OLG München: Beweislast des Pfandnehmers für Zugang der Verpfändungsanzeige beim Drittschuldner außerhalb des anfechtungsrechtlich entscheidenden Zeitraums

20.02.2009

InsO § 131; BGB §§ 1274, 1280

Beweislast des Pfandnehmers für Zugang der Verpfändungsanzeige beim Drittschuldner außerhalb des anfechtungsrechtlich entscheidenden Zeitraums

OLG München, Urt. v. 11. 3. 2008 – 5 U 3897/07

Leitsatz des Gerichts:

Der Pfandnehmer hat den Zugang der Verpfändungsanzeige beim Drittschuldner außerhalb des kritischen Zeitraums nachzuweisen, da der Zugang unabdingbare Wirksamkeitsvoraussetzung einer Forderungsverpfändung ist.

Gründe:

I. Der Kläger ist Verwalter in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin. Das Insolvenzverfahren wurde am 28.3.2002 auf Antrag der Schuldnerin vom 30.1.2002, eingegangen bei Gericht am 5.2.2002, wegen Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung eröffnet.

Die Beklagte hatte der Schuldnerin seit 1995/96 einen Betriebsmittelkredit bis zu einer Kreditlinie von 2 Mio. DM zur Verfügung gestellt. Zur Absicherung hatte der Minderheitsgesellschafter der Schuldnerin eine persönliche Bürgschaft übernommen. Im Sommer 2001 forderte die Beklagte, gestützt auf Nr. 13 ihrer AGB, von der Schuldnerin eine Nachbesicherung für die Fortführung des Betriebsmittelkredits mit einer um 1 Mio. DM gekürzten Kreditlinie. Die Vermögensverhältnisse des Bürgen hatten sich erheblich verschlechtert. Es zeichneten sich Verluste im Millionenbereich aus dessen unternehmerischer Tätigkeit als Einzelunternehmer ab, wie die Beklagte aufgrund ihrer geschäftlichen Verbindung auch mit dem Bürgen und dessen Unternehmen wusste.

Daraufhin verpfändete die Schuldnerin der Beklagten mit schriftlichem Vertrag vom 24.10.2001 ihre Forderungen gegen die D. i.H. v. 1.016.695,21 €, über die zu diesem Zeitpunkt ein Rechtsstreit anhängig war.

Die Verpfändung zeigte die Beklagte im Auftrag der Schuldnerin der D. mit Schreiben vom 29.10.2001 an. Sie bezeichnete hierin die Verpfänderin richtig als S., gab aber deren Anschrift unzutreffend an. Die Drittschuldnerin erwiderte am 8.11.2001, ihr sei die S. mit einer solchen Adresse nicht bekannt. Unter dem 14.11.2001 teilte die Beklagte erneut die Verpfändung mit, nunmehr jedoch mit dem zutreffenden Sitz der Schuldnerin. Die Drittschuldnerin bestätigte den Eingang der Verpfändungsanzeige am 19.11.2001. Nach Einigung mit der Schuldnerin zahlte die Drittschuldnerin den Vergleichsbetrag von 603.017,81 € mit Zustimmung des Klägers in der Interimsvereinbarung vom 9.8.2002 an die Beklagte aus.

Der Kläger fordert von der Beklagten diesen Betrag nebst Zinsen heraus. Er hält die Verpfändung für unwirksam, zudem ficht er die Verpfändung nach §§ 131, 133, 134 InsO an. Das LG hat die Klage abgewiesen. Mit der Berufung verfolgt der Kläger sein Rückzahlungsverlangen weiter.

II. Die Berufung erweist sich in der Sache als begründet. Dem Kläger steht ein Rückgewähranspruch aus § 131 Abs. 1 Nr. 2, § 143 Abs. 1 InsO zu.

1. Dem Kläger war gem. §§ 233, 236 ZPO Wiedereinsetzung in die versäumte Berufungs- und Berufungsbegründungsfrist zu gewähren, da er an der rechtzeitigen Einlegung und Begründung des Rechtsmittels ohne Verschulden verhindert war und die Rechtsmitteleinlegung nebst Begründung rechtzeitig nachgeholt hat. (Wird ausgeführt.)

2. Ohne Erfolg greift die Berufung das landgerichtliche Urteil allerdings an, als darin ein bereicherungsrechtlicher Anspruch aus § 816 Abs. 2 BGB abgelehnt wurde. Die Beklagte hat ein Pfandrecht an den verfahrensgegenständlichen Forderungen der Schuldnerin gegen die Drittschuldnerin gem. § 1274 Abs. 1, § 1280 BGB erworben.

