OVG Münster: Weisungsbefugnis des Gemeinderats gegenüber Ratsmitgliedern im Aufsichtsrat einer kommunalen GmbH

15.09.2009

AktG §§ 111, 116, 93 Abs. 1, 2; GmbHG § 52 Abs. 1; GO NRW § 113

Weisungsbefugnis des Gemeinderats gegenüber Ratsmitgliedern im Aufsichtsrat einer kommunalen GmbH

OVG Münster, Urt. v. 24. 4. 2009 – 15 A 2592/07

Leitsatz der Redaktion:

Mitglieder des Rates einer Gemeinde, die zugleich als Vertreter der Gemeinde Aufsichtsräte einer GmbH im Mehrheitsbesitz der Gemeinde sind, unterliegen in Bezug auf die Ausübung ihres Stimmrechts im Aufsichtsrat einem Weisungsrecht des Gemeinderats, wenn im Gesellschaftsvertrag für den Aufsichtsrat die Anwendung der aktienrechtlichen Bestimmungen abbedungen und gesellschaftsvertraglich ein Weisungsrecht nicht ausdrücklich ausgeschlossen ist. In einem solchen Fall wird das Weisungsrecht auch nicht durch die Verpflichtung des Aufsichtsrats auf das Wohl der Gesellschaft eingeschränkt.

ZIP Heft 36/2009, Seite 1719

Tatbestand:

Die Kläger sind Mitglieder des beklagten Rates der Stadt T. und wurden auf dessen Vorschlag von der Gesellschafterversammlung der T1. Versorgungsbetriebe GmbH (SVB) in deren Aufsichtsrat gewählt.

Die SVB wurden im Jahre 1973 durch Umwandlung des städtischen Eigenbetriebs „Stadtwerke T.“ in eine städtische Eigengesellschaft gegründet. Unternehmensgegenstand der SVB ist die Versorgung mit Gas, Wärme und Wasser. Die Stadt T. hält einen Gesellschaftsanteil von 74,88 %. Nach § 7 des aus dem Jahr 1972 stammenden Gesellschaftsvertrags hat die GmbH einen Aufsichtsrat, auf den die Bestimmungen des AktG keine Anwendung finden. In diesem Aufsichtsrat stellt die Stadt 14 von insgesamt 17 Mitgliedern. Der Bürgermeister der Stadt T. ist kraft Amtes Mitglied des Aufsichtsrats. Die übrigen 13 städtischen Mitglieder des Aufsichtsrats werden gewählt: acht Mitglieder nach dem Vorschlag des Rates und fünf Mitglieder auf Vorschlag der Arbeitnehmer des Unternehmens von der Gesellschafterversammlung.

Am 13. September 2006 beschloss der Haupt- und Finanzausschuss des beklagten Rates, die städtischen Vertreter im Aufsichtsrat der SVB zu beauftragen, einer von der Geschäftsführung der SVB befürworteten Erhöhung der Erdgas- und Wärmeabgabepreise zum 1. Oktober 2006 in einer für den 14. September 2006 anberaumten Aufsichtsratssitzung nicht zuzustimmen. Zudem erteilte der Ausschuss den städtischen Vertretern die Weisung, einen Antrag im Aufsichtsrat auf geheime Abstimmung abzulehnen. In der Aufsichtsratssitzung vom 14. September 2006 wurde mehrheitlich eine namentliche Abstimmung abgelehnt und eine Preiserhöhung zum 1. Oktober 2006 genehmigt.

Daraufhin beantragten vier Ratsfraktionen, der Rat möge in seiner Sitzung vom 13. Dezember 2006 beschließen, seine Mitglieder im Aufsichtsrat der SVB zu beauftragen, in der Aufsichtsratssitzung vom 14. Dezember 2006 für die Rücknahme der Preiserhöhung vom 1.Oktober 2006 zum 1. Januar 2007 einzutreten und einem entsprechenden Antrag zuzustimmen sowie einen Antrag im Aufsichtsrat auf geheime Abstimmung abzulehnen. Dieser Antrag wurde als TOP 4.1 in die Tagesordnung der Ratssitzung vom 13. Dezember 2006 aufgenommen.

