OLG Frankfurt/M.: Keine Haftung eines ausgeschiedenen Scheingesellschafters, der nie Gesellschafter der GmbH war, für rückständige Stammeinlagen

11.08.2009

<os></os>Keine Haftung eines ausgeschiedenen Scheingesellschafters, der nie Gesellschafter der GmbH war, für rückständige Stammeinlagen</os><//os>ZIP Heft 32/2009, Seite 1522

GmbHG §§ 16, 19

 

OLG Frankfurt/M., Urt. v. 17. 6. 2009 – 13 U 104/08

Leitsatz des Gerichts:

Ein Scheingesellschafter, der mangels Erwerbs eines Geschäftsanteils niemals Gesellschafter der GmbH wurde, kann jedenfalls nach seinem Ausscheiden im Insolvenzfall nicht zur Zahlung der Stammeinlage durch den Insolvenzverwalter herangezogen werden.

Gründe:

I. Der Kläger als Insolvenzverwalter über das Vermögen der D. GmbH begehrt von beiden Beklagten als frühere Gesellschafter der Insolvenzschuldnerin die Nachzahlung von Stammeinlagen.

Mit am 21.10.1991 errichteter notarieller Urkunde gründeten der Beklagte zu 1) und C. die Insolvenzschuldnerin mit einem Stammkapital von 100.000 DM und übernahmen beide jeweils eine Stammeinlage von 50.000 DM. Mit notariell beurkundetem Beschluss vom 6.7.1992 wurde das Stammkapital der späteren Insolvenzschuldnerin auf 200.000 DM erhöht. Die beiden neu gebildeten Stammeinlagen von je 50.000 DM übernahmen die beiden vorbezeichneten Gründungsgesellschafter. In der Gesellschafterversammlung am 3.5.1994 wurde der notariell beurkundete Beschluss gefasst, das Stammkapital auf 500.000 DM zu erhöhen. Die zur Erhöhung des Stammkapitals zu übernehmenden Stammeinlagen i.H. v. zweimal 150.000 DM wurden von den Gründungsgesellschaftern übernommen.

In der notariellen Verhandlung am 18.9.2000 erklärte der Mitgründungsgesellschafter C., er sei an der späteren Insolvenzschuldnerin „mit einem Geschäftsanteil i.H. v. 250.000 DM beteiligt“. Mit Zustimmung der Gesellschaft teilte C. sodann seinen Geschäftsanteil i.H. v. 250.000 DM in zwei Geschäftsanteile i.H. v. 215.000 DM und 35.000 DM und veräußerte diese sofort an die beiden Beklagten, wobei die Beklagte zu 2) den Geschäftsanteil i.H. v. 35.000 DM übernahm. In der bei dem Amtsgericht – Registergericht – Leipzig eingereichten Liste der Gesellschafter zum 13.10.2000 wird verlautbart, dass der Beklagte zu 1) eine Stammeinlage von 465.000 DM und die Beklagte zu 2) eine solche von 35.000 DM hält.

Mit Geschäftsanteilsübertragungsvertrag vom 29.3.2006 übertrug der Beklagte zu 1), zugleich in Vollmacht für seine Ehefrau, die Beklagte zu 2), handelnd, die Geschäftsanteile i.H. v. 465.000 DM und 35.000 DM an A. und an E. Letzterer wiederum übertrug die von der Beklagten zu 2) erworbene Stammeinlage i.H. v. 35.000 DM auf A., so dass dieser letztlich alle Anteile an der späteren Insolvenzschuldnerin hielt. Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 13. April 2006 übertrug A. alle Anteile auf die B. Limitada, die seitdem Alleingesellschafterin ist.

Mit Beschluss des AG Leipzig vom 20.6.2006 wurde über das Vermögen der Gesellschaft das Insolvenzverfahren eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt.

Der Kläger hat vorgetragen, ihm lägen keine Nachweise über die ordnungsgemäße Erbringung des Stammkapitals vor, und hat unter anderem auch die beiden Beklagten klageweise auf Zahlung rückständiger Stammeinlagen in Anspruch genommen.