Aus dem Verpfändungsvertrag, der Anzeige vom 29.10.2001, dem Antwortschreiben der Drittschuldnerin und der erneuten Anzeige der Verpfändung vom 14.11.2001 nebst Empfangsbestätigung der Drittschuldnerin vom 19.11.2001 ergibt sich zur Überzeugung des Senats die Verpfändung der Forderungen gegen die Drittschuldnerin durch die Schuldnerin und deren Anzeige durch die Beklagte im Auftrag der Schuldnerin jedenfalls aus dem der Drittschuldnerin am 19.11.2001 vorliegenden Schreiben vom 14.11.2001.

Damit ist ein Pfandrecht zu Gunsten der Beklagten an den Forderungen der Schuldnerin gegen die Drittschuldnerin wirksam entstanden (vgl. BGH, Urt. v. 11.12.1997 – IX ZR 341/95, BGHZ 137, 267, 283 f. = ZIP 1998, 257, dazu EWiR 1998, 219 (Henckel)).

3. Diese Verpfändung erweist sich jedoch als inkongruente Deckung gem. § 131 Abs. 1 Nr. 2 InsO anfechtbar.

3.1 Die Beklagte kann sich nicht mit Erfolg auf ihren Nachbesicherungsanspruch aus Nr. 13 der AGB berufen.

Hat ein Schuldner die Sicherung der Forderung zugesagt, so stellt eine dem Gläubiger später gewährte Sicherheit eine inkongruente Deckung dar, wenn die Abrede so unbestimmt war, dass sie keinen klagbaren Anspruch auf Übertragung des konkreten Sicherungsguts gab (BGH, Urt. v. 3.4.1968 – VIII ZR 23/66, MDR 1968, 664, noch zur KO). Auch wenn eine Bank nach ihren AGB ihren Kunden gegenüber unter bestimmten Voraussetzungen Anspruch auf die Bestellung oder Verstärkung bankmäßiger Sicherheiten hat, so stellt doch eine vom Gemeinschuldner nachträglich bestellte Sicherheit eine inkongruente Deckung dar (BGH, Urt. v. 2.7.1969 – VIII ZR 96/67, NJW 1969, 1718, ebenfalls zur KO). Nur ausreichend konkrete Vereinbarungen, die dem Gläubiger einen Anspruch auf bestimmte oder gegenständlich bestimmbare Sicherheiten gibt, sind geeignet, insolvenzrechtliche Kongruenz herzustellen. Absprachen, die es dem Ermessen der Beteiligten überlassen, welche konkrete Sicherheit bestellt wird, rechtfertigen die Besserstellung einzelner Gläubiger unter Durchbrechung des Gleichbehandlungsgrundsatzes nicht (BGH, Urt. v. 7.3.2002 – IX ZR 223/01, ZIP 2002, 812 = ZVI 2002, 106, dazu EWiR 2002, 685 (Ringstmeier/Rigol); BGHZ 137, 267, 283 f. = ZIP 1998, 257).

Zudem ist keine Gegenleistung der Beklagten für die nachträgliche Sicherheitenbestellung vorgetragen oder ersichtlich (vgl. ZIP 2009, Seite 331BGH, Urt. v. 5.2.1998 – IX ZR 43/97, ZIP 1998, 513, dazu EWiR 1998, 697 (Paulus)).

3.2 Die auf § 131 Abs. 1 Nr. 2 InsO gestützte Anfechtung führt zum Erfolg. Die anfechtbare Handlung ist innerhalb der kritischen Zeit, nämlich im 3. Monat vor dem Eröffnungsantrag vorgenommen worden und die Schuldnerin ist zu dieser Zeit zahlungsunfähig gewesen.

