OLG Stuttgart: Zur Vertretungsregelung bei Gründung einer Unternehmergesellschaft nach Musterprotokoll

08.06.2009

GmbHG § 2 Abs. 1a, § 8 Abs. 4 Nr. 2, § 10 Abs. 1 Satz 4, § 35 Abs. 2; BGB § 181

Zur Vertretungsregelung bei Gründung einer Unternehmergesellschaft nach Musterprotokoll

OLG Stuttgart, Beschl. v. 28. 4. 2009 – 8 W 116/09

Leitsatz der Redaktion:

1. Bei der Gründung einer Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) im vereinfachten Verfahren mittels des in der Anlage zu § 2 Abs. 1a GmbHG bestimmten Musterprotokolls muss auch die konkrete Vertretungsbefugnis des alleinigen Geschäftsführers personenbezogen angemeldet werden, die im Hinblick auf § 181 BGB abweicht.

2. Treten später Änderungen in der Geschäftsführung ein, sei es durch die Berufung eines anderen Alleingeschäftsführers oder zusätzlicher weiterer Geschäftsführer, so entfällt die dem Gründungsgeschäftsführer als alleinigem Geschäftsführer vorbehaltene besondere Vertretungsbefugnis.

Gründe:

I. Am 18.12.2008 meldete der Geschäftsführer der Antragstellerin die Gründung der Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt) zur Eintragung ins Handelsregister an. Die Gründung war nach Musterprotokoll (Anlage zu § 2 Abs. 1a GmbHG) erfolgt.

Die Anmeldung beinhaltet folgende Vertretungsregelung:

„II. Die Vertretung der Gesellschaft ist allgemein wie folgt geregelt: Ist nur ein Geschäftsführer bestellt, vertritt er allein und ist befugt, im Namen der Gesellschaft mit sich selbst im eigenen Namen oder als Vertreter eines Dritten Rechtsgeschäfte abzuschließen. Sind mehrere Geschäftsführer bestellt, wird die Gesellschaft durch die Geschäftsführer gemeinsam vertreten.“

Diese Formulierung entsprach der vom Registergericht Ulm den ihm zugeordneten Notariaten mitgeteilten Formulierung der Vertretungsregelung bei der Verwendung von Musterprotokollen, auf die sich die Rechtspfleger geeinigt hatten.

Dem fügte die Antragstellerin unter III hinzu:

„III. Zum Geschäftsführer ist bestellt: ... Der Geschäftsführer ist befugt, die Gesellschaft bei Rechtsgeschäften mit sich selbst oder mit sich als Vertreter eines Dritten zu vertreten, vertritt ansonsten die Gesellschaft gemäß der allgemeinen Vertretungsregelung.“

Mit Zwischenverfügung vom 19.12.2008 beanstandete das Registergericht die konkrete Vertretungsregelung unter Abschnitt III. Es führt aus: „Es besteht folgendes Eintragungshindernis: Bei der Gründung der Gesellschaft in einem vereinfachten Verfahren entspricht (auch laut BMJ) die allgemeine Vertretungsregelung der konkreten. Eine abweichende konkrete Vertretung gibt es hier nicht und eine solche ist auch nicht anzumelden. Die Anmeldung ist bezüglich der konkreten Vertretungsregelung (grundsätzliche Befreiung des Geschäftsführers von den Beschränkungen des § 181 BGB) zurückzunehmen.“

Das LG hat die Beschwerde mit Beschluss vom 24.2.2009 zurückgewiesen. Gegen diesen Beschluss hat die Antragstellerin weitere Beschwerde eingelegt.

II. Die weitere Beschwerde der Antragstellerin ist gem. §§ 27, 29 FGG zulässig und hat auch in der Sache Erfolg. Die Zurückweisung der Beschwerde gegen die Zwischenverfügung des Registergerichts ist nicht ohne Rechtsfehler.

