OLG Frankfurt/M.: Notwendigkeit eines Prognoseberichts im Lagebericht auch in der Wirtschaftskrise (Enforcementverfahren)
<os></os>Notwendigkeit eines Prognoseberichts im Lagebericht auch in der Wirtschaftskrise (Enforcementverfahren)</os><//os>ZIP 2009, 2441
HGB §§ 289, 315; WpHG §§ 37n, 37p, 37t, 37u; WpÜG § 50
OLG Frankfurt/M., Beschl. v. 24. 11. 2009 – WpÜG 11/09, 12/09 (rechtskräftig)
Leitsätze des Gerichts:
1. Die Rechnungslegung eines kapitalmarktorientierten Unternehmens, die im Konzernlagebericht und im Lagebericht vollständig auf einen Prognosebericht verzichtet, weist einen wesentlichen und somit im Enforcementverfahren zu beanstandenden Fehler auf.
2. Auch die sich aus der derzeitigen Finanz- und Wirtschaftskrise ergebenden Unsicherheiten für die Einschätzung der voraussichtlichen Geschäftsentwicklung können es nicht rechtfertigen, vollständig auf die Prognoseberichterstattung zu verzichten, die nach § 289 Abs. 1 Satz 4 und § 315 Abs. 1 Satz 5 HGB zu den zwingend vorgeschriebenen Mindestbestandteilen des (Konzern-)Lageberichts gehört.
3. Der Veröffentlichung eines solchen Fehlers kommt für das Enforcementverfahren eine besondere generalpräventive Bedeutung zu, der gegenüber das Interesse des Unternehmens an der Vermeidung von wirtschaftlichen Nachteilen durch die Schädigung seiner Reputation und die Ausnutzung durch Minderheitsaktionäre zurückzutreten hat.
Gründe:
I. Die Antragstellerin ist ein Unternehmen, dessen Aktien an der E. zum Handel zugelassen und im DAX 30 notiert sind. Die Antragstellerin legte im Februar 2009 den Konzernabschluss und den Konzernlagebericht ihrer Unternehmensgruppe für das Geschäftsjahr 2008 vor. Im Konzernlagebericht wird unter der Rubrik „Prognosebericht“ ausgeführt:
„Das gesamte wirtschaftliche Umfeld ist derzeit nicht einschätzbar. Innerhalb kürzester Zeit entwickelte sich die US-Immobilien- und Bankenkrise zu einer globalen Finanz- und Wirtschaftskrise. Die Dynamik dieser Entwicklung, verbunden mit der Komplexität und Vernetzung weltweiter Finanz- und Realmärkte, ist beispiellos. Die damit einhergehenden Unsicherheiten spiegeln sich in der Kurzlebigkeit aller während des abgelaufenen Jahres gegebenen wirtschaftlichen Voraussagen und in grotesken Fehleinschätzungen wider. Diese besonderen Umstände erlauben uns derzeit keine quantitativen Prognosen. Auch qualitative Trendaussagen sind – angesichts der hohen Dynamik und geringen Beständigkeit solcher Einschätzungen – zum jetzigen Zeitpunkt nicht mit dem durch die Lageberichterstattung vorgesehenen Planungshorizont vereinbar.“
Im Rahmen einer im April/Mai 2009 durchgeführten Anlassprüfung beanstandete die Deutsche Prüfstelle für Rechungslegung (im Folgenden: DPR), dass der Prognosebericht nicht den gesetzlichen Anforderungen des § 315 Abs. 1 Satz 5 HGB, konkretisiert durch DRS 15, entspreche. Nachdem die Antragstellerin sich mit diesem Prüfungsergebnis nicht einverstanden erklärt hatte, ordnete die Antragsgegnerin (BaFin) mit Bescheid vom 2. Juli 2009 die Prüfung des Konzernabschlusses zum 31. Dezember 2008 sowie des Konzernlageberichts für das Geschäftsjahr 2008 an und erweiterte die Prüfung mit Bescheid vom 6. August 2009 auf den Jahresabschluss der Antragstellerin zum 31. Dezember 2008 und den Lagebericht für das Geschäftsjahr 2008, der bezüglich der Prognose eine wortgleiche Passage enthält.
Mit Bescheid vom 1. September 2009 stellte die Antragsgegnerin fest, dass der Lagebericht und der Konzernlagebericht für das Geschäftsjahr 2008 fehlerhaft sind, weil in beiden die voraussichtliche Entwicklung der Gesellschaft und des Konzerns nicht beurteilt und erläutert werde, was gegen § 289 Abs. 1 Satz 4 bzw. § 315 Abs. 1 Satz 5 HGB verstoße. Gegen diese Fehlerfeststellung hat die Antragstellerin unter dem 28. September 2009 Widerspruch erhoben, über den bisher noch nicht entschieden ist.
Nach Anhörung der Antragstellerin ordnete die Antragsgegnerin mit weiterem Bescheid vom 14. Oktober 2009 die Bekanntmachung dieser mit Bescheid vom 1. September 2009 festgestellten Fehler im Lagebericht und im Konzernlagebericht für das Geschäftsjahr 2008 an und lehnte den Antrag der Antragstellerin auf Absehen von der Bekanntmachung der festgestellten Fehler ab. Gegen die Fehlerveröffentlichungsanordnung legte die Antragstellerin unter dem 22. Oktober 2009 Widerspruch ein, über den ebenfalls noch nicht entschieden wurde.
Mit am 5. und 22. Oktober 2009 bei Gericht eingegangenen Schriftsätzen beantragt die Antragstellerin, die aufschiebende Wirkung ihrer Widersprüche gegen den Bescheid vom 1. September 2009 über die Fehlerfeststellung und den Bescheid vom 14. Oktober 2009 über die Anordnung der Fehlerbekanntmachung anzuordnen.
