OLG München: Keine Genehmigungsfiktion für Lastschriften bei öffentlicher Bekanntmachung der Insolvenzverwalterbestellung innerhalb der Widerspruchsfrist

03.02.2009

InsO §§ 9, 21, 22, 23, 27, 30; AGB-Bk Nr. 7 Abs. 3

Keine Genehmigungsfiktion für Lastschriften bei öffentlicher Bekanntmachung der Insolvenzverwalterbestellung innerhalb der Widerspruchsfrist

OLG München, Urt. v. 13. 1. 2009 – 5 U 2379/08

Leitsatz des Gerichts:

Die Genehmigungsfiktion der Nr. 7 Abs. 3 AGB-Bk wird durch die öffentliche Bekanntmachung der Bestellung eines vorläufigen oder endgültigen Insolvenzverwalters zerstört, wenn zum Zeitpunkt, zu dem die öffentliche Bekanntmachung gem. § 9 Abs. 1 Satz 3 InsO als bewirkt gilt, die Sechswochen-Frist nach Zugang des Rechnungsabschlusses nach Nr. 7 Abs. 3 AGB-Bk noch nicht abgelaufen war (Abweichung sowohl von BGH, Urt. v. 25.10.2007 – IX ZR 217/06, ZIP 2007, 2273 = NJW 2008, 63 als auch von BGH, Urt. v. 10.6.2008 – XI ZR 283/07, ZIP 2008, 1977 = NJW 2008, 3348).

Gründe:

I. Das LG Ingolstadt hat am 7.2.2008 die beklagte Bank verurteilt, die von dem bei ihr geführten Konto der nachmaligen Schuldnerin X. GmbH im Wege des Einzugsermächtigungsverfahrens zwischen dem 9.1. und 13.4.2006 abverfügten Beträge von insgesamt 15.401,14 € nebst Zinsen an den Kläger als Insolvenzverwalter über das Vermögen der Schuldnerin zu bezahlen.

Hiergegen hat der Nebenintervenient unter Beitritt zum Rechtsstreit auf Seiten der Beklagten für diese Berufung eingelegt und beantragt, das Ersturteil hinsichtlich der Abbuchungen vom 9., 13. und 16.1.2006 mit einer Gesamtsumme von 3.757,76 € abzuändern und insoweit die Klage abzuweisen. Der Nebenintervenient, vertreten durch seine Finanzverwaltung, trägt vor, er habe die von der nachmaligen Schuldnerin unter Verzicht auf einen Widerruf elektronisch angemeldete Umsatzsteuer für November 2005 i.H. v. 1.416,95 € und Lohnsteuer für Dezember 2005 i.H. v. 2.315,78 € wie angemeldet festgesetzt und diese wie auch den Verspätungszuschlag von 25 € bzgl. der Lohnsteuer 10/2005 per Lastschrift im Einzugsermächtigungsverfahren von dem o.g. Konto der nachmaligen Schuldnerin eingezogen. Der Geschäftsverbindung der Schuldnerin zur Beklagten habe Nr. 7 AGB-Bk zugrunde gelegen, nach deren Absatz 3 der Kunde, soweit er eine Belastungsbuchung aus einer Lastschrift, für die er dem Gläubiger eine Einzugsermächtigung erteilt hat, nicht schon genehmigt hat, Einwendungen gegen diese im Saldo des nächsten Rechnungsabschlusses enthaltene Belastungsbuchung spätestens vor Ablauf von sechs Wochen nach Zugang des Rechnungsabschlusses zu erheben hat, andernfalls die Belastung als genehmigt gilt. Nachdem die Beklagte am 1.4.2006 einen entsprechenden Abschluss zum 31.3.2006 unter Hinweis auf diese Genehmigungsfiktion vorgenommen hat, habe der Kläger diese Abbuchungen zu seinen, des Nebenintervenienten, Gunsten am 3.8.2006 nicht mehr widerrufen können. Der Nebenintervenient bezieht sich hierbei auf das Urteil des XI. Zivilsenats des BGH ZIP 2008, 1977 (m. Anm. Bork, S. 1984 u. Haas, S. 1985 u. Bespr. Schulte-Kaubrügger, S. 2348) = ZVI 2008, 477 = NJW 2008, 3348, dazu EWiR 2008, 625 (Chr. Keller), wonach die Genehmigungsfiktion auch für den vorläufigen Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt gelte.