Für die Gründung einer GmbH sieht § 2 Abs. 1a GmbHG, eingeführt mit Wirkung vom 1.11.2008 durch Art. 1 MoMiG vom 23.10.2008, ein vereinfachtes Verfahren unter Verwendung des in der Anlage bestimmten Musterprotokolls vor. Das Musterprotokoll ist ein Blankoentwurf einer notariellen Urkunde, der nach Vervollständigung gem. §§ 8 ff. BeurkG zu beurkunden ist. Die in dem vereinfachten Verfahren gegründete Gesellschaft darf höchstens drei Gesellschafter und einen Geschäftsführer haben, und es dürfen darüber hinaus keine vom Gesetz abweichenden Bestimmungen getroffen werden. Der Regelungsinhalt des Gründungsprotokolls ist beschränkt auf die Mindestangaben nach § 3 GmbHG, ergänzt durch Regelungen zur Vertretung und zum Gründungsaufwand. Im Übrigen gelten die gesetzlichen Bestimmungen und damit alle Regelungen des GmbHG. Das Musterprotokoll stellt gleichzeitig Gesellschaftsvertrag, Bestellung des Geschäftsführers und Liste der Gesellschafter dar (zu dem neuen GmbH-Recht s.a. Heckschen, DStR 2009, 166; Verspay, MDR 2009, 117; Wicke, NotBZ 2009, 9; Böhringer, BWNotZ 2008, 104; Wälzholz, MittBayNot 2008, 425; Katschinski/Rawert, ZIP 2008, 1993; Römermann, GmbHR Sonderheft Oktober 2008; Wachter, NotBZ 2008, 361; Tebben, RNotZ 2008, 441; Weigl, notar 2008, 378).

Die Gründungsvoraussetzungen gelten auch für eine Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt).

Die Registeranmeldung weist bei vereinfachter Gründung gegenüber einer Anmeldung im Normalverfahren keine Besonderheiten auf. Anders als noch im RegE des MoMiG (RegE BT-Drucks. 16/6140, S. 21 f.) ist ein gesetzliches Muster für die Anmeldung der im vereinfachten Verfahren gegründeten Gesellschaft zum Handelsregister nicht vorgesehen (vgl. Böhringer, BWNotZ 2008, 104). Nach § 8 Abs. 4 Nr. 2 und § 10 Abs. 1 Satz 2 GmbHG ist in der Anmeldung anzugeben und in das Handelsregister einzutragen, „welche Vertretungsbefugnis die Geschäftsführer haben“. Dabei ist die für die Geschäftsführer abstrakt geltende Vertretungsbefugnis anzugeben und darüber hinaus auch die konkrete Vertretungsbefugnis, soweit diese für einzelne oder auch alle bestellten Geschäftsführer abweichend bestimmt ist (Wicke, GmbHG, 2008, § 8 Rz. 18; Krafka/Willer, Registerrecht, 7. Aufl., 2007, Rz. 949). Auch die Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB, also vom Verbot des In-Sich-Geschäfts für die Fälle des Selbstkontrahierens und der Mehrfachvertretung, ist ein Bestandteil der Vertretungsbefugnis (§ 35 Abs. 3 GmbHG) und muss daher allgemein oder im Einzelfall personenbezogen in der Anmeldung angegeben werden (Krafka/Willer, a.a.O., Rz. 952).

Bei der Gründung nach Musterprotokoll weicht die konkrete Vertretungsregelung jedenfalls im Hinblick auf § 181 BGB von dem abstrakt bestehenden Verbot von In-Sich-Geschäften und des Selbstkontrahierens ab. Das Musterprotokoll, das auf die Gesellschaftsgründung durch maximal drei Gesellschafter und die Bestellung nur eines Geschäftsführers beschränkt ist, enthält die Gestattung von In-Sich-Geschäften für den Fall des alleinigen Geschäftsführers, weshalb hier entsprechend der Vorgabe im Musterprotokoll auch die Anmeldung der konkreten Vertretungsbefugnis erforderlich ist. Dem LG kann nicht gefolgt werden, soweit dieses davon ausgeht, bei der im Musterprotokoll geregelten Vertretungsregelung handle es sich in Bezug auf § 181 BGB um eine allgemeine Vertretungsregelung, solange und soweit nur ein Geschäftsführer bestellt ist. Es vertritt damit, ebenso wie das Registergericht, eine Mindermeinung, der sich der Senat nicht anschließt (vgl. die bereits oben zitierten Beiträge; die auf Anfrage des Registergerichts Stuttgart abgegebene Stellungnahme des BMJ v. 26.11.2008 hierzu ist nach Ansicht des Senats nicht eindeutig).

