OLG Schleswig: Mindestgeschäftswert von 200.000 € bei unzulässigem Antrag im Spruchverfahren

23.03.2009

SpruchG § 15 Abs. 1 Satz 2

Mindestgeschäftswert von 200.000 € bei unzulässigem Antrag im Spruchverfahren

OLG Schleswig, Beschl. v. 27. 8. 2008 – 2 W 65/06

Leitsatz des Gerichts:

Der Mindestgeschäftswert von 200.000 € nach § 15 Abs. 1 Satz 2 SpruchG gilt auch dann, wenn der Antrag auf Bestimmung der Abfindung für außenstehende Aktionäre (§ 305 AktG) als unzulässig – weil unstatthaft – abgewiesen wird (hier: auf der Grundlage eines „verdeckten“ Beherrschungsvertrages nach den Grundsätzen der fehlerhaften Gesellschaft, hilfsweise auf der Grundlage der qualifiziert faktischen Beherrschung/existenzvernichtenden bzw. existenzgefährdenden Nachteilszufügung).

Gründe:

I. Die Antragsteller sind Aktionäre der A. AG (MobilCom), eines börsennotierten Unternehmens, das auf den Geschäftsfeldern Mobilfunk, Festnetz und Internet Telekommunikationsleistungen anbietet. Vorstandsvorsitzender der A. war bis zum 21.6.2002 B. Er war außerdem mit ca. 60 % des Aktienkapitals an der A. beteiligt. Am 23.3.2000 schlossen die A., B. und die Antragsgegnerin (France Télécom S.A.) einen notariell beurkundeten Kooperationsrahmenvertrag (Cooperation Framework Agreement – CFA). In diesem Vertrag kamen die Vertragsparteien überein, gemeinsam eine UMTS-Lizenz zu ersteigern und in Deutschland auf dem Gebiet der Festnetz- und Mobiltelekommunikation zu kooperieren. Die Antragsgegnerin sollte nach B. zweitgrößter Aktionär der A. werden. In Abschnitt 4 des CFA wurde im Einzelnen eine Verwaltungs- und Leitungsstruktur von A. vereinbart. Insoweit ist zwischen den Beteiligten streitig, ob es sich um eine reine Vereinbarung zwischen den Aktionären B. und der Antragsgegnerin handelt oder ob sich die A. vertraglich der Leitung durch die Antragsgegnerin unterworfen hat und damit das CFA einen Beherrschungsvertrag i.S.d. § 291 Abs. 1 AktG darstellt. Der Vertrag wurde nicht der Hauptversammlung der A. zur Beschlussfassung über die Zustimmung unterbreitet. Er wurde auch nicht in das Handelsregister eingetragen. Im November 2000 erwarb die Antragsgegnerin einen Aktienkapitalanteil von 28,3 % an der A. (18,6 Mio. Aktien zum Gesamtpreis von 3,72 Mrd. €), B. hielt fortan einen Anteil von 40 %. Die Vertragsparteien nahmen die Kooperation auf. Im Herbst 2001 kam es zwischen der A. und B. einerseits und der Antragsgegnerin andererseits zu Differenzen über das weitere Vorgehen in Verfolg des Kooperationsziels. Die Antragsgegnerin kündigte das CFA am 11.6.2002 und stellte die Finanzierung ein.

Die Antragsteller haben am 15.12.2003/12.5.2005 beim LG beantragt, 1. gem. § 305 AktG i.V.m. dem SpruchG die angemessene Barabfindung zu Gunsten der außenstehenden Aktionäre der A aufgrund des mit der Antragsgegnerin am 23.3.2000 geschlossenen Beherrschungsvertrages festzusetzen, 2. hilfsweise die angemessene Barabfindung zu Gunsten der außenstehenden Aktionäre der A. im Hinblick auf die qualifizierte faktische Beherrschung/existenzvernichtende bzw. existenzgefährdende Nachteilszufügung zu Lasten der A. in der Zeit von März 2000 bis Januar 2003 festzusetzen, 3. weiter hilfsweise das Verfahren auszusetzen bis zur rechtskräftigen Entscheidung des LG Kiel im Verfahren 14 O 195/03 über den am 1.7.2005 gestellten Klageantrag der ... GmbH auf Feststellung, dass zwischen der Antragsgegnerin und der A. in der Zeit vom 22.3.2000 bis zum 28.1.2003 ein qualifiziert faktischer Konzern bestanden hat bzw. im Sinne der neueren Rechtsprechung des BGH seit BGHZ 149, 10 = ZIP 2001, 1874 (m. Bespr. Altmeppen, S. 1837) – Bremer Vulkan eine existenzvernichtende bzw. existenzgefährdende Nachteilszufügung durch die Antragsgegnerin zu Lasten der A. in der vorgenannten Zeit stattgefunden hat.

