BGH, Beschluss vom 1. Dezember 2021 - XII ZB 304/20

25.01.2022

BUNDESGERICHTSHOF

vom

1. Dezember 2021

in der Familiensache


Nachschlagewerk: ja


BGHZ: nein

BGHR: ja


VersAusglG §§ 10, 11 Abs. 1 Satz 1 und 2 Nr. 2, Abs. 2; FamFG § 225 Abs. 1


a) Zur Frage, inwieweit die in § 44 Abs. 3 der Satzung der Evangelischen Zusatzversorgungskasse (EZVK) enthaltene Regelung über die interne Teilung eines Anrechts aus der Pflichtversicherung in den Tarif der freiwilligen Versicherung das Gebot der gleichwertigen Teilhabe gemäß § 11 Abs. 1 VersAusglG gewährleistet (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 18. August 2021 ­ XII ZB 359/19 ­ juris).

b) Eine von einem Versorgungsträger mitgeteilte und unter (hier offengelassenem) Verstoß gegen Verfassungsrecht gebildete sogenannte Startgutschrift für rentenferne Versicherte kann ausnahmsweise dann die Grundlage für die Durchführung der internen Teilung eines Anrechts sein, wenn der hinsichtlich dieses Anrechts ausgleichsberechtigte Ehegatte bereits Rentenleistungen bezieht, auf den Wertausgleich des Anrechts aus wirtschaftlichen Gründen dringend angewiesen ist, der Gesichtspunkt der Unabänderlichkeit der Ausgleichsentscheidung bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise dahinter zurücktritt und der ausgleichsberechtigte Ehegatte die Unwirksamkeit der Übergangsvorschriften nicht geltend gemacht hat (Fortführung von Senatsbeschlüssen vom 22. März 2017 ­ XII ZB 626/15 - FamRZ 2017, 872 und vom 5. November 2008 ­ XII ZB 53/06 ­ FamRZ 2009, 303).


BGH, Beschluss vom 1. Dezember 2021 - XII ZB 304/20 - OLG Frankfurt am Main, AG Darmstadt


Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 1. Dezember 2021 durch den Vorsitzenden Richter Dose, die Richter Prof. Dr. Klinkhammer, Dr. Günter und Dr. Botur und die Richterin Dr. Krüger

beschlossen:

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 6. Senats für Familiensachen in Darmstadt des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 8. Juni 2020 wird auf Kosten der weiteren Beteiligten zu 1 zurückgewiesen.

Wert: 1.000 €

Gründe:

[1] I. Die Beteiligte zu 1 (Evangelische Zusatzversorgungskasse in Darmstadt; im Folgenden: EZVK) wendet sich gegen den durchgeführten Versorgungsausgleich hinsichtlich des bei ihr bestehenden Anrechts der Antragsgegnerin.

[2] Der im Juli 1955 geborene Antragsteller (im Folgenden: Ehemann) und die im Februar 1959 geborene Antragsgegnerin (im Folgenden: Ehefrau), die beide italienische Staatsangehörige sind, heirateten am 16. November 1979. Auf den am 24. September 2004 zugestellten Antrag löste das Amtsgericht die Ehe der Beteiligten nach italienischem Recht auf.

[3] Auf den im vorliegenden Verfahren im Jahr 2014 vom Ehemann eingereichten Antrag hat das Amtsgericht den Versorgungsausgleich geregelt. In der gesetzlichen Ehezeit (1. November 1979 bis 31. August 2004) haben beide Ehegatten Anrechte in der gesetzlichen Rentenversicherung erworben, die vom Amtsgericht ­ insoweit rechtskräftig ­ ausgeglichen wurden. Daneben hat die Ehefrau ein Anrecht in der kirchlichen Zusatzversorgung bei der EZVK erworben. Die EZVK hat den Ehezeitanteil des Anrechts, der auch eine sogenannte Startgutschrift für die vor dem 1. Januar 2002 erworbenen Anwartschaftsbestandteile umfasst, mit 40,65 Versorgungspunkten angegeben. Hinsichtlich des Ausgleichswerts hat der Versorgungsträger vorgeschlagen, diesen mit 14,64 Versorgungspunkten (korrespondierender Kapitalwert: 6.878,31 €) zu bestimmen. Obwohl das Anrecht in der Pflichtversicherung erworben wurde, hat die EZVK die interne Teilung des Anrechts in den Tarif ihrer freiwilligen Versicherung verlangt. Sie hat sich hierbei auf § 44 Abs. 3 ihrer Satzung berufen, die Folgendes regelt:

