOP 3 und 4 die Hauptversammlungsbeschlüsse vom 27. März 2008 zur Bestellung des Sonderprüfers mit den Stimmen der neuen Mehrheitsaktionärin wieder aufgehoben und die Bestellung des Sonderprüfers widerrufen. Diese Aufhebungsbeschlüsse sind Gegenstand von Anfechtungsklagen mehrerer Minderheitsaktionäre.

Die Antragsteller haben die Bestellung eines Sonderprüfers in Person von R. gem. § 142 Abs. AktG verlangt, der – wie in den aufgehobenen Beschlüssen – bei der Antragsgegnerin überprüfen soll, ob Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats im Zusammenhang mit den Umständen, die zur Krise der Antragsgegnerin geführt haben, Pflichtverletzungen sowohl durch aktives Handeln als auch durch Unterlassen begangen haben bei der Aufnahme, Fortsetzung, Überwachung oder Ausweitung von Geschäften in oder mit Verbriefungs- oder Refinanzierungsgesellschaften, insbesondere der „Rhineland-Funding“, der „Rhinebridge“, der „Havenrock I und II“ und der „Elan“ sowie bei Einrichtung und Auslagerung wesentlicher Funktionen auf die IKB Capital Asset Management GmbH (IKB CAM).

Die Antragsgegnerin hat sich gegen die gerichtliche Bestellung eines Sonderprüfers gewandt und die Aussetzung des Verfahrens bis zur Entscheidung über alte Anfechtungsklagen gegen die streitgegenständlichen Aufhebungsbeschlüsse beantragt.

Mit Beschluss vom 14. August 2009 hat das LG den Anträgen der Antragsteller stattgegeben. Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin, deren gleichzeitigem Eilantrag auf Außerkraftsetzung der gerichtlichen Bestellung des Sonderprüfers bis zur endgültigen Entscheidung des Senats über die sofortige Beschwerde stattgegeben worden ist. Hilfsweise hält die Antragsgegnerin ihren Aussetzungsantrag aufrecht.

II. Die sofortige Beschwerde ist zulässig (§ 142 Abs. 5 Satz 2, Abs. 8 AktG, § 22 Abs. 1 FGG), aber unbegründet. Das LG hat im Ergebnis zu Recht die von den Antragstellern beantragte Bestellung des Sonderprüfers angeordnet.

1. Die formellen Voraussetzungen für den Antrag gem. § 142 Abs. 2 AktG liegen vor.

a) Die Antragsteller sind antragsberechtigt. Sie erreichen als qualifizierte Minderheit zusammen das notwendige Quorum von 100.000 €, weil sie gemeinsam insgesamt 211.100 (47.100 + 64.500 + 99.500) nennwertlose Inhaberstammaktien halten, die zum Zeitpunkt der Antragstellung unstreitig einen Kurswert von ca. 0,73 € hatten, und durch Vorlage entsprechender Bankbestätigungen nachgewiesen haben, dass sie seit mindestens drei Monaten vor dem Tag der Hauptversammlung Inhaber der Aktien sind und dass sie die Aktien bis zur Entscheidung über den Antrag halten werden (§ 142 Abs. 2 Satz 2 AktG). In den vorgenannten Bankbestätigungen haben sich die depotführenden Kreditinstitute gegenüber dem Gericht verpflichtet, es während der Dauer des Verfahrens über jegliche Veränderungen in Bezug auf den antragsbegründenden Aktienbestand zu unterrichten.

b) Zwar setzt § 142 Abs. 2 Satz 1 AktG einen ablehnenden Hauptversammlungsbeschluss voraus, aber es ist allgemein anerkannt, dass die Aufhebung eines bereits gefassten positiven Beschlusses dem ablehnenden Beschluss gleichzustellen ist (RGZ 143, 401, 410; Hüffer, AktG, 8. Aufl., § 142 Rz. 18 m.w.N.; Schmidt/Lutter/Spindler, AktG, § 142 Rz. 48). So liegt der Fall hier. Die Bestellung des Sonderprüfers in der ordentlichen Hauptversammlung vom 27. März 2008 wurde durch die außerordentliche Hauptversammlung vom 25. März 2009 wieder aufgehoben.

c) Gegenstand einer Sonderprüfung nach § 142 Abs. 2 AktG ist u.a. ein nicht über fünf Jahre seit dem Tag der Hauptversammlung, in der die Sonderprüfung abgelehnt oder aufgehoben wurde, zurückliegender Vorgang bei der Geschäftsführung.

aa) Unter Vorgängen bei der Geschäftsführung ist der gesamte Verantwortungsbereich des Vorstands i.S.d. § 76 Abs. 1 AktG zu verstehen, also jedwede tatsächliche oder rechtliche Tätigkeit für die Gesellschaft (Hüffer, a.a.O., § 142 Rz. 4; MünchKomm-Schröer, AktG, 2. Aufl., § 142 Rz. 18). Geschäftsführung i.S.d. § 142 Abs. 2 Satz 1 AktG ist auch die Tätigkeit des Aufsichtsrats, soweit sie sich durch Überwachung (§ 111 Abs. 4 Satz 2 AktG) oder Ausübung einer Zustimmungskompetenz (§ 111 Abs. 4 Satz 2 AktG) auf die Geschäftsführung des Vorstands bezieht (Hüffer, a.a.O., § 142 Rz. 5).