Das LG hat die Anträge als unzulässig abgewiesen. Das LG hat den Geschäftswert für den Hauptantrag nach § 15 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 SpruchG n.F. auf 7,5 Mio. € (Höchstwert) und für den Hilfsantrag nach § 18 Abs. 1 Satz 2 KostO n.F. auf 60 Mio. € festgesetzt. Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Antragsteller. Sie erstreben die Herabsetzung des Geschäftswerts pro Antrag auf 200.000 €.

Der Senat hat die Beschwerde in der Hauptsache im Verfahren 2 W 160/05 (ZIP 2009, 124) durch Beschluss selbigen Datums zurückgewiesen.

II. Die Beschwerde ist nach § 15 Abs. 1 Satz 1 SpruchG n.F., § 31 Abs. 3 Satz 1 KostO n.F. zulässig. Das Rechtsmittel ist nach Maßgabe des Ausspruchs auch begründet.

1. Für die Festsetzung des Geschäftswerts hinsichtlich des Hauptantrages ist § 15 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 SpruchG und nicht – unmittelbar oder über § 15 Abs. 1 Satz 1 SpruchG – die KostO a.F. oder n.F. anwendbar.

a) Für die gerichtliche Beurteilung des Hauptantrags sind nach Auffassung des Senats die Vorschriften des SpruchG einschlägig. Nach seinem § 1 Nr. 1 ist es anzuwenden auf das gerichtliche Verfahren für die Bestimmung u.a. der Abfindung außenstehender Aktionäre bei Beherrschungsverträgen (§ 305 AktG). Ein solches Verfahren haben die Antragsteller hier am 15.12.2003 ausdrücklich mit ihrem Antrag eingeleitet. Das LG hat den Antrag verfahrensmäßig auch nach dem SpruchG geprüft. Es hat u.a. seine internationale Zuständigkeit hierfür bejaht, eine Verfristung nach § 4 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 SpruchG verneint und – nach Verneinung eines Beherrschungsvertrages – offengelassen, ob das Spruchverfahren deshalb unzulässig ist, weil das CFA vor seiner Einleitung aufgehoben worden war. Zu allem hat es gem. § 8 SpruchG mündlich verhandelt und nach § 11 SpruchG durch einen mit Gründen versehenen Beschluss entschieden. Dementsprechend haben die Antragsteller nach § 12 SpruchG das statthafte Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde eingelegt, worauf die Antragsgegnerin sich – ebenfalls nach den Vorschriften des SpruchG – eingelassen hat. Im notwendigen Zusammenhang mit den vom LG anzustellenden Untersuchungen stand vor allem die Frage, ob nach dem ihm unterbreiteten Sachverhalt mit dem CFA ein wirksamer Beherrschungsvertrag i.S.d. § 291 AktG gegeben war, in dessen Folge – da das CFA selbst keine angemessene Abfindung vorsah – nach § 305 Abs. 3 Satz 3 AktG eine solche im Spruchverfahren festzusetzen gewesen wäre. Da ein eventuell anzunehmender Beherrschungsvertrag schon wegen Verstoßes gegen § 293 und § 294 Abs. 1 AktG nichtig gewesen wäre, hätte es nach Auffassung des Senats auch ohne die klaren Vorgaben durch Hauptversammlungsbeschluss und Eintragung noch zum Prüfungsumfang des Gerichts gehört, ob auf einen „verdeckten“ nichtigen Beherrschungsvertrag die Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft anzuwenden gewesen wären, da bei Anwendbarkeit dieser Grundsätze der nichtige einem wirksamen Beherrschungsvertrag gleichzustellen gewesen wäre. Dies hätte möglicherweise zu einer direkten oder ZIP 2009, Seite 439entsprechenden Anwendung des Spruchverfahrens geführt. Diese Frage wird für das GmbH- und Aktienrecht vom BGH grundsätzlich bejaht (vgl. BGH ZIP 1988, 229 (m. Bespr. Kleindiek, S. 613 und Kort, S. 681) = NJW 1988, 1326, dazu EWiR 1988, 1149 (Koch); BGH ZIP 1992, 29 = NJW 1992, 505, dazu EWiR 1992, 425 (Geuting); BGH ZIP 2005, 254 = NZG 2005, 261 – Securenta AG/Göttinger Gruppe II, dazu EWiR 2005, 707 (Lürken); BGH ZIP 2005, 753 = NZG 2005, 472 – Göttinger Gruppe) und ist für das Aktienrecht in Rechtsprechung und Literatur Gegenstand widerstreitender Meinungen (vgl. OLG München ZIP 2008, 1330 m.w.N. zum Meinungsstand, dazu EWiR 2008, 481 (Goslar)), so dass ihre Prüfung von den Antragstellern und ggf. vom Spruchgericht ernsthaft in Erwägung zu ziehen war. Deshalb muss es sich die Antragsgegnerin auch gefallen lassen, i.S.d. § 15 Abs. 2 und 3 SpruchG Veranlasserin des Verfahrens zu sein. Dabei kann es für die Anwendbarkeit des SpruchG in diesem Zusammenhang keine Rolle spielen, ob die Prüfung des Vorliegens eines Beherrschungsvertrages und der Anwendbarkeit der Grundsätze der fehlerhaften Gesellschaft im Einzelfall aufwändig ist oder nicht.

