VG Stuttgart: Zur Verpflichtung nur der Altmitglieder des PSV zum Einmalbeitrag zur Insolvenzsicherung bei Umstellung des Finanzierungssystems

08.01.2009

BetrAVG §§ 30i, 10 Abs. 3
Zur Verpflichtung nur der Altmitglieder des PSV zum Einmalbeitrag zur Insolvenzsicherung bei Umstellung des Finanzierungssystems
VG Stuttgart, Urt. vom 24.4.2008 – 4 K 72/08


Leitsätze des Gerichts:

1. Die Heranziehung nur derjenigen Mitglieder des Pensionssicherungsvereins, die bereits vor Umstellung des Finanzierungssystems Mitglieder waren, zum Einmalbeitrag zur Finanzierung der unverfallbaren Anwartschaften in der betrieblichen Altersversorgung begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.

2. Art. 3 GG erfordert keine Differenzierung nach der Dauer der Mitgliedschaft.

Tatbestand:

Die Klägerin wendet sich gegen die Erhebung eines Einmalbetrags zur Insolvenzsicherung der betrieblichen Altersversorgung.


Der Beklagte ist Träger der Insolvenzsicherung von Versorgungszusagen im Rahmen einer betrieblichen Altersversorgung. Die Klägerin betreibt in W. ein Bauunternehmen. Ihren Arbeitnehmern gewährt sie Leistungen der betrieblichen Alterversorgung in Form von Direktversicherungen, von unmittelbaren Versorgungszusagen und in Form von Unterstützungskassenzusagen. Sie ist seit dem 1.1.1975 Mitglied beim Beklagten. Auf der Grundlage der an den Beklagten gemeldeten Versorgungszusagen, zuletzt 85, setzt der Beklagte jährlich den Insolvenzsicherungsbeitrag fest. Bis zum Jahre 2005 erfolgte die Beitragsbemessung u.a. auf der Grundlage der im betreffenden Kalenderjahr entstehenden laufenden Rentenansprüche im Wege des Rentenwertumlageverfahrens. Sog. unverfallbare Versorgungsanwartschaften aus bereits eingetretenen Insolvenzen waren nicht eingerechnet. Mit dem Gesetz zur Änderung des Betriebsrentengesetzes vom 2.12.2006 (BGBl I 2006, 2742) erfolgte eine Umstellung auf das Kapitaldeckungsverfahren, so dass seit 2006 auch die unverfallbaren Versorgungsanwartschaften durch die Beitragserhebung finanziert werden. Für die vor der Gesetzesänderung aufgrund einer bereits eingetretenen Insolvenz von Arbeitgebern entstandenen Anwartschaften sieht das Gesetz in § 30i Abs. 1 Satz 1 BetrAVG folgende Regelung vor: “Der Barwert der bis zum 31.12.2005 aufgrund eingetretener Insolvenzen zu sichernden Anwartschaften wird einmalig auf die beitragspflichtigen Arbeitgeber entsprechend § 10 Abs. 3 umgelegt und vom Träger der Insolvenzsicherung nach Maßgabe der Beträge zum Schluss des Wirtschaftsjahrs, das im Jahr 2004 geendet hat, erhoben.”
Mit Bescheid vom 24.1.2007 setzte der Beklagte den auf die Klägerin entfallenden Einmalbeitrag gem. § 30i BetrAVG auf 5.645,70 €, zahlbar in 15 Jahresraten zu je 376,38 €, fest. Hiergegen erhob die Klägerin mit Schreiben vom 19.11.2007 Widerspruch. Mit Widerspruchsbescheid vom 4.12.2007 wies der Beklagte den Widerspruch der Klägerin als unbegründet zurück. Aus den Gesetzesmaterialien ergebe sich, dass es gerade Vorstellung des Gesetzgebers gewesen sei, dass die Deckungslücke nur von den Arbeitgebern ausgeglichen werde, die in der Zeit des Entstehens der Deckungslücke insolvenzsicherungspflichtig gewesen seien. Am 7.1.2008 hat die Klägerin Klage zum VG Stuttgart erhoben.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Bescheid des Beklagten vom 24.1.2007 und dessen Widerspruchsbescheid vom 4.12.2007 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin daher nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 VwGO).

