OLG Karlsruhe: Zur Schadensersatzpflicht des Insolvenzverwalters bei Veräußerung von Sicherungsgut trotz Selbsteintrittsangebots des Sicherungsgläubigers

13.02.2009

InsO §§ 60, 168

Zur Schadensersatzpflicht des Insolvenzverwalters bei Veräußerung von Sicherungsgut trotz Selbsteintrittsangebots des Sicherungsgläubigers

OLG Karlsruhe, Urt. v. 9. 10. 2008 – 9 U 147/08

Leitsätze des Gerichts:

1. Erhält der Insolvenzverwalter nach einem Hinweis des absonderungsberechtigten Gläubigers auf eine günstigere Verwertung eine noch bessere Verwertungsmöglichkeit, bedarf es grundsätzlich keiner erneuten Mitteilung an den Gläubiger. Das Mitwirkungsrecht des Gläubigers ist durch einen einmaligen Nachweis einer günstigeren Verwertungsmöglichkeit oder ein einmaliges Selbsteintrittsangebot in der Regel hinreichend gesichert.

2. Aber auch im Falle einer Verletzung der nochmaligen Hinweispflicht hat der absonderungsberechtigte Gläubiger nur einen Anspruch darauf, so gestellt zu werden, als hätte der beklagte Insolvenzverwalter zu dem von ihm angegebenen Höchstgebot – sei es an den Gläubiger oder an einen Dritten – veräußert.

3. Geht der Insolvenzverwalter auf den Gläubigervorschlag nicht ein, sondern veräußert das Sicherungsgut anderweitig, ist die Verwertung im Rahmen der InsO mit der Auskehrung des Erlöses sowie des Differenzbetrags zu der aufgezeigten günstigeren Verwertungsmöglichkeit oder des Selbsteintrittsangebots an den absonderungsberechtigten Gläubiger nach § 168 Abs. 2 Alt. 2 InsO abgeschlossen.

4. Die Gewinninteressen durch Weiterveräußerung sind hingegen vom Schutzzweck des § 168 InsO nicht umfasst.

Tatbestand:

Die Klägerin verlangt Schadensersatz von dem Beklagten, der als Insolvenzverwalter im Sicherungseigentum der Klägerin stehendes Gaststätteninventar verwertet hat.

Das LG hat die Klage abgewiesen. Der Beklagte habe im Rahmen der Verwertung der mit Absonderungsrechten der Klägerin belasteten Gegenstände keine insolvenzspezifischen Pflichten verletzt. Der Beklagte habe die Rechte der Klägerin durch Hinweis auf den beabsichtigten freihändigen Verkauf mit Schreiben vom 24.11.2008 ausreichend gewahrt. Zwar habe die Klägerin den im Schreiben des Insolvenzverwalters in Aussicht gestellten Kaufpreis überboten. Der Beklagte sei in der Folge jedoch nicht verpflichtet gewesen, die Klägerin davon zu unterrichten, dass der erzielbare Kaufpreis gestiegen sei, um ihr Gelegenheit zur Nachbesserung ihres Selbsteintrittsgebots zu geben.

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Der Klägerin stehen im Zusammenhang mit der Verwertung des Sicherungsguts gegenüber dem Beklagten keine Schadensersatzansprüche zu.

I. Ein Anspruch der Klägerin aus § 60 Abs. 1 InsO auf Schadensersatz wegen Verletzung einer insolvenzspezifischen Pflicht im Zusammenhang mit der Verwertung des im Sicherungseigentum der Klägerin stehenden Gaststätteninventars ist vom LG zu Recht verneint worden. Ein Schadensersatzanspruch wegen Verletzung der Mitteilungspflicht aus § 168 Abs. 1 InsO scheitert jedenfalls daran, dass ein durch die behauptete Pflichtverletzung hervorgerufener ersatzfähiger Schaden nicht dargetan ist.

