OLG Nürnberg: Interventionsinteresse des einer Anfechtungsklage auf Seiten der AG beitretenden Aktionärs

11.01.2010

AktG § 248 Abs. 1 Satz 1, § 249 Abs. 1; ZPO §§ 66, 69, 71

Interventionsinteresse des einer Anfechtungsklage auf Seiten der AG beitretenden Aktionärs

OLG Nürnberg, Beschl. v. 17. 7. 2009 – 12 W 1050/09 (rechtskräftig; LG Nürnberg-Fürth)

Leitsatz des Gerichts:

Im Falle der aktienrechtlichen Anfechtungsklage kann nicht nur der auf Klägerseite beitretende Aktionär (hierzu BGHZ 172, 136 = ZIP 2007, 1528; BGH, Beschl. v. 26.5.2008 – II ZB 23/07, ZIP 2008, 1398), sondern auch der auf Seiten der verklagten Aktiengesellschaft beitretende Aktionär sein nach § 66 ZPO erforderliches Interventionsinteresse am Obsiegen der unterstützten Partei schon allein damit begründen, dass ein stattgebendes Anfechtungsurteil gem. § 248 Abs. 1 Satz 1 AktG ihm gegenüber Rechtskraft- und Gestaltungswirkung entfaltet.

Gründe:

I. Die Klägerin – Aktionärin der Beklagten – hatte vor dem LG Nürnberg-Fürth Anfechtungsklage dahin gehend erhoben, dass die auf der Hauptversammlung der Beklagten am 20.6.2008 gefassten Beschlüsse über die Entlastung der Mitglieder des Vorstandes sowie des Aufsichtsrates der Beklagten, jeweils für das Geschäftsjahr 2007, für nichtig erklärt werden. In diesem Verfahren hat die Nebenintervenientin G. unter dem 29.9.2008 den Beitritt zum Rechtsstreit auf Seiten der Beklagten erklärt. Sie trägt vor, Aktionärin der Beklagten zu sein und ein rechtliches Interesse an deren Obsiegen zu haben.

Sowohl die Klägerin als auch der auf deren Seiten beigetretene weitere Nebenintervenient A. haben jeweils Zurückweisung der Nebenintervention der G. als unzulässig beantragt.

In der mündlichen Verhandlung vom 4.5.2009 hat die Klägerin mit Zustimmung der Beklagten die Klage zurückgenommen. Das LG ZIP 2009, 2471Nürnberg-Fürth hat mit in dieser Sitzung verkündetem Beschluss der Klägerin die Kosten des Rechtsstreits mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Nebenintervenientin auferlegt (Ziffer I Satz 1) angeordnet, dass die Nebenintervenienten ihre außergerichtlichen Kosten selbst zu tragen haben (Ziffer I Satz 2), sowie die Nebeninterventionen des A. und der G. jeweils zurückgewiesen (Ziffer II).

Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Nebenintervenientin G., mit der die Zulassung dieser Nebenintervention und die Auferlegung der außergerichtlichen Kosten dieser Nebenintervenientin auf die Klägerin beantragt wird. Mit Beschluss vom 25.5.2009 hat das LG Nürnberg-Fürth der Beschwerde nicht abgeholfen.

II. 1. Die sofortige Beschwerde ist statthaft (§ 567 Abs. 1 Nr. 1, § 71 Abs. 2 ZPO) und auch sonst zulässig. Die Beschwerdefrist von zwei Wochen (§ 569 Abs. 1 ZPO) (die mangels Zustellung des angefochtenen Beschlusses noch nicht zu laufen begonnen hat, vgl. Zöller/Heßler, ZPO, 27. Aufl., § 569 Rz. 4) ist gewahrt. Unschädlich ist, dass die angefochtene Entscheidung durch Beschluss und nicht durch Zwischenurteil erfolgte (was nach Klagerücknahme nicht mehr möglich war), da auch in diesem Falle die sofortige Beschwerde das statthafte Rechtsmittel gewesen wäre, § 71 Abs. 2 ZPO.