Der Beklagte hat in der Ratssitzung vom 13. Dezember 2006 mehrheitlich einen Beschluss entsprechend dem Antrag zum TOP 4.1 gefasst. In der Sitzung des Aufsichtsrats vom 14. Dezember 2006 ist eine dementsprechende Beschlussfassung jedoch nicht zustande gekommen.

Die Kläger haben danach die Feststellung begehrt, dass die Beschlüsse des Beklagten vom 13. Dezember 2006 zum TOP 4.1 sie in ihren organschaftlichen Rechten verletzt haben, und des Weiteren die Feststellung, dass der Beklagte nicht berechtigt sei, ihnen Weisungen o. ä. in Bezug auf ihr Stimmrecht im Aufsichtsrat zu erteilen. Mit dem angegriffenen Urteil hat das VG die Klage abgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Berufung verfolgen die Kläger ihr erstinstanzliches Begehren weiter.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Kläger ist unbegründet, denn die Klage hat mit beiden Anträgen keinen Erfolg.

Die Klage ist mit dem Antrag zu 1) zulässig. (Wird ausgeführt.)

Die auf den Antrag zu 1) bezogene Feststellungsklage ist jedoch unbegründet, denn die begehrte Feststellung kann vom Senat nicht getroffen werden. Vielmehr ist der beklagte Rat berechtigt, den Klägern in Bezug auf die Ausübung ihres Stimmrechts im Aufsichtsrat der SVB GmbH Weisungen – und damit auch das Stimmrecht berührende Aufträge – zu erteilen.

Das Weisungsrecht findet seine Rechtsgrundlage in § 113 Abs. 1 Satz 2 GO NRW, wonach die Vertreter der Gemeinde in Aufsichtsräten juristischer Personen, an denen die Gemeinde unmittelbar oder mittelbar beteiligt ist, an Beschlüsse des Rates gebunden sind. Die Bindung an Beschlüsse des Rates hat eine Weisungsgebundenheit der in § 113 Abs. 1 Satz 2 GO NRW genannten Vertreter der Gemeinde zur Folge, soweit Beschlüsse ihrem Inhalt nach auf eine derartige Weisung gerichtet sind (vgl. Held/Becker/Decker/Kirchhof/Krämer/Wansleben, Kommunalverfassungsrecht NRW, Stand: 2/2008, § 113 Anm. 8; Rehn/Cronauge/von Lennep/Knirsch, GO NRW, Stand: 10/2008, § 113 Anm. III).

§ 113 Abs. 1 Satz 2 GO NRW verstößt nicht gegen Verfassungsrecht, insbesondere nicht gegen die im GG angelegte Verteilung der Gesetzgebungszuständigkeiten.

Die vorgenannte Regelung ist Teil des Landeskommunalrechts. Sie berührt zwar in einem Randbereich das Gesellschaftsrecht. Darin liegt indes kein Übergriff in einen fremden Kompetenzbereich, der nur unter den – engen – Voraussetzungen einer Kompetenz kraft Sachzusammenhangs zulässig sein könnte.

Von seiner konkurrierenden Zuständigkeit für das Gesellschaftsrecht nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG (vgl. BVerfG, Beschl. v. 5.6.1998 – 2 BvL 2/97, BVerfGE 98, 145, 157) hat der Bund umfassend Gebrauch gemacht, so dass gem. Art. 72 Abs. 1 GG insoweit eine Gesetzgebungszuständigkeit des nordrheinwestfälischen Gesetzgebers nicht in Betracht käme. Mit § 113 Abs. 1 Satz 2 GO NRW wird allerdings ein solcher Kompetenztitel auch nicht in Anspruch genommen. Diese Bestimmung hat zwar unmittelbare Auswirkungen auf die Stellung der Vertreter der Gemeinde in den in der Norm aufgeführten Organen. Gleichwohl gehört sie auch insoweit der Materie des Landeskommunalrechts an. Die umfassende Regelung eines Zuständigkeitsbereichs kann Teilregelungen enthalten, die zwar einen anderen Kompetenzbereich berühren, die aber gleichwohl Teil der im übrigen geregelten Materie bleiben. Bei der Frage der Zuordnung solcher Teilregelungen zu einem Kompetenzbereich dürfen sie nicht aus ihrem Regelungszusammenhang gelöst und isoliert für sich betrachtet werden. Dabei fällt insbesondere ins Gewicht, wie eng die fragliche Regelung mit dem Gegenstand der Gesamtregelung verbunden ist. Eine enge Verzahnung und dementsprechend ein geringer eigenständiger Regelungsbereich der Teilregelung sprechen regelmäßig für die Zugehörigkeit zum Kompetenzbereich der Gesamtregelung (vgl. BVerfGE 98, 145, 157 f.).

