OLG München: Zum Verjährungsbeginn einer Bürgschaftsforderung bei Wiederaufleben der Hauptforderung nach Insolvenzanfechtung der Tilgung

13.07.2009

BGB § 199 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 195; InsO § 144 Abs. 1

Zum Verjährungsbeginn einer Bürgschaftsforderung bei Wiederaufleben der Hauptforderung nach Insolvenzanfechtung der Tilgung

OLG München, Urt. v. 17. 3. 2009 – 5 U 4355/08

Leitsätze der Redaktion:

1. Eine zunächst getilgte Forderung lebt nach § 144 InsO mit der Rückgewähr der Zahlung an den Insolvenzverwalter nach Insolvenzanfechtung wieder auf, ebenso der Anspruch aus einer die Hauptforderung sichernden Bürgschaft.

2. Das rückwirkende Wiederaufleben von Hauptforderung und Bürgschaftsanspruch nach § 144 Abs. 1 InsO hat jedoch nicht zur Folge, dass auch der Entstehungszeitpunkt im Sinne des Verjährungsrechts auf den Zeitpunkt der ursprünglichen Entstehung der Ansprüche zurückzuverlegen ist. Entstehung i.S.v. § 199 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BGB kann in diesem Fall erst mit dem tatsächlichen Wiederaufleben des Anspruchs mit Wirkung ex nunc angenommen werden.

Gründe:

I. Die Klägerin nimmt den Beklagten als Bürgen in Anspruch.

Der Beklagte war Geschäftsführer der P. GmbH (im Folgenden: P.), vormals B. GmbH (im Folgenden: B.). Die Klägerin räumte der B. mit Vertrag vom 9. Juli 2002 einen Kreditrahmen über 250.000 € ein, der Beklagte, damals Geschäftsführer der B., unterzeichnete unter demselben Datum eine persönliche Bürgschaftserklärung zur Sicherung aller bestehenden und künftigen, auch bedingten oder befristeten Forderungen der Klägerin gegen die B. Unter dem 26.6.2003 kündigte die Klägerin gegenüber der B. die Geschäftsbeziehung. Der aufgelaufene Sollsaldo belief sich zu diesem Zeitpunkt auf 461.715,94 €. Am 7.7.2003 überwies der Beklagte als Geschäftsführer der P. von deren Konto bei der C. Bank einen Betrag i.H. v. 87.000 € an die Klägerin, den diese mit dem noch offenen Sollsaldo der P. verrechnete.

Am 4.2.2004 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der P. eröffnet. Der Insolvenzverwalter nahm die Klägerin in dem Verfahren vor dem LG München I – 28 O 1359/06, auf Rückzahlung der auf das Konto der Klägerin überwiesenen 87.000 € nebst Zinsen mit der Begründung in Anspruch, bei der Bezahlung und Verrechnung des Betrages handle es sich um ein gem. §§ 129, 133 Abs. 1 InsO anfechtbares Geschäft. Das LG München I verurteilte die Klägerin am 11.7.2006 zur Zahlung des Betrages von 87.000 € an den lnsolvenzverwalter, die hiergegen eingelegte Berufung der Klägerin blieb ohne Erfolg. Die Klägerin bezahlte nach berufungszurückweisendem Urteil des OLG München vom 15.3.2007 den Betrag i.H. v. 87.000 € nebst Zinsen abzgl. Zinsertragssteuer und Solidaritätszuschlag an den Insolvenzverwalter.

Die Klägerin ist der Auffassung, die Bürgschaftsverpflichtung des Beklagten bestehe fort. Sie sei gem. § 144 Abs. 1 InsO mit der Rückgewähr des bezahlten Betrages von 87.000 € an den Insolvenzverwalter wieder aufgelebt.

Das LG hat den Beklagten mit Urteil vom 19.6.2008 zur Zahlung von 87.000 € zzgl. Zinsen verurteilt.

II. Die gem. §§ 511 ff. ZPO zulässige Berufung erweist sich in der Sache als nicht begründet. Das LG hat im Ergebnis zu Recht den Beklagten für verpflichtet gehalten, den Bürgschaftsbetrag von 87.000 € aus der eingegangenen Bürgschaftsverpflichtung vom 9.7.2002 zu bezahlen. Die hiergegen gerichteten Einwendungen greifen zumindest im Ergebnis nicht durch.