b) Wird – wie hier geschehen – das Vorliegen eines Beherrschungsvertrages verneint, ist der Antrag unzulässig, weil er in Anlehnung an die Begriffsbildung im Rechtsmittelrecht (vgl. Zöller/Gummer/Heßler, ZPO, 26. Aufl., vor § 511 Rz. 6: wenn eine mit diesem Rechtsmittel nicht anfechtbare Entscheidung vorliegt) „nicht statthaft“ ist, d.h. entsprechend, weil die Antragsteller mit ihrem Antrag nicht die Bestimmung einer Abfindung verlangen können. Dabei ist die „Statthaftigkeit“ nur eine Voraussetzung der Zulässigkeit des Antrags neben anderen, wie zum Beispiel die Zuständigkeit, die Einhaltung von Fristen und die Antragsberechtigung (vgl. OLG Stuttgart ZIP 2004, 1907 = NZG 2004, 1162 – Hypo Real Estate Holding AG). Inzwischen entspricht es einhelliger Auffassung in Rechtsprechung und Literatur, der sich der Senat anschließt, dass der Mindestwert von 200.000 € immer dann festzusetzen ist, wenn im Ergebnis die Erhöhung der Kompensation ausbleibt, also – neben dem Fall der Unbegründetheit des Antrags – auch bei seiner Unzulässigkeit und seiner Rücknahme (OLG Frankfurt/M. AG 2005, 890; OLG Stuttgart ZIP 2003, 2199 = NZG 2004, 97; OLG Stuttgart ZIP 2004, 850 = NZG 2004, 625; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 10.8.2004 – 19 W 6/04, bei juris; für einen vergleichbaren Fall der Unstatthaftigkeit jedenfalls im Ergebnis OLG München, Beschl. v. 24.6.2008 – 31 Wx 83/07, ZIP 2008, 1330 – HVB/UniCredit, dazu EWiR 2008, 481 (Goslar); Hüffer, AktG, 8. Aufl., 2008, Anh. zu § 305 § 15 SpruchG Rz. 3; Bürgers/Körber/Simmler, AktG, 2008, Anh. zu § 306 § 15 SpruchG Rz. 2; Klöcker/Frowein, SpruchG, 2004, § 15 Rz. 4; Fritzsche/Dreier, SpruchG, § 15 Rz. 11; Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 4. Aufl., 2005, § 15 SpruchG, S. 839; jew. m.w.N.). Begründet wird diese Auffassung zutreffend u.a. damit, dass das SpruchG nicht danach unterscheide, aus welchen Gründen die Kompensation ausbleibe. Dafür sei gerade der Mindestwert eingeführt worden. Gegenüber einer Festsetzung nach § 30 KostO habe dieser den Vorteil, klar und eindeutig zu sein. Er führe ferner zu einer Verminderung des Kostenrisikos des Antragstellers. Dem Umstand, dass das Spruchverfahren in der Hauptsache zu keiner gerichtlichen Entscheidung komme, habe der Gesetzgeber in § 15 Abs. 1 Satz 5 und 6 SpruchG durch die Zahl der anzusetzenden Gebühren Rechnung getragen. Für ein Ermessen, den Geschäftswert im Falle der Unzulässigkeit des Antrags niedriger oder höher – etwa wie das LG auf den Höchstwert von 7,5 Mio. € – festzusetzen, ist demnach kein Raum. Die Literatur, auf die sich das LG insoweit zum Beleg seiner abweichenden Auffassung bezieht, ist inzwischen – von den Kommentatoren ausdrücklich eingeräumt – überholt.