Zu der Normierung des Kommunalrechts gehören auch Regelungen über die rechtlichen Beziehungen zwischen der Gemeinde und ihren Vertretern in Organen von Gesellschaften, an denen sie unmittelbar oder mittelbar beteiligt ist. Hiervon sind auch Vorschriften erfasst, die regeln, inwieweit die kommunalen Vertreter zur Verfolgung der Interessen der Kommune verpflichtet sind. In diesem Zusammenhang sind Normen zur Konkretisierung der vorstehenden Verpflichtung zulässig. Dies gilt zumal dann, wenn der Landesgesetzgeber der damit verbundenen Berührung des bundesrechtlichen Kompetenzbereichs des Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG dadurch Rechnung trägt, dass die Geltung der von ihm getroffenen Regelungen unter den Vorbehalt anderslautender bundesrechtlicher Bestimmungen gestellt wird.

ZIP Heft 36/2009, Seite 1720

Hiernach ist § 113 Abs. 1 Satz 2 GO NRW, auch soweit er konkurrierende Gesetzgebungsmaterien des Bundes berührt, eine mit den übrigen kommunalrechtlichen Vorschriften eng verbundene Teilregelung des Landeskommunalrechts und daher als – kompetenzgemäße – Regelung dieser Materie zu bewerten. Die Norm enthält eine Ausgestaltung des Verhältnisses der kommunalen Vertreter zu der durch sie repräsentierten Gemeinde und berührt den bundesrechtlichen Kompetenzbereich des Gesellschaftsrechts nur in geringem Umfang. Insbesondere gilt sie nach § 113 Abs. 1 Satz 4 GO NRW nur, soweit durch Gesetz nichts anderes bestimmt ist.

Die Voraussetzungen des § 113 Abs. 1 Satz 2 GO NRW sind erfüllt. Die Kläger sind Verpflichtungsadressaten der Norm. Sie sind als gem. § 7 Abs. 2 Satz 1 a) aa) des Gesellschaftsvertrages vom Beklagten vorgeschlagene und von der Gesellschafterversammlung der SVB gewählte Aufsichtsratsmitglieder Vertreter der Gemeinde i.S.d. Vorschrift. Dazu zählen sowohl die von der Gemeinde bestellten als auch die auf deren Vorschlag gewählten Mitglieder in Aufsichtsräten der in der Norm aufgeführten juristischen Personen. Die Erstreckung der Weisungsgebundenheit auch auf die auf Vorschlag der Gemeinde gewählten Aufsichtsratsmitglieder erfolgte bereits durch das Änderungsgesetz vom 29. Mai 1984 (GV.NW. 1984, S. 314, 316). Dies brachte § 55 GO NRW i.d. F. des vorgenannten Änderungsgesetzes als Vorläuferregelung des § 113 GO NRW dadurch zum Ausdruck, dass nach § 55 Abs. 2 Satz 1 GO NRW a.F. die – der Bindung an Ratsbeschlüsse unterliegenden – Vertreter der Gemeinde vom Rat bestellt oder vorgeschlagen wurden (vgl. Rehn/Cronauge/von Lennep/Knirsch, a.a.O., § 113 Anm. I. 3).