bb) Die der Sonderprüfung zu unterstellenden Vorgänge bei der Geschäftsführung der Antragsgegnerin stehen im Zusammenhang mit der Aufnahme, Überwachung oder Ausweitung von Geschäften in oder mit Verbriefungs- oder Refinanzierungszweckgesellschaften sowie bei Einrichtung und Auslagerung wesentlicher Funktionen auf die IKB CAM, welche ihren Ausgang im Jahr 2001 nahmen und bis zum Ausbruch der Krise der Antragsgegnerin Mitte 2007 andauerten. Dass diese Vorgänge, vom Tag der maßgeblichen Hauptversammlung am 25. März 2009 zurückgerechnet, teilweise länger als fünf Jahre zurückliegen, steht der Prüfung jedoch nicht entgegen, weil es bei einem über längere Zeit erstreckten Vorgang ausreicht, dass der letzte Teil noch in den Fünfjahreszeitraum fällt (Heidel/Wilsing/Neumann, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, 2. Aufl., § 142 AktG Rz. 18; Bezzenberger, in: Großkomm. z. AktG, 4. Aufl., § 142 Rz. 52; MünchKomm-Schröer, a.a.O., § 142 Rz. 59).

ZIP 2010, 30

d) Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin sind die gestellten Anträge nicht rechtsmissbräuchlich. Ein Missbrauch des Antragsrechts liegt vor, wenn illoyale, grob eigennützige Rechtsausübung betrieben wird. Das kann insbesondere dann der Fall sein, wenn mit dem Antrag ein Lästigkeitswert aufgebaut und mit diesem Druckmittel Zahlungen an den Antragsteller durchgesetzt werden sollen (Hüffer, a.a.O., § 142 Rz. 21; Heidel/Wilsing/Neumann, a.a.O., § 142 AktG Rz. 24; MünchKomm-Schröer, a.a.O., § 142 Rz. 95). Es liegen keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür vor, dass die Antragsteller ausschließlich sachfremde Zwecke verfolgen.

2. Die Anträge der Antragsteller erfüllen auch die materiellen Voraussetzungen des § 142 Abs. 2 Satz 1 AktG.

a) Voraussetzung für die gerichtliche Bestellung von Sonderprüfern ist das Vorliegen von Tatsachen, die den Verdacht rechtfertigen, dass bei dem Vorgang Unredlichkeiten oder grobe Verletzungen des Gesetzes oder der Satzung vorgekommen sind (§ 142 Abs. 2 Satz 1 AktG). Erforderlich ist zunächst, dass die Antragsteller Tatsachen vortragen, aus denen sich, wenn auch nur mittelbar, diese Verdachtsgründe ergeben. Unsubstanziierte Behauptungen, bloße Verdächtigungen oder Vermutungen reichen nicht aus. Die Antragsteller brauchen die von ihnen behaupteten Indiztatsachen zunächst bei Antragstellung weder zu beweisen noch glaubhaft zu machen. Dem Antrag kann aber nur stattgegeben werden, wenn das Gericht nach Anhörung der Gesellschaft und des Aufsichtsrats zu der Überzeugung gelangt, dass hinreichende Tatsachen vorliegen, die den Verdacht von Unredlichkeiten oder von groben Verletzungen des Gesetzes oder der Satzung begründen. Gegebenenfalls kann das Gericht dazu ergänzende Ermittlungen anstellen. Ob jedoch tatsächlich Unredlichkeiten oder grobe Verletzungen des Gesetzes bzw. der Satzung vorgekommen sind, ist im Rahmen der Entscheidung über die Anordnung der Sonderprüfung ebenso wenig zu beurteilen wie die Frage, welche Rechtsfolgen sich hieraus ergeben können. Andernfalls würde nämlich dem Ergebnis der Sonderprüfung vorgegriffen (Bezzenberger, a.a.O., § 142 Rz. 62).

aa) Pflichtverletzungen, die nicht sittlich anstößig, also nicht unredlich sind, rechtfertigen die Bestellung eines Sonderprüfers nur, wenn sie grob sind. Das setzt zum einen schuldhaftes Handeln voraus und bedeutet zum anderen, dass der Handelnde nicht nur unbedeutend, sondern erheblich von seinen Pflichten abweicht. Dabei kann die Pflichtverletzung zu einer groben auch dadurch qualifiziert werden, dass das Verschulden oder der mit der Pflichtverletzung verursachte Schaden besonders eklatant ausfällt (MünchKomm-Schröer, a.a.O., § 142 Rz. 68; Bezzenberger, a.a.O., § 142 Rz. 62; Bürgers/Körber/Holzborn, Heidelberger Komm. z. AktG, § 142 Rz. 15). Ein Gesetzes- oder Satzungsverstoß ist auch dann grob, wenn dies die Umstände des Einzelfalles nahe legen und eine Nichtverfolgung unerträglich erscheinen würde (Heidel/Wilsing/Neumann, a.a.O., § 142 AktG Rz. 19).

bb) Neben der Beschränkung durch das Merkmal „grob“ erfährt das Antragsrecht eine weitere Begrenzung durch die allgemeine Verhältnismäßigkeitsprüfung (Schmidt/Lutter/Spindler, a.a.O., § 142 Rz. 54; a.A. Fleischer, NJW 2005, 3525, 3527). Diese vom Gericht von Amts wegen vorzunehmende Verhältnismäßigkeitsprüfung ist zwar im Wortlaut von § 142 Abs. 2 AktG nicht angelegt; sie findet ihre Rechtfertigung aber in der Gesetzessystematik und wird vor allem auch in der Gesetzesbegründung ausdrücklich verlangt (BT-Drucks. 15/5092, S. 18; Trölitzsch/Gunßer, AG 2008, 833, 837). Danach ist „eine ... Verhältnismäßigkeitsprüfung ... auch bei der Zulassung der Sonderprüfung in Geringfügigkeitsfällen vorzunehmen, wenn die Kosten und negativen Auswirkungen einer Sonderprüfung für die Gesellschaft nicht in angemessenem Verhältnis zu dem durch das Fehlverhalten ausgelösten Schaden stehen“.