II. Die Anträge sind zulässig. Die Widersprüche der Antragstellerin gegen die gem. § 37q Abs. 1 WpHG erfolgte Fehlerfeststellung und die nach § 37q Abs. 2 Satz 1 WpHG ergangene Fehlerveröffentlichungsanordnung haben nach § 37t Abs. 2 WpHG keine aufschiebende Wirkung. Der Senat lässt dahinstehen, ob ein Rechtsschutzbedürfnis isoliert für die zunächst nur begehrte Anordnung der aufschiebenden Wirkung bezüglich der Fehlerfeststellung gegeben sein könnte, obwohl für diese wegen der nur feststellenden Wirkung eine Vollziehung im engeren Sinne und eine für die Antragstellerin schädliche Außenwirkung nicht in Betracht kommt. Denn ein Rechtsschutzinteresse ist jedenfalls anzunehmen, nachdem auch die Veröffentlichungsanordnung ergangen ist, so dass sich die Anträge nach § 37u Abs. 2 WpHG i.V.m. § 50 Abs. 3 WpÜG als zulässig erweisen.
Wegen des engen Sachzusammenhangs hat der Senat die beiden Verfahren zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.
Über die Anträge kann der Senat ohne mündliche Verhandlung befinden. § 37u Abs. 2 WpHG verweist zwar auch auf § 54 WpÜG. Dort ist die Durchführung einer mündlichen Verhandlung jedoch nur für die Entscheidung über eine Beschwerde vorgeschrieben. Bei der Anordnung der aufschiebenden Wirkung nach § 50 Abs. 3 WpÜG handelt es sich nicht um eine derartige Beschwerdeentscheidung. Vielmehr verbleibt es insoweit bei dem auch in den übrigen Verfahrensordnungen der VwGO, ZPO und im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit anwendbaren allgemeinen Grundsatz, wonach Entscheidungen im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes grundsätzlich ohne mündliche Verhandlung ergehen können (so bereits Senatsbeschl. v. 14.6.2007 – WpÜG 1/07, ZIP 2007, 1804 = DB 2007, 1913 = BB 2007, 2060 = AG 2007, 675 = NZG 2007, 795, dazu EWiR 2008, 607 (Kumm/Müller)).
In der Sache führen die Anträge nicht zum Erfolg, da die gesetzlichen Voraussetzungen für die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes nicht vorliegen.
Mit dem durch die §§ 342b – e HGB und §§ 37n – u WpHG durch das Bilanzkontrollgesetz (BilKoG) vom 15. Dezember 2004 eingeführten Enforcementverfahren hat der Gesetzgeber sich in Abkehr von dem allgemeinen Grundsatz der aufschiebenden Wirkung von Rechtsbehelfen gegen belastende Verwaltungsakte mit der Regelung der § 37t Abs. 2 und § 37u Abs. 1 Satz 2 WpHG für eine sofortige Vollziehbarkeit sämtlicher Maßnahmen der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (im Folgenden: BaFin) entschieden, weil nur so ZIP 2009, 2442der Gesetzeszweck einer zeitnahen, effektiven und beschleunigten Überprüfung der Rechnungslegung börsennotierter Unternehmen erreicht werden kann (vgl. Begründung RegE BilKoG, BT-Drucks 15/3421, S. 20, 21, sowie Senatsbeschl. v. 12.2.2007 – WpÜG 1/06, ZIP 2007, 768 = DB 2007, 909 = BB 2007, 1383 = AG 2007, 207 und Senatsbeschl. ZIP 2007, 1804 = DB 2007, 1913 = BB 2007, 2060 = AG 2007, 675 = NZG 2007, 795). Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung von Widerspruch oder Beschwerde im Wege des einstweiligen gerichtlichen Rechtsschutzes kommt nach § 37u Abs. 2 WpHG entsprechend der dortigen Verweisung als Ausnahme nur dann in Betracht, wenn eine der Voraussetzungen des § 50 Abs. 3 WpÜG erfüllt ist. Dabei scheidet eine Anwendung des § 50 Abs. 3 Nr. 1 WpÜG wegen der gesetzlich angeordneten sofortigen Vollziehbarkeit der Maßnahmen der BaFin im Enforcementverfahren generell aus. Eine Anordnung der aufschiebenden Wirkung kann deshalb nur erfolgen, wenn gem. § 50 Abs. 3 Nr. 2 WpÜG ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Verwaltungsakte bestehen oder nach § 50 Abs. 3 Nr. 3 WpÜG deren Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall nicht erfüllt, so dass es bei der gesetzlich vorgesehenen sofortigen Vollziehbarkeit der beiden mit den Widersprüchen angegriffenen Verfügungen zu verbleiben hat.
Zunächst bestehen an der Rechtmäßigkeit der Fehlerfeststellung keine ernstlichen Zweifel.
Nach § 37n WpHG hat die BaFin im Enforcementverfahren unter Berücksichtigung der vorrangigen Zuständigkeit der DPR auf der ersten Stufe des Prüfungsverfahrens die Aufgabe, zu prüfen, ob der Jahresabschluss und der zugehörige Lagebericht oder der Konzernabschluss und der zugehörige Konzernlagebericht von Unternehmen, deren Wertpapiere i.S.d. § 2 Abs. 1 Satz 1 WpHG an einer inländischen Börse zum Handel im amtlichen oder geregelten Markt zugelassen sind, den gesetzlichen Vorschriften einschließlich der Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung oder den sonstigen durch Gesetz zugelassenen Rechnungslegungsstandards entsprechen.
