OLG Stuttgart: Kein Anspruch des Darlehensnehmers gegen die Bank auf Rückzahlung der Prämien für die Restschuldversicherung nach Widerruf des Darlehensvertrags

18.09.2009

BGB §§ 495, 355, 358 Abs. 3; InsO § 96 Abs. 1

Kein Anspruch des Darlehensnehmers gegen die Bank auf Rückzahlung der Prämien für die Restschuldversicherung nach Widerruf des Darlehensvertrags

OLG Stuttgart, Urt. v. 26. 5. 2009 – 6 U 21/09

Leitsätze des Gerichts:

1. Ob ein Darlehensvertrag und ein (gleichzeitig mitkreditierter) Restschuldversicherungsvertrag verbundene Geschäfte gem. § 358 Abs. 3 Satz 1 BGB sind, bleibt offen.

2. Selbst wenn der Versicherungsbeitrag aus der – dem Kreditnehmer im Übrigen frei verfügbaren – Darlehensvaluta unmittelbar an den Versicherer ausbezahlt worden ist, kann der Darlehensschuldner bei wirksamem Widerruf des Kreditvertrages den vollen abgeflossenen Versicherungsbeitrag wegen der gesetzlich angeordneten Rechtsfolge des § 358 Abs. 3 Satz 4 BGB nicht vom Kreditgeber zurückerstattet verlangen.

3. Dies gilt auch im Fall der Insolvenz des Darlehensnehmers. Insolvenzrechtliche Bestimmungen, insbesondere § 96 Abs. 1 Satz 1 InsO, stehen dem nicht entgegen.

Gründe:

I. Der Kläger als insolvenzrechtlicher Treuhänder fordert von der Beklagten die Rückzahlung eines Versicherungsbeitrags nach Widerruf eines Darlehensvertrages. Der Kläger ist mit Beschluss des AG Ravensburg – Insolvenzgericht – vom 7.1.2008 zum Treuhänder über das Vermögen des Insolvenzschuldners bestellt worden.

Am 13.10.2004 schloss der Insolvenzschuldner mit der Beklagten einen Darlehensvertrag über einen Nettokredit von 32.974,62 € zzgl. eines Versicherungsbeitrags von 6.932,57 €. Am gleichen Tag unterzeichnete der Insolvenzschuldner einen Versicherungsvertrag für Ratenkredite mit der C. Versicherung (im Folgenden: C.), einen sog. Restschuldversicherungsvertrag, welcher ihm von dem für die Kreditvergabe zuständigen Sachbearbeiter der Beklagten vermittelt wurde. Gegenstand des Versicherungsvertrages waren eine Kreditlebensversicherung mit Arbeitsunfähigkeitszusatzversicherung sowie eine Arbeitslosigkeitsversicherung, jeweils für den Insolvenzschuldner als Versicherungsnehmer und versicherte Person. Als Versicherungsprämie sah der Vertrag Einmalbeiträge von 3.958,10 € für die Kreditlebensversicherung und von 2.974,47 € für die Arbeitslosigkeitsversicherung vor. Die Widerrufsbelehrung zum Darlehensvertrag enthielt keine Belehrung über die Rechtsfolgen bei verbundenem Geschäft, § 358 Abs. 5 BGB.

Der Kläger widerrief mit Schreiben vom 13.6.2008 den Kreditvertrag gegenüber der Beklagten und forderte sie mit Schreiben vom 17.7.2008 zur Rückzahlung des Versicherungsbeitrags i.H. v. insgesamt 6.932,57 € auf.

Das LG hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es aufgeführt, dass Darlehensvertrag und Versicherungsvertrag schon keine verbundenen Verträge seien.

Der Kläger stellt in der Berufung den Hauptantrag, die Beklagte unter Abänderung der angefochtenen Entscheidung zu verurteilen, an den Kläger 6.932,57 € nebst Zinsen zu zahlen, sowie den Hilfsantrag, festzustellen, dass der Widerruf des mit dem Restschuldversicherungsvertrag verbundenen Kreditvertrags rechtzeitig erfolgte und die beiden Verträge rückabzuwickeln sind.

II. Die Berufung des Klägers ist zulässig, hat in der Sache aber keinen Erfolg. Der vom Kläger mit seinem Hauptantrag geltend gemachte Zahlungsanspruch ist unbegründet (nachfolgend 1); der von ihm hilfsweise gestellte Feststellungsantrag ist unzulässig (nachfolgend 2).

1. Dem Kläger steht ein von der Beklagten zu erfüllender Anspruch auf Erstattung des Versicherungsbeitrags weder aus einem Rückgewährschuldverhältnis (nachfolgend a) noch aus culpa in contrahendo (nachfolgend b) zu.

a) Der Kläger kann die Beklagte nicht auf Rückgewähr des Versicherungsbeitrags, §§ 346, 357, 358 Abs. 4 Satz 1 BGB, aufgrund Widerrufs der auf den Abschluss des Darlehensvertrages gerichteten Willenserklärung des Insolvenzschuldners, §§ 495, 355 BGB, in Anspruch nehmen.