2. Die sofortige Beschwerde ist begründet.

a) Wer ein rechtliches Interesse daran hat, dass in einem zwischen anderen Personen anhängigen Rechtsstreit die eine Partei obsiege, kann dieser Partei zum Zwecke ihrer Unterstützung beitreten, § 66 Abs. 1 ZPO. Die Zulässigkeit einer Nebenintervention erfordert damit ein rechtliches Interesse des Nebenintervenienten als Interventionsgrund. Ein derartiges rechtliches Interesse am Obsiegen der unterstützten Partei hat jemand dann, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits mittelbar oder unmittelbar auf seine eigenen Verhältnisse rechtlich günstig oder ungünstig einwirkt (Zöller/Vollkommer, ZPO, § 66 Rz. 8).

b) Die Frage, ob die Beschwerdeführerin ein rechtliches Interesse am Obsiegen der Beklagten i.S.v. § 66 Abs. 1 ZPO hatte, ist trotz Klagerücknahme zu prüfen. Diese Frage ist zwar nur auf Antrag einer Hauptpartei in einem Zwischenstreit nach § 71 ZPO, dagegen nicht von Amts wegen zu überprüfen; diese für den Fall des Abschlusses eines Verfahrens durch eine Sachentscheidung des Gerichts unzweifelhaft geltende Regel findet auch Anwendung, wenn das Verfahren durch Rücknahme des einleitenden Gesuchs (Klage, Antrag) endet (BGH, Beschl. v. 18.10.1962 – V BLw 20/62, BGHZ 38, 110; OLG Hamm OLGR 2007, 605). Im Streitfall hatten indes sowohl die Klägerin als auch der auf deren Seiten beigetretene weitere Nebenintervenient A. jeweils Zurückweisung der Nebenintervention der G. als unzulässig beantragt.

c) Bei der aktienrechtlichen Anfechtungs- und Nichtigkeitsklage folgt ein rechtliches Interesse des auf Klägerseite beitretenden Nebenintervenienten grundsätzlich bereits aus der in § 248 Abs. 1 Satz 1, § 249 Abs. 1 Satz 1 AktG angeordneten Rechtskrafterstreckung und Gestaltungswirkung eines stattgebenden Urteils für und gegen alle Aktionäre (BGH, Beschl. v. 23.4.2007 – II ZB 29/05, BGHZ 172, 136 = ZIP 2007, 1528, dazu EWiR 2007, 641 (Wilsing/Goslar); BGH, Beschl. v. 26.5.2008 – II ZB 23/07, ZIP 2008, 1398 = AG 2008, 630, dazu EWiR 2008, 575 (Goslar); Zöller/Vollkommer, a.a.O., § 66 Rz. 11). Aufgrund dieses Umstandes handelt es sich hierbei um eine streitgenössische Nebenintervention i.S.d. § 69 ZPO (BGHZ 172, 136 = ZIP 2007, 1528; BGH, Beschl. v. 18.6.2007 – II ZB 23/06, ZIP 2007, 1337 = AG 2007, 547).

Gleiches gilt für den auf Beklagtenseite beitretenden Nebenintervenienten; auch insoweit folgt ein rechtliches Interesse bereits aus der in § 248 Abs. 1 Satz 1, § 249 Abs. 1 Satz 1 AktG angeordneten Rechtskrafterstreckung und Gestaltungswirkung eines stattgebenden Urteils für und gegen alle Aktionäre (OLG Hamburg OLGR 2009, 73; Hüffer, AktG, 8. Aufl., § 246 Rz. 5 f.; Bürgers/Körber, AktG, § 246 Rz. 33; MünchKomm-Hüffer, AktG, 2. Aufl., § 246 Rz. 7, 9).

Die Nebeninterventionsfrist des § 246 Abs. 4 Satz 2 AktG, nach der sich ein Aktionär als Nebenintervenient nur innerhalb eines Monats nach der Bekanntmachung der Klage an dem Rechtsstreit beteiligen kann, ist nur für den auf Seiten des klagenden Aktionärs, nicht auch für den auf Seiten der beklagten AG beitretenden Aktionär einschlägig (OLG Hamburg OLGR 2009, 73; vgl. BGHZ 172, 136 = ZIP 2007, 1528; OLG Nürnberg AG 2007, 295).

d) Das LG hat ein rechtliches Interesse der Beschwerdeführerin verneint, da sie nach der von ihr vorgelegten Urkunde nur im Jahr 2009 Aktionärin der Beklagten gewesen sei, die klagegegenständlichen Entlastungsbeschlüsse sich indes auf die Tätigkeit von Vorstand und Aufsichtsrat im Jahr 2007 beziehen würden und keine Zukunftswirkung hätten, deshalb allenfalls ein wirtschaftliches Interesse der Beschwerdeführerin begründen könnten.