Als kapitalmarktorientiertes Unternehmen mit Börsenzulassung in Deutschland unterfällt die Antragstellerin der Prüfung im Enforcementverfahren. Nachdem sie sich mit dem Ergebnis der zuvor auf der ersten Stufe durchgeführten stichprobenartigen Prüfung durch die DPR als nach § 342b Abs. 1 HGB anerkannter Prüfstelle nicht einverstanden erklärt hat, war der Weg für die behördliche Überprüfung durch die Antragsgegnerin nach § 37p Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WpHG auf der zweiten Stufe des Enforcementverfahrens eröffnet. Gegen die Erstreckung der Prüfung auf den Jahresabschluss 2008 und den zugehörigen Lagebericht für die Muttergesellschaft bestehen im vorliegenden Fall im Hinblick auf die vollständige Parallelität der gesetzlichen Anforderungen und des Inhalts der Berichterstattung sowie der fehlenden Akzeptanz des Prüfergebnisses der DPR seitens der Antragstellerin nach § 37o Abs. 1, § 37p Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 WpHG keine rechtlichen Bedenken.
Das Enforcementverfahren dient dem Ziel, das durch vorausgegangene nationale und internationale Bilanzmanipulationen und Unternehmensskandale erschütterte Vertrauen der Anleger am Kapitalmarkt in die Richtigkeit von Unternehmensabschlüssen zu stärken und die Integrität und Stabilität des Kapitalmarktes zu fördern. Deshalb sollen Unternehmensabschlüsse und -berichte kapitalmarktorientierter Unternehmen zusätzlich zu der Überwachung durch den Abschlussprüfer und den Aufsichtsrat einer weiteren Überprüfung unterzogen werden, da die Überwachung der Rechtmäßigkeit der Rechnungslegungsvorschriften für die Integrität des deutschen Kapitalmarktes von großer Bedeutung ist. Dabei hat das Enforcementverfahren zum Ziel, Unregelmäßigkeiten bei der Erstellung von Unternehmensabschlüssen und -berichten präventiv entgegenzuwirken und außerdem – sofern Unregelmäßigkeiten dennoch auftreten – diese aufzudecken und den Kapitalmarkt darüber zu informieren (vgl. Begründung RegE BilKoG, BT-Drucks 15/3421, S. 11). Nach § 342b Abs. 2 Satz 1 HGB und § 37n WpHG bezieht sich die Prüfung der Unternehmensabschlüsse und -berichte kapitalmarktorientierter Unternehmen darauf, ob sie den gesetzlichen Vorschriften einschließlich der Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung und den sonstigen durch Gesetz zugelassenen Rechnungslegungsstandards entsprechen. Wie der Senat bereits mit Beschluss vom 22. Januar 2009 (WpÜG 1, 3/08, ZIP 2009, 368 = DB 2009, 333 = AG 2009, 328, dazu EWiR 2009, 221 (Zülch/Hoffmann)) entschieden hat, ergibt sich sowohl aus dem Wortlaut als auch aus dem eingangs genannten Sinn und Zweck der gesetzlichen Vorschriften des Enforcementverfahrens, dass nicht jeder Verstoß gegen gesetzliche Vorschriften oder sonstige Rechnungslegungsgrundsätze zu einer Fehlerfeststellung i.S.d. § 37q Abs. 1 WpHG führt, sondern die Rechnungslegung erst dann fehlerhaft ist, wenn ein oder mehrere Verstöße gegen Rechnungslegungsvorschriften allein oder in ihrer Gesamtheit wesentlich sind.
An einer solchen Fehlerhaftigkeit der Rechnungslegung wegen des unterlassenen Prognoseberichts im Konzernabschluss und im Jahresabschluss 2008 bestehen im vorliegenden Fall keine ernstlichen rechtlichen Zweifel.
Gemäß § 289 Abs. 1 Satz 4 HGB ist im Lagebericht die voraussichtliche Entwicklung der Kapitalgesellschaft mit ihren wesentlichen Chancen und Risiken zu beurteilen und zu erläutern; zugrunde liegende Annahmen sind anzugeben. Wortgleiche Anforderungen stellt § 315 Abs. 1 Satz 5 HGB für den Konzern an dessen Lagebericht. Als selbstständiger Teil der Rechnungslegung hat der Lagebericht neben dem Jahresabschluss und in dessen Ergänzung die gesamte wirtschaftliche Lage des Unternehmens über die rein betriebswirtschaftliche Situation hinaus darzustellen und auch darzulegen, wie sich insbesondere volkswirtschaftliche, rechtliche, technische, politische oder auch soziale Aspekte und Entwicklungen auswirken oder auswirken können. Damit haben die gesetzlichen Vertreter im Lagebericht eine Einschätzung über den Geschäftsverlauf, das Geschäftsergebnis, die Lage des Unternehmens und die voraussichtliche Entwicklung vorzunehmen. Um seiner Informations- und Rechenschaftsfunktion zu genügen muss der Lagebericht es dem Adressaten ermöglichen, ZIP 2009, 2443sich ein eigenes Bild über die Lage des Unternehmens im Sinne einer Standortbestimmung und wirtschaftlichen Gesamtbeurteilung einschließlich der Fortbestandsaussichten und der künftigen Entwicklung zu machen (vgl. Ellrott, in: Beck'scher Bilanzkomm., § 289 HGB Rz. 4 ff. und § 315 HGB Rz. 3 f.; Ensthaler/Lezius, GK-HGB, 7. Aufl., § 289 Rz. 3 ff.; MünchKomm-Fülbier/Pellens, HGB, 2. Aufl., § 315 Rz. 2 ff.; Kirnberger/HK-HGB, 17. Aufl., § 289 Rz. 2).