Zwar enthält § 113 GO NRW keine dementsprechende ausdrückliche Regelung, aus der sich ergibt, dass sich die Weisungsbefugnis nicht nur auf die vom Rat bestellten, sondern auch auf die auf seinen Vorschlag gewählten Aufsichtsratsmitglieder bezieht. Dass sich insoweit durch § 113 GO NRW an der früheren Rechtslage nichts geändert hat, folgt aber bei systematischer Interpretation aus § 108 Abs. 4 Nr. 2 GO NRW, wonach Gemeinden sich an Unternehmen nur beteiligen dürfen, wenn durch die Ausgestaltung des Gesellschaftsvertrages sichergestellt ist, dass der Rat den von der Gemeinde bestellten oder auf deren Vorschlag gewählten Mitgliedern des Aufsichtsrats Weisungen erteilen kann, soweit die Bestellung eines Aufsichtsrats gesetzlich nicht vorgeschrieben ist. Nach der Begründung des Gesetzentwurfs der Landesregierung, vgl. LT-Drucks. 12/3730, S. 109, liegt dem das Verständnis zugrunde, nach der im Gesellschaftsrecht herrschenden Meinung müssten Weisungsrechte gegenüber den Mitgliedern eines fakultativen Aufsichtsrats im Gesellschaftsvertrag verankert sein. § 108 Abs. 4 Nr. 2 GO NRW steht deshalb in unmittelbarem Funktionszusammenhang mit § 113 Abs. 1 Satz 2 GO NRW. Der durch die letztgenannte Bestimmung bezweckten Weisungsgebundenheit kommunaler Vertreter in fakultativen Aufsichtsräten von Eigen- und Beteiligungsgesellschaften steht nach der Ansicht des Landesgesetzgebers vorrangiges Bundes(gesellschafts)recht entgegen, wenn Weisungsrechte nicht im Gesellschaftsrecht verankert sind. § 108 Abs. 4 Nr. 2 GO NRW dient damit der Effektivierung der Regelung in § 113 Abs. 1 Satz 2 GO NRW und verdeutlicht insoweit, dass auch vom Rat vorgeschlagene Vertreter dem Anwendungsbereich des § 113 Abs. 1 Satz 2 GO NRW unterfallen. Dieser Befund wird nicht dadurch infrage gestellt, dass sowohl § 55 Abs. 2 Satz 1 GO NRW a.F. als auch § 108 Abs. 4 Nr. 2 GO NRW erst nach der Gründung der SVB in Kraft getreten sind. Da es keine entsprechenden Übergangsvorschriften gibt, gelten die Bestimmungen auch für bei deren In-Kraft-Treten bereits bestehende Gesellschaften, zumal diesen kein Bestandsschutz zukommt.

Die Weisungsgebundenheit nach § 113 Abs. 1 Satz 2 GO NRW entfällt nicht gem. § 113 Abs. 1 Satz 4 GO NRW, wonach u.a. § 113 Abs. 1 Satz 2 GO NRW nur gilt, soweit durch Gesetz nicht anderes bestimmt ist. Dieser – auch mit Blick auf den Vorrang bundesrechtlicher Bestimmungen (Art. 31 GG) bestehende – Vorbehalt greift hier nicht ein, weil die kommunalrechtliche Weisungsgebundenheit nicht durch andere gesetzliche Bestimmungen, insbesondere nicht durch solche des Gesellschaftsrechts eingeschränkt oder ausgeschlossen wird.

Die Weisungsgebundenheit wird zunächst weder durch § 111 Abs. 5 noch durch § 116 AktG ausgeschlossen. Aus diesen – unmittelbar allerdings nur für eine AG geltenden – Bestimmungen wird die Weisungsungebundenheit von Mitgliedern des Aufsichtsrats einer AG abgeleitet: § 111 Abs. 5 AktG, wonach die Aufsichtsratsmitglieder ihr Amt höchstpersönlich wahrzunehmen haben, schließt zwar nicht ausdrücklich, aber doch sinngemäß die Unterwerfung unter den Willen anderer aus. Für die Weisungsfreiheit spricht auch die jedes Aufsichtsratsmitglied persönlich treffende Verantwortlichkeit und Haftung gem. § 116 i.V.m. § 93 AktG (vgl. Raiser, ZGR 1978, 391, 394 f.).