Der Vorsitzende der 4. Kammer für Handelssachen des LG Darmstadt mit Sitz in Offenbach am Main hat mit am 15.4.2008 verkündetem Urteil antragsgemäß die Beklagten zur Zahlung von 206.050,62 € und 17.895,22 €, jeweils nebst Zinsen, verurteilt und ausgeführt, die Beklagten seien ihrer Darlegungs- und Beweislast für die ordnungsgemäße Einzahlung der jeweiligen Stammeinlagen nicht nachgekommen. Die beklagtenseits erhobene Verjährungseinrede sei nicht durchgreifend.

Gegen das Urteil haben die Beklagten Berufung eingelegt. Mit bei Gericht am 26.2.2009 eingegangenem Schriftsatz hat der Beklagte zu 1) seine Berufung zurückgenommen.

Die Beklagte zu 2) erhebt erneut die Einrede der Verjährung und beantragt, das am 15.4.2008 verkündete Urteil des LG Darmstadt abzuändern und die Klage abzuweisen.

Mit der Ladungsverfügung vom 16.4.2009 hat der Senat den Verfahrensbeteiligten rechtliche Hinweise erteilt und darauf hingewiesen, dass nach Aktenstand der Veräußerer C. niemals einen Geschäftsanteil von 250.000 DM gehabt habe, den er hätte teilen können.

II. Die frist- und formgerecht eingelegte Berufung der Beklagten zu 2) hat in der Sache Erfolg – auch wenn die erhobene Verjährungseinrede nicht durchgreifend ist (vgl. hierzu BGH, Urt. v. 11.2.2008 – II ZR 171/06, ZIP 2008, 643 = DStR 2008, 831, dazu EWiR 2008, 247 (Hauptmann)) –, weshalb antragsgemäß das Urteil zu ihren Gunsten abzuändern und die gegen sie gerichtete Klage abzuweisen war.

Dem Kläger steht nämlich bereits sachlich-rechtlich der gegen die Beklagte zu 2) geltend gemachte Anspruch auf Zahlung von 17.895,22 € nach §§ 19, 16 Abs. 3 GmbHG nicht zu.

Zutreffend ist der Ausgangspunkt der klägerischen Überlegungen. Nach § 19 GmbHG haftet jeder Gesellschafter für die von ihm übernommene Stammeinlage. Nach § 16 Abs. 2 GmbHG haftet für rückständige Einlageverpflichtungen neben dem Veräußerer auch der Erwerber.

Mit dem Gericht des ersten Rechtzuges geht auch der Senat davon aus, dass die Beklagte zu 2) nicht den ihr obliegenden Beweis erbracht hat, dass die Einlageleistung voll umfänglich erbracht wurde (vgl. hierzu auch BGH, Hinweisbeschl. v. 9.7.2007 – II ZR 222/06, ZIP 2007, 1755 = NJW 2007, 3067, dazu EWiR 2007, 687 (Wagner)). Zu Gunsten der Beklagten zu 2) ist jedoch eine von dem LG nicht berücksichtigte Zahlung des Mitgründungsgesellschafters C. i.H. v. 12.000 DM vom 4.9.1992 in Zusammenhang mit einer Kapitalerhöhung zu berücksichtigen, welche im Verhältnis 86:14 auf die Stammeinlagen aufzuteilen ist mit der Folge, dass sich der gegenüber der Beklagten zu 2) geltend gemachte Forderungsbetrag i.H. v. 17.895,22 € um 858,97 € verringert. Dies wird nunmehr auch so klägerseits gesehen, weshalb, wäre die Beklagte zu 2) tatsächlich rechtswirksam Gesellschafterin der Insolvenzschuldnerin geworden, die Klageforderung in der Hauptsache i.H. v. 17.036,25 € begründet wäre.