§ 289 Abs. 1 Satz 4 und § 315 Abs. 1 Satz 5 HGB gehen in ihrer jetzt gültigen Fassung zurück auf das KonTraG und insbesondere das BilReG, durch welches 1998 in Umsetzung der Fair-Value-Richtlinie und der Modernisierungsrichtlinie der EU für große und mittlere Kapitalgesellschaften bzw. Konzerne die Vorschriften für den Lagebericht wesentlich geändert und bezüglich dessen Inhalt deutlich erweitert wurden. So wurde insbesondere die Pflicht aufgenommen, im Lagebericht eine umfangreiche Analyse des Geschäftsverlaufs und der Lage der Gesellschaft zu veröffentlichen, der somit erhebliche Prognose- und Bewertungselemente zu enthalten hat, da er die Lage für die Zukunft fortzuschreiben hat. Damit umfasst der Pflichtinhalt des (Konzern-)Lageberichts neben vergangenheitsbezogenen Angaben und Analysen zum Geschäftsverlauf und der Lage des Unternehmens auch eine zukunftsbezogene Beurteilung und Erläuterung der voraussichtlichen Entwicklung des Unternehmens mit ihren wesentlichen Chancen und Risiken (vgl. Küting/Weber, Der Konzernabschluss, 11. Aufl., S. 629; MünchKomm-Lange, HGB, 2. Aufl., § 289 Rz. 73 f und MünchKomm-Fülbier/Pellens, a.a.O., § 315 Rz. 20 und 33). Angesichts des eindeutigen gesetzlichen Wortlautes der § 289 Abs. 1 Satz 4 und § 315 Abs. 1 Satz 5 HGB entspricht es ganz einhelliger Auffassung, dass die dort geforderte Prognose- und Risikoberichterstattung zu den zwingend vorgeschriebenen Mindestbestandteilen des Lageberichtes gehören, auf die nicht verzichtet werden darf (vgl. Koller/Roth/Morck, HGB, 6. Aufl., § 289 Rz. 1; Ebenroth/Boujong/Wiedmann, HGB, 2. Aufl., § 289 Rz. 5, 6, Küting/Weber, a.a.O., S. 629; Baetge/Prigge, DB 2006, 401; Kajüter, BB 2004, 427).
Diesen gesetzlichen Mindestanforderungen werden der hier der Anlassprüfung im Enforcementverfahren unterzogene Lagebericht und Konzernlagebericht der Antragstellerin nicht gerecht, da sie weder in quantitativer noch in qualitativer Hinsicht irgendwelche Angaben zu der voraussichtlichen Entwicklung des Unternehmens bzw. des Konzerns machen, sondern hierauf komplett verzichten und dies mit den besonderen Umständen der Finanz- und Wirtschaftskrise begründen. Bereits bei summarischer Überprüfung im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes muss festgestellt werden, dass ein derartiges vollständiges Unterlassen einer Prognoseberichterstattung mit den zwingenden gesetzlichen Vorschriften der § 289 Abs. 1 Satz 4 und § 315 Abs. 1 Satz 5 HGB nicht vereinbar ist und deshalb gegen Rechnungslegungsvorschriften verstößt.
Das Absehen von jeglicher Prognoseberichterstattung kann auch nicht mit dem Hinweis auf den Rechtsgrundsatz „ultra posse nemo obligatur“ gerechtfertigt werden. Zwar ist unbestritten, dass durch die Wirtschaftskrise und die hiermit einhergehenden gesamtwirtschaftlichen Unsicherheiten die Beurteilung der voraussichtlichen Entwicklung des Unternehmens bzw. Konzerns mit ihren wesentlichen Chancen und Risiken erheblich erschwert wurde und für die berichtspflichtigen Vorstände eine schwierige Aufgabe darstellt (vgl. hierzu auch Ruhwedel/Sellhorn/Lerchenmüller, DB 2009, 1305). Gleichwohl führen diese Probleme nicht dazu, dass eine Prognoseberichterstattung hierdurch gänzlich unmöglich wird und im Lagebericht vollständig entfallen kann. Soweit die Antragstellerin auf die Grundsätze der Wahrheit und Klarheit der Lageberichterstattung verweist und geltend macht, sie habe sich zeitlich punktuell vor dem Hintergrund einer im Nachkriegsdeutschland einzigartigen Unsicherheit an einer Prognoseberichterstattung gehindert gesehen, vermag dies sie auch zeitlich befristet nicht von der Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften zu suspendieren. Dabei ist zu berücksichtigen, dass zwar zunächst auch für die Prognoseberichterstattung die allgemeinen Grundsätze der Klarheit, Vollständigkeit und Wesentlichkeit gelten. Da es sich hier aber um in die Zukunft gerichtete Angaben handelt, besteht wegen der hierzu erforderlichen Wertungen und Prognosen von vornherein kein genereller Richtigkeitsmaßstab im Sinne von „richtig“ und „falsch“. Vielmehr ist mit diesen Angaben die voraussichtliche Entwicklung mit ihren einzelnen Komponenten zu beurteilen und zu kommentieren, wobei Maßstab für diese Beurteilungsangaben die eigene Einschätzung der Unternehmensleitung ist. Deren Aussagen müssen ausgehend von der bisherigen Entwicklung nachvollziehbar, folgerichtig und widerspruchsfrei hergeleitet sein (vgl. Ellrott, a.a.O., § 289 Rz. 11 und 39; MünchKomm-Lange, a.a.O., § 289 Rz. 35, jew. m.w.N.).
