OLG München: Squeeze out trotz Verpfändung der Aktien des Mehrheitsaktionärs

11.03.2009

AktG §§ 327a ff., 327e Abs. 2, § 319 Abs. 6, §§ 121, 135

Squeeze out trotz Verpfändung der Aktien des Mehrheitsaktionärs

OLG München, Beschl. v. 12. 11. 2008 – 7 W 1775/08

Leitsätze des Gerichts:

1. Eine Formulierung in der Einladung zur Hauptversammlung, wonach den zur Teilnahme berechtigten Personen Eintrittskarten übermittelt werden, stellt, auch wenn die Satzung als Voraussetzung lediglich die Hinterlegung der Aktien vorsieht, keine satzungswidrige Einschränkung der Teilnahmerechte der Aktionäre und keinen Ladungsmangel dar, da die Übermittlung der Eintrittskarte die Teilnahmeberechtigung, wie sie die Satzung vorschreibt, voraussetzt.

2. Sieht die Satzung einer Aktiengesellschaft vor, dass für die Bevollmächtigung von Stimmrechtsvertretern neben der Schriftform auch die Möglichkeit der Erteilung der Vollmacht per Telefax besteht, liegt ein die Anfechtbarkeit des Hauptversammlungsbeschlusses begründender Ladungsmangel nicht vor, wenn sich aus dem Gesamtkontext der Einladung eindeutig ergibt, dass die Bevollmächtigung des Stimmrechtsvertreters auch in Telefaxform möglich ist. Entscheidend hierfür ist insbesondere, dass in der Einladung neben der Adresse der Gesellschaft auch ausdrücklich die Telefaxnummer angegeben ist.

3. Die Verpfändung von Aktien steht einem Übertragungsverlangen nach § 327a Abs. 1 AktG nicht entgegen, da die Verpfändung an der Vollrechtsinhaberschaft des Aktionärs in der Regel nichts ändert und dann bei der Berechnung des Quorums von 95 % unberücksichtigt bleibt.

Gründe:

A. Die Hauptversammlung der Antragstellerin und Beschwerdegegnerin, eine seit dem Vollzug eines Delistingbeschlusses seit 12.7.2005 nicht mehr börsennotierte AG, beschloss am 24.1.2008 unter Tagesordnungspunkt 6, die Aktien der Minderheitsaktionäre der Beschwerdegegnerin gemäß dem Verfahren zum Ausschluss von Minderheitsaktionären nach §§ 327a ff. AktG gegen Gewährung einer Barabfindung von 11,88 € je Aktie der Antragstellerin auf den Hauptaktionär, die O. Inc., Kanada, zu übertragen. Gegen den Übertragungsbeschluss haben Aktionäre Anfechtungs-/Nichtigkeitsklagen beim LG München I erhoben. Die verbundenen Verfahren waren dort unter Az. 5 HK O 2522/08 anhängig, das LG hat die Klagen mit Urteil vom 28.8.2008 kostenpflichtig abgewiesen (ZIP 2009, 420 (LS), nachstehend). Die hiergegen eingelegten Berufungen sind vor dem Senat anhängig (7 U 4552/08).

Die Beschwerdegegnerin hat aufgrund der Anfechtungsklagen am 27.3.2008 das vorliegende Freigabeverfahren nach § 327e Abs. 2 i.V.m. § 319 Abs. 6 Satz 1 AktG eingeleitet. Das LG München I hat durch Beschluss vom 8.5.2008 dem Freigabeantrag stattgegeben und festgestellt, dass die von den Beschwerdeführern vor dem LG München I gegen den Squeeze-out-Beschluss erhobenen Anfechtungs- und Nichtigkeitsklagen dessen Eintragung in das Handelsregister nicht entgegenstehen. Gegen den Freigabebeschluss des Erstgerichts wenden sich eine Reihe von Antragsgegnern mit den vorliegenden sofortigen Beschwerden.

Im Vorfeld sowie zur Vorbereitung der streitgegenständlichen Hauptversammlung erfolgte eine Vielzahl von Maßnahmen, Beschlüssen durch Aufsichtsrat und Vorstand sowie vertraglichen Vereinbarungen, die für das vorliegende Verfahren ebenso von Belang sind wie die im elektronischen Bundesanzeiger veröffentlichte Bekanntmachung der Einberufung der Hauptversammlung. Sie sollen im Folgenden kurz skizziert werden:

Die Antragstellerin als beherrschte und O. als herrschende Gesellschaft hatten bereits am 1.12.2004 einen wirksamen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag geschlossen. Mit Vertrag vom 24.10.2006 verpfändete O. die von ihr zu diesem Zeitpunkt gehaltenen Aktien zur Sicherung eines Darlehens an ein Bankkonsortium unter Führung der R. Bank of Canada.