cc) Aus den vorgetragenen Tatsachen muss sich ein hinreichender Tatverdacht für eine Unredlichkeit oder erhebliche Pflichtverletzung ergeben, d.h. diese müssen denklogisch wahrscheinlich und nicht bloß nur möglich sein (MünchKomm-Schröer, a.a.O., § 142 Rz. 69).

b) Nach der Überzeugung des Senats liegen Tatsachen vor, die den Verdacht rechtfertigen, dass es bei den zu prüfenden Vorgängen zu groben Pflichtverletzungen durch den Vorstand und den Aufsichtsrat gekommen ist.

aa) Zunächst besteht hinreichender Verdacht, dass Vorstand und Aufsichtsrat in grobem Maße gegen den satzungsmäßigen Unternehmensgegenstand verstoßen und damit ihre Sorgfalts- und Überwachungspflichten in erheblichem Maße verletzt haben (§ 93 Abs. 1, § 111 Abs. 1 AktG).

§ 2 der Satzung der Antragsgegnerin lautet seit September 2006 wie folgt: „Gegenstand des Unternehmens ist die Förderung der gewerblichen Wirtschaft, insbesondere durch Bereitstellung von mittel- und langfristigen Finanzierungen oder Eigenkapital bzw. Eigenkapitalsurrogaten und Leasingfinanzierungen sowie der damit verbundenen Beratungsleistungen. Den Finanzierungsbedürfnissen des Mittelstandes soll bevorzugt Rechnung getragen werden. Die Gesellschaft kann Bankgeschäfte aller Art betreiben und Finanzdienstleistungen aller Art erbringen. Die Gesellschaft ist zu allen Geschäften und Maßnahmen berechtigt, die geeignet erscheinen, dem Gegenstand des Unternehmens zu dienen. Sie kann ihre Geschäftstätigkeit ganz oder teilweise durch Tochter-, Beteiligungs- und Gemeinschaftsunternehmen verwirklichen und zu diesem Zweck im In- und Ausland andere Unternehmen gründen, erwerben und sich an solchen beteiligen.“

Aus der vorgenannten Beschreibung des Gegenstandes des Unternehmens der Antragsgegnerin ist eindeutig zu entnehmen, dass ihre Tätigkeit in der Förderung und Finanzierung der gewerblichen Wirtschaft, insbesondere des Mittelstandes, liegt und alle ihre Geschäfte und Maßnahmen diesem Zweck dienen sollen. Soweit die Antragsgegnerin auf ihre in § 2 Abs. 2 vorgesehene allgemeine Berechtigung, Bankgeschäfte aller Art zu betreiben und Finanzdienstleistungen aller Art zu erbringen, zur Rechtfertigung ihrer Betätigung im Verbriefungsbereich verweist, kann dem zum einen entgegengehalten werden, dass auch diese Berechtigung bei sachgerechter Auslegung des § 2 unter dem Oberziel der Förderung und Finanzierung der gewerblichen Wirtschaft steht, also der unmittelbaren oder mittelbaren Zweckerfüllung dienen muss, und zum anderen, dass unter den Begriff der Bankgeschäfte und Finanzdienstleistungen nicht beliebige Wertpapier-, Risiko- und ZIP 2010, 31Spekulationsgeschäfte, insbesondere auch nicht das Wettgeschäft mit Finanzinnovationen und -derivaten, fallen.

Auch der in den Jahren 2001 bis 2006 in der Satzung beschriebene Unternehmensgegenstand der Antragsgegnerin kann zu keinem anderen Ergebnis führen. Absatz 1 war identisch und die beiden weiteren Absätze lauteten wie folgt: „Außerdem kann die Gesellschaft sonstige Finanzierungen im In- und Ausland übernehmen oder sich an solchen beteiligen, Grundstücke erwerben, verwalten und veräußern, sich an anderen Unternehmen beteiligen und solche Unternehmen gründen oder erwerben sowie Zweigniederlassungen im In- und Ausland errichten. Soweit gesetzlich zulässig, darf die Gesellschaft alle Geschäfte und Maßnahmen durchführen, die geeignet sind, den Geschäftszweck zu fördern. Die Gesellschaft ist berechtigt, ihre Geschäftstätigkeit auch durch Tochter-, Beteiligungs- und Gemeinschaftsunternehmen zu verwirklichen sowie Unternehmens- und Kooperationsverträge abzuschließen.“

Durch die Formulierung „darf die Gesellschaft alle Geschäfte und Maßnahmen durchführen, die geeignet sind, den Geschäftszweck zu fördern“ kommt hier sogar noch stärker zum Ausdruck, dass die Tätigkeit der Antragsgegnerin dem Zweck der Förderung und Finanzierung der gewerblichen Wirtschaft zu unterstellen ist.