Die derzeitige Finanz- und Wirtschaftskrise und die durch sie ausgelöste Unsicherheit über die zukünftige volkswirtschaftliche Entwicklung hat zur Folge, dass für sehr viele Unternehmen ganz erhebliche Probleme und Beeinträchtigungen bei der Prognoseberichterstattung entstanden sind und teilweise noch bestehen. Es liegt auf der Hand, dass dieser außergewöhnliche gesamtwirtschaftliche Hintergrund Auswirkungen auf die Prognoseberichterstattung hat und die Fundiertheit und Treffsicherheit der Einschätzungen über die zukünftige wirtschaftliche Entwicklung des Unternehmens hierdurch eingeschränkt wird. Dabei bedarf es im vorliegenden Fall keiner Vertiefung der Frage, welche Anforderungen in quantitativer und qualitativer Hinsicht allgemein und im Einzelnen an Umfang und Präzision der Prognoseberichterstattung zu stellen sind und in welchem Umfang die deutschen Unternehmen dem bisher gerecht geworden sind (vgl. hierzu Ruhwedel/Sellhorn/Lerchenmüller, DB 2009, 1305, 1306). Dies gilt insbesondere hinsichtlich des Ausmaßes quantitativer Aussagen. In Zeiten einer gesamtwirtschaftlichen Krise globalen Ausmaßes mag die Abgabe einer Prognose ganz erheblich erschwert und in Bezug auf konkrete und punktgenaue Angaben sogar unmöglich sein. Dies kann und darf aber nicht dazu führen, dass sich die Unternehmensleitung ihrer gesetzlichen Verpflichtung zur Beurteilung und Erläuterung der voraussichtlichen Entwicklung des Unternehmens mit Hinweis auf die gestiegenen Unsicherheiten bei den erforderlichen Einschätzungen vollständig entzieht. Gerade in Krisenzeiten sind die Kapitalmarktteilnehmer mehr noch als in ruhigen wirtschaftlichen ZIP 2009, 2444Phasen als Grundlage für ihre eigenen Entscheidungen auf zukunftsorientierte Informationen der Geschäfts- und Konzernführung und deren Einschätzung der Perspektiven angewiesen.
Bestehen aufgrund außergewöhnlicher gesamtwirtschaftlicher Bedingungen besondere Schwierigkeiten und Unsicherheiten, so kann dies zu einer Erweiterung des ohnehin für die Prognose bestehenden Einschätzungsspielraumes führen, wobei die aus der Sicht der Unternehmensleitung relevanten Gesamt- und Einzelumstände und ihre Auswirkungen bezogen auf das Unternehmen dann in der Lageberichterstattung auszuführen sind. Selbst unter derartigen schwierigen Bedingungen verbleibt es dem Grunde nach aber bei der gesetzlich zwingend verankerten Pflicht zur Kommunikation der Erwartungen der Unternehmensleitung zur weiteren Entwicklung der Ertrags-, Vermögens- und Finanzlage. Sieht sich die Unternehmensleitung hierbei außer Stande, konkrete Aussagen zu treffen, so können zumindest in qualitativer Hinsicht Angaben im Sinne der Beschreibung eines positiven oder negativen Trends oder einer Tendenz unter Angabe der wesentlichen Einflussfaktoren erwartet werden. Auch die Darstellung alternativer Szenarien kann in Betracht kommen.
Unter Berücksichtigung dieser Umstände wäre auch der Antragstellerin eine Prognoseberichterstattung möglich und zumutbar gewesen. Insbesondere hätten die von der Antragstellerin im Laufe dieses Gerichtsverfahrens zur Begründung der damaligen Planungsunsicherheit mitgeteilten und für sie nach eigener Aussage überraschenden sowie für die einzelnen Geschäftssegmente unterschiedlich verlaufenen Auswirkungen der Krise auf die Geschäftsentwicklung seit November 2009 und die von der DPR in deren Schreiben vom 30. April 2009 aufgeführten und an anderer Stelle in der Rechnungslegung verstreut angegebenen Einzelaussagen von der Unternehmensführung zum Zwecke der Information der Kapitalmarktteilnehmer an der hierfür gesetzlich vorgeschriebenen Stelle im Prognosebericht aufgegriffen und zu einer – wenn auch mit im einzelnen aufzuzeigenden Unsicherheiten belasteten – Einschätzung unter Ausnutzung des insoweit situationsbedingt zuzubilligenden erweiterten Beurteilungsspielraums verdichtet werden können und müssen.
Insoweit hat der Deutsche Standardisierungsrat (DSR) mit seinem sich ohnehin nach § 342 HGB nur auf die Konzernrechnungslegung beziehenden und am 27. März. 2009 veröffentlichten Hinweis zum Prognosebericht gemäß DRS 15 – Lagebericht – keine neue und für die Antragstellerin, die ihre Berichte bereits zuvor veröffentlicht hatte, unverbindliche Regelung geschaffen, sondern mit der dortigen Aussage, dass ein vollständiger Verzicht auf den Prognosebericht nicht vertretbar ist, nur eine zutreffende Interpretation der sich ohnehin aus den zwingenden gesetzlichen Vorschriften ergebenden Rechtslage publiziert.