Wenn die Klageforderung gleichwohl von dem Senat als unbegründet erachtet wird, so deshalb, weil die Beklagte zu 2) niemals rechtswirksam Gesellschafterin der Insolvenzschuldnerin wurde und es aus seiner Sicht nicht gerechtfertigt erscheint, sie im Insolvenzfall für eine rückständige Stammeinlagenforderung haften zu lassen, was noch im einzelnen ausgeführt wird. Ohne Entscheidungsrelevanz in diesem Zusammenhang war die durch die Beklagte zu 2) erklärte Anfechtung des Anteilserwerbsvertrages vom 18.9.2000. Unabhängig davon, ob der Beklagten zu 2) ein Anfechtungsgrund zur Seite stand oder nicht, dürfte die Anfechtung verfristet sein. (Wird ausgeführt.)

Eines näheren Eingehens auf die Anfechtungsproblematik bedarf es indessen vorliegend nicht, weil schon aus einem anderen und vorrangigen Grund die Beklagte zu 2) nicht rechtswirksam Gesellschafterin der Insolvenzschuldnerin geworden ist.

Die in dem Geschäftsanteilsübertragungsvertrag vom 18.9.2000 enthaltene Abtretung ist nämlich wegen fehlender Bestimmtheit des Abtretungsgegenstandes unwirksam und der Übertragungsvertrag damit nichtig (Winter/Seibt, in: Scholz, ZIP Heft 32/2009, Seite 1523GmbHG, 10. Aufl., 2006, § 15 Rz. 89; OLG Düsseldorf, Urt. v. 10.2.1978, MDR 1978, 668).

In diesem Vertrag ist unzutreffend beurkundet worden, der ausscheidende Gesellschafter C. verfüge über einen Geschäftsanteil von 250.000 DM. Tatsächlich verfügte er über zwei Anteile zu je 50.000 DM und einen zu 150.000 DM.

Dem Kläger kann es nicht zum Erfolg verhelfen, dass nach gesichertem Erkenntnisstand in der Rechtsprechung in einfach gelagerten Fällen es möglich ist, dass bei falscher Bezeichnung des zu übernehmenden Geschäftsanteils der Geschäftsgegenstand durch Auslegung ermittelt werden kann (Winter/Seibt, a.a.O., § 15 Rz. 89; Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 16. Aufl., 2004, § 15 Rz. 19; BGH NJW-RR 1987, 807, 808). Eine Auslegung ist nur dort möglich, wo zweifelsfrei feststellbar ist, welcher Geschäftsanteil an wen übergehen soll (KG, Urt. v. 22.11.1996 – 5 U 1304/96, NJW-RR 1997, 1259). Von einer derartigen Fallgestaltung kann vorliegend nicht ausgegangen werden. Hier erfolgte nämlich eine Veräußerung an zwei Erwerber, die Stammeinlagen waren unterschiedlich in ihrem Wert, und letztlich waren nach den Feststellungen des Landgerichts die Stammeinlagenzahlungen nur teilweise erbracht. Es ist bereits unklar, an wen der Gründungsanteil von 50.000 DM abgetreten wurde, auf den unstreitig bereits 25.000 DM eingezahlt worden waren.

Auch von einer zeitlich vor der Veräußerung erfolgten Zusammenlegung der Anteile ist nicht auszugehen. Zwar ist eine Zusammenlegung von Gesellschaftsanteilen im Wege eines Gesellschafterbeschlusses grundsätzlich möglich (Altmeppen, in: Roth/Altmeppen, GmbHG, 5. Aufl., § 15 Rz. 43; BGH, Urt. v. 13.7.1964 – II ZR 110/62, NJW 1964, 1954; KG, Urt. v. 10.3.2000 – 14 U 2105/98, NZG 2000, 787). Die Fassung eines solchen Beschlusses ist aber weder dargelegt noch sonst ersichtlich. Der Schluss des Klägers, eine Zusammenlegung der von C. gehaltenen Stammeinlagen müsse deshalb erfolgt sein, weil er im Rahmen der Beurkundung des Veräußerungsgeschäfts erklärt habe, er verfüge über „einen“ Anteil von 250.000 DM, ist nicht zwingend. So ist denkbar und im besonderen auch nahe liegend, dass die Beteiligten die rechtliche Bedeutung der Erklärung nicht erkannt haben und nur von ihrer wirtschaftlichen Beteiligung an der Gesellschaft (hier je 50 %) ausgegangen sind. Dass der Urkundsnotar selbst die Rechtslage festgestellt hat, ist nicht einmal ansatzweise dargelegt worden und erscheint vor dem Hintergrund der Feststellungen auch nicht wahrscheinlich.

