BGH, Beschluss vom 13. Oktober 2020 - VIII ZR 290/19

18.11.2020

BUNDESGERICHTSHOF

vom

13. Oktober 2020

in dem Rechtsstreit


Nachschlagewerk: ja


BGHZ: nein

BGHR: ja


ZPO §§ 3, 5, 544 Abs. 2 Nr. 1


a) Der Feststellung des Annahmeverzugs im Falle einer Zug-um-Zug-Verurteilung kommt ein eigener wirtschaftlicher Wert nicht zu, weil die Frage des Annahmeverzugs nur ein rechtlich unselbständiges Element der umstrittenen Leistungsverpflichtung und deshalb mit dieser wirtschaftlich identisch ist (st. Rspr.; siehe nur BGH, Beschlüsse vom 18. Januar 2018 - III ZR 537/16, juris Rn. 11; vom 20. März 2018 - II ZR 349/16, juris Rn. 1; vom 16. Juli 2019 - XI ZR 538/18, juris Rn. 9; vom 26. Mai 2020 - XI ZR 414/19, juris Rn. 1).

b) Auch für das Rechtsmittel der beklagten Partei ist die Feststellung des Annahmeverzugs neben einer Zug-um-Zug-Verurteilung wertmäßig für die Beschwer ohne Bedeutung (Anschluss an BGH, Beschlüsse vom 23. Juni 2016 - III ZR 104/15, juris Rn. 5; vom 25. Oktober 2016 - XI ZR 33/15, juris Rn. 3).


BGH, Beschluss vom 13. Oktober 2020 - VIII ZR 290/19 - OLG Celle, LG Stade


Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 13. Oktober 2020 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Milger, den Richter Dr. Schneider, die Richterin Dr. Fetzer, den Richter Kosziol und die Richterin Wiegand

beschlossen:

Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Grund- und Teilurteil des 20. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 30. September 2019 wird auf ihre Kosten als unzulässig verworfen.

Streitwert: 19.620,54 €

Gründe:

[1] I. Die Parteien streiten um die Rückabwicklung eines Pferdetauschvertrags. Das Berufungsgericht hat der Klage, die nach den tatbestandlichen Feststellungen des Berufungsurteils auf Zahlung von 19.620,54 € nebst Zinsen gerichtet ist, in Höhe von 5.000 € nebst Zinsen, Zug um Zug gegen Rückgabe des Pferds an die Beklagten, stattgegeben und die weitergehende Zahlungsklage dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Ferner hat das Berufungsgericht festgestellt, dass die Beklagten sich im Verzug der Annahme befinden.

[2] Die Beschwerde macht geltend, der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer übersteige 20.000 €. Die sich aus der Feststellung des Annahmeverzugs ergebende Beschwer der Beklagten sei jedenfalls mit 500 € anzusetzen. Zwar sei es in Fällen, in denen die klagende Partei Rechtsmittelführer sei, richtig, dass die erstrebte Feststellung des Annahmeverzugs den Wert der Beschwer nicht erhöhe, weil die Frage des Annahmeverzugs lediglich ein rechtlich unselbständiges Element der umstrittenen Leistungsverpflichtung sei. Die Beschwer der Beklagten sei hingegen anders zu beurteilen. Denn die vom Berufungsgericht getroffene Feststellung, die Beklagten befänden sich im Verzug der Annahme, führe gemäß § 322 Abs. 3, § 274 Abs. 2 BGB, § 756 Abs. 1, § 765 Nr. 1 ZPO dazu, dass sie den ausgeurteilten Betrag zu zahlen hätten, ohne die Gewissheit zu haben, das der Klägerin überlassene Pferd tatsächlich zurückzuerhalten.

[3] Der Senat hat die Beklagten mit Hinweisbeschluss vom 5. August 2020 darauf hingewiesen, dass er beabsichtigt, die Nichtzulassungsbeschwerde als unzulässig zu verwerfen. Hiergegen haben die Beklagten Einwendungen erhoben.

[4] II. Die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten ist unzulässig, weil der Wert der geltend zu machenden Beschwer lediglich 19.620,54 € beträgt und somit die gemäß § 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO erforderliche Mindestbeschwer von mehr als 20.000 € nicht erreicht.

[5] 1. Die Beschwer der Beklagten ergibt sich aus der Verurteilung zur Zahlung von 5.000 € und dem weiter ergangenen Grundurteil (vgl. BGH, Beschluss vom 26. November 2009 - III ZR 116/09, NJW 2010, 681 Rn. 6 mwN) und ist - anders als die Beschwerde meint - durch die Feststellung des Annahmeverzugs nicht erhöht worden.