Diese Ansicht wird vom Senat nicht geteilt. Die rechtlichen Folgen einer Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat für deren Verwaltungstätigkeit in einem Geschäftsjahr (vgl. § 120 Abs. 2 Satz 1 AktG) wirken vielmehr in die Zukunft, schließen etwa einen Vertrauensentzug durch die Aktionärshauptversammlung gem. § 84 Abs. 3 Satz 2 AktG aus (es sei denn, dieser wird auf einen von der Entlastung ausgenommenen Komplex gestützt) (vgl. Bürgers/Körber, a.a.O., § 120 Rz. 13). Damit kann ein Entlastungsbeschluss rechtliche Wirkungen auch für Aktionäre zeitigen, die erst nach Ablauf des Geschäftsjahres, für das Entlastung erteilt wurde, Aktien erworben haben. Aufgrund der in § 248 Abs. 1 Satz 1, § 249 Abs. 1 Satz 1 AktG angeordneten Rechtskrafterstreckung und Gestaltungswirkung eines stattgebenden Urteils für und gegen alle Aktionäre haben deshalb auch solche Aktionäre ein rechtliches Interesse am Beitritt als Nebenintervenient.

Folgerichtig verlangt das Gesetz auch für den die Anfechtungsklage selbst betreibenden Aktionär nicht, dass er die Aktionärsstellung bereits während des Geschäftsjahres, für das Entlastung erteilt wurde, besessen haben muss; vielmehr ist die Anfechtungsbefugnis bereits dann gegeben, wenn der Aktionär bei Bekanntmachung der Tagesordnung der Hauptversammlung Aktien erworben hatte (§ 245 Nr. 1 AktG). An das rechtliche Interesse eines dem Anfechtungsprozess beitretenden Nebenintervenienten können nicht strengere Anforderungen gestellt werden als an die Anfechtungsbefugnis des klagenden Aktionärs.

ZIP 2009, 2472

Die in § 245 Nr. 1 AktG geregelte Begrenzung der Anfechtungsbefugnis gilt zudem – auch in zeitlicher Hinsicht – für den Nebenintervenienten nicht; dessen rechtliches Interesse ergibt sich allein aus der Rechtskrafterstreckung und Gestaltungswirkung des § 248 Abs. 1 Satz 1 AktG und der daraus abzuleitenden Gewährleistung des rechtlichen Gehörs im fremden Anfechtungsprozess. Deshalb ist es für das Interventionsrecht eines Aktionärs auch unerheblich, ob er selbst klagebefugt gewesen wäre (BGHZ 172, 136 = ZIP 2007, 1528; BGH ZIP 2008, 1398 = AG 2008, 630).

e) Soweit das LG seine Entscheidung weiter darauf gestützt hat, dass sich die Nebenintervenientin mit dem angefochtenen (Hauptversammlungs-)Beschluss nicht auseinandergesetzt habe, steht dies ihrem rechtlichen Interesse nicht entgegen.

Die Nebenintervenientin hat sich bereits (zulässigerweise) den gesamten Vortrag der Beklagten zur Sach- und Rechtslage zu eigen gemacht, sich damit durchaus mit dem Verfahrensgegenstand auseinandergesetzt.