Gegen die klägerische Annahme, die damaligen Gesellschafter der Insolvenzschuldnerin hätten zumindest konkludent die Zusammenlegung der Stammeinlagen beschlossen, spricht bereits der Umstand, dass für eine konkludente Willensbildung ein Bewusstsein erforderlich ist, es müsse eine Anteilszusammenlegung erfolgen. Bei vernünftiger Würdigung des Sachverhalts kann ein derartiges Bewusstsein der damals Handelnden nicht mit hinreichender Sicherheit festgestellt werden. Wie vorstehend bereits ausgeführt, ist es nahe liegend, dass die Beteiligten ihre Beteiligungen nur in prozentualen Anteilen erfasst haben.

Letztlich und entscheidend spricht gegen die klägerische Annahme, es habe vor der Veräußerung des Geschäftsanteils an die Beklagte zu 2) eine Zusammenlegung von Geschäftsanteilen stattgefunden, sein eigener Klagevortrag, wonach der veräußernde Gesellschafter seine Einlagenzahlungen nicht erbracht habe. Nach gesichertem Erkenntnisstand in der Rechtsprechung und der Rechtslehre kann eine Zusammenlegung von Geschäftsanteilen nur unter der Voraussetzung erfolgen, dass die Stammeinlagenzahlungen zuvor erbracht wurden (vgl. KG NZG 2000, 787; Altmeppen, a.a.O., § 15 Rz. 43 m.w.N.).

Aus den vorstehenden Ausführungen folgt zwingend, dass wegen Nichtigkeit des Anteilsübertragungsgeschäfts die Beklagte zu 2) niemals Gesellschafterin der Insolvenzschuldnerin geworden ist, sie mithin als eine Scheingesellschafterin anzusehen ist. Unter Abwägung aller relevanten rechtlichen und auch wirtschaftlichen Gesichtspunkte ist der Senat letztlich zu der Überzeugung gelangt, dass zumindest im Insolvenzfall ein später in die Gesellschaft eintretender Gesellschafter, der niemals tatsächlich einen Geschäftsanteil erworben hat, nicht zur Zahlung der rückständigen Stammeinlage herangezogen werden kann.

In der höchstrichterlichen Rechtsprechung scheint dem Senat noch nicht endgültig und umfassend geklärt zu sein, wie der Scheingesellschafter vor dem Hintergrund zu behandeln ist, dass nach § 16 GmbHG für die Gesellschaft derjenige Gesellschafter ist, der in der Gesellschafterliste (§ 40 GmbHG) als Gesellschafter verlautbart wird.

Dem Kläger ist zuzugestehen, dass der BGH in Anfechtungsfällen bislang stets unter Hinweis auf § 16 Abs. 1 GmbHG die Rechtsauffassung vertreten hat, Einlageforderungen, nachdem sie einmal entstanden seien, könnten nicht durch Anfechtung des Anteilserwerbs rückwirkend beseitigt werden (BGH, Urt. v. 10.5.1982 – II ZR 89/81, ZIP 1982, 837 (m. Bespr. Knobbe-Keuk, ZIP 1983, 274) = NJW 1982, 2822; BGH, Urt. v. 17.1.2007 – VIII ZR 37/06, ZIP 2007, 1271 = NJW 2007, 1058, 1059). Ebenso wie der anfechtende Gesellschafter vor der Anfechtungserklärung aktiv am Leben der Gesellschaft teilnehme, sein Stimmrecht ausübe und Gewinnausschüttung mitnehme, müsse er folgerichtig auch für rückständige Einlagen haften. Die Haftung für die Stammeinlage sei als notwendige Mindestleistung so eng mit der Gesellschafterstellung verbunden, dass die Wirkung der Anmeldung nach § 16 Abs. 1 GmbHG auch auf sie zu erstrecken sei. Dies ergebe sich auch aus dem Rechtsgedanken des § 16 Abs. 3 GmbHG, wonach die einmal in der Person eines Gesellschafters entstandene Einlageschuld ungeachtet der Haftung des Erwerbers nicht durch Gesellschafterwechsel entzogen werden könne.