2. Für die Festsetzung des Geschäftswerts für den Hilfsantrag gilt im Ergebnis nichts anderes.

Allerdings ist der Antragsgegnerin einzuräumen, dass – anders als zum Hauptantrag – der von den Antragstellern hilfsweise vorgetragene Grund des Abfindungsanspruchs entsprechend § 305 AktG „qualifiziert faktische Beherrschung/existenzvernichtende bzw. existenzgefährdende Nachteilszufügung“ nicht im Katalog des § 1 SpruchG enthalten ist. Gesetzesverfasser und die nahezu einhellige Meinung in Rechtsprechung und Literatur gehen jedoch davon aus, dass dieser Katalog nicht abschließend und das Spruchverfahren für vergleichbare Fälle wegen der bewertungsabhängigen Höhe von Ansprüchen zugänglich ist (z.B. Ausschussbericht BT-Drucks. 15/838 unter Hinweis auf BGH ZIP 2003, 387 (m. Anm. Streit) = NJW 2003, 1032 – Macrotron, reguläres Delisting; BVerfG ZIP 2000, 1670 = NJW 2001, 279 – MotoMeter, übertragende Auflösung, dazu EWiR 2000, 913 (Neye); OLG Düsseldorf ZIP 2005, 300 = NZG 2005, 317 – Rhenag, kaltes Delisting, dazu EWiR 2005, 275 (Pluskat); Emmerich/Habersack, a.a.O., § 1 SpruchG Rz. 3 und 4; Hüffer, a.a.O., § 1 SpruchG Rz. 6; jew. m.w.N.). Zwar bestehen bei der vorliegenden, dem Schadensersatzrecht zumindest verwandten Anspruchsgrundlage (vgl. hierzu zum GmbH-Recht BGH ZIP 2007, 1552 (m. Bespr. Weller, S. 1681) = NJW 2007, 2689 – Trihotel, dazu EWiR 2007, 557 (Wilhelm); BGH ZIP 2008, 1232 (m. Bespr. Altmeppen, S. 1201) = DStR 2008, 1293 – Gamma, dazu EWiR 2008, 493 (Bruns)) gegen die Vergleichbarkeit Bedenken, weil die Anspruchsgrundlage rechtlich problematisch und hinsichtlich der Tatsachenfeststellung schwierig ist, was dem Sinn und Zweck des Spruchverfahrens zuwiderläuft. Diesen Bedenken haben Literatur und Rechtsprechung, die den Anspruchsgrund der qualifiziert faktischen Beherrschung/existenzvernichtenden bzw. existenzgefährdenden Nachteilszufügung bejahen oder in Erwägung ziehen, dadurch Rechnung getragen, dass sie die rechtskräftige Feststellung des Anspruchsgrundes dem ordentlichen Zivilgericht zuweisen und im Anschluss daran die Bestimmung der Höhe dem Spruchgericht (OLG Stuttgart DB 2000, 709 – Schwaben-Zell, dazu EWiR 2000, 209 (Luttermann); OLG Zweibrücken ZIP 2005, 948 = NZG 2005, 935 – Guano AG II; Schmidt/Lutter, AktG, 2008, § 317 Rz. 64; Emmerich/Habersack, a.a.O., Anh. § 17 SpruchG Rz. 29; jew. m.w.N.). Dadurch wird die Vergleichbarkeit hergestellt, weil das Spruchgericht sich nunmehr auf eine eindeutige Grundlage stützen kann und nur noch über die Höhe zu entscheiden hat. Daraus folgt, dass sich im Falle einer Aussetzung des Spruchverfahrens und eines negativen Ausgangs des Feststellungsverfahrens vor dem ordentlichen Zivilgericht die Festsetzung des Geschäftswerts ZIP 2009, Seite 440durch das Spruchgericht nach Abweisung des Antrags als unzulässig – weil unstatthaft – nicht abweichend von dem unter 1 behandelten Fall beurteilt. Allerdings hat vorliegend der Senat die von den Antragstellern hilfsweise beantragte – bereits von Amts wegen zu prüfende – Aussetzung des Spruchverfahrens bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die beim LG Kiel rechtshängige Feststellungsklage als Vorfrage im Rahmen seines Ermessens u.a. wegen der langen Dauer der Verfahren abgelehnt und – bei Offenlassen des Anspruchsgrundes in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht – das Spruchgericht für dessen Feststellung als (zur Zeit) nicht „zuständig“ gehalten. Schon mit Rücksicht auf das Kostenrisiko der Antragsteller kann jedoch die Höhe des Geschäftswerts nicht von dieser Ermessensentscheidung abhängig gemacht werden.