Es besteht begründeter Verdacht, dass gegen diesen Unternehmenszweck dadurch verstoßen worden ist, dass das eigene Engagement der Antragsgegnerin im Verbriefungssegment, den Investments in internationale Kreditportfolien (7 Mrd. €), einschließlich der Eventualverbindlichkeiten der Antragsgegnerin, d.h. ihrer unwiderruflichen Kreditzusagen für die den auf dem Verbriefungssektor tätigen Zweckgesellschaften bereitgestellten Liquiditätslinien (17,7 Mrd. €), im Geschäftsjahr 2006/2007 ein Volumen von insgesamt ca. 24,7 Mrd. € ausmachte, während das eigentliche Mittelstandsgeschäft der Antragsgegnerin, d.h. ihre Forderungen gegen Kunden, nur etwas mehr, nämlich ca. 29,3 Mrd. € betrug. Damit erreichte der Verbriefungssektor der Antragsgegnerin ca. 46 % des Gesamtvolumens ihres Geschäftsfeldes, obwohl sie in diesem Bereich nach dem satzungsmäßigen Unternehmensgegenstand gar nicht oder zumindest nur in geringem Umfang hätte tätig werden dürfen.

Dem Vorstand eines Unternehmens steht bei der Begehung von Gesetzes- und Satzungsverstößen kein Ermessensspielraum zu. Zwingende Gesetzes- und Satzungsvorschriften haben die Funktion, Handlungsgrenzen zu setzen, die nicht nach Opportunitätsaspekten vom Normunterworfenen relativiert oder modifiziert werden dürfen. Der Schutz der Business Judgment Rule (§ 93 Abs. 1 Satz 2 AktG) besteht nicht bei Gesetzes- und Satzungsverstößen (Hüffer, a.a.O., § 93 Rz. 41). Einen Beurteilungsspielraum haben Vorstandsmitglieder nur bei der Frage, wie sie innerhalb des gesetzlichen bzw. satzungsmäßigen Handlungsspielraums agieren, um das Unternehmen so erfolgreich wie möglich zu führen (BGHZ 135, 244, 251 ff. = ZIP 1997, 883 – ARAG/Garmenbeck, dazu EWiR 1997, 677 (Priester)).

Mit dem vom Vorstand der Antragsgegnerin zu verantwortenden Engagement im Verbriefungssegment einschließlich der Kreditlinien für die in diesem Bereich tätigen Zweckgesellschaften dürfte er die ihm durch § 2 der Satzung gesetzten Handlungsgrenzen in erheblichem Maße überschritten haben. Dabei handelt es sich schon im Hinblick auf den unstreitig dadurch eingetretenen Schaden in Höhe mehrerer Milliarden Euro um eine grobe Pflichtverletzung. Sowohl dem Vorstand als auch dem Aufsichtsrat waren § 2 der Satzung sowie der Umfang der Betätigung der Antragsgegnerin im Verbriefungssektor und der Kreditierung der ebenfalls in diesem Bereich tätigen Zweckgesellschaften bestens bekannt. Der Aufsichtsrat hätte daher nicht zulassen dürfen, dass der Vorstand unter Verstoß gegen den satzungsmäßigen Unternehmenszweck der Antragsgegnerin Geschäfte im Verbriefungssektor tätigt, oder zumindest rechtzeitig Gegenmaßnahmen ergreifen müssen.

bb) Ferner ist der hinreichende Verdacht begründet, dass der Vorstand der Antragsgegnerin seine Pflichten grob verletzt hat, weil er entweder nicht auf ausreichender Informationsgrundlage gehandelt hat oder bewusst übergroße Risiken, insbesondere Klumpenrisiken, eingegangen ist.

aaa) Aus § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG ergibt sich, dass eine Pflichtverletzung dann nicht vorliegt, wenn das Vorstandsmitglied annehmen durfte, dass es die auf dem Prüfstand stehende unternehmerische Entscheidung auf der Grundlage angemessener Information zum Wohl der Gesellschaft getroffen hat. Diese Formulierung des Gesetzes statuiert eine Pflicht der Vorstandsmitglieder zur Informationsbeschaffung. Sie haben dazu alle ihnen zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen auszuschöpfen. Dabei dürfen sie sich nicht nur auf Informationen Dritter verlassen, sondern sind gehalten, eigene Informationsquellen im Unternehmen zu schaffen sowie ihr Funktionieren zu überwachen und sie zu nutzen (MünchKomm-Spindler, AktG, § 93 Rz. 471).

(1) Bereits die übermäßige Komplexität und Intransparenz des Verbriefungssegments bedingte nahezu die Unmöglichkeit für den Vorstand, Entscheidungen auf ausreichender Informationsgrundlage zu treffen.