Dies soll bei der Anfechtung einer Anteilsübertragung sinngemäß gelten (BGH ZIP 1982, 837 = NJW 1982, 2822). Die Fehlerhaftigkeit des Anteilserwerbs und die daran anknüpfende Rückwirkungsfolge der Anfechtung seien auf die Rechtsbeziehungen zwischen Gesellschaft und Gesellschafter ohne Einfluss (BGH, Urt. v. 22.1.1990 – II ZR 25/89, ZIP 1990, 371 = NJW 1990, 1915, dazu EWiR 1991, 65 (Heinemann)).

An der vorstehend skizzierten Rechtsprechung hat der 27. Zivilsenat des OLG Hamm unter Hinweis auf Literaturmeinungen in seinem rechtskräftig gewordenen Urteil vom 13.12.2005 (ZIP 2006, 233 (m. Bespr. Weiler, S. 1754) = NZG 2006, 268) Kritik geübt und gemeint, die Aufrechterhaltung ZIP Heft 32/2009, Seite 1524der inneren Ordnung erfordere nicht, dass der Scheingesellschafter nach seinem Ausscheiden noch für rückständige Einlagen hafte, die nicht er selbst, sondern sein Vorgänger übernommen habe. Es bestehe seitens der Gesellschaft kein Interesse an der Mehrung ihrer Schuldner.

Der Senat sieht sich nicht veranlasst, zu der vorstehend umrissenen Streitfrage Stellung zu nehmen, weil der vorliegend zur Beurteilung anstehende Sachverhalt rechtstatsächlich nicht mit Anfechtungsfällen ohne weiteres vergleichbar sein dürfte. Erwirbt nämlich jemand anfechtbar einen Geschäftsanteil, wird er zunächst Gesellschafter der Gesellschaft. Übt er sein ihm zustehendes Anfechtungsrecht nicht aus, bleibt er auch Gesellschafter und kann in der Folgezeit rechtswirksam über seinen Geschäftsanteil verfügen. Übt ein Getäuschter sein Anfechtungsrecht aus, so ordnet das Gesetz im Regelfall die ex tunc-Wirkung an, d.h. die Anfechtung vernichtet rückwirkend die Willenserklärung. Schon frühzeitig ist erkannt worden, dass die Rückwirkung der Anfechtung im Bereich des Gesellschaftsrechts meistens nicht hinnehmbar ist, und die Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft wurde entwickelt (vgl. hierzu u.v.a. nur Palandt/Sprau, BGB, 68. Aufl., 2009, § 705 Rz. 17 ff. m. z. N.). Die Beklagte zu 2) ist vorliegend indessen schon des Umstandes willen nicht Gesellschafterin der Insolvenzschuldnerin geworden, weil sie niemals einen Geschäftsanteil erwarb. Der Veräußerer ist vielmehr Gesellschafter geblieben. Weder organisationsrechtlich noch aus Gründen des Verkehrsschutzes ist es nach Senatsmeinung geboten, zum gegenwärtigen Zeitpunkt im Hinblick auf § 16 GmbHG die Beklagte zu 2) als Gesellschafterin zu behandeln.