ZIP 2009, Seite 1013

Der Wortlaut der Anmeldung, wie sie das Registergericht und ihm folgend das LG für korrekt halten, nämlich: „Die Vertretung der Gesellschaft ist allgemein wie folgt geregelt: Ist nur ein Geschäftsführer bestellt, vertritt er allein und ist befugt, im Namen der Gesellschaft mit sich selbst im eigenen Namen oder als Vertreter eines Dritten Rechtsgeschäfte abzuschließen. Sind mehrere Geschäftsführer bestellt, wird die Gesellschaft durch die Geschäftsführer gemeinsam vertreten.“ (Hervorhebung des Gerichts) ist Ausdruck der vom Senat nicht geteilten Mindermeinung. Denn danach wäre jeder Alleingeschäftsführer von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit und nicht nur der Gründungsgeschäftsführer. Dies entspricht jedoch nach Ansicht des Senats nicht den Vorgaben der vereinfachten Gründung nach Musterprotokoll. Diese setzt voraus, dass die Gesellschaft einen namentlich benannten Geschäftsführer hat, der von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit ist. Treten später Änderungen in der Geschäftsführung ein, sei es durch die Berufung eines anderen Alleingeschäftsführers oder weiterer Geschäftsführer, so entfällt die dem Gründungsgeschäftsführer als alleinigem Geschäftsführer vorbehaltene besondere Vertretungsbefugnis. Insofern folgt der Senat auch nicht der vom Beschwerdeführer vertretenen Ansicht, dass die Befreiung des Gründungsgeschäftsführers von den Beschränkungen des § 181 BGB für diesen auch dann fortbesteht, wenn er nicht mehr alleiniger Geschäftsführer ist. Vielmehr gilt dann die allgemeine Vertretungsregelung des § 35 GmbHG, wonach die Geschäftsführer gemeinschaftlich zur Vertretung der Gesellschaft befugt sind und Sonderrechte einzelner Geschäftsführer durch den Gesellschaftsvertrag bestimmt werden müssen.

Zur Formulierung der Vertretungsbefugnis des Gründungsgeschäftsführers bei der Anmeldung der im vereinfachten Verfahren gegründeten Gesellschaft zum Handelsregister gibt es im Schrifttum Vorschläge, die im Wesentlichen deckungsgleich sind (z.B. Wicke, NotBZ 2009, 9; Katschinski/Rawert, ZIP 2008, 1993, 1999; Weigl, notar 2008, 378). Sie sehen einen allgemeinen Teil vor, der abstrakt die Vertretung der Gesellschaft dahin gehend regelt, dass dann, wenn nur ein Geschäftsführer bestellt ist, dieser die Gesellschaft allein vertritt, und dann, wenn mehrere Geschäftsführer bestellt sind, sie alle nur gemeinsam zur Vertretung der Gesellschaft berechtigt sind. Konkret wird dann mitgeteilt, wer zum ersten Geschäftsführer bestellt wurde und dass dieser die Gesellschaft gemäß der allgemeinen Vertretungsregelung vertritt und von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit ist.

Die Antragstellerin, die diese Formulierung ebenfalls für zutreffend hält, hat sich bereits dahin gehend geäußert, dass sie bereit ist, ihre Anmeldung entsprechend zu ändern. Die Entscheidungen des LG und des Registergerichts waren deshalb aufzuheben, und die Sache war dem Registergericht zur erneuten Bescheidung der – entsprechend geänderten – Anmeldung unter Beachtung der Rechtsmeinung des Senats zurückzugeben.

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