O. übermittelte mit Schreiben vom 31.10.2007 dem Vorstand der Antragstellerin das Verlangen, die notwendigen Schritte zu ergreifen, damit die Hauptversammlung der Antragstellerin die Übertragung der von den Minderheitsaktionären der Antragstellerin gehaltenen Aktien auf O. gegen eine Gewährung einer angemessenen Barabfindung beschließen könne. Die von O. beauftragte Wirtschaftsprüfungsgesellschaft D. & T. ermittelte ab 5.10.2007 den Unternehmenswert der Antragstellerin als Grundlage für die Abfindung. Auf der Basis dieser Ermittlungen legte O. einen Übertragungsbericht mit Datum vom 11.12.2007 vor, der einen Abfindungsbetrag i.H. v. 11,88 € je Aktie auswies. Durch Beschluss (5 HK O 21402/07) vom ZIP 2009, Seite 41716.11.2007 bestellte das LG München I die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft R. & P. zum Prüfer für die Überprüfung der Angemessenheit einer zu gewährenden Barabfindung. Der Prüfungsbericht wurde unter dem 12.12.2007 erstellt.

Am 6.12.2007 erhielt der Vorstand der Antragstellerin ein von S.P., der als „Secretary“ der O. bezeichnet wurde, unterzeichnetes Schreiben, in dem dieser unter Bezugnahme auf das Ersuchen vom 31.10.2007 darum bat, auf die Tagesordnung der für den 24.1.2008 vorgesehenen Hauptversammlung den Tagesordnungspunkt „Beschlussfassung über die Übertragung der Aktien der Minderheitsaktionäre der I. auf die O. als Hauptaktionär gegen Gewährung einer angemessenen Barabfindung gem. §§ 327a ff. AktG“ aufzunehmen. Außerdem wurden Vorstand und Aufsichtrat der Antragstellerin ersucht, zu diesem Tagesordnungspunkt den nachfolgenden Beschlussvorschlag zu machen: „Die auf den Inhaber lautenden Stückaktien der übrigen Aktionäre der I. Software AG (Minderheitsaktionäre) werden gemäß dem Verfahren zum Ausschluss von Minderheitsaktionären (§§ 327a ff. AktG) gegen Gewährung einer von dem Hauptaktionär zu zahlenden Barabfindung i.H. v. 11,88 € für jede auf den Inhaber lautenden Stückaktie der I. Software AG auf den Hauptaktionär, die O. Inc. mit Sitz in Waterloo, Kanada, übertragen.“ Der Aufsichtsrat der Antragstellerin fasste am 7.12.2007 folgenden Beschluss: „Der Aufsichtsrat beschloss einstimmig, mit dem Squeeze out fortzufahren, den Squeeze out auf die Tagesordnung der Jahreshauptversammlung zu setzen und alle erforderlichen Unterlagen zu veröffentlichen, vorbehaltlich des tatsächlichen Vorliegens der S.-Garantie vor dem 13.12.2007.“

Der elektronische Bundesanzeiger veröffentlichte am 17.12.2007 die Bekanntmachung der Antragstellerin bezüglich der Einberufung der Hauptversammlung am 24.1.2008, in der nähere Angaben u.a. und insbesondere zu TOP 6 „Beschlussfassung über die Übertragung der Aktien der Minderheitsaktionäre der I. auf die O. als Hauptaktionär gegen Gewährung einer angemessenen Barabfindung gem. §§ 327a ff. AktG“ sowie zu den Voraussetzungen der Teilnahme an der Hauptversammlung und zur Stimmrechtsvertretung erfolgten.

Am 24.1.2008 fand die Hauptversammlung der Antragstellerin statt, an der die Antragsgegner entweder persönlich oder durch Vertreter teilnahmen. Die Hauptversammlung stimmte dem Beschlussvorschlag der Verwaltung zu TOP 6 mit 20.943.137 Ja-Stimmen gegen 245.447 Nein-Stimmen zu. Die Antragsgegner erklärten Widerspruch zur Niederschrift des beurkundenden Notars. Die Antragsgegner erhoben gegen den zu TOP 6 gefassten Beschluss Anfechtungs-/Nichtigkeitsklagen.

Mit Schriftsatz vom 27.3.2008 stellte die Antragstellerin den streitgegenständlichen Freigabeantrag. Mit Beschluss vom 8.5.2008 hat das LG München I dem Freigabeantrag stattgegeben. Hiergegen richten sich die sofortigen Beschwerden der Mehrzahl der Antragsgegner.