Der Vorstand der Antragsgegnerin hatte im Geschäftsjahr 2001/2002 entschieden, zum einen selbst in Kreditverbriefungen mit internationalem Profil zu investieren und zum anderen Dritte bei der Anlage in derartige Investments zu beraten. Gegenstand der eigenen Investments waren Unternehmensanleihen, Mortgage Backed Securities („MBS“), Asset Backed Securities („ABS“) sowie zunehmend strukturierte Portfolien, die ihrerseits aus Portfolioinvestments bestanden, das bedeutet, dass diesen Wertpapieren ihrerseits Referenzportfolien von Kreditderivaten oder Portfolien aus ABS-Tranchen (sog. CDOs (Collateralized Debt Obligations) of ABS) zugrunde lagen. Nach Angaben des Vorstands in den Geschäftsberichten konzentrierte sich das Investment auf hochdiversifizierte konsumentenkreditbezogene Portfolien, wie z.B. Kreditkartenforderungen, Hypothekenkreditforderungen verschiedenster Art oder auch Autofinanzierungskredite. Das Profil der aufgrund der Beratung durch die Antragsgegnerin durch die Zweckgesellschaften angekauften Forderungen entsprach dabei dem der eigenen Investitionen, es bestand also auch hier eine Kon-ZIP 2010, 32zentration auf US-amerikanische Konsumentenkreditforderungen. Die Zusammenfassung von Krediten in Portfolien, die ihrerseits als strukturierte Finanzprodukte zur Unterlegung von Anleihen dienten, hier insbesondere in der Form von CDOs of ABS, eröffnete aber nicht nur die Möglichkeit der Diversifikation von Risiken, sie war auch mit einem erheblichen Verlust von Transparenz verbunden. Die mehrfach hintereinander geschaltete Strukturierung der Portfolios hatte zur Folge, dass schließlich kaum mehr abschätzbar war, welche Risiken aus den Investments resultierten. Zum Teil war es möglich, dass sich die Zusammensetzung der zugrunde liegenden Portfolien im Laufe der Zeit durch Managementmaßnahmen der Portfoliomanager änderte. Dieser Transparenzverlust und der damit einhergehende Vertrauensverlust hatten schließlich im Juli 2007 das Zusammenbrechen des Marktes für ABCPs (Asset Backed Commercial Papers = von den Zweckgesellschaften zur Refinanzierung der Ankaufsgesellschaften an externe Investoren ausgegebene besicherte Geldmarktpapiere mit einer kurzen Laufzeit von 30 bis 90 Tagen) zur Folge, was darin resultierte, dass die Antragsgegnerin aus den den Zweckgesellschaften gewährten Liquiditätszusagen vollständig in Anspruch genommen wurde und aufgrund der Sperrung ihrer Handelslinien im Interbankenmarkt schließlich in eine Existenzkrise geriet.

Für die Gefährlichkeit und Intransparenz solcher Finanzinnovationen und -derivate ist auch anzuführen, dass Warren Buffet bereits im Geschäftsbericht 2002 von Berkshire Hathaway Inc. auf S. 15 schrieb: „... derivates are financial weapons of mass destruction, carrying dangers that, while now latent, are potentially lethal“ (übersetzt: Derivate sind finanzielle Massenvernichtungswaffen, welche Gefahren in sich bergen, die, derzeit verborgen, potenziell tödlich sind).

(2) Die externen Ratings der amerikanischen Rating-Agenturen konnten den Vorstand von der Pflicht zu eigener Information nicht entbinden.

Zum einen liegt auf der Hand, dass Rating-Agenturen als privatwirtschaftlich organisierte Unternehmen, die aufgrund eines konkreten entgeltlichen Auftrages Bewertungen u.a. für Finanzprodukte des jeweiligen Auftraggebers abgeben und bereits im Vorfeld die Auftraggeber bei der Gestaltung der Modelle beraten, nicht wirklich objektiv beurteilen. Die Rating-Agenturen befanden sich zudem in einem für den Vorstand erkennbaren Interessenkonflikt: Denn die Antragsgegnerin hatte ein unmittelbares Interesse daran, dass die von Rhineland emittierten Papiere ein gutes Rating erhielten, gleichzeitig bezahlte sie die Rating-Agenturen für ihre Dienstleistungen. Hinzu kommt, dass die Rating-Agenturen in ihren Nutzungsbedingungen stets die Gewähr für die Richtigkeit, Vollständigkeit, Aktualität und Brauchbarkeit der zur Verfügung gestellten Informationen ausschließen. Zudem hatten die Rating-Agenturen selbst wenig Erfahrung mit der Bewertung von Asset Backed Securities, da es sich bei diesen um relativ junge strukturierte Finanzprodukte handelte (vgl. Lutter, ZIP 2009, 197, 198). Sollten die Ratings der Agenturen zur allein maßgeblichen Informationsquelle für Anlageentscheidungen erhoben worden sein, stellt dies einen erheblichen Verstoß gegen die Pflicht des Vorstands dar, alle verfügbaren Erkenntnisquellen auszuschöpfen.

(3) Soweit die Antragsgegnerin einwendet, sie habe sich nicht nur auf externe Ratings verlassen, sondern schon frühzeitig ein internes Ratingsystem entwickelt, um die Risiken eines Investments abschätzen zu können, den Markt genau beobachtet und als Konsequenz daraus noch stärker auf hohe Ratings geachtet, hat sie dieses interne Ratingsystem nicht näher erläutert. Ihr diesbezügliches Vorbringen ist daher unsubstanziiert und damit nicht geeignet, den begründeten Verdacht zu widerlegen. Im Übrigen sind zum einen auch nach diesem Vortrag die externen Ratings das Maß der Dinge gewesen und zum anderen war das interne System offensichtlich wertlos.

bbb) Wenn der Vorstand über die gesamten Risiken des Verbriefungssegments ausreichend informiert war, besteht der begründete Verdacht, dass er durch das eigene unmittelbare und mittelbare Engagement der Antragsgegnerin in diesem Bereich (Gewährung der Kreditlinien für die Zweckgesellschaften) ein übergroßes Risiko eingegangen ist. Denn kein Vorstand handelt sorgfältig, wenn er Risiken für sein Unternehmen eingeht, die, wenn sie sich verwirklichen, zum Untergang des Unternehmens führen. Der Vorstand hat aber – bei ausreichender Information – sehenden Auges das rechtliche Risiko dieser Papiere – infolge ihrer Intransparenz –, ihr Qualitätsrisiko, das Marktrisiko und das Klumpenrisiko, d.h. die Häufung ähnlicher Ausfallrisiken, in Höhe mehrerer Milliarden Euro übernommen. Die hinreichende Diversifikation des Kreditportfolios und damit insbesondere die Vermeidung von Klumpenrisiken gehört aber zu den Grundsätzen des sorgfältigen Bankmanagements (Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl., Rz. 19.93). Bei dem Inhalt der Papiere ging es um Hypotheken- und Konsumentenkredite gegenüber einer großen Zahl unbekannter Schuldner. Die Gefahr etwaiger Ausfälle war daher gleich. Genau dem will das Gebot, Klumpenrisiken zu vermeiden, entgegenwirken.

