BGH, Beschluss vom 14. Juli 2016 - IX ZB 23/14

09.08.2016

BUNDESGERICHTSHOF

vom

14. Juli 2016

in dem Insolvenzverfahren


Nachschlagewerk: ja


BGHZ: nein

BGHR: ja


InsO § 63; InsVV § 8


a) Beantragt der (vorläufige) Verwalter die Festsetzung seiner Vergütung, liegt in der lediglich gewährten, nicht beantragten Festsetzung eines Vorschusses unter gleichzeitiger Zurückweisung des weitergehenden Antrags eine mit der sofortigen Beschwerde angreifbare Ablehnung der Vergütungsfestsetzung.

b) Eine Teilentscheidung über einen Vergütungsfestsetzungsantrag ist nur zulässig, wenn diese einen tatsächlich und rechtlich selbständigen Teil des Vergütungsfestsetzungsbegehrens betrifft, was regelmäßig ausscheidet; eine Teilentscheidung über eine unselbständige rechtliche Vorfrage ist unzulässig.


BGH, Beschluss vom 14. Juli 2016 - IX ZB 23/14 - LG Wuppertal, AG Wuppertal


Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kayser, die Richter Prof. Dr. Gehrlein, Vill, Grupp und Dr. Schoppmeyer

am 14. Juli 2016

beschlossen:

Auf die Rechtsmittel des weiteren Beteiligten werden der Beschluss der 16. Zivilkammer des Landgerichts Wuppertal vom 25. März 2014 und der Beschluss des Amtsgerichts Wuppertal vom 13. November 2013 aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Beschwerde- und des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Insolvenzgericht zurückverwiesen.

Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 2.034,85 € festgesetzt.

Gründe:

[1] I. Mit Beschluss vom 30. November 2011 wurde der weitere Beteiligte im Insolvenzeröffnungsverfahren über das Vermögen der G. M.

(nachfolgend: Schuldnerin) zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt. Am 1. Februar 2012 wurde das Insolvenzverfahren eröffnet und der weitere Beteiligte zum Verwalter ernannt.

[2] Am 16. August 2013 beantragte er, die Vergütung für seine Tätigkeit als vorläufiger Verwalter gemäß § 63 Abs. 3 InsO nF iVm § 11 Abs. 1 InsVV nF auf insgesamt 11.315,51 € festzusetzen. Er bezifferte das Vermögen, auf das sich seine Tätigkeit bezogen habe, auf 185.564,34 €. In diesen Betrag rechnete er den Wert von Gegenständen ein, an denen Absonderungsrechte bestanden, nämlich zum einen den sicherungshalber abgetretenen Anspruch der Schuldnerin aus einer Lebensversicherung in Höhe von 53.050,17 €, zum anderen den hälftigen Miteigentumsanteil an der von der Schuldnerin und ihrem Ehemann bewohnten Eigentumswohnung im Wert von 60.000 €, der wertübersteigend mit Grundpfandrechten belastet war. Die Regelvergütung des Verwalters nach § 2 InsVV berechnete er mit 25.739,50 €, den 25 v.H. Anteil gemäß § 11 Abs. 1 Satz 2 InsVV aF mit 6.434,88 €. Hierauf begehrte er einen Zuschlag von 10 v.H. für Betriebsfortführung (2.573,95 €) und eine Auslagenpauschale von 500 €, jeweils zuzüglich 19 v.H. Umsatzsteuer.

[3] Der vorläufige Verwalter vertrat die Auffassung, dass zwar § 63 Abs. 3 InsO nF und § 11 Abs. 1 InsVV nF erst am 19. Juli 2013 in Kraft getreten seien und § 65 InsO nF erst am 1. Juli 2014 in Kraft treten werde. Es sei jedoch im Gesetzgebungsverfahren der Wille des Gesetzgebers klar erkennbar geworden, die neue Regelung auch auf Altfälle anzuwenden.

[4] In seinem Beschluss vom 13. November 2013 hat das Amtsgericht bei der Ermittlung der Berechnungsgrundlage den Wert der Gegenstände, an denen (wertausschöpfende) Absonderungsrechte bestanden, nicht berücksichtigt und die Berechnungsgrundlage mit 72.514,17 € beziffert. Auf dieser Grundlage hat es jedoch nicht die Vergütung festgesetzt, sondern lediglich einen Vorschuss auf die Vergütung von 7.130,40 € und auf die Auslagen von 668,47 € bewilligt, zuzüglich jeweils 19 v.H. Umsatzsteuer von zusammen 1.481,79 €, insgesamt 9.280,66 €. Gleichzeitig hat es den Antrag des vorläufigen Verwalters zurückgewiesen, soweit die Festsetzung nach § 63 Abs. 3 InsO nF begehrt werde und bei der Ermittlung der Berechnungsgrundlage die Absonderungsrechte gemäß § 11 Abs. 1 InsVV nF mitberechnet wurden.

[5] Mit der hiergegen gerichteten sofortigen Beschwerde hat der weitere Beteiligte die Aufhebung des amtsgerichtlichen Beschlusses und die Festsetzung der Vergütung nach Antrag begehrt. Das Landgericht hat die Beschwerde mit Beschluss vom 25. März 2014 zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich der weitere Beteiligte mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde, mit der er seinen Vergütungsantrag in vollem Umfang weiterverfolgt.