"Wird vom Familiengericht für die ausgleichsberechtigte Person ein Anrecht übertragen, erwirbt die ausgleichsberechtigte Person bezogen auf das Ende der Ehezeit ein von einer eigenen Pflicht- oder freiwilligen Versicherung unabhängiges Anrecht in der freiwilligen Versicherung nach Maßgabe der jeweils geltenden Allgemeinen Versicherungsbedingungen und gilt als beitragsfrei versichert. [...]"

[4] Das Amtsgericht hat das Anrecht der Ehefrau bei der EZVK mit einem Ausgleichswert von 18,76 Versorgungspunkten zugunsten des Ehemanns intern geteilt und angeordnet, dass die Teilung "nach Maßgabe des § 44 der Satzung der EZVK" erfolgt.

[5] Das Oberlandesgericht hat auf die Beschwerde der EZVK die amtsgerichtliche Entscheidung dahingehend abgeändert, dass zugunsten des Ehemanns 18,35 Versorgungspunkte übertragen werden; zudem hat es angeordnet, dass für "das Anrecht des Antragstellers [...] die Regelungen über das Anrecht der Antragsgegnerin entsprechend" gelten. Hiergegen richtet sich die zugelassene Rechtsbeschwerde der EZVK, mit der sie weiterhin die Teilung des Anrechts entsprechend ihrem Teilungsvorschlag begehrt.

[6] II. Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.

[7] 1. Das Beschwerdegericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, der Versorgungsausgleich sei gemäß Art. 229 § 28 Abs. 2 EGBGB iVm Art. 17 Abs. 4 Satz 2 EGBGB in der Fassung vom 17. Dezember 2018 nach deutschem Recht durchzuführen. Dabei sei gemäß § 48 Abs. 1 VersAusglG das zum 1. September 2009 in Kraft getretene Versorgungsausgleichsrecht anwendbar.

[8] Der Verwertbarkeit des Teilungsvorschlags der EZVK stehe zwar nicht entgegen, dass das Anrecht eine sogenannte Startgutschrift für rentenferne Versicherte enthalte. Denn die der Ermittlung dieser Startgutschrift zugrundeliegenden Satzungsbestimmungen der EZVK würden nicht (mehr) gegen Verfassungsrecht verstoßen. Durch die Neuregelungen in §§ 72 Abs. 4, 73 Abs. 1, Abs. 1a Satz 1 Nr. 2, Abs. 7 Satz 3 der Satzung der EZVK in der Fassung der 16. Änderungssatzung vom 10. Oktober 2018 seien die Ungleichbehandlungen behoben worden, die vom Bundesgerichtshof mit Urteilen vom 14. November 2007 (VuR 2008, 101) und 9. März 2016 (VersR 2016, 583) hinsichtlich der Regelungen der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes, die mit denjenigen der EZVK übereingestimmt hätten, beanstandet worden seien. Der für die Höhe der Startgutschrift maßgebliche Unverfallbarkeitsfaktor betrage in der Neuregelung der EZVK nunmehr nicht mehr statisch 2,25 % für jedes Pflichtversicherungsjahr bis zum Umstellungsstichtag, sondern sei linear zwischen 2,25 % bei einem Eintrittsalter mit 20 Jahren und 7 Monaten bis 2,5 % bei einem Eintrittsalter mit 25 Jahren oder älter ausgestaltet. Aus diesem Grund könnten jetzt auch Versicherte mit berufsbedingt langen Ausbildungszeiten, die erst mit Vollendung des 25. Lebensjahres in die dienstliche Tätigkeit eingetreten seien, die Vollrente erreichen. Zwar seien in der Neuregelung die jüngeren rentenfernen Versicherten mit einem Diensteintrittsalter zwischen 20 Jahren und 7 Monaten und 25 Jahren den älteren Versicherten aufgrund des linearen Anstiegs des Unverfallbarkeitsfaktors nicht vollkommen gleichgestellt. Dies verstoße aber nicht gegen den Grundsatz der Verteilungsgerechtigkeit. Denn mit der Regelung werde insbesondere dem Umstand Rechnung getragen, dass die bis 25 Jahre alten Versicherten noch mehr Zeit hätten, auf die Systemumstellung in der Zusatzversorgung zu reagieren. Auch sei deren Erwerbsbiographie weniger nach dem Prinzip der vor der Systemumstellung maßgeblichen Bedarfsdeckung geprägt.