Es entspricht nicht der Sorgfalt eines gewissenhaften Bankvorstands einer mittelständischen Bank, sich im Bereich ausländischer, weitgehend unbekannter und letztlich unkontrollierbarer Wertpapiere in dem hier vorliegenden Umfang zu engagieren.

Ein starkes Indiz für das Vorliegen von Sorgfaltspflichtverletzungen des Vorstands der Antragsgegnerin ist auch der Hinweis des Bundesrechnungshofs in seinem Bericht an den Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages „nach § 88 Abs. 2 BHO zur Prüfung der geschäftlichen Aktivitäten zwischen der KfW und der IKB sowie des Risikomanagements der KfW gegenüber der IKB“, „dass der damalige Vorstand der IKB und seine Geschäftsstrategie in erster Linie verantwortlich für die Krise der IKB“ seien.

cc) Es besteht ferner begründeter Verdacht, dass auch einem vom Vorstand nur unzureichend informierten Aufsichtsrat es nicht hat entgehen können, dass der Vorstand übergroße und existenzbedrohende Risiken eingegangen ist. Als seinen mit der Ausweitung des Verbriefungsgeschäfts ab 2005 verbundenen Sorgen mit dem Hinweis begegnet wurde, dass durch die Ausplatzierung von Liquiditätslinien auf Dritte kein weiteres ZIP 2010, 33Risiko der Bank begründet werde, hätte er nachfragen müssen, inwieweit die Bank weiter im Risiko stehe und wo das Kreditrisiko der angekauften Forderungen zu verorten gewesen sei. Auch die erheblichen Diskrepanzen in den Geschäftsberichten 2006/2007 und 2005/2006 zwischen der Höhe der Kreditzusagen an Spezialgesellschaften (11,9 Mrd. € bzw. 12,06 Mrd. €) und der Höhe der Forderungen an Kreditinstitute (4,441 Mrd. € bzw. 2,197 Mrd. €) sowie die Erhöhung des Umfangs der eigenen Investitionen in verbriefte Kredite von zunächst 0,7 Mrd. € auf rd. 6,8 Mrd. € sowie des Volumens der Eventualverbindlichkeiten von zunächst rd. 4,4 Mrd. € auf mehr als 12 Mrd. € im Geschäftsjahr 2006/2007 hätten entsprechende Nachfragen des Aufsichtsrats auslösen müssen. Es liegen daher Tatsachen vor, die den hinreichenden Verdacht rechtfertigen, dass der Aufsichtsrat seine Überwachungspflichten in erheblichem Maße verletzt hat.

dd) Ferner legen Tatsachen den Verdacht nahe, dass der Vorstand der Antragsgegnerin mit der Auslagerung wesentlicher Teile der Geschäftstätigkeit im Zusammenhang mit Finanzanlagen auf die IKB CAM seine Organisationspflichten nach § 91 Abs. 2 AktG, § 25a KWG verletzt hat. § 91 Abs. 2 AktG regelt die Pflicht des Vorstands, die Früherkennung bestandsgefährdender Entwicklungen durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen. Dieser allgemeine aktienrechtliche Grundsatz wird in § 25a Abs. 1 KWG für Banken in der Rechtsform einer AG konkretisiert. § 25a KWG verlangt für eine ordnungsgemäße Geschäftsorganisation ein angemessenes und wirksames Risikomanagement, wozu Maßnahmen gehören, anhand derer sich die finanzielle Lage des Instituts jederzeit mit hinreichender Genauigkeit bestimmen lässt. Nach § 25a Abs. 2 KWG muss in Fällen der Auslagerung von Aktivitäten durch ein Kreditinstitut ein angemessenes und wirksames Risikomanagement durch das Institut gewährleistet bleiben; die Auslagerung darf nicht zu einer Delegation der Verantwortung des Vorstands an das Auslagerungsunternehmen führen.

