BGH, Beschluss vom 12. Februar 2020 - XIII ZB 16/19

15.04.2020

BUNDESGERICHTSHOF

vom

12. Februar 2020

in der Abschiebungshaftsache


Nachschlagewerk: ja


BGHZ: nein

BGHR: ja


FamFG § 417 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4; AufenthG § 62 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3


Die Angabe, die Vorlaufzeit für eine Flugbuchung liege bei drei Wochen, genügt den Anforderungen des § 417 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 FamFG an einen Haftantrag zur Sicherung der Abschiebung grundsätzlich nicht. Es bedarf vielmehr einer Begründung, die den für die Flugbuchung benötigten Zeitraum und die daraus folgende notwendige Haftdauer erklärt, etwa durch Angaben zu Terminen und zur Frequenz nutzbarer Flugverbindungen und zur Buchungslage.


BGH, Beschluss vom 12. Februar 2020 - XIII ZB 16/19 - LG Düsseldorf, AG Düsseldorf


Der XIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 12. Februar 2020 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Meier-Beck, die Richterin Prof. Dr. Schmidt-Räntsch, die Richter Prof. Dr. Kirchhoff und Dr. Tolkmitt sowie die Richterin Dr. Linder

beschlossen:

Auf die Rechtsbeschwerde wird der Beschluss der 25. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 30. Januar 2018 aufgehoben, soweit die Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts Düsseldorf vom 2. November 2017 auf Kosten des Betroffenen zurückgewiesen worden ist.

Es wird festgestellt, dass der Beschluss des Amtsgerichts Düsseldorf vom 2. November 2017 den Betroffenen in seinen Rechten verletzt hat.

Gerichtskosten werden in allen Instanzen nicht erhoben. Die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen des Betroffenen in allen Instanzen werden dem Kreis M.

auferlegt.

Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 5.000 €.

Gründe:

[1] I. Der Betroffene, ein Staatsangehöriger der Republik Bosnien und Herzegowina, reiste im Dezember 2011 unter falschen Personalien nach Deutschland ein. Aufgrund strafrechtlicher Verurteilungen wurde er ausgewiesen. Es wurde ein befristetes Einreiseverbot festgesetzt. Nachdem der Betroffene 2014 abgeschoben worden war, reiste er erneut in das Bundesgebiet ein. Er wurde 2015 festgenommen und wegen mehrerer Straftaten verurteilt. Das Haftende war für den 29. November 2017 vorgesehen. Mit Verfügung vom 30. August 2017 wurde dem Betroffenen die Abschiebung aus der Haft nach Bosnien angedroht.

[2] Die Staatsanwaltschaft teilte der beteiligten Behörde mit Schreiben vom 27. Oktober 2017 mit, der Betroffene werde aufgrund einer Weihnachtsamnestie am 2. November 2017 aus der Haft entlassen. Am 2. November 2017 hat das Amtsgericht auf Antrag der beteiligten Behörde gegen den Betroffenen Abschiebungshaft bis zum 28. November 2017 angeordnet. Der Betroffene wurde am 28. November 2017 abgeschoben.

[3] Die Beschwerde des Betroffenen, mit der er beantragt hat, festzustellen, dass ihn der Beschluss des Amtsgerichts in seinen Rechten verletzt habe, ist erfolglos geblieben. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt der Betroffene den Feststellungsantrag weiter.

[4] II. Die gemäß § 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3, Satz 2 FamFG statthafte und auch im Übrigen (§ 71 FamFG) zulässige Rechtsbeschwerde hat Erfolg.

[5] 1. Das Beschwerdegericht hat die Haftanordnung durch das Amtsgericht für rechtmäßig gehalten. Der Haftantrag der beteiligten Behörde sei zulässig und das Verfahren mit der größtmöglichen Beschleunigung betrieben worden.

[6] 2. Hiergegen wendet sich die Rechtsbeschwerde mit Erfolg. Der Betroffene ist durch die Haftanordnung des Amtsgerichts in seinen Rechten verletzt worden, weil es an einem zulässigen Haftantrag gefehlt hat.

[7] a) Das Vorliegen eines zulässigen Haftantrags ist eine in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfende Verfahrensvoraussetzung. Zulässig ist der Haftantrag der beteiligten Behörde nur, wenn er den gesetzlichen Anforderungen an die Begründung entspricht. Erforderlich sind Darlegungen zu der zweifelsfreien Ausreisepflicht, zu den Abschiebungsvoraussetzungen, zu der Erforderlichkeit der Haft, zu der Durchführbarkeit der Abschiebung und zur notwendigen Haftdauer (§ 417 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 5 FamFG). Zwar dürfen die Ausführungen zur Begründung des Haftantrags knapp gehalten sein, sie müssen aber die für die richterliche Prüfung wesentlichen Punkte ansprechen. Sind diese Anforderungen nicht erfüllt, darf die beantragte Sicherungshaft nicht angeordnet werden (st. Rspr., s. nur BGH, Beschluss vom 30. März 2017 - V ZB 128/16, FGPrax 2017, 185 Rn. 6 mwN).

[8] b) Diesen Anforderungen genügen die Ausführungen zur erforderlichen Dauer der Haft in dem Antrag der beteiligten Behörde nicht.

[9] aa) Die Dauer der beantragten Haft wird in dem Haftantrag damit begründet, dass innerhalb von drei Arbeitstagen ein EU-Laissez-Passer vorliege und im Anschluss ein Flug für den Betroffenen gebucht werden könne. Die Vorlaufzeit für die Flugbuchung liege laut Auskunft der Zentralstelle für Flugabschiebungen (ZFA) bei drei Wochen.

[10] bb) Diese Ausführungen der beteiligten Behörde zu der Vorlaufzeit für die Flugbuchung von drei Wochen sind vor dem Hintergrund, dass die Haft auf die kürzest mögliche Dauer zu beschränken ist, unzureichend (§ 62 Abs. 1 Satz 2 AufenthG). Die beantragte Haftdauer ist mit mehr als drei Wochen auch nicht so kurz, als dass sich ihre Notwendigkeit von selbst verstünde, zumal die Flugabschiebung in ein europäisches Land erfolgen sollte (vgl. BGH, Beschluss vom 22. November 2018 - V ZB 54/18, juris Rn. 8). Es bedurfte vielmehr einer Begründung, die den für die Flugbuchung benötigten Zeitraum und die daraus folgende notwendige Haftdauer erklärte, etwa durch Angaben zu Terminen und zur Frequenz nutzbarer Flugverbindungen und zur Buchungslage.

[11] c) Der Mangel des Haftantrags ist nicht geheilt worden.

[12] Mängel des Haftantrags können behoben werden, indem die Behörde von sich aus oder auf richterlichen Hinweis ihre Darlegungen ergänzt und dadurch die Lücken in ihrem Haftantrag schließt oder der Haftrichter selbst die Durchführbarkeit der Abschiebung und die dafür erforderliche Haftdauer in seiner Entscheidung feststellt, sofern der Betroffene zu den ergänzenden Angaben persönlich angehört wird (BGH, Beschluss vom 22. November 2018 - V ZB 54/18, juris Rn. 10). Die beteiligte Behörde hat ihren Antrag weder ergänzt, noch hat das Amtsgericht entsprechende Feststellungen getroffen.

[13] 3. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 74 Abs. 7 FamFG abgesehen.

Meier-Beck Schmidt-Räntsch Kirchhoff

Tolkmitt Linder

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