Die vorgenannten Bestimmungen des Aktienrechts gelten indes nicht für die Kläger als Mitglieder des Aufsichtsrats der SVB. Sie sind auf diese auch nicht kraft gesetzlicher Verweisung anzuwenden. Die Verweisung auf u.a. die zitierten aktienrechtlichen Normen in § 1 Abs. 1 Nr. 3 des Gesetzes über die Drittelbeteiligung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat (DrittelbG), welches das BetrVG 1952 abgelöst hat, greift nicht ein, weil das DrittelbG insoweit nur für eine GmbH mit in der Regel mehr als 500 Arbeitnehmern anwendbar ist und diese Zahl bei der SVB bei Weitem nicht erreicht wird. Die genannten aktienrechtlichen Vorschriften sind auch nicht entsprechend anwendbar aufgrund der Verweisung in § 52 Abs. 1 GmbHG. Danach sind, wenn nach dem Gesellschaftsvertrag ein Aufsichtsrat zu bestellen ist, u.a. die genannten Vorschriften des AktG entsprechend anzuwenden, soweit nicht im Gesellschaftsvertrag ein anderes bestimmt ist. § 52 Abs. 1 GmbHG regelt mit seiner Eingangsvoraussetzung, dass nach dem Gesellschaftsvertrag ein Aufsichtsrat zu bestellen ist, den sog. fakultativen Aufsichtsrat, also den, der nicht schon aufgrund einer rechtlichen Verpflichtung bestellt zu werden braucht. Dieser Fall ist hier zwar gegeben, denn der Aufsichtsrat der SVB ist nach § 7 des Gesellschaftsvertrages und nicht etwa aufgrund gesetzlicher Verpflichtung zu bestellen. Aber in § 7 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrages ist bestimmt, dass die Bestimmungen des AktG auf den Aufsichtsrat gerade keine Anwendung finden.

Einer Weisungsbefugnis des Beklagten steht auch kein ungeschriebener (bundes)gesellschaftsrechtlicher Grundsatz der ZIP Heft 36/2009, Seite 1721Weisungsfreiheit von Aufsichtsratsmitgliedern entgegen. Hinsichtlich des Aufsichtsrats einer AG bzw. des obligatorischen Aufsichtsrats einer GmbH folgt die Weisungsfreiheit zwar aus den oben genannten Vorschriften des Aktienrechts (vgl. BGH, Urt. v. 29.1.1962 – II ZR 1/61, BGHZ 36, 296, 306). Diese Bestimmungen sind jedoch nicht etwa die positivrechtliche Ausprägung eines ohnehin bestehenden allgemeinen Rechtsgrundsatzes, dem auch für den fakultativen Aufsichtsrat einer GmbH zwingend, unabhängig von der Fassung des jeweils maßgeblichen Gesellschaftsvertrages die Weisungsfreiheit der Aufsichtsratsmitglieder zu entnehmen wäre. Dies entspricht der Rechtsauffassung des Landesgesetzgebers, vgl. LT-Drucks. 12/3730, S. 109. Ebenso: Altmeppen, NJW, 2003, 2561, 2564 f.; Roth/Altmeppen, GmbHG, 5. Aufl., 2005, § 52 Rz. 2; Strobel, DVBl 2005, 77, 80; Lohner/Zieglmeier, BayVBl 2007, 581, 585 f.; Zieglmeier, LKV 2005, 338, 339 f.; Weiblen/May, GemH 1987, 169, 171; a.A.: Möller, Die rechtliche Stellung und Funktion des Aufsichtsrats in öffentlichen Unternehmen der Kommunen, S. 226 f.; Keßler, GmbHR 2000, 71, 77; Harder/Ruter, GmbHR 1995, 813, 814; Schwintowski, NJW 1995, 1316,1317.