[9] Der Teilungsvorschlag der EZVK könne dem Wertausgleich aber deswegen nicht zugrunde gelegt werden, weil § 44 Abs. 3 der Satzung der EZVK, der einen Tarifwechsel von der Pflichtversicherung in die freiwillige Versicherung vorsehe, wegen Verstoßes gegen das Gebot der gleichwertigen Teilhabe im Sinne von § 11 Abs. 1 VersAusglG gemäß § 134 BGB nichtig sei. Die freiwillige Versicherung gewährleiste nämlich keine vergleichbare Wertentwicklung im Sinne von § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 VersAusglG für das zugunsten des Ehemanns zu übertragende Anrecht gegenüber demjenigen aus der Pflichtversicherung. Da eine Aufrechterhaltung von § 44 Abs. 3 der Satzung mittels gerichtlicher Maßgabenanordnung nicht möglich sei, sei gemäß § 11 Abs. 2 VersAusglG anzuordnen, dass für das zugunsten des Ehemanns zu übertragende Anrecht die Regelungen für das Anrecht der Ehefrau aus der Pflichtversicherung entsprechend gelten.

[10] 2. Dies hält rechtlicher Nachprüfung jedenfalls im Ergebnis stand.

[11] a) Das Beschwerdegericht hat die von ihm nicht eigens erörterte internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte zu Recht bejaht. Diese ist unbeschadet des Wortlauts von § 72 Abs. 2 FamFG auch in den Verfahren nach dem Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit in der Rechtsbeschwerdeinstanz von Amts wegen zu prüfen (Senatsbeschluss BGHZ 203, 372 = FamRZ 2015, 479 Rn. 11 mwN). Sie ergibt sich im vorliegenden Fall mangels vorrangiger Staatsverträge oder Rechtsakte der Europäischen Union (vgl. Keidel/Dimmler FamFG 20. Aufl. § 102 Rn. 2) jedenfalls aus § 102 Nr. 1 FamFG, weil beide Ehegatten ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben.

[12] b) Das Beschwerdegericht ist auf der Grundlage der von ihm getroffenen Feststellungen auch zu Recht davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen für die sogenannte regelwidrige Durchführung des Versorgungsausgleichs nach deutschem Recht gemäß Art. 17 Abs. 4 Satz 2 EGBGB vorliegen und auf den Versorgungsausgleich gemäß § 48 Abs. 1 und 3 VersAusglG das zum 1. September 2009 in Kraft getretene Versorgungsausgleichsrecht Anwendung findet. Dies wird auch von der Rechtsbeschwerde nicht in Frage gestellt.

[13] c) Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde ist dem Beschwerdegericht auch darin zuzustimmen, dass § 44 Abs. 3 der Satzung der EZVK wegen Verstoßes gegen das Gebot der gleichwertigen Teilhabe im Sinne des § 11 Abs. 1 VersAusglG der vorliegenden Ausgleichsentscheidung nicht zugrunde gelegt werden darf.

[14] aa) Wie der Senat nach Erlass des angefochtenen Beschlusses entschieden hat, kann diese Regelung, nach der eine interne Teilung eines Anrechts aus der Pflichtversicherung in den Tarif der freiwilligen Versicherung zu erfolgen hat, dazu führen, dass für die ausgleichsberechtigte Person kein Anrecht in Höhe des Ausgleichswerts mit vergleichbarer Wertentwicklung gemäß § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 VersAusglG entsteht (Senatsbeschluss vom 18. August 2021 ­ XII ZB 359/19 ­ juris Rn. 25 ff.). Davon kann mangels entgegenstehender Anhaltspunkte regelmäßig ausgegangen werden, weil der freiwilligen Versicherung konservativere Rechnungsgrundlagen für die Ermittlung der Ausgleichsrente des Berechtigten zugrunde liegen, als sie bei der Berechnung des Ausgleichswerts zur Anwendung kommen.

[15] bb) Auch im vorliegenden Fall gewährleistet § 44 Abs. 3 der Satzung der EZVK keine vergleichbare Wertentwicklung der Renten.

