OLG Stuttgart: Darlegung der Prozessfähigkeit durch ausländische Gesellschaft als Betreiberin eines Klageerzwingungsverfahrens

23.12.2009

StGB § 263; ZPO § 51 Abs. 1; StPO § 172 Abs. 3 Satz 1

Darlegung der Prozessfähigkeit durch ausländische Gesellschaft als Betreiberin eines Klageerzwingungsverfahrens

OLG Stuttgart, Beschl. v. 4. 8. 2009 – 1 Ws 139/09 (nicht rechtskräftig; Generalstaatsanwaltschaft Stuttgart)

Leitsatz des Gerichts:

Betreibt eine ausländische Gesellschaft das Klageerzwingungsverfahren, so muss sie ihre Prozessfähigkeit darlegen.

Zum Sachverhalt:

Die Anzeigeerstatterinnen – Gesellschaften in der Form einer LP bzw. plc. – werfen den Beschuldigten vor, sie bei Mezzanine-Finanzierungen in Form von Genussrechten betrogen zu haben (§ 263 StGB). Diese hätten bereits vor Auszahlung des Genussrechtskapitals gewusst, dass die wirtschaftliche Lage ihrer GmbH sich drastisch verschlechtert hatte, diesen Umstand jedoch unter Verstoß gegen ihre Vertragspflichten nicht den Verantwortlichen offenbart.

Gründe:

II. Der Antrag der Anzeigeerstatterinnen auf gerichtliche Entscheidung ist nicht zulässig, weil deren Prozessfähigkeit für das Klageerzwingungsverfahren nicht vorgetragen ist (§ 172 Abs. 3 Satz 1 StPO) und sich auch nicht aus den Umständen ergibt.

Der Antragsteller im Klageerzwingungsverfahren muss prozessfähig i.S.v. § 51 Abs. 1 ZPO sein (OLG Düsseldorf MDR 1989, 377; OLG Nürnberg MDR 1964, 944; Meyer-Goßner, StPO, 52. Aufl., § 172 Rz. 7; Karlsruher Kommentar, StPO, 6. Aufl., § 172 Rz. 17). Das folgt daraus, dass der Antrag vermögensrechtliche Folgen haben kann (vgl. §§ 176, 177 StPO) und dass der Antragsteller sich in einer tragenden Rolle als Verfahrensbeteiligter befindet, die mit der des Privatklägers verglichen werden kann; dieser wird nach § 374 Abs. 3 StPO durch seine zivilrechtlichen Organe vertreten, wenn er in Form einer Körperschaft, Gesellschaft oder eines Personenvereins organisiert ist. Auch die Befugnis zum Anschluss als Nebenkläger nach erfolgreichem Klageerzwingungsverfahren (§ 395 Abs. 1 Nr. 3 StPO) erfordert Prozessfähigkeit (Karlsruher Kommentar, a.a.O., § 172 Rz. 17); es wäre sinnwidrig, einen Prozessunfähigen zur Klageerzwingung zuzulassen und ihm im Erfolgsfalle den Anschluss als Nebenkläger wegen Prozessunfähigkeit zu versagen.

Die Prozessfähigkeit der Anzeigeerstatterinnen, die der Senat entsprechend § 56 ZPO zu prüfen hat, ist hier nicht dargelegt oder sonst ersichtlich. Es wird nur vorgetragen, es handele sich bei den Anzeigeerstatterinnen um Gesellschaften in der Form einer LP bzw. plc. Zur Ausgestaltung der Rechtsform dieser ausländischen Gesellschaften, die sich nach dem Recht des Gründungsstaates richtet (EuGH ZIP 2002, 2037 (m. Bespr. Eidenmüller, S. 2233) = NJW 2002, 3614 – Überseering, dazu EWiR 2002, 1003 (Neye); EuGH ZIP 2003, 1885 (m. Bespr. Ziemons, S. 1913) – Inspire Art, dazu EWiR 2003, 1029 (Drygala); BGH ZIP 2005, 805 = NJW 2005, 1648, dazu EWiR 2005, 431 (Bruns); BGH ZIP 2003, 718 (m. Bespr. Leible/Hoffmann, S. 925) = NJW 2003, 1461 – Überseering, dazu EWiR 2003, 571 (Paefgen)), wird nichts vorgetragen, obwohl dies bei ausländischen Gesellschaften geboten gewesen wäre. Denn die Frage, wer gesetzlicher Vertreter dieser Gesellschaften ist und welchen Umfang dessen Befugnisse haben, bestimmt sich hier mutmaßlich nach britischem bzw. irischem Recht (vgl. OLG München ZIP 2005, 1826, dazu EWiR 2005, 765 (Cl. Just); Zöller, ZPO, 27. Aufl., § 51 Rz. 6). Derartige in ausländischen Rechtsordnungen wurzelnde Rechtsverhältnisse bedürfen im Klageerzwingungsverfahren des Vortrags. Die für ZIP 49/2009, 2360den Zivilprozess geltende Norm des § 293 ZPO, die bei Anwendbarkeit ausländischen Rechts eine Vortragspflicht bestimmt, gilt hier entsprechend.

An dem danach erforderlichen Vortrag fehlt es hier. Ob die von der AG beherrschten P.-Zweckgesellschaften überhaupt selbstständig am Kreditverkehr teilnehmen oder ob sie nur unselbstständige „Verbriefungsplattformen“ oder „Transaktionen“ der AG in steuerbegünstigten Gebieten darstellen, bleibt ebenso offen wie ihre Vertretung durch natürliche Personen als Gesellschaftsorgane und deren etwaige Vertretungsbefugnisse. Die vom Senat angeforderte Vollmacht haben die Anzeigeerstatterinnen nicht vorgelegt. Gegenüber derartigen Gesellschaftsgebilden könnte die deutsche Justiz nicht einmal etwa entstandene Verfahrenskosten (§ 177 StPO) durchsetzen.

Auf einer derart unklaren Prozessfähigkeitsgrundlage kann das Klageerzwingungsverfahren nicht durchgeführt werden. Der gravierende Vortragsmangel macht den Klageerzwingungsantrag unzulässig.

Verlagsadresse

RWS Verlag Kommunikationsforum GmbH & Co. KG

Aachener Straße 222

50931 Köln

Postanschrift

RWS Verlag Kommunikationsforum GmbH & Co. KG

Postfach 27 01 25

50508 Köln

Kontakt

T (0221) 400 88-99

F (0221) 400 88-77

info@rws-verlag.de

© 2024 RWS Verlag Kommunikationsforum GmbH & Co. KG

Erweiterte Suche

Seminare

Rubriken

Veranstaltungsarten

Zeitraum

Bücher

Rechtsgebiete

Reihen



Zeitschriften

Aktuell