3. Die gegen die Ergebnisse nach 1 und 2 gerichteten Argumente der Antragsgegnerin sind, soweit sie darin nicht schon widerlegt sind, nicht überzeugend.

a) Ihr Hinweis auf die Rechtsprechung, wonach in Kostensachen vom Gesetz an sich gebühren- und erstattungsfrei gestellte Beschwerden (§ 5 Abs. 6, § 25 Abs. 4 GKG a.F.) dann kostenpflichtig sind, wenn das Rechtsmittel ausgeschlossen (§ 5 Abs. 2 Satz 2 und 3, § 25 Abs. 3 Satz 2 GKG a.F.), also nicht statthaft ist, liegt neben der Sache, weil es sich schon nach der ausdrücklichen Bekundung dieser Rechtsprechung selbst um eindeutige Fälle des eindeutigen (gesetzlichen) Ausschlusses handelt (BGH NJW 2003, 69; OLG Koblenz NJW-RR 2000, 1239). Daran fehlt es hier.

b) Der Senat sieht sich ferner im Einklang mit der unter 1 b schon erwähnten Entscheidung des OLG München ZIP 2008, 1330 (ungekürzter Text bei juris) in Verbindung mit der erstinstanzlichen Entscheidung des LG München v. 19.10.2007 – 5 HK O 13298/07, ZIP 2008, 242 = WM 2008, 30 (ungekürzter Text ebenfalls bei juris) – HVB/UniCredit. Beide Gerichte haben den Antrag außenstehender Aktionäre „auf Feststellung u.a. der angemessenen Barabfindung“ in direkter oder entsprechender Anwendung des § 305 AktG i.V.m. § 1 SpruchG als unzulässig – weil unstatthaft – angesehen mit der Begründung, § 1 SpruchG sei nicht (entsprechend) anwendbar, und haben den Geschäftswert jeweils nach § 15 Abs. 1 Satz 2 SpruchG auf 200.000 € (Mindestwert) festgesetzt. Das LG hat dazu ausgeführt, da der Antrag auf Durchführung eines Spruchverfahrens gerichtet sei und sich das Gericht mit der Anwendbarkeit dieser Vorschriften eingehend auseinandergesetzt habe, sei es „sachgerecht“, wenn die Nebenentscheidungen ihre rechtliche Grundlage in dem Gesetz haben, über dessen Anwendbarkeit die rechtliche Auseinandersetzung gehe. Das OLG hat sich dem „in Übereinstimmung mit dem LG und unter Berücksichtigung der Wertung des § 15 Abs. 1 Satz 2 SpruchG“ angeschlossen. Dieser Auffassung ist auch – wie unter 1 im Einzelnen dargelegt – der Senat. Soweit die Antragsgegnerin unter Hinweis auf „in Erfahrung gebrachte Hintergründe zur Sachgerechtigkeit“ der genannten Entscheidungen Abweichungen zum hier zu entscheidenden Fall sieht, hält der Senat dies für nicht überzeugend. Die danach intern gebliebene angebliche Überlegung, mangels greifbarer Anhaltspunkte zur Höhe eine unangemessene Festsetzung nach § 30 Abs. 2 Satz 1 KostO