1. Ohne Rechtsfehler hat das LG seiner Entscheidung zugrunde gelegt, dass der Beklagte aufgrund der im Vorprozess erfolgten wirksamen Streitverkündung mit seiner Behauptung, der Rechtsstreit des LG München I – 28 O 1359/06 sei nicht richtig entschieden worden, wegen der Streitverkündungswirkung der §§ 74, 68 ZPO nicht gehört werden könne. Die hiergegen gerichteten Berufungsangriffe des Beklagten bleiben ohne Erfolg. (Wird ausgeführt.)

Das LG hat damit zu Recht festgestellt, die Wirksamkeit der Insolvenzanfechtung sowie die sich daraus ergebende Zahlungsverpflichtung der Klägerin stehe aufgrund der rechtskräftigen Entscheidung im Verfahren 28 O 1359/06 fest. Dass die jetzige Klägerin und damalige Beklagte den Vorprozess mangelhaft i.S.v. § 68 ZPO geführt habe, behauptet der Beklagte selbst nicht.

3. Im Ergebnis zu Recht hat das LG schließlich festgestellt, dass der Bürgschaftsforderung nicht die Verjährungseinrede des Beklagten entgegenstehe.

Der Senat teilt zwar nicht die Auffassung des LG, wonach die Verjährung in entsprechender Anwendung des § 205 BGB gehemmt gewesen sei. Nach der Neuregelung des Verjährungsrechts durch das Gesetz über die Modernisierung des Schuldrechts ist der Hemmungstatbestand des § 205 BGB gegenüber demjenigen des § 202 Abs. 1 BGB a.F. stark eingeschränkt und betrifft nur noch Fälle, in denen der Schuldner aufgrund einer Vereinbarung mit dem Gläubiger vorübergehend zur Leistungsverweigerung berechtigt ist. Andere rechtliche Hindernisse, die der Geltendmachung des Anspruchs vorübergehend entgegenstehen, begründen, anders als nach früherem Recht, grundsätzlich keine Hemmung, vgl. hierzu Palandt/Heinrichs, BGB, 68. Aufl., § 205 Rz. 3; MünchKomm-Grothe, BGB, 5. Aufl., § 205 Rz. 1 ff., jew. m.w.N.; Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen, BT-Drucks. 14/6040, S. 118. Eine entsprechende Anwendung des § 205 BGB kommt danach allenfalls in Betracht, wenn das Hindernis in seiner Wirkung einem vereinbarten Leistungsverweigerungsrecht gleichkommt, vgl. hierzu Palandt/Heinrichs, a.a.O., § 205 Rz. 3, a.M. MünchKomm-Grothe, a.a.O., § 205 Rz. 2. Zu Unrecht beruft sich das LG insoweit auf die Kommentierung von Kirchhof im Münchener Kommentar zur InsO, 2. Aufl., § 144 Rz. 8, da darin lediglich eine Hemmung gem. §§ 206, 209 BGB für möglich erachtet wird.

Letztlich kann jedoch dahinstehen, ob der Anwendungsbereich der §§ 205, 206 BGB vorliegend eröffnet ist. Die Bürgschaftsforderung der Klägerin war, wie das LG zutreffend festgestellt hat, durch die Zahlung des Beklagten mit Eingang der Valuta bei der K!ägerin am 8.7.2003 zunächst erloschen, da in Höhe des Zahlungsbetrages von 87.000 € die Hauptforderung durch Erfüllung gem. § 362 Abs. 1 BGB erloschen war, was auch zum Erlöschen der akzessorischen Bürgschaftsverpflichtung führte.

Zutreffend hat das LG weiterhin festgestellt, die zunächst getilgte Forderung sei mit der Rückgewähr der Zahlung an den Insolvenzverwalter gem. § 144 InsO wieder aufgelebt. Das Wiederaufleben erfolgte dabei mit Rückwirkung auf die Zeit unmittelbar vor der Insolvenzeröffnung, vgl. hierzu MünchKomm-Kirchhof, a.a.O., § 144 Rz. 8.