Dabei kann offenbleiben, ob Darlehensvertrag und Versicherungsvertrag verbundene Geschäfte sind, § 358 Abs. 3 BGB, mit der Folge, dass dem Kläger trotz Ablaufs der Widerrufsfrist noch ein Recht zum Widerruf zustand, weil dem Insolvenzschuldner keine ordnungsgemäße, auf die Rechtsfolgen des Widerrufs verbundener Geschäfte hinweisende Widerrufsbelehrung erteilt wurde, § 355 Abs. 3 Satz 3, § 358 Abs. 5 BGB. Denn auch dann, wenn der Kläger den Darlehensvertrag noch wirksam widerrufen konnte, kann er nach der gesetzlichen Regelung, § 358 Abs. 4 Satz 3 BGB, von der Beklagten jedenfalls nicht die Rückerstattung des Versicherungsbeitrags verlangen.

aa) Gemäß § 358 Abs. 4 Satz 3 BGB tritt der Darlehensgeber im Verhältnis zum Verbraucher hinsichtlich der Rechtsfolgen des Widerrufs in die Rechte und Pflichten des Unternehmers ZIP Heft 37/2009, Seite 1758aus dem verbundenen Vertrag ein, wenn das Darlehen dem Unternehmer bei Wirksamwerden des Widerrufs bereits zugeflossen ist. Letzteres ist vorliegend insoweit der Fall, als das Darlehen zum Ausgleich des Versicherungsbeitrags an die C. ausgezahlt wurde. Eine teilweise Auszahlung des Darlehensbetrags an den Unternehmer reicht im Hinblick auf den Schutzzweck der Vorschrift aus (MünchKomm-Habersack, BGB, 5. Aufl., § 358 Rz. 74; Staudinger/Kessal-Wulf, BGB, 2004, § 358 Rz. 67).

bb) Mit der gesetzlichen Regelung des § 358 Abs. 4 Satz 3 BGB wird der Grundsatz der Rückabwicklung im jeweiligen Leistungsverhältnis für das Verhältnis zwischen Verbraucher einerseits und Darlehensgeber sowie Unternehmer andererseits durchbrochen und eingeschränkt. Der Darlehensgeber rückt in die Rechte und Pflichten des Unternehmers ein und wird anstelle des Unternehmers Gläubiger und Schuldner des Verbrauchers, so dass es zu einer bilateralen Rückabwicklung zwischen Darlehensgeber und Verbraucher folgenden Inhalts kommt: Der Verbraucher ist nicht verpflichtet, die an den Unternehmer geflossene Darlehensvaluta an den Darlehensgeber zurückzuzahlen, schuldet diesem vielmehr nur die Herausgabe der finanzierten Leistung. Auf der anderen Seite steht dem Verbraucher aber auch kein Anspruch auf Rückzahlung des an den Unternehmer geleisteten darlehensfinanzierten Entgelts zu. Denn durch den Eintritt des Darlehensgebers in die Rechte und Pflichten des Unternehmers kommt es insoweit zu einer Konsumtion (so Staudinger/Kessal-Wulf, a.a.O., § 358 Rz. 67), Konzentration (so Erman/Saenger, BGB, 12. Aufl., § 358 Rz. 27) oder Saldierung kraft Gesetzes (so MünchKomm-Habersack, a.a.O., § 358 Rz. 84) und zu keinem gesetzlichen Schuldbeitritt (vgl. BGHZ 131, 66 = ZIP 1995, 1808, Rz. 21, dazu EWiR 1995, 1227 (Bülow)). Es soll zum Schutz des Verbrauchers gerade keine Rückabwicklung im Dreieck erfolgen (vgl. BGHZ 133, 254 = ZIP 1996, 1940, Rz. 23, dazu EWiR 1996, 1091 (Koller)), d.h. eine Rückzahlung des Kreditbetrags vom Verbraucher an den Darlehensgeber und eine Erstattung des finanzierten Kaufpreises bzw. Entgelts vom Unternehmer an den Verbraucher. Die Rückabwicklung der genannten Leistungen, nämlich die Auszahlung der Darlehensvaluta und die Zahlung des Entgelts an den Unternehmer, erfolgt allein im Verhältnis zwischen Darlehensgeber und Unternehmer (vgl. zum Ganzen: Staudinger/Kessal-Wulf, a.a.O., § 358 Rz. 67; MünchKomm-Habersack, a.a.O., § 358 Rz. 84; Bamberger/Roth/Möller, BGB, 2. Aufl., § 358 Rz. 28 u. 29; Erman/Saenger, a.a.O., § 358 Rz. 27; Prütting/Weinreich/Wegen, BGB, 3. Aufl., § 358 Rz. 15; Schulze, BGB, 5. Aufl., § 358 Rz. 11 u. 12; BGHZ 133, 254 = ZIP 1996, 1940, Rz. 23). Finanziertes Entgelt ist im vorliegenden Fall der Versicherungsbeitrag. Ein gegen die Beklagte gerichteter Anspruch auf dessen Erstattung besteht aufgrund der gesetzliche Regelung nicht.

