OLG Köln: Keine aktienrechtliche Meldepflicht bei Umfirmierung

21.09.2009

AktG § 20; WpHG §§ 21 f.

Keine aktienrechtliche Meldepflicht bei Umfirmierung

OLG Köln, Urt. v. 17. 6. 2009 – 18 U 139/08

Leitsatz des Gerichts:

Die Umfirmierung eines gem. § 20 AktG meldepflichtigen Unternehmens stellt keinen meldepflichtigen Tatbestand dar, weil sich dadurch an der rechltichen Zuordnung der Aktien nichts ändert.

Gründe:

I. Die Kläger fechten mit der Behauptung, sie seien Aktionäre der Beklagten, einen Squeeze-out-Beschluss der Hauptversammlung der Beklagten vom 18.12.2007 an. Das LG hat die Klage der Klägerin zu 4) als unzulässig zurückgewiesen, da sie aufgrund ihrer Enteignung und Löschung in 1948 in der damaligen sowjetischen Besatzungszone ihre Parteifähigkeit verloren habe. Die Klage der übrigen Kläger hat das LG als unbegründet abgewiesen.

II. Die Berufung der Klägerin zu 4) hat insoweit Erfolg, als ihre Klage zulässig ist. Nach dem ergänzenden Vorbringen der Klägerin zu 4) in der Berufung geht der Senat davon aus, dass sie weiterhin existent und parteifähig ist.

Die Klägerin zu 4), die ihren Sitz im Gebiet der damaligen sowjetischen Besatzungszone hatte, ist ausweislich des vom LG beigezogenen Handelsregisterauszuges 1948 im Zuge der Enteignung ihres Vermögens aufgelöst und im Handelsregister gelöscht worden. Das beeinträchtigt indes ihre Parteifähigkeit als AG in Liquidation nicht, da sie als sog. Spaltgesellschaft fortbesteht. Eine AG, die ihren Sitz in der sowjetischen Besatzungszone hatte und dort im Zuge der Enteignung ihres Vermögens erloschen ist, besteht dennoch im Gebiet der Bundesrepublik fort, wenn sie hier Vermögen besitzt. Denn dieses Vermögen ist von der Enteignung nicht umfasst und konnte durch die Enteignung auch nicht herrenlos werden (BGHZ 29, 320, 323 f.). (Wird ausgeführt.)

III. Im Übrigen hat die Berufung keinen Erfolg. Die Klagen sind nicht begründet. Der angefochtene Beschluss ist ordnungsgemäß zustande gekommen. Nichtigkeits- oder Anfechtungsgründe liegen nicht vor.

1. Stimmrecht des Hauptaktionärs

Das LG hat das Stimmrecht der Hauptaktionärin zu Recht bejaht.

1.1 Die Hauptaktionärin war nicht wegen Verletzung der Mitteilungspflichten gem. § 20 Abs. 7 AktG von der Geltendmachung ihrer Rechte ausgeschlossen.

Die Hauptaktionärin ist ihren Meldepflichten aus § 20 Abs. 2 und 4 AktG nachgekommen. Die Beklagte hat die entsprechenden Meldungen vorgelegt.

Die Meldungen sind wirksam. § 20 AktG schreibt Schriftform vor, diese ist gewahrt. Eines gesonderten Vertreterzusatzes des die Mitteilung vom 9.8.2007 unterzeichnenden U. bedurfte es nicht, da sich schon aus den Umständen (Briefbogen) ergab, dass er die Erklärung als Vertreter unterschrieben hat. Das reicht aus (BGH ZIP 2007, 2079 = NJW 2007, 3346, Rz. 11). Soweit die Kläger gegenüber der Mitteilung vom 9.8.2007 einwenden, dass U. keine Vollmacht zur Abgabe der Erklärung gehabt habe, sind sie mit diesem Einwand gem. § 531 Abs. 2 ZPO ausgeschlossen. Sie hätten diesen Einwand bereits in 1. Instanz geltend machen können. Konkrete Anhaltspunkte für eine Vordatierung der Erklärung liegen nicht vor, zudem sind die Kläger auch mit diesem Einwand nach § 531 Abs. 2 ZPO ausgeschlossen.

Weder die Umfirmierung noch der Formwechsel haben eine erneute Mitteilungspflicht ausgelöst. Die Mitteilungspflicht besteht lediglich bei einem Erwerb der Beteiligung, d.h. einem Wechsel der Rechtszuständigkeit. Die Umfirmierung oder ein bloßer Formwechsel (hier die Umwandlung von einer AG in eine GmbH) sind dagegen nicht mitteilungspflichtig, denn sie berühren die Inhaberschaft an den Aktien und die Stimmrechte nicht (Veil, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 20 ZIP Heft 37/2009, Seite 1763Rz. 14; Emmerich/Habersack, KonzernR, § 20 AktG Rz. 20; Koppensteiner, in: Kölner Komm. z. AktG, 3. Aufl., § 20 Rz. 25; Nolte, in: Bürgers/Körber, AktG, § 20 Rz. 7; Hüffer, AktG, 8. Aufl., § 20 Rz. 3; Segna, AG 2008, 311). Der von den Klägern zitierten, in der Literatur zu den kapitalmarktrechtlichen Meldepflichten nach § 21 WpHG vereinzelt vertretenen abweichenden Auffassung (Heppe, WM 2002, 60, 70; Nottmeier/Schäfer, AG 1997, 87, 89) vermag sich der Senat daher nicht anzuschließen.