B. I. Die gem. § 567 Abs. 1 ZPO, § 327e Abs. 2, § 319 Abs. 6 Satz 6 AktG statthaften, form- und fristgerecht (§ 569 ZPO) eingelegten sofortigen Beschwerden sind zulässig.

II. Die sofortigen Beschwerden erweisen sich in der Sache als nicht begründet. Das LG hat zu Recht und mit zutreffenden Erwägungen das Vorliegen der Voraussetzungen der § 327e Abs. 2, § 319 Abs. 6 AktG bejaht.

Der zulässige Antrag auf Freigabe ist begründet, da die von den Beschwerdeführern erhobenen Anfechtungs- und Nichtigkeitsklagen offensichtlich unbegründet sind.

1. Der vom LG für die Frage der offensichtlichen Unbegründetheit der Klagen zugrunde gelegte Prüfungsmaßstab begegnet keinen Bedenken. Gemäß § 327e Abs. 2 i.V.m. § 319 Abs. 6 Satz 2 AktG hat der Freigabebeschluss dann zu ergehen, wenn die Klagen gegen die Wirksamkeit des Hauptversammlungsbeschlusses offensichtlich unbegründet sind. Zu Recht folgt das Erstgericht der weit überwiegenden Mehrheit der Rechtsprechung, der sich auch der erkennende Senat anschließt, wonach bereits im Freigabeverfahren eine vollständige rechtliche Würdigung durchzuführen ist. Für eine nur kursorische Rechtsprüfung ist in solchen Verfahren kein Raum. Maßgeblich ist, ob sich ohne weitere Aufklärung in der Sache die Überzeugung gewinnen lässt, dass die Klage voraussichtlich abzuweisen ist und auch in der Berufungs- bzw. Revisionsinstanz keine Erfolgsaussicht bietet. Dabei kommt es für das Merkmal der Offensichtlichkeit nicht entscheidend darauf an, ob es zur Beurteilung der Erfolgsaussicht schwieriger rechtlicher Überlegungen bedarf oder ob abweichende rechtliche Bewertungen möglich sind. Entscheidend ist, dass das Gericht bei umfassender rechtlicher Würdigung des gesamten Sachverhalts und der glaubhaft gemachten Tatsachen eine andere Beurteilung für nicht oder kaum vertretbar hält (vgl. Senatsbeschl. v. 3.9.2008, ZIP 2008, 2117 = BB 2008, 2366 – HVB/UniCredit, dazu EWiR 2009, 35 (Goslar); OLG Hamm NZG 2005, 879; OLG München v. 16.11.2005 – 23 W 2384/05, ZIP 2007, 380 = AG 2007, 363, dazu EWiR 2007, 89 (Zetzsche); OLG Hamm AG 2005, 361; OLG Hamburg ZIP 2004, 2288 = NZG 2005, 86 – RWE DEA AG, dazu EWiR 2005, 287 (Knoll); Hüffer, AktG, 8. Aufl., § 319 Rz. 18). Die Offensichtlichkeit bezieht sich nicht auf den Prüfungsaufwand, sondern auf sein Ergebnis. Nur wenn danach Erfolg und Abweisung der Klagen als vertretbar erscheinen, sind sie nicht schon aus Rechtsgründen offensichtlich unbegründet.

2. Unter Zugrundelegung des hier maßgeblichen Prüfungsmaßstabs erweisen sich die erhobenen Anfechtungs-/Nichtigkeitsklagen als offensichtlich unbegründet. Die im Beschwerdeverfahren aufrechterhaltenen und näher begründeten Einwände gegen die erstinstanzliche Entscheidung greifen nicht durch und vermögen den Rechtsmitteln nicht zum Erfolg zu verhelfen. Im Einzelnen ist Folgendes anzumerken:

a) Die Nichtigkeit oder Anfechtbarkeit des Hauptversammlungsbeschlusses lässt sich nicht mit den von Beschwerdeführern behaupteten Mängeln bezüglich der Einladung zur Hauptversammlung begründen. Auch hier ist die Rechtslage nicht zweifelhaft und erweisen sich die hierauf gestützten Anfechtungs-/Nichtigkeitsklagen als offensichtlich nicht begründet.