[16] Die EZVK hat im vorliegenden Verfahren eine Stellungnahme zur Entwicklung des Rentenniveaus im Fall einer Teilung des Anrechts in die freiwillige Versicherung einerseits und die Pflichtversicherung andererseits abgegeben. Soweit darin im Rahmen der Rente der freiwilligen Versicherung ein Zuschlag von 1,70 Versorgungspunkten eingerechnet worden ist, ist dieser, wie das Beschwerdegericht zutreffend erkannt hat, für die nach § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 VersAusglG anzustellende Vergleichsberechnung nicht zu berücksichtigen. Denn der von der EZVK gewährte Zuschlag dient nicht der Sicherstellung einer vergleichbaren Wertentwicklung der Renten der ausgleichspflichtigen und der ausgleichsberechtigten Person, sondern wird vielmehr als zusätzliche Kompensation für den in der freiwilligen Versicherung fehlenden Erwerbsminderungsschutz gewährt.

[17] Ohne diesen Zuschlag beträgt die Rente des Ehemanns bei Beginn seiner Regelaltersgrenze am 1. Mai 2021 selbst bei Erreichen einer von der EZVK erwarteten Überschussbeteiligung nach § 5 der Allgemeinen Versicherungsbedingungen ("EZVKPlus Tarif 2017") in der freiwilligen Versicherung rund 65 €, in der Pflichtversicherung hingegen rund 73 €. Dies entspricht einer Renteneinbuße von ca. 11 %, was dem Gebot der gleichwertigen Teilhabe im Sinne von § 11 Abs. 1 VersAusglG widerspricht.

[18] Es kommt hinzu, dass die Überschussbeteiligung in der freiwilligen Versicherung von der EZVK gemäß § 5 Abs. 4 Satz 3 AVB nicht garantiert ist. Insoweit trägt somit der Ehemann das Realisierungsrisiko, was dazu führen kann, dass sein Rentenniveau noch weiter hinter demjenigen aus der Pflichtversicherung zurückbleibt.

[19] Eine mit Maßgabenanordnungen verbundene Aufrechterhaltung des Kerns der von der EZVK getroffenen Regelung ist nicht möglich (vgl. Senatsbeschluss vom 18. August 2021 ­ XII ZB 359/19 ­ juris Rn. 36 ff.). Deshalb gelten gemäß § 11 Abs. 2 VersAusglG für das zugunsten des Ehemanns zu übertragende Anrecht die Regelungen für das Anrecht der Ehefrau aus der Pflichtversicherung entsprechend.

[20] Gegen die Höhe der vom Beschwerdegericht ­ nach Maßgabe des Tarifs der Pflichtversicherung ­ übertragenen Versorgungspunkte ist rechtsbeschwerderechtlich nichts zu erinnern. Auch die Rechtsbeschwerde bringt hiergegen nichts vor.

[21] d) Schließlich hat das Beschwerdegericht jedenfalls im Ergebnis zu Recht entschieden, dass der Durchführung des Versorgungsausgleichs auch mit Blick auf die von der EZVK für das Anrecht der Ehefrau mitgeteilte Startgutschrift keine verfassungsrechtlichen Gründe entgegenstehen. Dabei kann dahinstehen, ob ­ wie das Beschwerdegericht meint ­ die in §§ 72 f. mit der 16. Änderungssatzung der EZVK vom 10. Oktober 2018 (Amtsblatt der EKD 2019, 105 ­ abrufbar unter www.ezvk.de) neu gefassten Übergangsvorschriften für rentenferne Versicherte, die infolge der zum 1. Januar 2002 erfolgten Umstellung der Versorgung von einem endgehaltsbezogenen Gesamtversorgungssystem auf ein auf dem Erwerb von Versorgungspunkten beruhendes Betriebsrentensystem eingeführt worden sind, einer verfassungsrechtlichen Überprüfung standhalten (vgl. zur Unwirksamkeit der Vorgängerregelungen in der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes BGHZ 174, 127 = VersR 2008, 1625 und BGHZ 209, 201 = VersR 2016, 583). Selbst wenn dies nicht der Fall wäre, stünde dies im vorliegenden Fall der Durchführung des Versorgungsausgleichs ausnahmsweise nicht entgegen.