1. Der Beklagte hat seiner Mitteilungspflicht aus § 168 Abs. 1 InsO jedenfalls zunächst genügt und der Klägerin Gelegenheit zum Hinweis auf eine günstigere Verwertungsmöglichkeit gegeben.

Mit Schreiben vom 24.11.2005 hat der Beklagte der Klägerin ordnungsgemäß Mitteilung von der beabsichtigten Verwertung gem. § 168 Abs. 1 InsO gemacht. Das Schreiben enthielt alle wesentlichen Informationen, die der Gläubiger benötigt, um selber eine günstigere Verwertungsart vorschlagen zu können. Aus dem Schreiben ging klar hervor, dass dem Beklagten ein Kaufangebot von 14.000 € netto insgesamt und von 13.100 € netto bezogen auf das Sicherungseigentum der Klägerin vorlag. Die Klägerin hat mit Schreiben vom 28.11.2005 reagiert und dadurch ihre Rechte aus § 168 InsO wahrgenom-ZIP 2009, Seite 283men. Das Selbsteintrittsgebot der Klägerin lag um 50 € über dem in Aussicht gestellten Verwertungserlös und stellte damit eine günstigere Verwertungsmöglichkeit i.S.v. § 168 Abs. 1 Satz 2 InsO dar.

2. Ob der Beklagte aus § 168 Abs. 1 InsO verpflichtet war, der Klägerin nochmals Mitteilung unter Setzung einer neuen Wochenfrist zu machen, nachdem das ihm vorliegende Kaufangebot des Konkurrenten geringfügig um 300 € auf 13.400 € erhöht worden war, kann im Ergebnis dahinstehen.

a) Erhält der Insolvenzverwalter nach einem Hinweis des absonderungsberechtigten Gläubigers auf eine günstigere Verwertung eine noch bessere Verwertungsmöglichkeit, bedarf es grundsätzlich keiner erneuten Mitteilung an den Gläubiger. Das Mitwirkungsrecht des Gläubigers ist durch einen einmaligen Nachweis einer günstigeren Verwertungsmöglichkeit oder ein einmaliges Selbsteintrittsangebot in der Regel hinreichend gesichert (LG Neubrandenburg ZIP 2006, 1143; MünchKomm-Lwowski/Tetzlaff, InsO, 2. Aufl., 2008, § 168 Rz. 36; Uhlenbruck, InsO, 12. Aufl., 2003, § 168 Rz. 7; Nerlich/Römermann/Becker, InsO, § 168 Rz. 17,46; Braun/Dithmar, InsO, 3. Aufl., 2007, § 168 Rz. 7; a.A. Kübler/Prütting/Kemper, InsO, § 168 Rz. 12; Wimmer/Wegener, InsO, 4. Aufl., § 168 Rz. 10). Der Senat schließt sich insofern den ausführlichen und zutreffenden Gründen des landgerichtlichen Urteils an.

b) Die Klägerin hätte im Falle einer Verletzung der nochmaligen Hinweispflicht jedenfalls nur einen Anspruch darauf, so gestellt zu werden, als hätte der Beklagte zu dem von ihr angegebenen Höchstgebot – sei es an die Klägerin oder an einen Dritten – veräußert. Dann aber hätte die Klägerin nur einen Ersatzanspruch aus § 168 Abs. 2 InsO in Höhe des Differenzbetrags, in der ihr durch die Verwalterverwertung ein Nachteil entstanden ist. Ein solcher Nachteil ist ihr hier nicht entstanden.