aa) Entgegen den Ausführungen insbesondere des Beschwerdeführers zu 4) stellt die Formulierung in der Einladung in Bezug auf die Teilnahmebedingungen keine satzungswidrige Einschränkung der Teilnahmerechte der Aktionäre dar. Der Beschwerdeführer zu 4) wiederholt in seiner Beschwerdebegründung die Auffassung, dass die in der Einladung wiedergegebenen Teilnahmevoraussetzungen („Den zur Teilnahme berechtigten Personen werden Eintrittskarten übermittelt.“) dahin gehend zu verstehen seien, dass eine Eintrittskarte Voraussetzung für die Teilnahme an der Hauptversammlung sei. Dies stehe im Widerspruch zu § 18 der Satzung, die als Voraussetzung lediglich die wirksame Hinterlegung der Aktien nenne. Das vermag jedoch nicht zu überzeugen. Zutreffend hat das LG festgestellt, dass der Text der Einberufung mit der Satzung übereinstimmt, weil der Besitz einer Eintrittskarte nicht Vo-ZIP 2009, Seite 418raussetzung für die Teilnahme an der Hauptversammlung ist. Aus der Formulierung wird nämlich deutlich, dass Teilnahmevoraussetzung ausschließlich die Hinterlegung unter Beachtung der Vorgaben von § 18 Abs. 1 der Satzung der Beschwerdegegnerin ist. Die Übermittlung der Eintrittskarte setzt die Teilnahmeberechtigung voraus. Damit ist die Eintrittskarte nicht – wie der Beschwerdeführer meint – Voraussetzung der Teilnahme, sondern Folge der Erfüllung der Teilnahmeberechtigung.

bb) Die Formulierung in der Einladung der Hauptversammlung bezüglich der Formerfordernisse der Vollmachtserteilung bei Stimmrechtsvertretung stellt entgegen der Ansicht der Beschwerdeführer keinen Verstoß gegen die Vorschriften der § 121 Abs. 3, § 135 AktG dar. Die Beschwerdeführer zu 1) und 4) führen hierzu aus, dass die in § 121 Abs. 3 Satz 2 AktG geforderten Angaben über die Bedingungen zur Stimmrechtsausübung sämtliche Modalitäten der Art und Weise sowie Form der Stimmrechtsausübung beinhalten würden. Dies schließe auch Fragen zur Vollmacht ein. Das Fehlen von Hinweisen auf Möglichkeiten der Erteilung der Vollmacht an Bevollmächtigte außer an den in der Einladung erwähnten von der Gesellschaft benannten Stimmrechtsvertreter sowie auf die Formfreiheit der Bevollmächtigung von Kreditinstituten oder Aktionärsvereinigungen stelle daher einen Verstoß gegen § 121 Abs. 3 Satz 2, § 135 AktG dar. Die Beschwerdeführer zu 12) und 18) vertreten zudem die Auffassung, durch die ungenügenden Angaben entstünde der falsche Eindruck, dass allein die Schriftform für eine Vollmachtserteilung zulässig sei. Nach Auffassung der Beschwerdeführer zu 11) und 19) stünden die in der Einladung wiedergegebenen Voraussetzungen zur Vollmachtserteilung im Widerspruch zu den Regelungen der Satzung, die in § 18 Abs. 3 hierfür Schriftform oder Telefax vorsehe. Diese Einwendungen greifen nicht durch.

Voranzustellen ist zunächst, dass die in der Einladung gemachten Angaben zur Bevollmächtigung des von der Gesellschaft benannten Stimmrechtsvertreters nicht fehlerhaft und deshalb nicht zu beanstanden sind. Zuzugeben ist den Beschwerdeführern, dass die Satzung neben der Schriftform auch die Möglichkeit der Erteilung der Vollmacht per Telefax regelt. Eine hierzu im Widerspruch stehende Voraussetzung ist der Einladung der Antragstellerin jedoch nicht zu entnehmen. Aus dem Text und dem Gesamtkontext der Einladung ergibt sich eindeutig, dass die Bevollmächtigung des Stimmrechtsvertreters auch in Telefaxform möglich und nicht auf die Schriftform i.S.d. § 126 BGB beschränkt sein soll. Dies insbesondere deshalb, weil die Angabe bezüglich der Schriftform bereits in der Einladung präzisiert wird und offensichtlich so zu verstehen ist, dass lediglich eine Vollmachtserteilung per E-Mail ausgeschlossen sein soll. Dass die Erteilung der Vollmacht, wie es die Satzung vorsieht, auch per Telefax als zulässig angesehen wird, ergibt sich daraus, dass die Einladung bezüglich des Eingangs der Vollmacht neben der Adresse der Gesellschaft auch ausdrücklich deren Telefaxnummer angibt. Damit stehen die Angaben zur Vollmachtserteilung an den von der Gesellschaft benannten Stimmrechtsvertreter nicht im Widerspruch zu den Satzungsregelungen.

