OLG Nürnberg: Kündigung eines Verbraucherdarlehensvertrags wegen Zahlungsverzugs in angemessener Frist

28.09.2009

BGB § 498 Abs. 1 Satz 1, § 314 Abs. 3, § 626 Abs. 2

Kündigung eines Verbraucherdarlehensvertrags wegen Zahlungsverzugs in angemessener Frist

OLG Nürnberg, Urt. v. 27. 4. 2009 – 14 U 1037/08

Leitsätze des Gerichts:

1. Die Kündigung eines Verbraucherdarlehensvertrags durch den Darlehensgeber wegen Zahlungsverzugs des Darlehensnehmers hat innerhalb angemessener Frist zu erfolgen. Bei der einzelfallabhängigen Bestimmung dieser Frist ist § 626 Abs. 2 BGB weder direkt noch entsprechend anzuwenden.

2. In der Zahlungsaufforderung, die der Kündigung vorauszugehen hat, muss der im Fall der Kündigung fällige Restschuldbetrag nicht beziffert werden.

Gründe:

I. Die klagende Bank verlangt von den Beklagten die Rückzahlung eines Verbraucherdarlehens.

Die Beklagten schlossen im März 2003 mit der Klägerin einen Verbraucherdarlehensvertrag. Danach sollten die Beklagten die Gesamtverpflichtung i.H. v. 39.552,58 € in 72 Monatsraten zurückzahlen. Nachdem die Beklagten mit mehr als zwei aufeinanderfolgenden Teilzahlungen i.H. v. insgesamt 1.675,05 € in Rückstand geraten waren und dieser Ratenrückstand 5 % des Darlehensbetrags überschritt, forderte die Klägerin die Beklagten mit Schreiben vom 6.4.2006 zur Ausgleichung des Gesamtrückstandes binnen zwei Wochen auf und wies darauf hin, dass andernfalls das Darlehen gekündigt und die gesamte Restschuld verlangt werde. Den Restschuldbetrag wiesen die Schreiben vom 6.4.2006 nicht aus. Zahlungen der Beklagten gingen bei der Klägerin weiter nicht ein. Mit Schreiben vom 6.6.2006 an die Beklagten kündigte die Klägerin das Darlehen. Die Hauptforderung der Klägerin gegenüber den Beklagten belief sich am 6.6.2006 auf 22.132,39 €.

Mit Endurteil vom 8.5.2008 hat das LG Ansbach die Klage der Klägerin auf Zahlung von 22.132,39 € nebst Zinsen und Kosten abgewiesen, da die Kündigung des Darlehens verspätet erfolgt und daher ZIP Heft 38/2009, Seite 1802unwirksam sei. Gegen das Endurteil vom 8.5.2008 hat die Klägerin Berufung eingelegt.

II. Die zulässige Berufung der Klägerin ist bereits hinsichtlich des Hauptantrags begründet.

1. Die Beklagten sind gem. § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB zur Zahlung von 22.132,39 € verpflichtet, da die Klägerin den Darlehensvertrag mit Schreiben vom 6.6.2006 wirksam gem. § 498 Abs. 1 Satz 1 BGB gekündigt hat.

1.1 Die Kündigung vom 6.6.2006 erfolgte rechtzeitig, nachdem die mit Schreiben vom 6.4.2006 gesetzte Zahlungsfrist um den 23.4.2006 abgelaufen war.

§ 626 Abs. 2 BGB ist hier nicht anzuwenden, da es sich bei dieser starren Ausschlussfrist um eine Sonderregelung für Dienstverträge handelt, die sich nicht auf andere Vertragsverhältnisse übertragen lässt (BGH, Urt. v. 26.9.1996 – I ZR 194/95, BGHZ 133, 331 = ZIP 1997, 336, Rz. 30 u. 43, dazu EWiR 1997, 279 (Fritzsche)). Dies gilt auch für Darlehensverträge (BGH, Beschl. v. 12.7.1984 – III ZR 32/84, WM 1984, 1273, Rz. 3). Vielmehr ist § 314 Abs. 3 BGB heranzuziehen (vgl. auch § 490 Abs. 3 BGB), der die Einhaltung einer im Einzelfall festzulegenden angemessenen Frist verlangt und gerade nicht auf § 626 Abs. 2 BGB Bezug nimmt. Hiermit ist nicht vereinbar, § 626 Abs. 2 BGB trotzdem zum Maßstab oder als Anhaltspunkt für die Angemessenheit heranzuziehen (so Staudinger/Kessal-Wulf, BGB, Neubearb. 2004, § 498 Rz. 23, und OLG Köln, Urt. v. 21.7.1999 – 11 U 21/99, VersR 2001, 1118, 1119, Rz. 14). Unter Berücksichtigung von Treu und Glauben (§ 242 BGB) kommt es auf die Umstände des Einzelfalls und darauf an, ob infolge zögerlichen Verhaltens des Kündigenden schutzwürdige Belange des Kündigungsgegners beeinträchtigt sind, etwa weil dieser auf den unveränderten Fortbestand des Darlehensvertrags vertraut hat und vertrauen durfte (OLG Dresden, Urt. v. 29.8.2006 – 8 U 1112/06, Rz. 3 u. 4, und Staudinger/Kessal-Wulf, a.a.O., § 498 Rz. 23). Dem Darlehensgeber ist daher bis zum Ausspruch der Kündigung in der Regel nicht nur eine Bedenkzeit von wenigen Tagen zuzubilligen (so aber MünchKomm-Schürnbrand, BGB, 5. Aufl., § 498 BGB Rz. 21).