Rechtsgrundlage des angefochtenen Bescheids ist § 30i i.V.m. § 10 Abs. 3 BetrAVG vom 19.12.1974 (BGBl I, 3610) in der hier maßgeblichen Fassung vom 2.12.2006 (BGBl I, 2742). Nach § 30i Abs. 1 Satz 1 BetrAVG wird der Barwert der bis zum 31.12.2005 aufgrund eingetretener Insolvenzen zu sichernden Anwartschaften einmal auf die beitragspflichtigen Arbeitgeber entsprechend § 10 Abs. 3 umgelegt und vom Träger der Insolvenzsicherung nach Maßgabe der Beträge zum Schluss des Wirtschaftsjahrs, das im Jahr 2004 geendet hat, erhoben.

Danach wurde die Klägerin zutreffend zur Zahlung des Einmalbeitrags i.H. v. 5.645,70 € zur Finanzierung der bis zum Jahre 2005 angefallenen unverfallbaren Anwartschaften herangezogen, denn die Klägerin, die bereits seit 1975 Mitglied beim Beklagten ist, war im Jahre 2005 beitragspflichtig. Aus der Bezugnahme der Vorschrift auf die beitragspflichtigen Arbeitgeber und der Maßgeblichkeit der Beiträge zum Schluss des Wirtschaftsjahrs, das im Jahr 2004 geendet hat, folgt, dass der Einmalbeitrag auf alle die Arbeitgeber umgelegt wird, die im Jahre 2005 die Beiträge nach § 10 BetrAVG bezahlt haben. Denn nach § 10 Abs. 3 Satz 1 BetrAVG bezieht sich die Beitragspflicht für ein bestimmtes Kalenderjahr immer auf die Daten des Vorjahrs. Die Daten des Wirtschaftsjahrs 2004 waren danach für die Beitragsfestsetzung 2005 maßgeblich. Dieses Normverständnis ergibt sich unmittelbar aus der historischen Auslegung der Vorschrift. Aus der amtlichen Begründung zu § 30i BetrAVG (BT-Drucks. 16/1936, S. 7) folgt, dass der Gesetzgeber mit der Umstellung der Finanzierung auf die vollständige Kapitaldeckung die bis 31.12.2005 aufgelaufene Deckungslücke allein und einmalig auf die Arbeitgeber umlegen wollte, die in der Zeit des Entstehens der Deckungslücke insolvenzsicherungspflichtig waren.

Die Heranziehung allein der “Altmitglieder”, also der Mitglieder, die bereits vor Inkrafttreten der Umstellung des Finanzierungssystems Mitglied beim Beklagten waren, zur Finanzierung der Altlasten verstößt auch nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG, der das Gebot enthält, Gleiches gleich und Ungleiches seiner Eigenart entsprechend verschieden zu behandeln (vgl. so auch VG Neustadt – 4 K 1339/07.NW, juris). Hierbei ist es grundsätzlich Sache des Gesetzgebers, diejenigen Sachverhalte auszuwählen, an die er dieselbe Rechtsfolge knüpft, die er also im Rechtssinne als gleich ansehen will. Der Gesetzgeber muss seine Auswahl jedoch sachgerecht treffen (st. Rspr.: u.a. BVerfGE 108, 269 m.w.N.; vgl. speziell zur betrieblichen Altersversorgung BVerwGE 98, 280 = ZIP 1995, 1527, dazu EWiR 1995, 951 (Blomeyer)). Was dabei in Anwendung des Gleichheitssatzes sachlich vertretbar oder sachfremd und deshalb willkürlich ist, lässt sich dabei nicht abstrakt und allgemein feststellen, sondern nur in Bezug auf die Eigenart des jeweils zu regelnden Sachverhalts. Der Gleichheitssatz verlangt, dass eine vom Gesetz vorgenommene unterschiedliche Behandlung sich sachbereichsbezogen auf einen vernünftigen oder sonstwie einleuchtenden Grund zurückführen lässt. Art. 3 Abs. 1 GG ist danach erst dann verletzt, wenn sich für eine Ungleichbehandlung kein in angemessenem Verhältnis zum Grad der Ungleichbehandlung stehender Rechtfertigungsgrund finden lässt. Nicht zu untersuchen ist allerdings, ob der Gesetzgeber die gerechteste und zweckmäßigste Regelung getroffen hat, relevant ist vielmehr, ob die äußersten Grenzen gewahrt sind (vgl. BVerwGE 25, 147).