Soweit die Beschwerdeführer den unterlassenen Hinweis auf die Möglichkeiten und formellen Voraussetzungen der Erteilung der Vollmacht an Dritte, insbesondere auch der formfreien Bevollmächtigung von Kreditinstituten oder Aktionärsvereinigungen gem. § 135 Abs. 2, 9 AktG rügen und hierauf die Anfechtbarkeit des Hauptversammlungsbeschlusses stützen, überzeugt dies nicht. Es bedurfte nämlich grundsätzlicher Angaben über die Ausübung des Stimmrechts durch einen Bevollmächtigten nicht. Die Vorschriften der §§ 121, 123, 125 AktG verlangen nicht, dass die Einberufung Ausführungen hierzu enthält. Zu den von §§ 121, 123 AktG umfassten Sachverhalten, die gem. § 241 Nr. 1 AktG die Nichtigkeit von Beschlüssen nach sich ziehen könnten, gehören nämlich die Regelungen über die Ausübung des Stimmrechts durch einen Bevollmächtigten nicht. Bei Angaben zur Stimmrechtsausübung durch einen Vertreter handelt es sich nicht um eine Teilnahmebedingung i.S.d. § 121 Abs. 3 Satz 2 AktG (vgl. Senat ZIP 2008, 2117 = BB 2008, 2366 – HVB/UniCredit). Bedingungen, von denen die Teilnahme an der Hauptversammlung und die Ausübung des Stimmrechts abhängen, sind die Bestimmungen der Satzung zur Anmeldung und zur Legitimation der Aktionäre (§ 123 Abs. 2, 3 AktG; vgl. Heidel/Pluta, AktG, 2. Aufl., § 121 Rz. 20; Hüffer, a.a.O., § 121 Rz. 10).

Selbst wenn die Formulierung dazu geeignet sein sollte, beim Aktionär den unzutreffenden Eindruck zu erwecken, auch für die Bevollmächtigung von Aktionärsvereinigungen und Kreditinstituten sei ausnahmslos und entgegen der in § 135 AktG normierten Formerleichterung Schriftform erforderlich, würde dies keinen die Anfechtbarkeit des Beschlusses begründenden Mangel darstellen. Die so verstandenen Angaben in der Einladung zur Hauptversammlung der Antragstellerin verletzen die gesetzliche Regelung nicht in relevanter Weise. Der Senat hat hierzu in seinem Beschluss vom 3.9.2008 (ZIP 2008, 2117 = BB 2008, 2366 – HVB/UniCredit), auf dessen Ausführungen verwiesen wird, entschieden. Danach liegt weder ein die Nichtigkeit nach § 121 Abs. 3 AktG noch ein die Anfechtbarkeit des Übertragungsbeschlusses begründender Ladungsmangel vor, wenn die Gesellschaft in der Einladung zur Hauptversammlung hinsichtlich der Bedingungen für die Stimmrechtsausübung unter dem Abschnitt „Stimmrechtsvertretung“ die in § 135 AktG vorgesehene Differenzierung bezüglich der Form der Vollmachtserteilung für Kreditinstitute/Aktionärsvereinigungen nicht vornimmt. Vor dem Hintergrund der sich aus § 135 Abs. 6 AktG ergebenden Wertung und der nicht eindeutigen, vielmehr unklaren Regelung ist § 135 Abs. 2 Satz 3 und 4 AktG als bloße Ordnungsvorschrift anzusehen, deren Verletzung eine Anfechtbarkeit des gefassten Hauptversammlungsbeschlusses nicht begründen kann.

Angesichts der eindeutigen Beschränkung der Ausführungen in der Einladung zur Hauptversammlung auf den von der Gesellschaft benannten Stimmrechtsvertreter besteht hier zudem keine irreführende Wirkung in Bezug auf andere Arten und Adressaten der Bevollmächtigung.

b) Der Beschluss des Aufsichtsrats hinsichtlich des Squeeze out erfolgte ordnungsgemäß nach den Vorgaben des § 124 Abs. 3 AktG.