Der Kläger ist vom AG zunächst am 2.5.2006 im Rahmen der Anordnung der vorläufigen Insolvenzverwaltung zum vorläufigen Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt und dann am 25.7.2006 unter Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin zum Insolvenzverwalter bestellt worden und sieht sich unter Bezugnahme auf das Urteil des IX. Zivilsenats des BGH ZIP 2007, 2273 (m. Bespr. Jungmann, ZIP 2008, 295) = ZVI 2008, 64 = NZI 2008, 27 auch noch am 3.8.2006 zur Verweigerung seiner Zustimmung zu den noch streitgegenständlichen Belastungsbuchungen aufgrund von Nr. 7 Abs. 3 AGB-Bk als berechtigt an.

Die Anordnung der vorläufigen Insolvenzverwaltung und Bestellung des Klägers zum vorläufigen Insolvenzverwalter vom 2.5.2006 ist einen Tag später unter www.insolvenzbekanntmachungen.de im Internet veröffentlicht worden.

II. Die vom Nebenintervenienten für die Beklagte eingelegte Berufung ist nicht begründet. Die noch streitgegenständlichen Abbuchungen vom Konto der Schuldnerin bei der Beklagten gelten nicht nach Nr. 7 Abs. 3 der AGB-Bk als durch die Schuldnerin oder den Kläger genehmigt. Der Kläger konnte daher noch am 3.8.2006 ausdrücklich seine Zustimmung zu diesen Abbuchungen verweigern und kann jetzt deren Rückabwicklung und die Auszahlung des Gegenwerts an sich als nunmehrigen endgültigen Insolvenzverwalter verlangen.

1. Nach Auffassung dieses Senats greift Nr. 7 Abs. 3 der AGB-Bk in den Fällen, in denen vom Insolvenzgericht ein Insolvenzverwalter bestellt worden ist, sei es nun ein mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens gem. § 27 Abs. 2 Nr. 2 und § 56 InsO dauerhaft bestellter, ein vorläufiger „starker“ mit Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis gem. § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, § 22 Abs. 1 Satz 1 und § 56 InsO oder auch nur ein „schwacher“ Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt gem. § 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2 InsO, nicht durch, soweit die Sechswochen-Frist gemäß dieser Geschäftsbedingung an dem Tag, an dem die Bestellung eines solchen Insolvenzverwalters als öffentlich bekannt gemacht gilt, noch nicht abgelaufen war.

Die Genehmigungsfiktion der Nr. 7 Abs. 3 AGB-Bk wird durch die öffentliche Bekanntmachung der Bestellung eines vorläufigen oder endgültigen Insolvenzverwalters aufgrund des § 23 Abs. 1 Satz 1 und § 30 Abs. 1 InsO zerstört, die nach § 9 Abs. 1 Satz 3 InsO als bewirkt gilt, sobald nach dem Tag der Veröffentlichung zwei weitere Tage verstrichen sind. Mit dem Eröffnungsbeschluss oder der Anordnung von Sicherungsmaßnahmen nach § 21 InsO und deren öffentlicher Bekanntmachung hat das Insolvenzgericht nach außen kundgetan, dass es eine geordnete Abwicklung des Vermögens des Schuldners im Rahmen eines Insolvenzverfahrens für notwendig hält. Damit hat es weiter der Öffentlichkeit mitgeteilt, dass für das Vermögen des Schuldners ab sofort nicht mehr allein die individuellen Rechtsbeziehungen zwischen dem Schuldner und seinen jeweiligen Gläubigern zur Anwendung kommen, sondern nunmehr auch der für das Insolvenzverfahren geltende Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung gilt, gemäß dem grundsätzlich keine Forderungen mehr erfüllt und deshalb auch keine Lastschriften im Einzugsermächtigungsverfahren mehr genehmigt werden. Für Kapitalgesellschaften und Personengesellschaften ohne eine natürliche Person als persönlich haftendem Gesellschafter hat dies der Gesetzgeber durch das bereits ab Eintritt der Zahlungsunfähigkeit als all-ZIP 2009, Seite 232gemeinem Eröffnungsgrund nach § 17 Abs. 1 InsO normierte Zahlungsverbot besonders deutlich in den Vorschriften der § 92 Abs. 2 AktG (bis 31.10.2008 § 92 Abs. 3 AktG), § 64 Satz 1 GmbHG (bis 31.10.2008 § 64 Abs. 2 GmbHG) und § 130a Abs. 2, § 161 Abs. 2 und § 177a Satz 1 HGB zum Ausdruck gebracht (BGH ZIP 2007, 2273 = ZVI 2008, 64 = NZI 2008, 27). Nr. 7 Abs. 3 AGB-Bk wird damit durch die zwingenden Regelungen der InsO verdrängt.