Für den Verjährungsbeginn gem. § 199 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BGB war diese Rückwirkung jedoch ohne Bedeutung. Ein Anspruch ist im Sinne der vorgenannten Vorschrift entstanden, sobald er im Wege der Klage geltend gemacht werden kann, wobei grundsätzlich Fälligkeit des Anspruchs als Voraussetzung gilt, vgl. hierzu Palandt/Heinrichs, a.a.O., § 199 Rz. 3; MünchKomm-Grothe, a.a.O., § 199 Rz. 4 f., jew. m.w.N. Grundsätzlich entsteht dabei auch ein Bürgschaftsanspruch bereits mit dem Entstehen der Hauptforderung, vgl. hierzu BGH, Urt. v. 29.1.2008 – XI ZR 160/07 (ZIP 2008, 733 = NJW 2008, 1729, 1731, dazu EWiR 2008, 487 (Podewils)). Das rückwirkende Wiederaufleben von Hauptforderung und Bürgschaftsanspruch kann jedoch nicht zur Folge haben, dass auch der Entstehungszeitpunkt i.S.v. § 199 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BGB auf den Zeitpunkt der ursprünglichen Entstehung der Ansprüche zurückzuverlegen ist. So ist allgemein anerkannt, dass eine Genehmigung entgegen § 184 Abs. 1 BGB den Anspruch nicht mit der Folge ex tunc zur Entstehung bringt, dass auch die Verjährung bereits zu dem früheren Zeitpunkt begonnen hat. Das Gleiche gilt trotz der Vorschrift des § 142 Abs. 1 BGB für den Rückforderungsanspruch des Anfechtungsgegners sowie für die Rückdatierung eines Vertrages, vgl. hierzu MünchKomm-Grothe, a.a.O., § 199 Rz. 5 m.w.N.

So liegen die Dinge auch hier. Die Rückwirkung des Wiederauflebens gem. § 144 InsO eröffnete für die Klägerin nicht die Möglichkeit, den Bürgschaftsanspruch bereits im Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung klageweise geltend zu machen, da er damals durch Erfüllung erloschen war. Entstehung i.S.v. § 199 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BGB kann somit erst mit dem tatsächlichen Wiederaufleben des Anspruchs mit Wirkung ex nunc angenommen werden. Erst ab diesem Zeitpunkt war es der Klägerin möglich, den Beklagten aus der Bürgschaft im Wege der Klage in Anspruch zu nehmen. Der Beginn des Fristlaufes gem. § 199 Abs. 1 BGB ist damit erst mit der Zahlung des Betrages von 87.000 € an den Insolvenzverwalter am 15.5.2007 anzunehmen mit der Folge, dass die dreijährige Regelverjährungsfrist des § 195 BGB erst zum 31.12.2010 abgelaufen wäre. Auch bei Vorverlegung des Verjährungsbeginns auf den Zeitpunkt der Rechtskraft der landgerichtlichen Entscheidung in dem Vorverfahren (23.4.2007) wäre die Klageerhebung im vorliegenden Verfahren (Eingang der Klageschrift am 8.2.2008) aber jedenfalls rechtzeitig erfolgt. Dies gilt hier sogar dann, wenn der Zeitraum vom erstmaligen Entstehen des Darlehens- und Bürgschaftsanspruchs mit Ausspruch der Kündigung durch die Klägerin (26.3.2003) bis zum Erlöschen der beiden Ansprüche durch Zahlung des Beklagten (8.7.2003) in den Fristlauf mit einzurechnen wäre.

Ohne Erfolg wendet der Beklagte ein, die Fragen der Verjährungshemmung bzw. -unterbrechung beträfen nur die Hauptforderung, nicht aber die ihn betreffende Bürgschaftsforderung. Richtig ist insoweit lediglich, dass – zumindest im Falle der selbstschuldnerischen Bürgschaft – die Fälligkeit der Bürgschaftsforderung grundsätzlich mit der Fälligkeit der Hauptschuld eintritt und nicht von einer Leistungsaufforderung des Gläubigers abhängig ist, vgl. hierzu BGH ZIP 2008, 733 = NJW 2008, 1729, 1731. Vorliegend hat dies jedoch zur Folge, dass sowohl Hauptforderung als auch Bürgschaftsforderung gem. § 144 InsO gleichzeitig wieder aufleben, vgl. hierzu BGH, Urt. v. 24.10.1973 – VIII ZR 82/72 (NJW 1974, 57) zu § 39 KO a.F. sowie die Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung zur InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 168. Auch die Bürgschaftsforderung ist damit in verjährungsrechtlicher Hinsicht mit ihrem Wiederaufleben neu entstanden mit der Folge, dass auch insoweit der Verjährungsbeginn erst mit dem Wiederaufleben anzunehmen ist.

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