[22] aa) Zwar darf nach der Rechtsprechung des Senats ein von einem Versorgungsträger mitgeteilter und anhand verfassungswidriger Satzungsbestimmungen ermittelter Wert einer Startgutschrift grundsätzlich nicht die Grundlage für eine gerichtliche Regelung sein oder durch eine individuelle Wertberechnung ersetzt werden. Deshalb ist in einem solchen Fall das Verfahren zum Versorgungsausgleich regelmäßig bis zu einer Neuregelung der Berechnungsgrundlage auszusetzen (vgl. Senatsbeschlüsse vom 22. März 2017 ­ XII ZB 626/15 ­ FamRZ 2017, 872 Rn. 17 und vom 5. November 2008 ­ XII ZB 53/06 ­ FamRZ 2009, 303 Rn. 16).

[23] Der Senat hat bislang aber ausdrücklich offengelassen, ob die Durchführung der internen Teilung eines solchen Anrechts in jedem denkbaren Fall bis zur Neuregelung der Satzung unterbleiben muss. Wenn der ausgleichsberechtigte Ehegatte bereits Rentenleistungen bezieht, kann er auf den Wertausgleich des Anrechts unter Einbeziehung einer nur unverbindlich erteilten Startgutschrift aus wirtschaftlichen Gründen dringend angewiesen sein. Zwar ist eine nachträgliche Abänderung der Entscheidung zur Teilung von Anrechten der Zusatzversorgung des öffentlichen bzw. kirchlichen Dienstes gemäß § 225 Abs. 1 FamFG nicht mehr möglich. Aber auch der Gesichtspunkt der Unabänderlichkeit der Ausgleichsentscheidung kann für einen im Rentenbezug stehenden Ausgleichsberechtigten bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise gegebenenfalls zurücktreten, zumal sich eine Korrektur der Übergangsbestimmungen für rentenferne Versicherte möglicherweise nur geringfügig auswirkt. Deshalb kann die Geltendmachung der Unwirksamkeit einer solchen Übergangsvorschrift wegen des eintretenden Versorgungsverlusts, der durch die Verzögerung des Eintritts der Rechtskraft der Entscheidung zum Versorgungsausgleich entsteht, für einen Ausgleichsberechtigten wirtschaftlich nicht sinnvoll sein (vgl. Senatsbeschlüsse vom 22. März 2017 ­ XII ZB 626/15 ­ FamRZ 2017, 872 Rn. 19 f. mwN und vom 5. November 2008 ­ XII ZB 53/06 ­ FamRZ 2009, 303 Rn. 17).

[24] bb) So liegen die Dinge hier.

[25] (1) Der hinsichtlich des Anrechts bei der EZVK ausgleichsberechtigte Ehemann bezieht seit Mai 2021 Rentenleistungen wegen Erreichens der Regelaltersgrenze. Eine Verzögerung des Eintritts der Rechtskraft der Entscheidung zum Versorgungsausgleich aufgrund einer Verfahrensaussetzung hätte für ihn somit einen Versorgungsverlust hinsichtlich des bei der EZVK bestehenden Anrechts zur Folge. Dabei ist er auf den Wertausgleich dieses Anrechts aus wirtschaftlichen Gründen dringend angewiesen. Denn nach der im vorliegenden Verfahren von der gesetzlichen Rentenversicherung erteilten und der amtsgerichtlichen Entscheidung zugrunde gelegten Auskunft beträgt seine monatliche Rente lediglich rund 782 €. Er benötigt daher das mit der angefochtenen Entscheidung übertragene weitere Versorgungsanrecht der EZVK von monatlich rund 73 €, um damit seinen Lebensbedarf zumindest teilweise zu decken. Dies gilt auch mit Blick darauf, dass der Ehemann aus dem Saldo des Wertausgleichs der gesetzlichen Rentenversicherungen der Eheleute eine weitere monatliche Versorgung von rund 19 € (zum Stichtag 31. August 2004) erhält.