Wegen der rechtlichen Vorgaben für den fakultativen Aufsichtsrat in § 52 Abs. 1 GmbHG und der dispositiven Verweisung auf aktienrechtliche Bestimmungen erfolgt die konkrete Ausformung des fakultativen Aufsichtsrats und der Rechte seiner Mitglieder vielmehr maßgeblich durch den Gesellschaftsvertrag. Dabei besteht für die Gesellschafterversammlung weitgehende Gestaltungsfreiheit. Ist die Gesellschafterversammlung nämlich zur Errichtung eines Aufsichtsrats nicht einmal verpflichtet, so hat sie erst recht die Möglichkeit, die rechtliche Ausgestaltung eines freiwillig gebildeten Aufsichtsrats nach ihren Vorstellungen vorzunehmen. Die Gesellschafterversammlung kann die Kontrollbefugnisse des Aufsichtsrats und die Rechte seiner Mitglieder daher über das im Aktienrecht vorgegebene Maß ausdehnen; die genannten Positionen dürfen aber auch deutlich hinter denen des Aufsichtsrats einer AG zurückbleiben. Weil die Gesellschafter dem Aufsichtsrat etwa eingeräumte Rechte durch eine Änderung des Gesellschaftsvertrages auch wieder entziehen dürfen, kann es ihnen auch nicht verwehrt sein, für sich oder einzelne ihrer Mitglieder im Gesellschaftsvertrag ein Weisungsrecht zu begründen. Denn das Weisungsrecht bedeutet beim fakultativen Aufsichtsrat keinen Eingriff in originäre Rechte des Aufsichtsorgans. Die Gesellschafterversammlung, die bestimmte Befugnisse auf einen Aufsichtsrat überträgt, begibt sich vielmehr freiwillig ihr selbst zustehender Rechte. Es muss daher grundsätzlich ihrer Entscheidung überlassen bleiben, wie weit sie dabei gehen will. Dem lässt sich nicht entgegenhalten, durch die Bestellung eines Aufsichtsrats werde ein Vertrauen des Rechtsverkehrs in eine Position des Aufsichtsrats begründet, die ein Weisungsrecht ausschlösse. Angesichts des vertraglichen Gestaltungsfreiraums bei Gesellschaften mit fakultativem Aufsichtsrat kann ein schutzwürdiges Vertrauen des Rechtsverkehrs nur insoweit begründet sein, als es durch den Gesellschaftsvertrag gerechtfertigt wird (vgl. zum Vorstehenden Weiblen/May, GemH 1987, 169, 171 f.).

Fehlt es danach auch an einem ungeschriebenen Rechtsgrundsatz genereller Weisungsfreiheit von Aufsichtsratsmitgliedern, so steht der im vorliegenden Fall aus § 113 Abs. 1 Satz 2 GO NRW abzuleitenden kommunalrechtlich fundierten Weisungsgebundenheit der Kläger keine abweichende gesetzliche Bestimmung i.S.v. § 113 Abs. 1 Satz 4 GO NRW entgegen. Soweit – wie hier – eine mögliche Kollision mit bundesrechtlichen gesellschaftsrechtlichen Vorschriften in den Blick zu nehmen ist, ist zur Auslegung des § 113 Abs. 1 Satz 4 GO NRW auf die zu Art. 31 GG entwickelten Grundsätze zurückzugreifen. Danach greift Art. 31 GG nur ein, wenn Bundes- und Landesrecht je denselben Sachverhalt regeln (vgl. BVerfGE 98, 145, 159).

Ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Das Bundesrecht enthält im hier interessierenden Zusammenhang für den Aufsichtsrat einer GmbH die schon oben genannte Regelung in § 52 Abs. 1 GmbHG. Dieser ist zu entnehmen, dass die dort aufgeführten Vorschriften des Aktienrechts, aus denen u.a. die Weisungsfreiheit der Mitglieder des Aufsichtsrats abgeleitet wird, entsprechend anwendbar sind, soweit im Gesellschaftsvertrag nichts anderes bestimmt ist. Daraus folgt für die Auslegung des § 113 Abs. 1 Satz 4 GO NRW, dass das in § 113 Abs. 1 Satz 2 GO NRW verankerte Weisungsrecht durch anderslautende gesetzliche Regelung ausgeschlossen wird, wenn der Gesellschaftsvertrag die entsprechende Anwendung der einschlägigen aktienrechtlichen Bestimmunen nicht abbedingt. Wird diese aber – wie im vorliegenden Fall – abbedungen, so steht dem durch § 113 Abs. 1 Satz 2 GO NRW landeskommunalrechtlich begründeten Weisungsrecht i.S.v. § 113 Abs. 1 Satz 4 GO NRW keine gesetzliche gesellschaftsrechtliche Bestimmung entgegen. Wenn auch davon auszugehen ist, dass ein gesellschaftsrechtlich begründetes Weisungsrecht nur dann besteht, wenn es im Gesellschaftsvertrag ausdrücklich vorgesehen ist (vgl. etwa Weiblen/May, GemH 1987, 169, 171; wohl auch Lutter, ZIP 2007, 1991 f.), so kann daraus nicht abgeleitet werden, das Gesellschaftsrecht regele die Zulässigkeit von Weisungen abschließend und lasse – auch bei Fehlen einer gesellschaftsvertraglichen Regelung des Weisungsrechts – keinen Raum für ein Weisungsrecht auf kommunalrechtlicher Grundlage. Das bundesrechtliche Gesellschaftsrecht enthält nämlich für die Mitglieder des fakultativen Aufsichtsrats einer GmbH über die oben genannten Vorgaben hinaus keine Regelung zu der Frage, inwieweit in dem Sonderfall, dass die Aufsichtsratsmitglieder gerade Vertreter der Gemeinden sind, eine Weisungsgebundenheit anzunehmen ist. Das Fehlen einer derartigen gesellschaftsrechtlichen Regelung kann nicht als beredtes Schweigen des Bundesgesetzgebers in dem Sinne gedeutet werden, dass damit im genannten Sonderfall auch eine kompetenzgemäße kommunalrechtliche Regelung des Weisungsrechts ausgeschlossen werden soll. Deshalb steht das Bundesrecht landesrechtlich begründeten Weisungen jedenfalls dann nicht entgegen, wenn – wie hier – im Gesellschaftsvertrag für den Aufsichtsrat die Anwendung der aktienrechtlichen Bestimmungen abbedungen und im Übrigen gesellschaftsvertraglich ein Weisungsrecht nicht ausdrücklich ausgeschlossen wird. Im letztgenannten Falle handelt es sich nämlich der Sache nach um eine Einschränkung der Abbedingung aktienrechtlicher Vorschriften mit der Folge, dass diese Normen dem Weisungsrecht aufgrund der Verweisung in § 52 ZIP Heft 36/2009, Seite 1722Abs. 1 GmbHG entgegenstehen. Unter den im vorliegenden Fall gegebenen Voraussetzungen entspricht der Aufsichtsrat entgegen der Ansicht der Kläger auch nicht dem obligatorischen Aufsichtsrat des BetrVG 1952 mit der jenen kennzeichnenden Weisungsfreiheit der Aufsichtsratsmitglieder.

