RWS Update: Berliner Sparkasse kündigt 17.000 Kundinnen und Kunden - Folgeprobleme von BGH XI ZR 26/20

21.02.2023

Die Berliner Sparkasse hat am 15. Februar 2023 Kündigungsschreiben an 17.000 Kundinnen und Kunden verschickt, weil diese den AGB nicht zugestimmt hätten. Eine rechtliche Einschätzung von Prof. Dr. Hervé Edelmann, RWS-Referent und Partner der Kanzlei Thümmel, Schütze und Partner:

"Durch die die Zustimmungsfiktionsklausel für unwirksam erklärende Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 27.04.2021, XI ZR 26/20 sind nicht nur die von Kreditinstituten in den letzten Jahren auf diesem Wege vorgenommenen Vertragsänderungen unwirksam, sondern auch sämtliche mit dieser Klausel eingeführten oder erhöhten Entgelte. Demgemäß stehen Kreditinstitute seit dieser Entscheidung vor dem Problem, wie man im Massengeschäft vertragliche Änderungen und Preiserhöhungen mit zumutbarem Aufwand herbeiführen kann.

Während eine Vielzahl von Kreditinstituten neue Zustimmungsfiktionsklauseln eingeführt haben (vgl. zu deren (Un-) Wirksamkeit Rodi, WM 2022, 1665 ff), haben andere Institute zusätzlich versucht, in der fortgesetzten Nutzung des Girokontos eine konkludente Annahme insofern herbeizuführen, als sie ihre Kunden nach Ergehen der Entscheidung vom 27.04.2021 angeschrieben und diese darauf hingewiesen haben, dass sie, die Bank, die Fortsetzung der Geschäftsbeziehung, z. B. durch weitere Nutzung des Girokontos oder durch Vornahme von Überweisungen, als konkludente Zustimmung mit ihren aktuellen Bedingungen und Entgelten ansieht. Wiederum andere Institute haben, nachdem sie mehrfach vergeblich versucht haben, die ausdrückliche Zustimmung des Kunden einzuholen, entsprechend dem Vorgehen der Berliner Sparkasse versucht, die ausdrückliche Zustimmung des Kunden dadurch einzuholen, dass sie die Kündigung der Geschäftsbeziehung zu einem konkreten zukünftigen Zeitpunkt aussprechen verbunden mit dem Angebot, einen neuen Girovertrag in der Form des „Wiederauflebens“ des alten Girovertrages zu den neuen aktuellen Konditionen abzuschließen. Dabei wurde dieses Angebot mit dem klaren und deutlichen Hinweis verbunden, dass die weitere aktive Nutzung des Girokontos nach dem Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Kündigung als konkludente Annahme des Angebots auf Abschluss eines neuen Girovertrages mit aktuellen Bedingungen und Preisen angesehen wird.

In seinem Urteil vom 28.11.2022, 13 O 73/22 (ZIP 2022,2559) hat das Landgericht Hannover entschieden, dass allein die Weiternutzung des alten Girokontos nicht als konkludente Zustimmung des Bankkunden mit den bisherigen aktuellen Bedingungen und Entgelten angesehen werden kann, weil hierin ein Verstoß gegen AGB Recht zu sehen ist. Zudem ziele eine solche Vorgehensweise auf eine unzulässige Umgehung der vom Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 27.04.2021 aufgestellten Grundsätze und verstoße damit jedenfalls gegen § 306 a BGB (ähnlich AG Köln, Urteil v. 08.09.2022, 140 C 353/21).

Das Landgericht Stuttgart hat wiederum in seiner Entscheidung vom 15.02.2022, 34 O 98/21, klargestellt, dass die Ankündigung des Ausspruchs der Kündigung des Girokontos bei Nichtfortsetzung der Geschäftsbeziehung jedenfalls wettbewerbsrechtlich und wohl auch zivilrechtlich nicht zu beanstanden ist (vgl. hierzu Rodi, ZIP 2022, 1583, 1585 f. m. w. N.; Edelmann, BB 2021, 2451).

Wie in dem konkreten Fall der Berliner Sparkasse wiederum zu entscheiden ist, ist zwar noch nicht abschließend geklärt. Allerdings spricht in den Fällen, in welchem der Kunde nach Wirksamwerden der Kündigung die Geschäftsbeziehung dadurch "wieder aufleben" lässt, dass er aktiv und bewusst in Kenntnis der wirksam ausgesprochenen Kündigung aktiv Leistungen der Bank (weiter bzw. erneut) in Anspruch nimmt, alles dafür, dieses bewusste und aktive Tun als konkludente Annahme des Angebots der Bank auf Abschluss eines neuen Girovertrages zu den aktuellen Bedingungen und Preisen anzusehen (so Rodi sowie Edelmann, aaO).

Vor dem Hintergrund vorstehender Ausführungen dürfte das Vorgehen der Berliner Sparkasse nicht zu beanstanden sein. Denn dem Kreditinstitut muss es erlaubt sein, sich von solchen Kunden zu trennen, deren Geschäftsbeziehung auf Grund der BGH-Entscheidung vom 27.04.2021 auf ungesicherter oder gar nichtiger Grundlage beruht und welche sich beharrlich weigern, ihre Vertragsbeziehung zu ihrer Bank auf eine gesicherte und für beide Parteien interessengerechte Grundlage zu stellen. Nehmen diese Kunden nach Wirksamwerden der Kündigung aktiv Bankdienstleistungen ihrer Sparkasse in Anspruch, dann machen diese unmissverständlich klar, dass sie die Kundenbeziehung auf eine neue vertragliche Grundlage stellen wollen, womit sich die Sparkasse durch Erbringung der vom Kunden aktiv in Anspruch genommenen Dienstleistungen einverstanden erklärt."

Eine weitere Vertiefung der Folgeprobleme der BGH-Entscheidung vom 27.04.2021 bietet das RWS Forum Bank- und Kapitalmarktrecht Ende April in Köln.

Verlagsadresse

RWS Verlag Kommunikationsforum GmbH & Co. KG

Aachener Straße 222

50931 Köln

Postanschrift

RWS Verlag Kommunikationsforum GmbH & Co. KG

Postfach 27 01 25

50508 Köln

Kontakt

T (0221) 400 88-99

F (0221) 400 88-77

info@rws-verlag.de

© 2024 RWS Verlag Kommunikationsforum GmbH & Co. KG

Erweiterte Suche

Seminare

Rubriken

Veranstaltungsarten

Zeitraum

Bücher

Rechtsgebiete

Reihen



Zeitschriften

Aktuell