Der vollständige Verzicht auf eine Prognoseberichterstattung im Konzernlage- und im Lagebericht stellt auch einen wesentlichen Fehler der Rechnungslegung dar. Ebenso wie dem Risikobericht (vgl. hierzu Senat ZIP 2007, 1804 = DB 2007, 1913 = BB 2007, 2060 = AG 2007, 675 = NZG 2007, 795) kommt dem Prognosebericht mit seinen zukunftsgerichteten Informationen für den Kapitalmarkt eine besondere Bedeutung zu, da er aus der Sicht der Kapitalmarktteilnehmer für die Einschätzung des Erfolgspotenzials und damit letztlich des Unternehmenswertes besonders wichtig ist (vgl. Baetge/Prigge, DB 2006, 404, 405; Ruhwedel/Sellhorn/Lerchenmüller, DB 2009, 1305; Hirst/Koonce/Venkatamaran, Accounting Horizons 2008, 315 m.w.N.). Dies gilt auch und sogar verstärkt in Zeiten einer gesamtwirtschaftlichen und globalen Krise.
Der Senat vermag sich auch nicht der Auffassung der Antragstellerin anzuschließen, dass hier lediglich ein Bagatellverstoß vorliege, weil der von ihr gewählte vollständige Verzicht auf den Prognosebericht sich nicht wesentlich von den Lageberichten anderer Unternehmen unterscheide, da es dort letztlich ebenfalls an konkreten unternehmensbezogenen Aussagen fehle. Unabhängig davon, dass es dem auf Stichproben- und Anlassprüfungen beschränkten Enforcementverfahren immanent ist, dass etwaige Rechnungslegungsfehler anderer Unternehmen für die Fehlerfeststellung der Rechnungslegung des konkret geprüften Unternehmens nicht von Relevanz sein können, bedeutet es einen wesentlichen Unterschied, ob die Unternehmensleitung sich in der Situation einer weltweiten Wirtschaftskrise der schwierigen Aufgabe einer Prognose gesetzeswidrig vollständig entzieht oder sich dieser Herausforderung stellt und wegen der vorhandenen Unsicherheiten bezüglich der Aussagekraft und Präzision hinter den sonst üblichen und erwartbaren Angaben zurückbleibt. Gerade unter Berücksichtigung des vom Gesetzgeber mit dem BilReG verfolgten Zieles, den Informationsgehalt des Lageberichtes zu erhöhen und den Investoren einen Soll-Ist-Vergleich zu ermöglichen (vgl. RegE BilKoG, BT-Drucks. 15/3419, S. 30), ist der mit den § 289 Abs. 1 Satz 4 und § 315 Abs. 1 Satz 5 HGB nicht in Einklang zu bringende vollständige Verzicht auf einen Prognosebericht nicht das geeignete Mittel zur Bewältigung der sich aus der Weltwirtschaftskrise ergebenden Probleme für die Prognosefähigkeit vieler Unternehmen. Aus der Sicht der Kapitalmarktteilnehmer stellt es einen bedeutsamen Unterschied dar, ob die Leitungsorgane des Unternehmens vor dem Hintergrund einer weltweiten Wirtschaftskrise eine Beurteilung und Erläuterung der voraussichtlichen Entwicklung komplett verweigern oder eine Einschätzung ihrer Erwartungen abgeben und dabei auf die aus ihrer Sicht bestehenden Unsicherheiten und ihre Einflussfaktoren eingehen.
Auch an der Rechtmäßigkeit der Fehlerveröffentlichungsanordnung bestehen keine ernstlichen Zweifel.
Wie der Senat bereits mehrfach hervorgehoben hat (vgl. Senat ZIP 2007, 1804 = DB 2007, 1913 = BB 2007, 2060 = AG 2007, 675 = NZG 2007, 795 und Senat ZIP 2009, 368 = DB 2009, 333 = AG 2009, 328) kann das Enforcementverfahren die ihm vom Gesetzgeber beigemessenen Ziele der präventiven Verhinderung unzutreffender Rechnungslegung kapitalmarktorientierter Unternehmen und der Information des Kapitalmarktes über festgestellte diesbezügliche Unregelmäßigkeiten nur dann erreichen, wenn die Feststellung einer fehlerhaften Rechnungslegung auf der ersten oder zweiten Stufe des Enforcementverfahrens wie in § 37q Abs. 2 Satz 1 WpHG ausdrücklich vorgesehen im Regelfall auch die Pflicht zur Fehlerveröffentlichung nach sich zieht. Nach der Systematik des Geset-ZIP 2009, 2445zes ist die Fehlerbekanntmachung das zentrale Durchsetzungselement des Enforcementverfahrens, weil der deutsche Gesetzgeber sonstige unmittelbare Rechtsfolgen oder Sanktionen im Unterschied zur Ausgestaltung des Enforcementverfahrens in anderen europäischen Ländern bewusst nicht eingeführt, sondern vielmehr darauf vertraut hat, dass allein die Fehlerveröffentlichung wegen ihrer von den betroffenen Unternehmen besonders befürchteten negativen Wirkung in der Öffentlichkeit zur Erreichung des Gesetzeszweckes ausreicht (vgl. Begründung RegE BilKoG, BT-Drucks. 15/3419, S. 18; Assmann/Schneider/Hönsch, WpHG, 4. Aufl., vor § 37n Rz. 5; Fuchs, WpHG, § 37q Rz. 2; Gahlen/Schäfer, BB 2006, 1619, 1621 f.; Gros, DStR 2006, 246). Es entspricht dabei der Grundkonzeption des Gesetzes, die Interessen des Kapitalmarktes an einer Information im Regelfall höher einzuschätzen als das wohl stets gegebene und auch nachvollziehbare Interesse des jeweils betroffenen geprüften Unternehmens an der Geheimhaltung einer festgestellten Fehlerhaftigkeit seiner Rechnungslegung (vgl. Scheffler, BB spezial 4/2006, S. 2, 8). Zur Erreichung des Gesetzeszweckes der zeitnahen, effektiven und beschleunigten Überprüfung und Verbesserung der Rechnungslegung kapitalmarktorientierter Unternehmen hat der Gesetzgeber gerade in Abkehr vom allgemeinen Grundsatz der aufschiebenden Wirkung von Rechtsbehelfen gegen belastende Verwaltungsakte mit der Regelung der § 37t Abs. 2 und § 37u Abs. 1 Satz 2 WpHG als Regelfall die sofortige Vollziehbarkeit sämtlicher Maßnahmen der BaFin im Enforcementverfahren vorgesehen (vgl. Begründung RegE BilKoG, BT-Drucks. 15/3419, S. 20, 21, sowie näher Senat ZIP 2007, 1804 = DB 2007, 1913 = BB 2007, 2060 = AG 2007, 675 = NZG 2007, 795 und Senatsbeschl. v. 29.11.2007 – WpÜG 2/07, ZIP 2008, 312 = AG 2008, 125 = DB 2008, 629 = Konzern 2008, 178).