ZIP 2009, Seite 419

Vor allem der Beschwerdeführer zu 2) rügt das Fehlen eines ordnungsgemäßen Beschlussvorschlages des Aufsichtsrats. Der Beschlussvorschlag sei nicht, wie von § 124 Abs. 3 AktG verlangt, antragsförmig formuliert worden, sondern habe lediglich aus Verfahrensanordnungen an den Vorstand bestanden. Insbesondere im Hinblick auf die Bankgarantie läge dem Beschluss zudem eine unzulässige aufschiebende Bedingung zugrunde. Dies ist nicht zutreffend, es ist vielmehr von einem wirksamen Beschluss des Aufsichtsrats auszugehen, auch insoweit erweisen sich die Klagen als offensichtlich nicht begründet.

aa) Der Beschluss des Aufsichtsrats ist hinreichend bestimmt. Dies hat das Erstgericht mit zutreffenden Erwägungen festgestellt. Auf diese kann verwiesen werden. Der unstreitig am 7.12.2007 durch den Aufsichtsrat der Antragstellerin gefasste Beschluss, auf den die Vorschriften über die Willenserklärungen Anwendung finden (vgl. Hüffer, a.a.O., § 108 Rz. 3; Spindler/Stilz, AktG, § 108 Rz. 8), ist bezüglich seines Inhalts auszulegen. Angesichts der Tatsache, dass der Aufsichtrat ausweislich des Protokolls die Höhe der Barabfindung von 11,88 € kannte und vor diesem Hintergrund den Beschluss fasste, mit dem Squeeze out fortzufahren und diesen auf die Tagesordnung der Jahreshauptversammlung zu setzen, gibt es keinerlei Anhaltspunkte, an der hinreichenden Bestimmtheit des Beschlusses zu zweifeln. Danach ergibt sich aus dem Beschluss der Vorschlag für die Hauptversammlung, die Aktien auf Verlangen des Hauptaktionärs gegen Zahlung einer Abfindung i.H. v. 11,88 € auf O. zu übertragen.

bb) Der der Hauptversammlung unterbreitete Beschlussvorschlag der Verwaltung war hinreichend, d.h. antragsförmig ausformuliert (vgl. Hüffer, a.a.O., § 124 Rz. 12; Schmidt/Lutter, AktG, 2008, § 124 Rz. 15; Mertens, AG 1997, 481, 485). Die Regelung des § 124 Abs. 3 AktG bezieht sich nicht auf die interne Willensbildung der Organe, sondern sieht vor, dass die Verwaltung ihre Vorstellungen im Zeitpunkt der Bekanntmachung antragsförmig ausformulieren und in die Tagesordnung aufnehmen muss. Dass der Beschluss des Aufsichtsrats selbst nicht antragsgemäß formuliert ist, begründet die Anfechtbarkeit des Hauptversammlungsbeschlusses im vorliegenden Falle jedoch nicht. Bei gebotener Auslegung und insbesondere unter Heranziehung des Protokolls der Aufsichtsratssitzung ergibt sich eindeutig, dass der Inhalt des Beschlusses des Aufsichtsrats darauf abzielt, den Beschlussvorschlag, wie er der Hauptversammlung in der Einberufung als gemeinsamer Vorschlag von Aufsichtsrat und Vorstand unterbreitet wurde, in vollem Umfang mit zu tragen. Es ist deshalb unschädlich, dass sich der Beschluss des Aufsichtsrats im Wortlaut nicht mit dem Beschlussvorschlag, wie er der Hauptversammlung vorgelegt wurde, deckt.

cc) Der Beschwerdeführer verweist des Weiteren allgemein auf sein erstinstanzliches Vorbringen, wonach ein wirksamer Beschlussvorschlag nur bei Kenntnis der Höhe des konkreten Barabfindungsbetrags, der Bestätigung der Angemessenheit der Abfindung durch den gerichtlichen Gutachter sowie des Vorliegens der Bankgarantie habe gefasst werden können. Dem ist entgegenzuhalten, dass dem Aufsichtsrat in seiner Sitzung neben der Höhe der ermittelten Barabfindung der Entwurf des Übertragungsberichts sowie des Prüfungsberichts vorlagen. Auf dieser Basis erfolgte die Beschlussfassung. Dies ist angesichts der nur marginalen Abweichungen zwischen den Entwürfen und den Endfassungen nicht zu beanstanden. Der Wirksamkeit des Beschlusses steht daher nicht entgegen, dass dem Aufsichtsrat bei seiner Beschlussfassung am 7.12.2007 noch nicht die endgültigen Fassungen des Übertragungsberichts vom 11.12.2007 und Prüfungsberichts vom 12.12.2007 vorlagen.