cc) Diese Rechtsfolge findet ihre Bestätigung in Sinn und Zweck des Gesetzes: Die gesetzliche Regelung bezweckt, dass der Verbraucher so steht, wie er stünde, wenn er ein einfaches Abzahlungsgeschäft abgeschlossen hätte, bei dem der Unternehmer den „Kaufpreis“ selbst kreditiert (so auch Erman/Saenger, a.a.O., § 358 Rz. 27). Im Falle eines solchen einfachen Abzahlungsgeschäfts könnte der Verbraucher die von ihm geleisteten Teilzahlungen vom Unternehmer zurückfordern, mehr aber nicht, und hätte im Gegenzug das finanzierte Objekt zurückzugeben. Ein Anspruch auf Auszahlung des Kaufpreises als solchem, mithin eines Betrags, der je nach Abzahlungsstand auch erheblich über der Summe der Teilzahlungen liegen kann, stünde ihm nicht zu. Somit hat der Verbraucher nach dem Gesetzeszweck einen Anspruch auf Rückerstattung aller aus seinem eigenen Vermögen erbrachten Leistungen (vgl. BGH, Urt. v. 10.3.2009 – XI ZR 33/08, ZIP 2009, 952, Rz. 27, dazu EWiR 2009, 371 (Madaus)), aber eben nur dieser. Die gesetzliche Regelung soll nicht zu einer Bereicherung des Verbrauchers um einen Vermögenswert führen, der zuvor nicht zu seinem Vermögen gehörte; sie soll ihn vor dem Aufspaltungsrisiko schützen (vgl. BGH ZIP 2009, 952, Rz. 26), ihm aber keinen Aufspaltungsgewinn verschaffen.

dd) Entgegen der Auffassung des Klägers ist nicht ersichtlich, dass insolvenzrechtliche Vorschriften der sich aus § 358 Abs. 4 Satz 3 BGB ergebenden gesetzlichen Rechtsfolge entgegenstehen. Insbesondere ist § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO vorliegend nicht einschlägig, weil im Zusammenhang mit den beiderseitigen Erstattungsansprüchen aus dem Rückgewährschuldverhältnis keine Aufrechnung feststellbar ist. Die Aufrechnung ist rechtsgestaltende Willenserklärung und als solche von der Willensbetätigung einer Partei abhängig (vgl. Runkel, Anwalts-Handbuch Insolvenzrecht, § 6 Rz. 519). Hingegen tritt die Konsumtion bzw. Konzentration gem. § 358 Abs. 4 Satz 3 BGB kraft Gesetzes ein und bedarf gerade keiner Willenserklärung. Eine vom Willen der Parteien des Rückabwicklungsverhältnisses abhängige Aufrechnung ist weder erforderlich noch möglich.

b) Für einen vom Kläger hilfsweise geltend gemachten Schadensersatzanspruch aus culpa in contrahendo, §§ 280, 311 BGB, fehlt es bereits an einem auf den vorliegenden Streitfall zugeschnittenen substanziierten Tatsachenvortrag des Klägers zu einer Pflichtverletzung der Beklagten und zur Kausalität einer solchen für einen Schaden des Klägers. Sein Vorbringen zur Begründung des Hilfsanspruchs, die Beklagte habe es versäumt, den Darlehensnehmer über Provisionszahlungen – sog. Kick-back – aufzuklären, wozu auf ein Urteil des LG Bochum und ein Urteil des BGH verwiesen werde, erfüllt die Anforderungen an einen konkreten fallbezogenen Sachvortrag nicht. Die vom Kläger zitierte Entscheidung des BGH (Urt. v. 19.12.2006 – XI ZR 56/05, ZIP 2007, 518) ist im Übrigen zu einer Anlageberatung über Wertpapiere ergangen. Im Falle eines Anlageberatungsvertrages über Wertpapiere gelten für die Aufklärungspflicht der beratenden Bank andere Maßstäbe als bei der vorliegend gegebenen bloßen Vermittlung eines Versicherungsvertrages.

2. Der vom Kläger hilfsweise gestellte Feststellungsantrag ist unzulässig. Dabei kann offenbleiben, ob die Zulässigkeit des erstmals in der Berufung gestellten Antrags schon an § 533 Nr. 2 ZPO scheitert, weil er nicht auf Tatsachen gestützt werden kann, die der Senat seiner Entscheidung ohnehin nach § 529 ZPO zugrunde zu legen hat, denn es fehlt jedenfalls die gem. § 256 Abs. 2 ZPO erforderliche besondere Prozessvoraussetzung der Vorgreiflichkeit des zur Feststellung beantragten Rechtsverhältnisses. (Wird ausgeführt.)

ZIP Heft 37/2009, Seite 1759<hinweis></hinweis>

Anmerkung der Redaktion:

Zum Verbraucherdarlehens- und Restschuldversicherungsvertrag als Verbundgeschäft s. auch OLG Oldenburg ZIP 2009, 706; OLG Köln ZIP 2009, 710; OLG Celle ZIP 2009, 1755 (vorstehend); Freitag, ZIP 2009, 1297.

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