Von einer Fehlerbekanntmachung kann deshalb nach § 37q Abs. 2 Satz 2 WpHG nur dann abgesehen werden, wenn ausnahmsweise kein öffentliches Interesse an der Fehlerveröffentlichung besteht. Hierzu hat der Senat bereits früher ausgeführt, dass es für diese Einschätzung auf die Sicht der Kapitalmarktteilnehmer und deren Interesse an einer korrekten Information ankommt und im Einklang mit der Gesetzesbegründung ein Absehen von der Anordnung der Fehlerveröffentlichung nur dann erfolgen soll, wenn es um offensichtlich unwesentliche Verstöße im Sinne eines Bagatellfalles geht, deren Auswirkungen aus Kapitalmarktsicht belanglos sind (vgl. Senat ZIP 2007, 1804 = DB 2007, 1913 = BB 2007, 2060 = AG 2007, 675 = NZG 2007, 795 m.w.N.).
Ein solcher Ausnahmefall ist hier nicht gegeben, da – wie bereits ausgeführt – das vollständige Unterlassen der gesetzlich zwingend vorgeschriebenen Prognoseberichterstattung nicht als unwesentlicher Fehler eingestuft werden kann.
Das öffentliche Interesse an der Fehlerveröffentlichung ist auch nicht durch die zwischenzeitlich erfolgte Veröffentlichung von Prognosen im Rahmen der Berichterstattung zum ersten Quartal 2009 sowie der Halbjahresberichterstattung 2009 entfallen, in welchen die Antragstellerin inhaltliche Angaben zur Prognose des erwarteten weiteren Geschäftsverlaufes gemacht hat. Des Weiteren führt der zwischenzeitliche Zeitablauf als solcher nicht zum Wegfall des grundsätzlich gegebenen öffentlichen Interesses an der Veröffentlichung des festgestellten Fehlers in der Rechnungslegung. Insoweit hält der Senat an seiner bisherigen Rechtsprechung fest, wonach sich das Gesetzesziel des Enforcementverfahrens zur Verbesserung der Verlässlichkeit der Rechnungslegung kapitalmarktorientierter Unternehmen konsequent nur dadurch wird realisieren lassen, dass die gesetzlich vorgesehenen Stichproben- oder Anlassprüfungen nicht nur beschleunigt erfolgen, sondern auch konsequent bis zum Abschluss einschließlich der Fehlerveröffentlichung durchgeführt werden. Denn es besteht zum einen unter dem Gesichtspunkt der Prävention weiterhin ein öffentliches Interesse an der Fehlerbekanntmachung unabhängig davon, wie lange die Publikation der beanstandeten konkreten Rechnungslegung zurückliegt, und zum anderen dient die Veröffentlichung der aufgedeckten Fehler auch dazu, andere Unternehmen und die bei der Prüfung der Abschlüsse tätigen Wirtschaftsprüfer darüber zu informieren und damit der Wiederholung derartiger Rechnungslegungsfehler im Interesse des gesamten Kapitalmarktes entgegenzuwirken (vgl. hierzu im Einzelnen Senat ZIP 2007, 1804 = DB 2007, 1913 = BB 2007, 2060 = AG 2007, 675 = NZG 2007, 795).
Gerade der letztgenannte Aspekt der Generalprävention erlangt im vorliegenden Fall besondere Bedeutung. Denn es ist die Gefahr nicht von der Hand zu weisen, dass auch andere Unternehmen versuchen könnten, sich den besonderen Schwierigkeiten der Prognoseberichterstattung in Zeiten einer globalen Finanz- und Wirtschaftskrise durch einen vollständigen Verzicht hierauf zu entziehen, wenn diese von der Antragstellerin praktizierte Verfahrensweise aus der Sicht des Kapitalmarktes unbeanstandet bliebe. Auch für die Tätigkeit der Wirtschaftsprüfer ist die Publikation des hier festgestellten Rechnungslegungsfehlers von generalpräventiver Bedeutung, da in die Abschlussprüfung und das Testat nach § 317 Abs. 2 HGB mit den dort genannten Maßstäben auch der Lagebericht und der Konzernlagebericht einzubeziehen sind. Des Weiteren lässt sich nicht ausschließen, dass der vollständige Verzicht auf einen Prognosebericht anderen Kapitalgesellschaften auch in Fällen einer akuten unternehmensbezogenen Krise wie etwa einer drohenden Insolvenz als Vorbild dienen könnte.