dd) Unstreitig lag zum Zeitpunkt der Sitzung des Aufsichtsrats die Gewährleistungserklärung des Bankhauses S. noch nicht vor. Dem wurde dadurch Rechnung getragen, dass der Beschluss unter einer aufschiebenden Bedingung des rechtszeitigen Eingangs der Gewährleistungserklärung von S. stand. Da die allgemeinen Vorschriften über Willenserklärungen auch hier gelten, ist kein Grund ersichtlich, warum ein noch nicht bekannt gemachter Beschluss mit einem Beschlussvorschlag für die Hauptversammlung nicht an ein zukünftiges, ungewisses Ereignis i.S.d. § 158 BGB geknüpft werden kann (vgl. Schmidt/Lutter, a.a.O., § 124 Rz. 15 m.w.N.).

c) Der Squeeze-out-Beschluss beruht auf einem ordnungsgemäßen Verlangen des Hauptaktionärs. Die hiergegen auch im Beschwerdeverfahren weiter verfolgten Rügen greifen nicht durch und begründen die Anfechtbarkeit des Beschlusses der Hauptversammlung nicht. Die Verpfändung der Aktien steht der Wirksamkeit des Übertragungsverlangens ebenso wenig entgegen wie die Möglichkeit der Kapitalerhöhung.

aa) Insbesondere die Beschwerdeführer zu 11) und 19) tragen erneut vor, O. habe aufgrund der Verpfändung nicht mehr das Vollrecht an den Aktien zugestanden. Ziffer 10 der Verpfändungsvereinbarung, „Verpflichtungen der Pfandschuldnerin“, insbesondere die Pflicht, Maßnahmen, die zum Eigentumsverlust führen können, und Transaktionen, die zum selben Ergebnis wie Verkauf, Übertragung, sonstige Verfügungen führen können, zu unterlassen, hätte zur Folge, dass nicht mehr von einem Vollrecht auszugehen gewesen sei und O. damit nicht über die erforderliche Mehrheit verfügt habe.

Dies überzeugt jedoch nicht. Wie das LG in seinem Beschluss zutreffend ausführte, entspricht es nahezu einhelliger Auffassung, dass ein Squeeze-out-Verlangen nur vom Inhaber des Vollrechts gestellt werden kann und die Verpfändung der Aktien an der Vollrechtsinhaberschaft der O. nichts ändert. Die vorliegend auf §§ 1243, 1274 ff. BGB gestützte Verpfändung führt nämlich nicht zu einem Inhaberwechsel durch Abtretung des Rechts. Mitgliedschaftsrechte bleiben untrennbar mit dem Eigentumsrecht an der Aktie verbunden. Dem trägt auch die Verpfändungsvereinbarung, die ausdrücklich bestimmt, dass die Pfandschuldnerin ihre aktienrechtlichen Mitwirkungsrechte beibehält, Rechnung. O. gehörten im Zeitpunkt der Hauptversammlung mindestens 95 % der Aktien, sie war daher befugt, ein Squeeze-out-Verfahren einzuleiten und durchzuführen.

bb) Die Möglichkeit der Kapitalerhöhung und die Gefahr eines damit verbundenen Herabsinkens der Anteile von O. unter die 95 % Schwelle steht der Wirksamkeit des Beschlusses ZIP 2009, Seite 420ebenfalls nicht entgegen. Dies hat das Erstgericht mit zutreffender Begründung, auf die verwiesen wird, ausgeführt.

Der Beschwerdeführer zu 4) rügt, dass aufgrund der in der Hauptversammlung vom 24.1.2008 beschlossenen Kapitalerhöhung die Gefahr bestünde, dass zum nach seiner Ansicht maßgeblichen Zeitpunkt der Anmeldung des Übertragungsbeschlusses in das Handelsregister die Beteiligungsschwelle von 95 % unterschritten werde.

Dies überzeugt nicht und vermag die hierauf gestützte Anfechtungsklage offensichtlich nicht zu begründen.

Es kommt hinsichtlich der 95 %-Schwelle – entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers – auf den Zeitpunkt des Übertragungsverlangens und der Beschlussfassung in der Hauptversammlung an, weil dies der Zeitpunkt ist, der über die Rechtmäßigkeit eines derartigen Verlangens entscheidet (so die ganz h.M.; z.B. MünchKomm-Grunewald, AktG, 2. Aufl., § 327a Rz. 10; Schmidt/Lutter, a.a.O., § 327a Rz. 15). Der in der Literatur vereinzelt vertretenen Gegenauffassung (vgl. Fuhrmann/Simon, NZG 2002, 1211, 1212), auf die sich der Beschwerdeführer auch beruft, wonach zum Zeitpunkt der Anmeldung oder der Eintragung des Übertragungsbeschlusses die Mehrheit von 95 % noch bestehen müsse, ist nicht zu folgen. Auf die Ausführungen hierzu im landgerichtlichen Beschluss wird Bezug genommen.