Im hier vorliegenden Fall hat die Klägerin nach Ablauf der Zahlungsfrist bis zum Ausspruch der Kündigung einen Zeitraum von sechs bis sieben Wochen in Anspruch genommen. Dies war angemessen. Die Beklagten, die weiter keinerlei Zahlungen an die Klägerin geleistet hatten, hatten bis zum Erhalt der Kündigung keinerlei Anlass, auf deren Unterbleiben zu vertrauen. Sie haben auch gar nicht geltend gemacht, ein solches Vertrauen entwickelt zu haben. Die Beeinträchtigung von schutzwürdigen Belangen der Beklagten durch die bis zur Kündigung verstrichene Zeit scheidet also aus.

1.2 In der der Kündigung vorausgegangenen Zahlungsaufforderung muss nicht der im Fall der Kündigung fällige Restschuldbetrag beziffert werden. Dem Wortlaut von § 498 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BGB kann ein solches Erfordernis nicht entnommen werden. Wenn der Gesetzgeber es hätte aufstellen wollen, hätte er es – davon ist auszugehen – in die Vorschrift mit einer unschwer möglichen klaren Formulierung aufgenommen. Der Darlehensgeber ist also nicht zu einer u.U. komplizierten Berechnung der Restschuld bei noch bestehender Ungewissheit, ob es überhaupt zur Kündigung kommt, gezwungen (OLG Köln VersR 2001, 1118, 1119, Rz. 10 u. 11; OLG Oldenburg, Urt. v. 2.6.2003 – 15 U 29/03, DAR 2003, 460, 461, Rz. 5; Staudinger/Kessal-Wulf, a.a.O., § 498 Rz. 18) Soweit das OLG Düsseldorf in einem Urteil vom 17.1.1995 (24 U 81/94, WM 1995, 1530, 1532) zur gleichlautenden Vorschrift im VerbrKrG in einem nicht entscheidungserheblichen obiter dictum eine andere Ansicht vertreten hat, geschah dies ohne weitere Begründung und mit der einschränkenden Formulierung, dass „(aber streitig) wohl zusätzlich die im Kündigungsfall verlangte Restschuld zu benennen“ sei. Dass auch diese Information für den Verbraucher wünschenswert sein mag, darf nicht zu einer Gesetzesauslegung zum Nachteil des Darlehensgebers führen, die sich „nicht unmittelbar zwingend aus dem Wortlaut der Norm“ ergibt (so aber Leube, NJW 2007, 3240, 3242).

<einsender></einsender>Mitgeteilt von den Mitgliedern des 14. Zivilsenats am OLG Nürnberg</einsender><//einsender><hinweis></hinweis>

Anmerkung der Redaktion:

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist anhängig beim BGH unter dem Az. XI ZR 173/09.

</hinweis><//hinweis>

Verlagsadresse

RWS Verlag Kommunikationsforum GmbH & Co. KG

Aachener Straße 222

50931 Köln

Postanschrift

RWS Verlag Kommunikationsforum GmbH & Co. KG

Postfach 27 01 25

50508 Köln

Kontakt

T (0221) 400 88-99

F (0221) 400 88-77

info@rws-verlag.de

© 2024 RWS Verlag Kommunikationsforum GmbH & Co. KG

Erweiterte Suche

Seminare

Rubriken

Veranstaltungsarten

Zeitraum

Bücher

Rechtsgebiete

Reihen



Zeitschriften

Aktuell