Der vom damaligen Aufsichtsrat der Antragsgegnerin nach deren Zusammenbruch in Auftrag gegebene Sonderprüfungsbericht der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers (PwC) zur Untersuchung der Vorfälle und eines etwaigen Versagens der Vorstände der Antragsgegnerin, welcher nicht veröffentlicht wurde, aber der Süddeutschen Zeitung nach einem Artikel vom 25. März 2009 vorliegt, kommt zu dem Ergebnis: Das Management bei den on-balance Portfolio-Investments als auch den außerhalb der Bilanz laufenden Investments der Antragsgegnerin sei weitgehend der IKB CAM übertragen worden. Die Rolle und Bedeutung, die dadurch der IKB CAM zugekommen sei, sei weit über eine reine Beraterfunktion für die IKB hinausgegangen. Die für die IKB CAM geltenden Kontrollstrukturen seien im Vergleich zu dem großen Handlungsspielraum und dem damit verbundenen Einfluss der IKB CAM auf die Risikoposition der Bank inadäquat gewesen. Entscheidungen über umfangreiche Investitionen im amerikanischen Subprimesegment hätten so ohne angemessene Kontrolle getätigt werden können. Der Wiedergabe dieses Ergebnisses nach der Pressemitteilung der IKB vom 16. Oktober 2007 durch den Streithelfer ist die Antragsgegnerin nicht entgegengetreten. Nach dem am 25. März 2009 in der Online-Ausgabe der Süddeutschen Zeitung veröffentlichten Artikel habe PwC bemängelt, dass der Vorstand der Antragsgegnerin lediglich durch die „Vorgabe grober Leitlinien“ und über den Beirat auf die IKB CAM Einfluss nehme, obwohl es sich unter Risiko- und Ertragsgesichtspunkten um ein bedeutendes Geschäftsfeld der Bank handele. Der Vorstand sei, weil Entscheidungsbefugnisse delegiert worden seien, nicht mehr operativ in die Entscheidungsprozesse über Einzelinvestments eingebunden gewesen, was als im Hinblick auf Art, Umfang, Komplexität und Risikogehalt der Geschäfte nicht sachgerecht gerügt werde. Laut PwC habe zudem die Konzernrevision „schwerwiegende Mängel in der Aufbau- und Ablauforganisation“ der IKB CAM und dem dortigen Bestandsmanagement festgestellt, woraus nicht unerhebliche Risiken für die IKB-Gruppe resultiert hätten. Ferner rüge die PWC, dass die IKB CAM bis zum 5. Februar 2007 nur einen Geschäftsführer gehabt habe, was „im Hinblick auf Art, Umfang, Komplexität und Risikogehalt der von der CAM getätigten Geschäfte sowie der Tatsache, dass sich die Gesellschaft in organisatorischer Hinsicht noch im Aufbau befand“, nicht angemessen gewesen sei. Zudem sei versäumt worden, die Stelle eines Chief Risk Officers, wie geplant und geboten, einzurichten. Auch diese Inhaltswiedergabe durch den Streithelfer hat die Antragsgegnerin nicht bestritten.

Soweit die Antragsgegnerin beanstandet, dass dem Vortrag des Streithelfers nicht entnommen werden könne, dass der Eintritt ihrer Existenzkrise in irgendeinem Zusammenhang mit den behaupteten Schwachstellen bei der Risikoanalyse, Risikosteuerung und dem Berichtswesen bei der IKB CAM stehe bzw. der Schaden gerade aufgrund einer von ihm als mangelhaft gerügten Überwachung der Investmenttätigkeit der IKB CAM eingetreten sei, ist dem entgegenzuhalten, dass der Antrag nach § 142 Abs. 2 AktG die schlüssige Darlegung der Kausalität grober Pflichtverletzungen für den eingetretenen Schaden nicht verlangt, solange sie – wie hier – nicht völlig ausgeschlossen werden kann. Denn im Rahmen der Entscheidung über die Anordnung der Sonderprüfung ist nicht zu beurteilen, welche Rechtsfolgen sich aus dem begründeten Verdacht grober Pflichtverletzungen ergeben können. Andernfalls würde dem Ergebnis der Sonderprüfung vorgegriffen (Bezzenberger, a.a.O., § 142 Rz. 62).

ee) Auch die den Verdacht einer weiteren erheblichen, grob fahrlässigen Pflichtverletzung der damaligen Vorstandsmitglieder begründenden Tatsachen bei der Verlagerung wichtiger Funktionen auf die IKB CAM können dem Aufsichtsrat, der über Art und Weise der Auslagerung und Gewährleistung eines angemessenen und wirksamen Risikomanagements zu informieren war, nicht verborgen geblieben sein, so dass der hinreichende Verdacht besteht, dass er auch insoweit seiner Aufgabe zur Überwachung der Geschäftsführung (§ 111 Abs. 1 AktG) nicht mit der erforderlichen Sorgfalt nachgekommen ist.

c) Entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin verstößt die gerichtliche Bestellung des Sonderprüfers im vorliegenden Fall auch nicht gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung (BGHZ 135, 244, 254 ff. = ZIP 1997, 883) hat die Verfolgung von Schadensersatzansprüchen gegenüber Organmitgliedern der Gesellschaft die ZIP 2010, 34Regel zu sein, so dass es gewichtiger Gegengründe und einer besonderen Rechtfertigung bedarf, von einer Anspruchsverfolgung ausnahmsweise abzusehen (vgl. BGHZ 135, 244, 256 = ZIP 1997, 883). Soweit die Antragsgegnerin die Auffassung vertritt, dass die negativen Auswirkungen der Sonderprüfung für die Gesellschaft außer Verhältnis zu ihrem Nutzen stünden, weil ihre nahezu unkalkulierbaren Haftungsrisiken durch einen Regress bei den Organmitgliedern nicht zu decken seien, fehlt es an hinreichend konkretem Vortrag sowohl zu den Nachteilen als auch zum Nutzen der Sonderprüfung, worauf schon die Antragsteller hingewiesen haben.