3.2.1 Der Senat folgt dem LG darin nicht, dass die unter dem 29.10.2001 ausgefertigte Verpfändungsanzeige geeignet gewesen sei, die Rechtswirkungen der Verpfändung zum Entstehen zu bringen. Sowohl in dem Anschreiben an die Drittschuldnerin als auch in der Verpfändungsurkunde selbst ist die Schuldnerin zwar mit der richtigen Firma, aber mit unzutreffender Sitzbezeichnung benannt. Zwar wäre die Angabe des Sitzes nicht zwingend erforderlich gewesen, solange die Schuldnerin allein durch die Firmenbezeichnung sicher identifiziert werden kann. Die dennoch zur Identifizierung des Verpfänders zusätzlich zur Firma aufgenommene Sitzangabe machte die Bezeichnung der Schuldnerin jedoch widersprüchlich und zweifelhaft. Selbst wenn ein Unternehmen mit gleicher Firma unter der in der Verpfändung angegebenen Adresse nicht existiert, die Drittschuldnerin auch sogleich die richtige Schuldnerin als Verpfänderin vermutet hat, zeigt doch das Antwortschreiben auf, dass zur Ausräumung von Unsicherheiten eine Nachfrage für geboten und Klärung für erforderlich gehalten wurde.

Im Hinblick auf die Bedeutung der Verpfändung kann auch nicht ohne Weiteres mit dem LG argumentiert werden, dieser Klärungsbedarf sei nur vorgeschoben gewesen. Für die Drittschuldnerin lag zwar der Schluss auf die Identität der Verpfänderin schon angesichts der Bezeichnung der abgetretenen Ansprüche, insbesondere der Forderung auf Verlustausgleich aus Übernahmevertrag, nahe. Schon zur Vorbeugung etwaiger späterer Einwendungen der Schuldnerin bestand bei der Drittschuldnerin dennoch ein berechtigtes Interesse an einer zweifelsfreien Bezeichnung des ihr angezeigten Rechtsgeschäfts, was neben der Bezeichnung der verpfändeten Forderung auch die klare Bezeichnung des Gläubigers dieser Forderung, also des Verpfänders voraussetzt, denn die Verpfändungsanzeige ist mehr als nur eine Übermittlung des Verpfändungsvertrags zur Kenntnisnahme. Aus der Anzeige muss vielmehr hervorgehen, dass der Verpfänder die Verpfändung, über welche er informiert, gegen sich gelten lassen will. Die unklare und in sich widersprüchliche Bezeichnung des Verpfänders genügt dem selbst dann nicht, wenn die Unklarheit erst durch Zusätze entstanden ist, welche entbehrlich gewesen wären, und ihr Fehlen keine Nachteile nach sich gezogen hätte.

Anderes mag gelten, wenn trotz unrichtiger oder ungenauer Bezeichnung für die Beteiligten einschließlich des Drittschuldners die Person des Verpfänders zweifelsfrei feststeht. Dass dem vorliegend nicht so war, ergibt sich aus dem Antwortschreiben der Drittschuldnerin vom 8.11.2001.

Die erstmals taugliche Verpfändungsanzeige erfolgte daher mit dem unter dem 14.11.2001 ausgefertigten Schreiben der Beklagten, dessen Erhalt die Drittschuldnerin am 19.11.2001 bestätigt hat, mithin im 3-Monats-Zeitraum des § 131 Abs. 1 Nr. 2 InsO.

3.2.2 Selbst wenn man die unter dem 29.10.2001 gefertigte Verpfändungsanzeige für tauglich und der Vorschrift des § 1280 BGB genügend halten würde, hätte der Kläger dargetan, dass die Verpfändung Rechtswirksamkeit erst im Zeitraum nach dem 4.11.2001, also in dem gem. § 139 Abs. 1 Satz 1 InsO mit dem 5.11.2001 beginnenden 3-Monats-Zeitraum, erlangt hat.

Maßgeblich ist nach § 140 Abs. 1 InsO der Zeitpunkt des Zugangs der Anzeige bei der Drittschuldnerin. Die Verpfändungsanzeige nach § 1280 BGB stellt eine nicht abdingbare Wirksamkeitsvoraussetzung für die Entstehung des Pfandrechts dar (BGHZ 137, 267, 278 = ZIP 1998, 257). Auf diesen letzten Teilakt des Rechtsentstehungstatbestands ist daher abzustellen.

Die Beklagte, die den Nachweis für die Rechtsentstehung durch – vom Kläger bestrittenen – Zugang der Anzeigen führt, belegt mit ihren Unterlagen einen Rechtserwerb erst zu einem Zeitpunkt innerhalb des kritischen Zeitraums. Das Antwortschreiben der Drittschuldnerin vom 8.11.2001 beweist zwar den Eingang der Verpfändungsanzeige vom 29.10.2001. Damit steht ein Zugang bei der Drittschuldnerin aber nur zum 8.11.2001 fest, nicht aber früher.