Der nach § 60 InsO zu ersetzende Schaden ist gem. §§ 249 ff. BGB zu ermitteln. Für die Frage, welchen Schaden der Insolvenzverwalter adäquat kausal verschuldet hat, kommt es darauf an, welchen Verlauf die Dinge bei pflichtgemäßem Verhalten des Verwalters genommen hätten (MünchKomm-Brandes, InsO, 2. Aufl., 2007, § 60 Rz. 106). Die Rechte und Pflichten der Beteiligten werden im Insolvenzverfahren durch die Verwertungsvorschriften der §§ 165 ff. InsO abschließend geregelt (BGH ZIP 2005, 2214 = ZVI 2006, 61). Bei der Übernahme des Sicherungsguts durch den Gläubiger nach § 168 Abs. 3 Satz 1 InsO handelt es sich um eine Verwertung durch den Insolvenzverwalter, und zwar um eine Verwertungsmöglichkeit, die der Verwalter nach Maßgabe des § 168 Abs. 2 InsO wahrnehmen kann, aber nicht wahrnehmen muss; nimmt er sie nicht wahr, ist er gem. § 168 Abs. 2 Alt. 2 InsO zum Nachteilsausgleich verpflichtet (BGH ZIP 2005, 2214 = ZVI 2006, 61; OLG Celle ZIP 2004, 725, dazu EWiR 2004, 715 (Blank); MünchKomm-Lwowski/Tetzlaff, a.a.O., § 168 Rz. 38; Uhlenbruck, a.a.O., § 168 Rz. 10; Kübler/Prütting/Kemper, a.a.O., § 168 Rz. 15). Der Insolvenzverwalter wäre deshalb entgegen der Auffassung der Klägerin nicht verpflichtet gewesen, das Selbsteintrittsangebot anzunehmen und an die Klägerin zu veräußern. Geht der Insolvenzverwalter auf den Gläubigervorschlag nicht ein, sondern veräußert das Sicherungsgut anderweitig, ist die Verwertung im Rahmen der InsO mit der Auskehrung des Erlöses sowie des Differenzbetrags zu der aufgezeigten günstigeren Verwertungsmöglichkeit oder des Selbsteintrittsangebots an den absonderungsberechtigten Gläubiger nach § 168 Abs. 2 Alt. 2 InsO abgeschlossen. Bei einer Verletzung der Mitteilungspflicht können demnach nur Schäden ersetzt werden, die im Rahmen der insolvenzrechtlichen Verwertung entstanden sind und bei wertender Betrachtung in den Schutzbereich der insolvenzspezifischen Pflicht gehören (MünchKomm-Brandes, a.a.O., § 60 Rz. 107). Die insolvenzspezifische Pflicht aus § 168 Abs. 1 InsO schützt die Verwertungsinteressen des absonderungsberechtigten Gläubigers nur insoweit, als er durch die gem. § 166 InsO dem Verwalter übertragene Verwertungsbefugnis keine Nachteile hinnehmen soll, weil eine für ihn günstigere Verwertungsmöglichkeit vom Insolvenzverwalter nicht wahrgenommen worden ist (MünchKomm-Lwowski/Tetzlaff, a.a.O., § 168 Rz. 1). Die Gewinninteressen durch Weiterveräußerung sind hingegen vom Schutzzweck des § 168 InsO nicht umfasst. Die Risiken und Chancen bei einem Weiterverkauf des nach Übernahme im Rahmen des § 168 Abs. 3 InsO erlangten Sicherungsguts liegen allein beim Gläubiger (BGH ZIP 2005, 2214 = ZVI 2006, 61). Den von der Klägerin angestrebten Gewinn bis zur Höhe von 80.000 € (abzüglich des ausgeschütteten Verwertungserlöses), den sie im Falle der Weiterveräußerung nach Selbsteintritt zu erzielen hoffte, kann die Klägerin deshalb nicht beanspruchen.

II. Eine Haftung des Beklagten außerhalb des Bereichs der Verletzung insolvenzspezifischer Pflichten nach den Grundsätzen über die Haftung wegen Inanspruchnahme persönlichen Vertrauens kommt nicht in Betracht. Die Klägerin hat nicht dargelegt, dass der Insolvenzverwalter im Rahmen der Verwertung des Sicherungsguts ihr gegenüber ausdrücklich eigene Pflichten übernommen oder in besonderem Maß persönliches Vertrauen, an dem er sich festhalten lassen müsste, in Anspruch genommen hat.

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