Dieser Senat vermag sich daher weder der Rechtsauffassung des IX. Zivilsenats des BGH ZIP 2007, 2273 = ZVI 2008, 64 = NZI 2008, 27, 29 hinsichtlich der Wirksamkeit der Nr. 7 Abs. 3 AGB-Bk für den vorläufig „starken“ und den endgültigen Insolvenzverwalter – anders allerdings im Ergebnis für den vorläufigen „schwachen“ Insolvenzverwalter (BGH ZIP 2007, 2273 = ZVI 2008, 64 = NZI 2008, 27, 30) – noch der Rechtsauffassung des XI. Zivilsenats des BGH ZIP 2008, 1977 = ZVI 2008, 477 = NJW 2008, 3348, 3352 anzuschließen. Mit der hier vertretenen Auffassung wird zum einen die vom XI. Zivilsenat des BGH gerügte unterschiedliche Behandlung zwischen dem vorläufigen „starken“ und endgültigen Insolvenzverwalter einerseits und dem vorläufigen „schwachen“ Insolvenzverwalter andererseits vermieden, die sich weder aus der Geschäftsbeziehung des Schuldners zu seiner Bank noch aus der Funktion des jeweiligen Insolvenzverwalters für die anstehende gleichmäßige Behandlung der Gläubiger rechtfertigen lässt. Darüber hinaus wird mit der hier vertretenen Auffassung aber entgegen dem XI. Zivilsenat des BGH und mit dem IX. Zivilsenat des BGH den zwingenden Regeln der InsO zum Durchbruch verholfen. Dies stellt der XI. Zivilsenat des BGH im Urteil vom 10.6.2008 (ZIP 2008, 1977 = ZVI 2008, 477 = NJW 2008, 3348, 3352) unzutreffend in Abrede, wenn er ausführt, der Insolvenzverwalter trete in die bestehende Rechtslage ein und sei grundsätzlich an die vom Schuldner getroffenen Abreden gebunden, eine Ausnahme hiervon ergebe sich weder aus den Bestimmungen der InsO noch aus übergeordneten Zwecken des Insolvenzverfahrens. Im Übrigen dürfte die hier vertretene Auffassung auch zu einer rascheren und eindeutigen Handhabung führen, haben doch die Banken aufgrund der öffentlichen Bekanntmachung die Möglichkeit, den jeweiligen Insolvenzverwalter sogleich zu einer Erklärung über Genehmigung oder Nichtgenehmigung der im Einzugsermächtigungsverfahren abgebuchten Lastschriften zu zwingen.

2. Vorliegend war die Sechswochen-Frist nach Nr. 7 Abs. 3 AGB-Bk für den Abschluss zum 31.3.2006 an dem Tag, an dem die Bestellung des Klägers als vorläufiger Insolvenzverwalter als nach § 9 Abs. 1 Satz 3 InsO als öffentlich bekannt gemacht galt, dem 6.5.2006, noch nicht abgelaufen. Entsprechend den obigen Ausführungen gelten mithin die noch streitgegenständlichen Abbuchungen nicht nach Nr. 7 Abs. 3 AGB-Bk genehmigt.

3. Das Geltendmachen der fehlenden Genehmigung der noch streitgegenständlichen Abbuchungen durch den Kläger am 3.8.2006 ist weder grundsätzlich rechts- und sittenwidrig (BGH ZIP 2007, 2273 = ZVI 2008, 64 = NZI 2008, 27) noch in den streitgegenständlichen Einzelfällen treuwidrig. Insoweit liegen keine Bargeschäfte i.S. d. § 142 InsO vor. Zahlungen an den Fiskus wären auch nicht mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns nach der damals gültigen Vorschrift des § 64 Abs. 2 Satz 2 GmbHG vereinbar, nachdem der Vorrang des Fiskus bei der Befriedigung in der KO durch den Gesetzgeber der InsO abgeschafft worden ist. Im Übrigen kann der Streithelfer nicht einwenden, die nachmalige Schuldnerin habe auf ihr Widerrufsrecht bei den zugrunde liegenden Voranmeldungen bzw. Anmeldungen ausdrücklich verzichtet. Damit ist lediglich das Festhalten an der Zustimmung zur Teilnahme am Lastschriftverfahren erklärt worden. Eine Zustimmung zur Kontobelastung ist nach dem maßgeblichen Erklärungswert genauso wenig zu erkennen wie gar ein Verzicht auf den Widerruf der Lastschrift. Die Belastung des Schuldnerkontos wird erst durch Genehmigung des Schuldners wirksam (BGH ZIP 2007, 2273 = ZVI 2008, 64 = NZI 2008, 27, 28, Rz. 12; BGH ZIP 2008, 1977 = ZVI 2008, 477 = NJW 2008, 3348, 3350, Rz. 21).

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