Es kann auch offenbleiben, ob die Beklagte ihrer Pflicht nach § 20 Abs. 6 AktG nachgekommen ist, die Meldungen der Hauptaktionärin bekanntzumachen. Denn eine Verletzung der Bekanntmachungspflicht der Gesellschaft aus § 20 Abs. 6 AktG führt nicht zu einem Verlust der Rechte des Hauptaktionärs (Hüffer, a.a.O., § 20 Rz. 9; Veil, a.a.O., § 20 Rz. 47; Nolte, a.a.O., § 20 Rz. 24). § 20 Abs. 6 AktG knüpft nach seinem eindeutigen Wortlaut für den Rechtsverlust nur an die Verletzung der Mitteilungspflichten des Hauptaktionärs (Unternehmen) an.

Eine eventuelle Verletzung der Bekanntmachungspflichten der Gesellschaft wäre auch nicht im Rahmen der Kostenentscheidung zu berücksichtigen. Die Verletzung der Bekanntmachungspflicht durch die Gesellschaft kann zwar im Einzelfall einen Schadensersatzanspruch auslösen (Hüffer, a.a.O., § 20 Rz. 9). Im vorliegenden Fall fehlen aber hierfür die Voraussetzungen. Eine eventuelle Verletzung der Mitteilungspflicht wäre für die den Klägern bei einem Unterliegen entstehenden Kosten nicht ursächlich, da sie die Klage nach Vorlage der Mitteilungen der Hauptaktionärin nicht zurückgenommen oder für erledigt erklärt haben, sondern sie auch auf weitere, hiervon unabhängige Anfechtungsgründe stützen.

1.2 Die Hauptaktionärin war auch nicht deshalb vom Stimmrecht ausgeschlossen, weil sie ihre Aktien nicht rechtzeitig hinterlegt hat.

Nach § 21 der Satzung der Beklagten setzt die Teilnahme an der Hauptversammlung voraus, dass der Aktionär seine Aktien spätestens 7 Tage vor der Hauptversammlung hinterlegt und sie dort bis zur Beendigung der Hauptversammlung belässt. Entgegen der Ansicht des LG ist ein Verstoß gegen diese Satzungsregelung für die Anfechtung nicht folgenlos. Die vom LG zitierte Kommentarstelle (MünchKomm-Kubis, AktG, 3. Aufl., § 123 Rz. 48) betrifft nur den hier nicht vorliegenden Fall, dass die in der Einberufung festgelegte Frist nicht der Satzung entspricht. Die Zulassung eines Aktionärs zur Abstimmung, der die Teilnahmevoraussetzungen nicht erfüllt, führt dagegen dann zur Anfechtbarkeit des Beschlusses, wenn die Stimmabgabe Einfluss auf das Ergebnis der Abstimmung hatte (MünchKomm-Kubis, a.a.O., § 123 Rz. 50; ebenso Reger, in: Bürgers/Körber, AktG, § 123 Rz. 5 und 20).

Ein Verstoß gegen die Teilnahmevoraussetzungen liegt aber nicht vor. Die Hauptaktionärin hat ihre Aktien fristgerecht hinterlegt, was sich aus dem Schreiben der Landesbank Berlin vom 26.6.2008 nebst Anlage ergibt. Der Vorlage des Schreibens in der Berufungsinstanz ist nach § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO zulässig. Es beruht nicht auf Nachlässigkeit, dass die Beklagte diese Unterlage nicht bereits in 1. Instanz vorgelegt hat, da das LG mit Verfügung vom 21.5.2008 darauf hingewiesen hatte, dass es einen eventuellen Verstoß für folgenlos halte.

2. Treuepflicht

Der Senat teilt die Auffassung des LG, wonach der Beschluss nicht bereits deshalb anfechtbar ist, weil der Zeitpunkt der Hauptversammlung treuwidrig ist. Auf die zutreffenden Erwägungen des LG kann Bezug genommen werden. Eine unangemessene Benachteiligung der Kläger durch den Zeitpunkt der Hauptversammlung ist weder hinreichend vorgetragen noch feststellbar.

3. Ausreichende Bankgewährleistung

Der Senat teilt ferner die Auffassung des LG, wonach die Bankgarantie nach § 327b Abs. 3 AktG sich lediglich auf die im Übertragungsbeschluss genannte Barabfindung beziehen muss, nicht aber auch eine eventuelle Erhöhung im Spruchverfahren oder die Verzinsung zu umfassen hat (ebenso Holzborn/Müller, in: Bürgers/Körber, AktG, § 327b Rz. 17; Schnorbus, in: Schmidt/Lutter, AktG, § 327b Rz. 38; a.A. Spindler/Stilz/Singhof, AktG, § 327b Rz. 13; Heidel/Lochner, in: Heidel, AktG, 2. Aufl., § 327b Rz. 14). Ein solches Erfordernis ergibt sich nicht aus § 327b Abs. 3 AktG. Die Beschränkung der Garantie auf die im Übertragungsbeschluss genannte Barabfindung beeinträchtigt den Schutz der Minderheitsaktionäre nur unerheblich und begegnet auch keinen verfassungsrechtlichen Bedenken (BGH ZIP 2005, 2107 = NZG 2006, 117, dazu EWiR 2005, 845 (Linnerz); BVerfG ZIP 2007, 1261 = NZG 2007, 587, 589 f. – Edscha AG, dazu EWiR 2007, 449 (von der Linden/Ogorek)).

Verlagsadresse

RWS Verlag Kommunikationsforum GmbH & Co. KG

Aachener Straße 222

50931 Köln

Postanschrift

RWS Verlag Kommunikationsforum GmbH & Co. KG

Postfach 27 01 25

50508 Köln

Kontakt

T (0221) 400 88-99

F (0221) 400 88-77

info@rws-verlag.de

© 2024 RWS Verlag Kommunikationsforum GmbH & Co. KG

Erweiterte Suche

Seminare

Rubriken

Veranstaltungsarten

Zeitraum

Bücher

Rechtsgebiete

Reihen



Zeitschriften

Aktuell