[6] a) In seiner früheren Rechtsprechung hat der Bundesgerichtshof der durch die Feststellung des Annahmeverzugs bewirkten Beschwer zwar noch einen (geringen) zusätzlichen Wert zugemessen (vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom 17. März 2009 - XI ZR 142/08, juris Rn. 2: 200 €; vom 28. Januar 2010 - III ZR 47/09, juris Rn. 4: 500 €; siehe auch Senatsbeschluss vom 18. August 2009 - VIII ZB 62/08, juris: 300 €).

[7] b) Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kommt jedoch, wie die Beschwerde nicht verkennt, der Feststellung des Annahmeverzugs im Falle einer Zug-um-Zug-Verurteilung ein eigener wirtschaftlicher Wert nicht zu, weil die Frage des Annahmeverzugs nur ein rechtlich unselbständiges Element der umstrittenen Leistungsverpflichtung und deshalb mit dieser wirtschaftlich identisch ist (BGH, Beschlüsse vom 23. Februar 2010 - XI ZR 219/09, juris; vom 6. Juli 2010 - XI ZB 40/09, NJW-RR 2010, 1295 Rn. 16; vom 21. Dezember 2010 - XI ZR 157/10, juris; vom 18. Oktober 2011 - XI ZR 27/11, juris Rn. 2; vom 3. November 2011 - III ZR 211/10, juris Rn. 4; vom 27. Juni 2013 - III ZR 143/12, NJW 2013, 3100 Rn. 10; vom 13. Mai 2014 - II ZR 24/14, juris Rn. 1; vom 2. Juni 2014 - II ZR 61/14, juris Rn. 1; vom 9. Mai 2017 - XI ZR 484/15, juris Rn. 4; vom 20. Juni 2017 - XI ZR 109/17, juris Rn. 4; vom 25. Juli 2017 - XI ZR 545/16, juris; vom 18. Januar 2018 - III ZR 537/16, juris Rn. 11; vom 20. März 2018 - II ZR 349/16, juris Rn. 1; vom 16. Juli 2019 - XI ZR 538/18, juris Rn. 9; vom 26. Mai 2020 - XI ZR 414/19, juris Rn. 1; vgl. auch Senatsbeschlüsse vom 21. August 2018 - VIII ZB 1/18, juris; vom 5. März 2019 - VIII ZR 190/18, juris; vom 30. Juni 2020 - VIII ZR 167/19, juris).

[8] Auch für das Rechtsmittel der beklagten Partei ist, wie der Bundesgerichtshof bereits entschieden hat, die Feststellung des Annahmeverzugs neben einer Zug-um-Zug-Verurteilung wertmäßig für die Beschwer ohne Bedeutung (vgl. BGH, Beschlüsse vom 23. Juni 2016 - III ZR 104/15, juris Rn. 5; vom

25. Oktober 2016 - XI ZR 33/15, juris Rn. 3). Zwar laufen die Beklagten durch den Feststellungsausspruch Gefahr, an die Klägerin den titulierten Betrag im Wege der Zwangsvollstreckung zahlen zu müssen, ohne dass wegen des festgestellten Annahmeverzugs gewährleistet ist, dass sie gleichzeitig das der Klägerin überlassene Pferd zurückerhalten. Gleichwohl liegt die Beschwer der Beklagten nicht über der Beschwer einer unterlegenen Klagepartei. Denn dieser vollstreckungsrechtliche Aspekt erhöht nicht das wirtschaftliche Interesse der Beklagten an der Beseitigung der erfolgten Verurteilung. Den Beklagten geht es nicht darum, den festgestellten Annahmeverzug als solchen zu beseitigen, sondern der Verurteilung insgesamt zu entgehen. Hiervon ist aber die Feststellung des Annahmeverzugs, die nur die Vollstreckung des Urteils erleichtern soll, wirtschaftlich betrachtet lediglich ein unselbständiges Element.

[9] 2. Auf die vorgenannten Maßstäbe hat der Senat die Beklagten mit Beschluss vom 5. August 2020 hingewiesen. Dem sind die Beklagten in ihrer Stellungnahme vom 28. September 2020 in der Sache nicht entgegengetreten.