auf 3.000 € durch eine Festsetzung nach § 15 Abs. 1 Satz 2 SpruchG vermeiden zu müssen, belegt lediglich das vom Senat unter 1 schon erwähnte Argument der Rechtssicherheit. Einen entscheidungserheblichen Unterschied wegen der vorgenannten Begründung des vorliegenden Sachverhalts zum „Münchener Fall“ erkennt der Senat im Gegensatz zur Antragsgegnerin nicht. Diese übersieht, dass auch hier die Antragsteller „keinen quantifizierten Antrag gestellt, sondern schlicht die Durchführung eines Spruchverfahrens zur Festsetzung einer angemessen Abfindung“ beantragt haben. Die auch im „Münchener Fall“ ausdrücklich vorgenommene rechtssystematische Wahl der Rechtsgrundlage für die Geschäftswertfestsetzung nach § 15 Abs. 1 Satz 2 SpruchG kann nicht davon abhängen, ob in der Antragsbegründung der ohne Weiteres zu ermittelnde Aktienkurs im maßgeblichen Zeitpunkt als Untergrenze der Abfindung erwähnt wird oder nicht.

c) Anhaltspunkte für einen Missbrauch oder einen „Etikettenschwindel“ durch die Antragstellung der Antragsteller, um unter Umgehung kostenträchtiger Verfahren vor dem ordentlichen Gericht als Abfindungsansprüche getarnte Schadensersatzansprüche günstig vor dem Spruchgericht geltend zu machen, sieht der Senat nicht. Es handelt sich vielmehr um die legitime Ausschöpfung überwiegend noch ungeklärter verfahrensrechtlicher Möglichkeiten, welche die Diskussion in Rechtsprechung und Literatur nahelegt oder zumindest erwägenswert erscheinen lässt. Das zeigt auch der in längeren Zeitabständen von den Beteiligten unterbreitete Prozessstoff im Aktenumfang von nunmehr ca. 1.300 Blatt Papier einschließlich zweier kontroverser Rechtsgutachten von spezialisierten Hochschullehrern.

d) Der Senat folgt auch nicht der Auffassung der Antragsgegnerin, dass die Geschäftswertkappung in § 15 SpruchG gegen Verfassungsrecht oder europäisches Recht verstößt. Insoweit nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug auf die inzwischen vorliegende Entscheidung des BVerfG vom 13.2.2007 zur Gebührenbegrenzung bei Streitigkeiten mit besonders hohen Gegenstandswerten (§ 22 Abs. 2 und § 23 Abs. 1 Satz 1 RVG i.V.m. § 39 Abs. 2 GKG) in NJW 2007, 2098 (zusammenfassende Orientierungssätze bei juris). Desgleichen sieht der Senat nicht den „Grundsatz der Waffengleichheit“ verletzt. Das Kostenrisiko trifft vorliegend im Ergebnis beide Beteiligte gleichermaßen.

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