Das Gesetz stellt hinsichtlich der Zulässigkeit einer Nebenintervention allein auf das Kriterium des rechtlichen Interesses ab. Gleiches gilt für die (von der Zulässigkeit der Nebenintervention abhängende) Kostenentscheidung. Die Grundgedanken des Kostenrechts, die ihren Ausdruck in §§ 91 ff. ZPO, aber auch in § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO finden, stellen für die Kostengrundentscheidung – auch bei Streitgenossen – schematisch nur auf das Obsiegen und Unterliegen der Verfahrensbeteiligten ab und nicht auf außerhalb des Kostenrechts liegende Umstände, also insbesondere nicht auf Quantität und Qualität des eigenen oder des sich hilfsweise zu eigen gemachten Vortrags anderer am Streit Beteiligter. Für die Zulässigkeit einer Nebenintervention wie für die Kostengrundentscheidung ist nicht darauf abzustellen, ob eine Partei aufgrund des eigenen Vortrages oder – ohne eigene Mitwirkung – aus vom Gericht oder von anderen Verfahrensbeteiligten dargelegten Rechtsgründen obsiegt oder unterliegt. Soweit das LG (unter Berufung auf eine Entscheidung des LG Frankfurt/M., Urt. v. 13.1.2009 – 3-5 O 210/08) eine gegenteilige Ansicht vertritt, vermag der Senat dem nicht zu folgen.

f) Aufgrund des somit zu bejahenden rechtlichen Interesses der Nebenintervenientin stellt sich deren Beitritt als zulässig dar und war deshalb zuzulassen (§ 71 Abs. 1 Satz 2 ZPO).

g) Als Folge war auch die Kostenentscheidung entsprechend abzuändern.

aa) § 101 Abs. 1 ZPO regelt (nur) die Frage, wer für die durch eine unselbstständige Nebenintervention (§ 67 ZPO) verursachten Kosten aufzukommen hat, in der Weise, dass sie dem Gegner der unterstützten Hauptpartei aufzuerlegen sind, soweit er nach §§ 91 – 98 ZPO die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat. Wegen des danach maßgeblichen Grundsatzes der Kostenparallelität entspricht der Kostenerstattungsanspruch des Nebenintervenienten inhaltlich dem Kostenerstattungsanspruch, den die von ihm unterstützte Hauptpartei gegen den Gegner hat. Hat der Gegner als Folge seiner Klagerücknahme die Kosten der Hauptpartei zu übernehmen, so kann auch der unselbstständige Nebenintervenient von ihm Erstattung seiner Kosten verlangen.

bb) Diese Kostengrundsätze finden jedoch im Streitfall keine Anwendung, weil es sich wegen der durch §§ 248, 249 AktG angeordneten Rechtskrafterstreckung um eine streitgenössische Nebenintervention (§ 69 ZPO) handelt und mithin nicht § 101 Abs. 1, sondern § 101 Abs. 2 ZPO einschlägig ist, so dass über die außergerichtlichen Kosten der Partei und ihres streitgenössischen Nebenintervenienten eine jeweils eigenständige Entscheidung zu ergehen hat.

Für die streitgenössische Nebenintervention gilt ausschließlich die Kostenregelung des § 101 Abs. 2, § 100 ZPO, die den streitgenössischen Nebenintervenienten kostenrechtlich uneingeschränkt einem Streitgenossen der Hauptpartei gleichstellt. Die in der Verweisung des § 101 Abs. 2 auf § 100 ZPO zum Ausdruck kommende Unanwendbarkeit des Grundsatzes der Kostenparallelität im Verhältnis zwischen Hauptpartei und streitgenössischem Nebenintervenienten beruht auf dessen im Vergleich zu einem einfachen Streitgenossen rechtlich selbstständigeren Stellung. Der Kostenerstattungsanspruch des einzelnen Streitgenossen bestimmt sich entsprechend den aus § 100 ZPO hergeleiteten Kostengrundsätzen nach seinem persönlichen Obsiegen und Unterliegen im Verhältnis zu dem Gegner. Daran anknüpfend ist auch über die Kosten eines streitgenössischen Nebenintervenienten eigenständig und unabhängig von der für die unterstützte Hauptpartei getroffenen Kostenentscheidung auf der Grundlage der für ihn maßgeblichen Umstände zu befinden (BGH ZIP 2007, 1337 = AG 2007, 547).

cc) Da die Nebenintervenientin G. im Verhältnis zum Gegner (der Klägerin) nach Rücknahme der Klage gegen die von ihr unterstützte Beklagte voll obsiegt hat, steht ihr entsprechend der Kostenvorschrift des § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO ein Erstattungsanspruch gegen die Klägerin zu.

<einsender></einsender>Mitgeteilt von den Mitgliedern des 12. Senats am OLG Nürnberg</einsender><//einsender>

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