[26] Die Unabänderlichkeit der Ausgleichsentscheidung tritt bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise dahinter zurück. Denn es erscheint bereits zweifelhaft, ob die Ehefrau, die von der aktuellen Neuregelung der Berechnung der Startgutschriften schon begünstigt worden ist, von einer abermaligen Neuregelung nochmals profitieren würde, zumal in einer ­ im Vergleich zum eintretenden Versorgungsverlust für den Ehemann ­ wirtschaftlich erheblichen Größenordnung. Die Startgutschrift für die Ehefrau wurde nämlich bereits infolge der aktuellen Neuregelung von vormals 30,79 Versorgungspunkte auf 33,24 Versorgungspunkte und damit um 2,45 Versorgungspunkte angehoben, was monatlich rund 10 € entspricht. Dabei wurde der Neuberechnung der Startgutschrift aufgrund des Alters der Ehefrau bei Beginn ihrer Pflichtversicherung bei der EZVK (31 Jahre) auch der höchste und damit für die Berechnung der Startgutschrift günstigste Faktor im Sinne von § 73 Abs. 1 Satz 3 der Satzung der EZVK iVm § 18 Abs. 2 BetrAVG, der mindestens 2,25 % und höchstens 2,5 % der Voll-Leistung je Pflichtversicherungsjahr bis zum Umstellungsstichtag 1. Januar 2002 beträgt, zugrunde gelegt.

[27] Schließlich hat der Ehemann eine Unwirksamkeit der Übergangsvorschriften im vorliegenden Verfahren auch nicht geltend gemacht. Vielmehr hat er sich ausdrücklich mit einem Wertausgleich auf der Grundlage der Auskunft der EZVK einverstanden erklärt und damit zum Ausdruck gebracht, dass ihm ­ aus wirtschaftlichen Gründen ­ an einer Durchführung des Versorgungsausgleichs und nicht an einem weiteren Zuwarten gelegen ist.

[28] (2) Die schematische Durchführung des Versorgungsausgleichs, die im Fall des ­ unterstellten ­ Vorliegens einer (nach wie vor) nicht verfassungskonformen Übergangsregelung der Startgutschriften für die rentenfernen Versicherten grundsätzlich eine Aussetzung des Verfahrens zur Sicherstellung der Halbteilung erfordern würde, würde mithin für den ausgleichsberechtigten Ehemann zu grob unbilligen Ergebnissen führen. Dies würde es entsprechend dem § 27 VersAusglG zugrundeliegenden Rechtsgedanken (vgl. BT-Drucks. 16/10144 S. 67) vorliegend rechtfertigen, den Wertausgleich hinsichtlich des bei der EZVK bestehenden Anrechts ausnahmsweise auch dann durchzuführen, wenn der von der EZVK mitgeteilte Ausgleichswert (weiterhin) auf einer unter Verstoß gegen Verfassungsrecht gebildeten Startgutschrift für rentenferne Versicherte beruhen würde (im Ergebnis ebenso OLG Brandenburg Beschluss vom 21. Oktober 2008 ­ 9 UF 88/08 - juris Rn. 18 f.; OLG Brandenburg Beschluss vom 10. Mai 2011 ­ 9 UF 35/09 - juris Rn. 13 ff.; OLG Sachsen-Anhalt Beschluss vom 14. Februar 2017 ­ 3 UF 243/16 - juris Rn. 18 ff.; OLG Nürnberg [9. Senat für Familiensachen] FamRZ 2008, 1087; OLG Nürnberg [7. Senat für Familiensachen] FamRZ 2010, 1462, 1463; OLG Stuttgart Beschluss vom 7. März 2011 ­ 18 UF 332/10 ­ juris Rn. 17; OLG Oldenburg FamRZ 2009, 884 f.; OLG Frankfurt Beschluss vom 29. Januar 2018 ­ 1 UF 133/15 ­ juris Rn. 55; Götsche in Götsche/Rehbein/Breuers Versorgungsausgleichsrecht 3. Aufl. § 221 FamFG Rn. 16; MünchKomm-BGB/Siede 8. Aufl. § 9 VersAusglG Rn. 8 und § 19 VersAusglG Rn. 9; vgl. auch Borth Versorgungsausgleich 8. Aufl. Kapitel 2 Rn. 365; BeckOK BGB/Bergmann [Stand: 1. August 2021] § 19 VersAusglG Rn. 6; vgl. dazu auch Senatsbeschluss vom 13. Februar 2013 ­ XII ZB 527/12 ­ FamRZ 2013, 690 Rn. 19 ff. zur Frage des Vorliegens eines Härtefalls infolge Verfahrensaussetzung aufgrund unwirksamer Startgutschriftenregelung).

[29] 3. Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen (§ 74 Abs. 7 FamFG).

Dose Klinkhammer Günter

Botur Krüger

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