Zweck des in § 16 Abs. 1 GmbHG geregelten formalen Anmeldungsprinzips ist es, die Beteiligten vor einer unklaren Rechtslage zu bewahren. So soll klar sein, wer die Gesellschafterrechte ausübt und wen die Gesellschafterpflichten treffen. Es handelt sich hierbei um eine gesellschaftsrechtliche Ordnungsvorschrift, die die Aufrechterhaltung der inneren Ordnung und Verfassung der Gesellschaft höher wertet als individuelle Ansprüche des einzelnen Gesellschafters. Dieses gesetzliche Ordnungsprinzip erfordert aber nicht, einen Scheingesellschafter, der niemals Gesellschafter war, nach seinem Ausscheiden aus der Gesellschaft noch für zukünftige Handlungen (hier Erfüllung eines Zahlungsbegehrens) als Gesellschafter zu behandeln. Die Zahlungspflicht richtete und richtet sich zunächst gegen den Gesellschafter, der die Stammeinlage übernimmt. Mit ihm haften die weiteren Gesellschafter, nicht aber eine Person, die niemals eine Stammeinlage übernommen hat. Organisationsrechtlich ist es der Gesellschaft zuzumuten, sich an ihre wahren Gesellschafter zu halten, möglicherweise nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung auch an diejenigen, die Gesellschafter waren und ihre Rechtsstellung später vernichteten. Allein der Verstoß eines Gesellschafters gegen das Bareinlageprinzip vermag unter organisationsrechtlichen Gesichtspunkten eine Haftung des Scheingesellschafters, zumindest wenn er aus dem Verband wieder ausgeschieden ist, nicht zu rechtfertigen.

Auch die Regelung des § 16 Abs. 3 GmbHG erfordert keine abweichende Betrachtungsweise. Diese Vorschrift regelt nicht die Fälle des nichtigen Übertragungsvertrages. Vielmehr hat sie den Fall zum Gegenstand, in dem ein Gesellschaftsanteil wirksam veräußert wird, auf den die Einlage noch nicht vollständig erbracht ist. Hier soll § 16 Abs. 3 GmbHG verhindern, dass der Veräußerer nicht mehr verhaftet bleibt und der Erwerber später bei Inanspruchnahme nicht zahlungsfähig ist.

Letztlich gebietet auch der Verkehrsschutz nicht die Haftung der Beklagten zu 2) für die geltend gemachte Einlageforderung. Der Scheinerwerber erweckt durch seine Verlautbarung auf der Gesellschafterliste keinen Rechtsschein dahingehend, er sei Zahlungsschuldner für eine Einlagenforderung. Vielmehr wird der Verkehr im Veräußerungsfall davon ausgehen, dass der ausscheidende Gesellschafter seine Stammeinlage erbracht hat. An einer Vervielfachung der Schuldnerstellung hat der Verkehr kein schützenswertes Interesse. Dies gilt auch im Insolvenzfall und für den Fall, dass der fehlerhaft veräußernde Gesellschafter seine Stammeinlage noch nicht erbracht hat. Rechtlich und wirtschaftlich ist angemessen, den Gesellschafter zur Zahlung der Stammeinlage heranzuziehen, der den Geschäftsanteil rechtswirksam gezeichnet oder rechtswirksam erworben hat. Würde auch der Scheingesellschafter zahlungspflichtig sein, so würde dies eben zu einer zufälligen und sachlich nicht gerechtfertigten Vervielfältigung der Schuldner führen.

Der Senat hat gegen seine Entscheidung die Revision zugelassen (§ 543 Abs. 2 ZPO); weil der vorliegenden Rechtssache eine grundsätzliche Bedeutung zukommt. Der Senat hat eine klärungsbedürftige Frage entschieden (Kann ein Scheingesellschafter, der mangels Erwerbs eines Geschäftsanteils niemals Gesellschafter einer Gesellschaft wurde, nur aufgrund seiner Aufnahme in die Gesellschafterliste im Insolvenzfall auf Zahlung einer rückständigen Stammeinlage in Anspruch genommen werden, die bereits der Veräußerer zu erbringen gehabt hätte?), deren Auftreten in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen zu erwarten steht.

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