Die Annahme eines kommunalrechtlichen Weisungsrechts auch bei Fehlen einer gesellschaftsrechtlichen Grundlage wird auch nicht durch § 108 Abs. 4 Nr. 2 GO NRW infrage gestellt, wonach die Gemeinde – unbeschadet des § 108 Abs. 1 GO NRW – Unternehmen oder Einrichtungen in der Rechtsform einer GmbH nur gründen oder sich daran beteiligen darf, wenn durch die Ausgestaltung des Gesellschaftsvertrages sichergestellt ist, dass der Rat den von der Gemeinde bestellten oder auf Vorschlag der Gemeinde gewählten Mitgliedern des Aufsichtsrats Weisungen erteilen kann, soweit die Bestellung eines Aufsichtsrats gesetzlich nicht vorgeschrieben ist. Diese Bestimmung spricht nicht für ein Verständnis des § 113 Abs. 1 Satz 2 GO NRW dahin, dass ein Weisungsrecht nur bestünde, wenn es im Gesellschaftsvertrag ausdrücklich festgeschrieben wäre. Die Formulierung „wenn durch die Ausgestaltung des Gesellschaftsvertrages sichergestellt ist“, ist vielmehr Ausdruck der zutreffenden Erkenntnis des Landesgesetzgebers, dass ein Weisungsrecht gegenüber den Mitgliedern des fakultativen Aufsichtsrats einer GmbH nur dann gegeben sein kann, wenn die in § 52 Abs. 1 GmbHG angelegte entsprechende Anwendung der dort genannten Vorschriften des AktG, soweit aus ihnen die Weisungsfreiheit abzuleiten ist, durch den Gesellschaftsvertrag abbedungen wird. Weitergehende Aussagen zu der Frage, wie das Weisungsrecht durch die Ausgestaltung des Gesellschaftsvertrages sicherzustellen ist, sind § 108 Abs. 4 Nr. 2 GO NRW nicht zu entnehmen.

Die Weisungsgebundenheit der genannten Vertreter der Gemeinde wird schließlich nicht dadurch ausgeschlossen, dass die fünf von den Arbeitnehmern des Unternehmens aus ihren Reihen vorgeschlagenen und von der Gesellschafterversammlung gewählten Aufsichtsratsmitglieder (vgl. § 7 Abs. 2 a) cc) des Gesellschaftsvertrages der SVB-GmbH) nicht dem Weisungsrecht nach § 113 Abs. 1 Satz 2 GO NRW unterliegen dürften. Denn die unterschiedliche Geltung des Weisungsrechts ist gesetzlich vorgezeichnet und entspricht damit dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers.

Inhaltlich wird die Weisungsgebundenheit der Kläger im vorliegenden Fall nicht einmal beschränkt durch eine Verpflichtung auf das Wohl der Gesellschaft. Weder sieht das in § 113 Abs. 1 GO NRW enthaltene kommunalrechtliche Weisungsrecht eine derartige Einschränkung vor, noch ergibt sie sich hier über § 113 Abs. 1 Satz 4 GO NRW aus gesellschaftsrechtlichen Vorschriften, da Letztere – wie dargelegt – im vorliegenden Fall das kommunalrechtliche Weisungsrecht nicht einengen. Vielmehr gelten die allgemeinen weisungsrechtlichen Grundsätze, nach denen der Angewiesene Weisungen zu befolgen hat. Dies wird durch § 113 Abs. 6 Satz 1 und 2 GO NRW bestätigt, nach denen die Gemeinde dem Angewiesenen den Schaden – und zwar sogar den vorsätzlich herbeigeführten – zu ersetzen hat, wenn der Angewiesene aus seiner Tätigkeit in dem Organ haftbar gemacht wird. Dass das Weisungsrecht – wie Weisungsrechte allgemein – durch die Unbeachtlichkeit von Weisungen, mit denen ein strafbares Verhalten verlangt wird, gewissen Einschränkungen unterliegt, kann der Klage nicht zum Erfolg verhelfen.

Die Weisungsbefugnis ist auch nicht etwa insoweit eingeschränkt, als sie eine im Aufsichtsrat durchzuführende Abstimmung darüber betrifft, ob über eine bestimmte Angelegenheit geheim abgestimmt werden soll. Dies gilt insbesondere unabhängig davon, welches Quorum für eine geheime Abstimmung erforderlich ist.

Der Antrag zu 2) hat ebenfalls keinen Erfolg. Er ist jedenfalls unbegründet. Nach den vorstehenden Ausführungen zum Antrag zu 1) ist nichts dafür greifbar, dass die Beschlüsse des Beklagten in der Sitzung vom 13. Dezember 2006 zu TOP 4.1 die Kläger in ihren organschaftlichen Rechten verletzt haben.

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Anmerkung der Redaktion:

Die Revision ist anhängig beim BVerwG unter dem Az. BVerwG 8 B 78.09.

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