[10] a) Vergeblich macht die Beschwerde nunmehr geltend, die Klägerin habe in ihrer Berufungsbegründung vom 3. Mai 2018 zwar einen Zahlungsantrag von 19.620,54 € angekündigt, die Klage jedoch mit Schriftsatz vom 9. August 2018 um 1.340,30 € auf 20.960,84 € erhöht und den erhöhten Antrag ausweislich der zweitinstanzlichen Sitzungsprotokolle auch verlesen. Entgegen der Ansicht der Beschwerde erhöht sich die Beschwer der Beklagten von 19.620,54 € jedoch nicht bereits deshalb um weitere 1.340,30 €.

[11] aa) Dies folgt zum einen schon daraus, dass der Beschwerdeführer, um dem Revisionsgericht die Prüfung der in § 544 Abs. 2 Satz 1 ZPO geregelten Wertgrenze von 20.000 € zu ermöglichen, bereits innerhalb der laufenden Frist zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde (auch) darlegen und glaubhaft machen muss, dass er mit der beabsichtigten Revision das Berufungsurteil in einem Umfang, der die Wertgrenze von 20.000 € übersteigt, abändern lassen will (Senatsbeschluss vom 5. Februar 2019 - VIII ZR 277/17, NJW 2019, 1531 Rn. 16 mwN; BGH, Beschluss vom 6. Juni 2019 - I ZR 159/18, juris Rn. 5). Schon hieran fehlt es.

[12] bb) Zum anderen hat das Berufungsgericht den um 1.340,30 € erhöhten Antrag nicht in den Tatbestand seines (insoweit unvollständigen) Urteils aufgenommen, und die Antragserhöhung - insoweit versehentlich - auch nicht beschieden. Die Klägerin hat es unterlassen, das Übergehen der Klageerhöhung mit einem (fristgebundenen) Antrag nach § 321 ZPO geltend zu machen. Dies hat zur Folge, dass die Rechtshängigkeit der vom Berufungsgericht übergangenen Antragserhöhung mit dem Ablauf der Antragsfrist des § 321 Abs. 2 ZPO entfallen ist (vgl. BGH, Urteile vom 16. Februar 2005 - VIII ZR 133/04, NJW-RR 2005, 790 unter II 2; vom 20. Januar 2015 - VI ZR 209/14, NJW 2015, 1826 Rn. 5).

[13] Einer etwaigen Urteilsergänzung nach § 321 ZPO hätte überdies eine Berichtigung des Tatbestands nach § 320 ZPO vorangehen müssen (BGH, Urteile vom 16. Februar 2005 - VIII ZR 133/04, aaO; vom 20. Januar 2015 - VI ZR 209/14, aaO; siehe auch BAG, NZA 2008, 1028, 1030; Musielak/Voit/Musielak, ZPO, 17. Aufl., § 321 Rn. 6). Zur Begründung eines solchen Antrags auf Tatbestandsberichtigung hätte die Klägerin vorliegend die Sitzungsprotokolle des Berufungsgerichts heranziehen können (§ 314 Satz 2 ZPO) und unter Berücksichtigung des berichtigten Tatbestands dann innerhalb der Frist des § 321 Abs. 2 ZPO Urteilsergänzung beantragen müssen (BGH, Urteil vom 20. Januar 2015 - VI ZR 209/14, aaO). Einen solchen Antrag auf Tatbestandsberichtigung hat die Klägerin - worauf bereits die Beschwerdeerwiderung hingewiesen hat - jedoch ebenfalls nicht gestellt.

[14] b) Aus der Wertfestsetzung durch das Berufungsgericht lässt sich entgegen der Ansicht der Beschwerde nichts für die Annahme herleiten, die Beschwer der Beklagten übersteige 20.000 €. Der Streitwert von 19.620,54 € entspricht einer Gebührenstufe von bis zu 22.000 €, wie sie auch vom Berufungsgericht festgesetzt worden ist. Ohnehin hat das Revisionsgericht, wie auch die Beschwerde nicht verkennt, über die Höhe der Beschwer selbst zu befinden (siehe nur BGH, Beschlüsse vom 19. Juni 2019 - IV ZR 224/18, juris Rn. 6; vom 9. November 2018 - VI ZR 5/18, juris Rn. 3; vom 4. Mai 2017 - III ZR 615/16, juris Rn. 3; vom 13. März 2013 - XII ZR 8/13, NJW-RR 2013, 1401 Rn. 8, vom 13. Oktober 2004 - XII ZR 110/02 - NJW-RR 2005, 224 unter 1).

Dr. Milger Dr. Schneider Dr. Fetzer

Kosziol Wiegand

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