Im vorliegenden Fall würde, selbst wenn man der Auffassung sein sollte, dass die 95 %-Schwelle zum Zeitpunkt der Eintragung bestehen müsse, dies die Anfechtbarkeit des Beschlusses nicht begründen. Der Beschwerdeführer behauptet selbst nicht, dass sich die Beteiligungsquote durch eine tatsächliche Erhöhung des Grundkapitals verringert habe. Er stützt seine Rüge allein auf die „Gefahr“ der Unterschreitung der Schwelle von 95 %. Die vom Beschwerdeführer vertretene Auffassung hätte zur Folge, dass die bloße Möglichkeit des Absinkens der Beteiligungsquote den Squeeze-out-Beschluss anfechtbar macht, unabhängig davon, dass zum Zeitpunkt des Übertragungsverlangens und insbesondere des Beschlusses der Hauptversammlung die Beteiligungsquote erreicht war, und unabhängig davon, ob zum Zeitpunkt der Anmeldung von der Kapitalerhöhung tatsächlich Gebrauch gemacht wurde. Dies stünde jedoch im Widerspruch zu den Vorschriften betreffend das Squeeze-out-Verfahren.

d) Der Übertragungsbericht entspricht sowohl formal als auch inhaltlich den gesetzlichen Vorgaben des § 327c Abs. 2 Satz 1 AktG. (Wird ausgeführt.)

e) Die Prüfung der Angemessenheit der Barabfindung durch den gerichtlich bestellten Prüfer verstößt nicht gegen § 327c Abs. 2 Satz 2 AktG. Soweit die Anfechtung auf Mängel des Prüfungsberichts gestützt wird, sind die Rügen ebenfalls offensichtlich unbegründet.

Der Beschwerdeführer zu 2) ist der Auffassung, entgegen der Rechtsprechung des BVerfG habe der sachverständige Prüfer keine eigene Ermittlung der Höhe der Barabfindung vorgenommen. Die Festlegung der Abfindungshöhe sei ausschließlich durch Parteigutachter erfolgt, dies sei nicht verfassungsgemäß. Mit zutreffenden Erwägungen hat das LG diese Einwände in seinem Beschluss als nicht tragfähig angesehen. Zu Recht stellt das Erstgericht zunächst auf den Wortlaut der § 327c Abs. 2 Satz 4, § 293e Abs. 1 Satz 2 und 3 AktG ab, die eine eigenständige Unternehmensbewertung durch den Abfindungsprüfer nicht fordern. In § 293e Abs. 1 Satz 3 AktG, auf den die Vorschrift des § 327c Abs. 2 Satz 4 AktG ausdrücklich verweist, ist aufgelistet, welchen inhaltlichen Anforderungen der Prüfungsbericht entsprechen muss. Damit wird aber zugleich nach herrschender Auffassung der Prüfungsgegenstand umschrieben. Der Abfindungsprüfer kann sich daher darauf beschränken, die vom Hauptaktionär vorgenommene Bewertung auf ihre methodische Konsistenz und ihre inhaltlichen Prämissen hin zu überprüfen (vgl. MünchKomm-Grunewald, a.a.O., § 327c Rz. 8, 9; Spindler/Stilz, a.a.O., § 293e Rz. 8; Leuering, NZG 2004, 606). Diesen Anforderungen wird der Prüfungsbericht von R. & P. gerecht. Eine eigenständige Prüfung durch den gerichtlich bestellten Prüfer ist nicht erforderlich. Dem steht auch die Entscheidung des BVerfG vom 30.5.2007 (1 BvR 390/04, ZIP 2007, 1261 – Edscha AG, dazu EWiR 2007, 449 (von der Linden/Ogorek)) nicht entgegen. Zu der Vorschrift des § 327c Abs. 2 Satz 2 und 3 AktG führt das Gericht aus, dass der Gesetzgeber in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise die Grundsätze seiner Rechtsprechung zum vollen Wertersatz dadurch sichergestellt habe, dass die Angemessenheit der Abfindung bereits vorab durch einen gerichtlich ausgewählten und bestellten Sachverständigen überprüft werde, und unabhängig davon das Spruchverfahren gewährleiste, dass etwaige Fehleinschätzungen des Gutachters nachträglich korrigiert werden können (vgl. Rz. 24). Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers fordert das BVerfG damit eine eigene Unternehmensbewertung und Ermittlung der Höhe der Barabfindung durch den Prüfer nicht.

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