Danach besteht ein sachlicher Grund für die Nichtheranziehung der erst nach der gesetzlichen Neuregelung hinzutretenden neuen Mitglieder. Denn diese Mitglieder müssen gem. § 10 Abs. 2 BetrAVG durch ihre jährlichen Beitragszahlungen von Beginn ihrer Mitgliedschaft an neben dem Barwert der im laufenden Jahr gezahlten Betriebsrenten auch bereits die aufgrund eingetretener Insolvenzen zu sichernden unverfallbaren Anwartschaften mitfinanzieren. Darin ist daher ein sachlicher Rechtfertigungsgrund zu sehen, nur die Mitglieder, die vor Inkrafttreten der Gesetzesänderung im Rahmen der jährlichen Beitragsberechnung die bereits entstandenen unverfallbaren Anwartschaften nicht finanzieren mussten, für die bis dahin angefallenen Anwartschaften von ca. 2,2 Mrd. € heranzuziehen. Denn diese Mitglieder wussten seit Beginn ihrer Mitgliedschaft aufgrund der bis 2006 geltenden Rentenwertumlagen stets, dass unverfallbare Anwartschaften aus bereits eingetretenen Arbeitgeberinsolvenzen bestehen und deren Finanzierung nach dem altem System auf den Zeitpunkt hinausgeschoben wurde, in dem die Bezugsvoraussetzungen vorlagen, und die aufgrund der Anwartschaften erworbene Betriebsrente tatsächlich vom Beklagten zu gewähren war. Die sog. Altmitglieder waren daher von Beginn ihrer Mitgliedschaft mit diesem Beitragsrisiko höherer Beitragszahlungen für die Umwandlung dieser Anwartschaften belastet (vgl. auch VG Neustadt, – 4 K 1339/07.NW, juris). Der Wert der Anwartschaften von 2,2 Mrd. € zum Zeitpunkt der gesetzlichen Neuregelung verdeutlicht den Umfang der künftigen Finanzierungslast, die bei einer Beibehaltung des bisherigen Finanzierungssystems auf die Mitglieder zugekommen wäre. Dies hat auch der Gesetzgeber so gesehen und sich daher zur Umstellung der Finanzierung auf die vollständige Kapitaldeckung entschlossen (vgl. BT-Drucks. 16/1936, S. 7). Allein der Umstand, dass die künftigen Neumitglieder nunmehr davon profitieren, dass die bisherige Finanzierungslücke der unverfallbaren Anwartschaften allein von den Altmitgliedern finanziert wird, macht die Regelung nicht verfassungswidrig. Wie bereits ausgeführt, decken sie im Gegenzug von Beginn ihrer Mitgliedschaft an vollständig das durch eintretende Insolvenzen bestehende Versicherungsrisiko für die Zukunft mit einer entsprechenden Kapitaldeckung ab.