Diese im hier vorliegenden Fall zur Erreichung der generalpräventiven Wirkung für eine Fehlerveröffentlichung sprechenden Gründe sind des Weiteren nicht durch die zwischenzeitlich erfolgte Veröffentlichung des Hinweises des DRS vom 27. März 2009 entfallen. Vielmehr ist die von der Antragsgegnerin angeordnete Fehlerveröffentlichung nach wie vor geeignet, zur Klärung der durch die globale Finanz- und Wirtschaftskrise bedingten Unsicherheiten in Bezug auf die Lageberichterstattung beizutragen, wie nicht zuletzt die Argumentation der Antragstellerin selbst zeigt, die weiterhin das Vorliegen eines Rechnungslegungsfehlers in Abrede stellt. Auch der von der Antragstellerin hervorgehobene Umstand, dass aus ihrer Sicht der Zenit der Wirtschaftskrise überschritten und deshalb eine Nachahmung des vollständigen Verzichtes auf eine Prognoseberichterstattung durch andere Unternehmen nicht mehr zu befürchten sei, vermag unter generalpräventiven Aspekten nicht zu überzeugen. Denn zum einen kann sich die derzei-ZIP 2009, 2446tige Wirtschaftskrise auf einzelne Unternehmen durchaus zu unterschiedlichen Zeitpunkten und damit auch noch gegenwärtig oder zukünftig auswirken. Außerdem ist damit zu rechnen, dass es auch in Zukunft zu Krisen oder sonstigen unvorhergesehenen Ereignissen kommen wird, die die Prognosefähigkeit für die Unternehmen beeinträchtigen und erschweren.
Letztlich sind auch die Voraussetzungen für ein Absehen von der Fehlerveröffentlichungsanordnung nach § 37q Abs. 2 Satz 3 WpHG hier ebenfalls nicht erfüllt. Diese Vorschrift ermöglicht den Verzicht auf die Anordnung, wenn die Veröffentlichung eines Fehlers der Rechnungslegung geeignet ist, den berechtigten Interessen des Unternehmens zu schaden. Wie der Senat bereits in seinen früheren Entscheidungen vom 14. Juni 2007 (ZIP 2007, 1804 = DB 2007, 1913 = BB 2007, 2060 = AG 2007, 675 = NZG 2007, 795) und 22. Januar 2009 (ZIP 2009, 368 = DB 2009, 333 = AG 2009, 328) hervorgehoben hat, handelt es sich hierbei um eine eng begrenzte Ausnahmevorschrift, da die drohende negative Öffentlichkeitswirkung der Fehlerbekanntmachung vom Gesetzgeber bewusst als zentrales Instrument und einzige Sanktion eingesetzt wurde und die angestrebte Präventionswirkung für alle kapitalmarktorientierten Unternehmen gerade darauf beruht, dass mit der Veröffentlichung der Fehlerhaftigkeit der Rechnungslegung in aller Regel ein Risiko für die Reputation des Unternehmens verbunden sein wird (vgl. Assmann/Schneider/Hönsch, a.a.O., vor § 37n Rz. 5, 6). Die mit der Bekanntmachung der Fehlerfeststellung regelmäßig verbundenen negativen Wirkungen wurden vom deutschen Gesetzgeber erkannt und bewusst zur Umsetzung der Ziele des Enforcementverfahrens eingesetzt. Hierzu zählen insbesondere die typischerweise mit der Veröffentlichung einer fehlerhaften Rechnungslegung am Kapitalmarkt einhergehenden Nachteile (vgl. Stellungnahme des Rechtsausschusses zum BilkoG in BT-Drucks 15/455, S. 22). Die von der Antragstellerin hier geltend gemachten Nachteile der Schädigung ihrer Reputation und der befürchteten Ausnutzung der Fehlerbekanntmachung durch von ihr sog. räuberische Minderheitsaktionäre gehören gerade zu diesen typischen Folgen. Darüber hinausgehende atypische Nachteile, denen im Rahmen der gebotenen Abwägung zwischen den berechtigten Unternehmensinteressen und dem grundsätzlich vorrangigen Informationsinteresse des Anlegerpublikums und des gesamten Kapitalmarktes ausnahmsweise der Vorrang einzuräumen wäre, sind demgegenüber nicht geltend gemacht und auch im Übrigen nicht ersichtlich.
Der Senat vermag auch nicht zu erkennen, dass die Vollziehung der Fehlerveröffentlichungsanordnung für die Antragstellerin eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte i.S.d. § 50 Abs. 3 Nr. 3 WpHG zur Folge hätte. Auch in diesem Zusammenhang ist von Bedeutung, dass der Gesetzeszweck der präventiven Verhinderung unzutreffender Rechnungslegung kapitalmarktorientierter Unternehmen und der Information des Kapitalmarktes über festgestellte diesbezügliche Fehler nur durch eine effektive und möglichst zeitnahe Durchführung des Enforcementverfahrens einschließlich der Fehlerveröffentlichung unter Anwendung des gesetzlich ausdrücklich zu Beschleunigungszwecken vorgesehenen Sofortvollzuges erreicht werden kann.
Wegen der bereits erläuterten besonderen generalpräventiven Bedeutung des hier festgestellten Fehlers der Rechnungslegung führt die Abwägung der öffentlichen und privaten Belange im vorliegenden Falle dazu, dass dem öffentlichen Interesse an der zeitnahen Fehlerveröffentlichung hier der Vorrang gegenüber dem nachvollziehbaren Interesse der Antragstellerin an einem Unterbleiben oder zumindest Hinausschieben der Fehlerveröffentlichung gebührt.
Die Anträge auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Widersprüche waren deshalb zurückzuweisen.
<einsender></einsender>Mitgeteilt von Richterin am OLG Martina Paul, Frankfurt/M.</einsender><//einsender>