3.2.3 Dafür, dass die Beklagte ihr Recht bereits zu einem früheren Zeitpunkt erworben hat, der vor dem aus der vorgelegten Anlage hervorgehenden Zeitpunkt und außerhalb der kritischen Zeit liegt, hat die Beklagte den ihr entgegen ihrer Ansicht obliegenden Beweis nicht geführt.

Nachdem der Kläger unter Bezugnahme auf die Antwort der Drittschuldnerin vom 8.11.2001 eine in den 3-Monats-Zeitraum des § 131 Abs. 1 Nr. 2 InsO fallende Rechtshandlung vorgetragen und damit seiner Darlegungs- und Beweislast genügt hat (MünchKomm-Kirchhof, InsO, 2. Aufl., § 140 Rz. 54), war es an der Beklagten, einen vor dem 5.11.2001 liegenden Zeitpunkt vorzutragen und damit einen für sie günstigen Zeitpunkt nachzuweisen (BGH, Urt. v. 5.2.1998 – IX ZR 43/97, ZIP 1998, 513 = VIZ 1998, 338, 339). Die Beklagte übersieht hierbei, dass ihr Pfandrecht nicht schon mit der Verpfändung vom 24.10.2001, sondern nach § 1280 BGB überhaupt erst mit der Anzeige hiervon zur Entstehung gekommen ist (BGHZ 137, 267, 278 = ZIP 1998, 257). Darüber hinaus hatte es die Beklagte selbst in der Hand, als insoweit von der Schuldnerin Beauftragte den Zeitpunkt des Zugangs der Anzeige bei der Drittschuldnerin festhalten zu lassen, sei es durch Zustellung, durch Überbringung mit Boten oder auch durch Einschreiben mit Rückschein. Es ist daher anerkannt, dass für Tatsache und Zeitpunkt des Zugangs einer Erklärung der Absender die Beweislast trägt (BGHZ 70, 232, 234; Zöller/Greger, ZPO, 26. Aufl., § 284 Rz. 19). Denn wenn der Zugang einer Anzeige wie hier Wirksamkeitserfordernis ist, wäre es widersprüchlich, ihre Absendung zum Nachteil des Empfängers auch dann Rechtswirkungen entfalten zu lassen, wenn die Frage des Zugangs offenbleibt (so ausdrücklich für die Mängelanzeige BGH, Urt. v. 13.5.1987 – VIII ZR 137/86, BGHZ 101, 49, 54 = ZIP 1987, 852, dazu EWiR 1987, 1007 (Werner)).

Angesichts dieser Voraussetzungen kann der Beklagten der Vortrag, ihre Mitarbeiterin M. habe noch am 29.10.2001 die ZIP 2009, Seite 332Verpfändungsanzeige in den Postauslauf gebracht, nicht weiterhelfen.

3.3 Zum 8.11.2001 war die Schuldnerin auch zahlungsunfähig. (Wird ausgeführt.)

3.4 Dass sich die Verpfändung vorliegend gläubigerbenachteiligend, § 129 Abs. 2 InsO, ausgewirkt hat, liegt auf der Hand (vgl. BGH, Urt. v. 12.11.1992 – IX ZR 237/91, ZIP 1993, 271 = WM 1993, 264, dazu EWiR 1993, 61 (Gerhardt); BGH, Urt. v. 7.2.2002 – IX ZR 115/99, ZIP 2002, 489) und bedarf keiner näheren Darlegung.

4. Darauf, dass die vom Kläger vorgetragenen Tatsachen auch ausreichend sind, um eine Insolvenzanfechtung nach § 133 InsO zu begründen, kommt es daher nicht mehr an. Die hierzu angebotenen Zeugen waren nicht zu hören.

5. Der Rückgewähranspruch ist gemäß der Vereinbarung von der Beklagten ab dem Tag des Geldeingangs bei ihr am 25.9.2002 mit dem gesetzlichen Zinssatz zu verzinsen, mithin gem. § 288 Abs. 1 BGB mit 5 Prozentpunkten über dem Basiszins. Der höhere gesetzliche Zinssatz des § 288 Abs. 2 BGB kommt nicht zur Anwendung, da der Rückgewähranspruch keine Entgeltforderung im Sinne dieser Vorschrift ist. Wegen der zuviel geforderte Zinsen waren die Klage und die Berufung daher abzuweisen.

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