Eine Heranziehung dieser Neumitglieder auch zur Deckung der bisher aufgelaufenen Barwerte der Anwartschaften wäre dagegen unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit und des im Beitragsrecht besonders zu berücksichtigenden Äquivalenzprinzips bedenklich. Hinzu kommt, dass die Altmitglieder nach dem bisherigen Finanzierungssystem einen zeitlichen Liquiditätsvorteil davon hatten, dass die Belastungen in Form der Anwartschaften, die ab Beginn ihrer Mitgliedschaft anfielen, sich erst zu einem späteren Zeitpunkt realisieren. Dieser Liquiditätsvorteil kommt den neuen Mitgliedern nach der Änderung des Finanzierungssystems nicht mehr zugute, so dass es nicht als sachfremd und willkürlich angesehen werden kann, nur die Altmitglieder zur Finanzierung der bisher aufgelaufenen Barwerte der Anwartschaften heranzuziehen (so auch VG Neustadt – 4 K 1339/07.NW, juris).
Es begegnet auch keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, dass die Verteilung der Altlasten auf die Altmitglieder nicht entsprechend der jeweiligen Mitgliedsdauer der Altmitglieder erfolgt ist. Insoweit ist der Vortrag des Beklagten, dass eine solche Erfassung angesichts der Mitgliedszahlen und der Zeiträume, für die die Erhebung erfolgen müsste, einen unverhältnismäßig hohen Aufwand verursacht hätte, der in keinem Verhältnis zum gewonnenen Ergebnis steht, unmittelbar nachvollziehbar. Hinzu kommt im Falle der Klägerin, dass diese bereits seit 1975 Mitglied beim Beklagten ist und sich eine periodengerechte Verteilung der Altlasten bezogen auf die Dauer der jeweiligen Mitgliedschaft in ihrem Fall beitragserhöhend auswirken würde. Im Übrigen wurde bereits ausgeführt, dass es im Anwendungsbereich des Art. 3 Abs. 1 GG nicht darum geht, ob dem Gesetzgeber auch eine andere, im Einzelfall möglicherweise gerechtere Regelung zur Finanzierung der Altlasten zur Verfügung gestanden hätte. Entscheidend ist vielmehr, dass die Vorschrift des § 30i BetrAVG keinen verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet.

Schließlich stellt sich die Erhebung des Einmalbeitrags gegenüber der Klägerin auch nicht als verfassungsrechtlich unzulässige Rückwirkung dar. Belastende Normen, die abgeschlossene Tatbestände rückwirkend erfassen, sind mit dem Gebot der Rechtsstaatlichkeit regelmäßig unvereinbar. Eine echte Rückwirkung liegt jedoch nur vor, wenn die Norm nachträglich ändernd in abgewickelte, der Vergangenheit angehörende Tatbestände eingreift (Rückwirkung von Rechtsfolgen). Dagegen liegt eine zulässige unechte Rückwirkung vor, wenn die geänderten Regelungen und Rechtsfolgen einer Norm erst nach deren Inkrafttreten eintreten und lediglich tatbestandlich auch an Ereignisse vor diesem Zeitpunkt anknüpfen (st. Rspr. u.a. BVerwG, Urt. v. 16.5.2007 – BVerwG 6 C 24.06, GewArch 2007, 485 m.w.N.). Im Fall der Klägerin, die auch nach Inkrafttreten des § 30i BetrAVG weiterhin Mitglied des Beklagten ist, greift die Gesetzesänderung gerade nicht in in der Vergangenheit vollständig abgewickelte Sachverhalte ein, denn die Finanzierung der Anwartschaften war lediglich hinausgeschoben und nicht abschließend geregelt. Es liegt daher entsprechend den obigen Ausführungen eine zulässige unechte Rückwirkung vor. Ob sich die Norm im Verhältnis zu solchen Arbeitgebern, die zwar im Jahre 2005 beitragspflichtig waren, jedoch vor dem Inkrafttreten der Norm am 12.12.2006 beim Beklagten ausgeschieden sind, als echte Rückwirkung darstellt, bedarf hier keiner Entscheidung. Denn die Vorschrift des § 30i BetrAVG wäre dann jedenfalls verfassungskonform dahin auszulegen, dass diese Arbeitgeber jedenfalls nicht zur Finanzierung des Umlagebeitrags herangezogen werden könnten (so auch Wenderoth, DB 2007, 2713). Im Fall der Klägerin würde dies dann jedoch zu einem höheren Beitrag führen müssen, da dann der Kreis der Mitglieder, auf die der Einmalbeitrag zu verteilen wäre, kleiner wäre.

Bedenken gegen die Höhe des auf Grundlage des § 10 Abs. 3 BetrAVG berechneten Einmalbeitrags sind weder erkennbar, noch hat die Klägerin solche Bedenken erhoben.

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