Es ist nicht nachvollziehbar, warum nach dem Vortrag der Antragsgegnerin schon die bloße Wiederaufnahme der Sonderprüfung die Gefahr begründen soll, dass neben den bisherigen ca. 140 Anlegerklageverfahren weitere Anlegerklageverfahren eingeleitet werden, welche die Bildung erheblicher Rückstellungen in der Bilanz und somit die Bindung beträchtlichen Kapitals für den Geschäftsbetrieb erfordern, zumal die Antragsgegnerin bisher in allen Verfahren obsiegt hat. Ihr pauschales Vorbringen, die Kosten der Rechtsverteidigung vor allem in den USA aufgrund bestehender und drohender Gerichtsverfahren könnten Dimensionen erreichen, die realistischerweise durch einen Regress bei etwaig verantwortlichen ehemaligen Organmitgliedern nicht zu decken wären, reicht zur Darlegung konkreter Nachteile nicht aus. Soweit die Antragsgegnerin vorträgt, in den USA habe eine US-amerikanische Versicherungsgesellschaft sie auf Schadensersatz i.H. v. mehr als 1,8 Mrd. € verklagt, diese in erster Instanz als unzulässig abgewiesene Klage befinde sich derzeit im Berufungsverfahren, bereits die Verteidigung in erster Instanz habe – nach US-Recht nicht erstattungsfähige – Kosten in Millionenhöhe verursacht, fehlt es an konkreten Angaben sowohl zum genauen Gegenstand dieses ausländischen Prozesses als auch zu den bisher angefallenen Kosten der ersten Instanz und den geschätzten Kosten für die Berufungsinstanz. Das Gleiche gilt für das Vorbringen der Antragsgegnerin, dass die Abwehr der am 24. August 2009 von der französischen Investmentbank Calyon vor dem Londoner High Court of Justice gegen sie erhobenen Schadensersatzklage i.H. v. 1,675 Mrd. US-$ massive Kosten verursache und zu einer erheblichen Beeinträchtigung des operativen Geschäfts führe. Hinzu kommt, dass die Antragsgegnerin nicht – zumindest nicht substanziiert – in Abrede gestellt hat, dass sie in Bezug auf die ausländischen Klageverfahren (vgl. Ad-hoc-Mitteilung v. 25.8.2009) mit der KNV eine Freistellungsvereinbarung über einen Betrag von 1,1 Mrd. € getroffen hat, so dass ihr zumindest in dieser Höhe kein Schaden entstehen kann. Ferner fehlt eine konkrete zahlenmäßige Gegenüberstellung der durch die Sonderprüfung für die Gesellschaft zu befürchtenden Nachteile und dem Umfang der realisierbaren Ersatzansprüche gegen die ehemaligen Organmitglieder. Es reicht nicht aus, Letztere schlicht als gering darzustellen.

3. Eine Aussetzung analog § 148 ZPO bis zur Entscheidung über alle Anfechtungsklagen gegen die streitgegenständlichen Aufhebungsbeschlüsse, wie sie die Antragsgegnerin hilfsweise beantragt, kommt nicht in Betracht. Sie scheitert schon daran, dass in den Verfahren über die Anfechtungsklagen nicht über ein Rechtsverhältnis entschieden wird, das für die Entscheidung über den Antrag nach § 142 Abs. 2 AktG vorgreiflich ist. In den Anfechtungsverfahren wird geprüft, ob die streitgegenständlichen Aufhebungsbeschlüsse wegen Verstoßes gegen Formvorschriften, Gesetz oder Satzung nichtig oder anfechtbar sind, während bei der Entscheidung über den Antrag nach § 142 Abs. 2 AktG geprüft wird, ob hinreichender Tatsachenverdacht besteht, dass bei der Geschäftsführung einer Gesellschaft Unredlichkeiten oder grobe Gesetzes- oder Satzungsverletzungen vorgekommen sind.

Der Umstand, dass der Sonderprüfer bei erfolgreicher Anfechtungsklage und gerichtlicher (Wieder-)Einsetzung ein „Doppelmandat“ erhält, rechtfertigt ebenfalls keine Aussetzung. Er führt nach der von der Antragsgegnerin vertretenen Ansicht sogar dazu, dass ein – wenn auch unter Umständen wenig hilfreicher – Antrag nach § 145 Abs. 4 AktG gestellt werden kann, wonach das Gericht auf Antrag des Vorstands zu gestatten hat, dass bestimmte Tatsachen nicht in den Bericht aufgenommen werden, wenn überwiegende Belange der Gesellschaft dies gebieten und sie zur Darlegung der Unredlichkeiten oder groben Verletzungen gem. § 142 Abs. 2 AktG nicht unerlässlich sind. Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin ist bei einem „Doppelmandat“ auch nicht unklar, nach welchen Vorschriften sich die Vergütung des Sonderprüfers richtet, weil die vom Gericht bestellten Sonderprüfer dieselbe Rechtsstellung wie die von der Hauptversammlung bestellten erlangen, zwischen ihnen und der Gesellschaft ein privatrechtliches Vertragsverhältnis, gerichtet auf eine werkvertragsähnliche Geschäftsbesorgung, begründet wird, für den Inhalt des mit ihnen zustande gekommenen Prüfungsvertrages grundsätzlich dieselben Bedingungen gelten (Bezzenberger, a.a.O., § 142 Rz. 69; MünchKomm-Schröer, a.a.O., § 142 Rz. 74; Schmidt/Lutter/Spindler, a.a.O., § 142 Rz. 61) und die Gesellschaft auch bei gerichtlich bestellten Sonderprüfern gem. § 146 Satz 1 AktG die Prüfungskosten zu tragen hat. Ein Unterschied besteht nur insofern, als das Gericht gem. § 142 Abs. 6 AktG auf Antrag die Auslagen sowie die – mit der Gesellschaft vereinbarte oder gem. § 632 Abs. 2, § 675 BGB übliche – Vergütung des gerichtlich bestellten Sonderprüfers festsetzt (MünchKomm-Schröer, a.a.O., § 142 Rz. 86 f.) und der rechtskräftige Beschluss zugleich Vollstreckungstitel ist.

<einsender></einsender>Mitgeteilt von Rechtsanwältin Christina Reich, Bonn</einsender><//einsender>

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