[6] II. Die zulässige Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung beider Vorentscheidungen und zur Zurückverweisung der Sache an das Insolvenzgericht.

[7] 1. Das Beschwerdegericht hat die sofortige Beschwerde nur insoweit für statthaft gehalten, als der Festsetzungsantrag vom Amtsgericht zurückgewiesen worden ist. Insoweit hat es die Beschwerde für unbegründet erachtet.

[8] Das Insolvenzgericht habe die Gegenstände, an denen wertausschöpfende Absonderungsrechte bestehen, entsprechend der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zutreffend nicht berücksichtigt. Die am 18. Juli 2013 verkündete Neufassung des Vergütungsrechts sei auf den vorliegenden Vergütungsantrag nicht anwendbar, was sich schon aus § 19 Abs. 3 InsVV ergebe. Danach seien auf Insolvenzverfahren, die vor dem 1. Mai 2012 beantragt worden seien, die Vorschriften der Verordnung in ihrer bis zum Inkrafttreten des Gesetzes vom 7. Dezember 2011 (BGBl. I S. 2582) am 1. März 2012 geltenden Fassung weiter anzuwenden. Später in Kraft tretende Änderungen könnten keine Berücksichtigung finden, insbesondere nicht die erst in Zukunft am 1. Juli 2014 in Kraft tretende Übergangsvorschrift des § 19 Abs. 4 InsVV und die §§ 63, 65 InsO. Eine rückwirkende Anwendung der neuen Regelungen komme nicht in Betracht, weil der Gesetzgeber das Problem der Altfälle erkannt, von der Anordnung einer Rückwirkung aber abgesehen habe. Deshalb liege schon keine Regelungslücke für Altfälle vor.

[9] 2. Die Rechtsbeschwerde ist insgesamt statthaft und begründet. Die Ausführungen des Beschwerdegerichts halten rechtlicher Prüfung nicht stand.

[10] a) Eine Rechtsbeschwerde ist nur dann statthaft, wenn bereits das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde nach § 6 Abs. 1 InsO eröffnet war (BGH, Beschluss vom 16. März 2000 - IX ZB 2/00, BGHZ 144, 78, 82; vom 5. Februar 2009 - IX ZB 187/08, NZI 2009, 238 Rn. 2; vom 24. März 2011

- IX ZB 67/10, ZInsO 2011, 777 Rn. 5). Dies war hier entgegen der Ansicht des Beschwerdegerichts insgesamt der Fall.

[11] Die Gewährung oder Ablehnung eines Vorschusses kann allerdings, anders als die Festsetzung der Vergütung und der zu erstattenden Auslagen, nicht mit der sofortigen Beschwerde angegriffen werden (BGH, Beschluss vom 1. Oktober 2002 - IX ZB 53/02, ZIP 2002, 2223; vom 24. März 2011, aaO Rn. 5). Der vorläufige Verwalter hatte allerdings keinen Vorschuss beantragt und sich mit der sofortigen Beschwerde dagegen gewandt, dass lediglich ein Vorschuss bewilligt und die beantragte Festsetzung nicht vorgenommen worden war. Durch die Bewilligung eines Vorschusses allein ist der weitere Beteiligte zwar nicht beschwert. Die Vorschussanordnung besagt als solches auch nicht, dass keine Festsetzung der Vergütung erfolgen kann oder erfolgen wird. Auch hinsichtlich der Höhe der festzusetzenden Vergütung entfaltet die Vorschussgewährung keine Bindungswirkung (BGH, Beschluss vom 24. März 2011, aaO Rn. 6).

[12] Mit der Festsetzung des Vorschusses hat das Insolvenzgericht aber den Antrag des weiteren Beteiligten auf Festsetzung der Vergütung - vorerst - abgelehnt. Diese Ablehnung hat der weitere Beteiligte, der auch im Beschwerdeverfahren die Festsetzung der beantragten Vergütung begehrt hat, angegriffen. Der (vorläufige) Verwalter hat Anspruch auf unverzügliche Erfüllung seines Vergütungsanspruchs (BGH, Urteil vom 5. Dezember 1991 - IX ZR 275/90, BGHZ 116, 233, 242; vom 17. November 2005 - IX ZR 179/04, BGHZ 165, 96, 101), weshalb die beantragte Festsetzung mit der gebotenen Beschleunigung vorzunehmen ist (BGH, Beschluss vom 4. Dezember 2003 - IX ZB 69/03, ZInsO 2004, 268, 269). Durch die Ablehnung einer Vergütungsfestsetzung ist der (vorläufige) Verwalter beschwert, weil zu seinen Gunsten keine abschließende Entscheidung ergeht, keine Bindungswirkung eintritt, das Verschlechterungsverbot nicht wirkt und er bei einer späteren niedrigeren Festsetzung der Vergütung der Haftung analog § 717 ZPO ausgesetzt ist (vgl. BGH, Urteil vom 20. März 2014 - IX ZR 25/12, WM 2014, 1345 Rn. 10 ff). Soweit sich aus dem Beschluss des Senats vom 24. März 2011 (aaO), der einen Sonderfall betraf, etwas anderes entnehmen lassen sollte, wird hieran nicht festgehalten.

[13] b) Hinsichtlich der vom Insolvenzgericht vorgenommenen Zurückweisung des Vergütungsantrags insoweit, als die Festsetzung nach § 63 Abs. 3 InsO nF begehrt wurde und bei der Ermittlung der Berechnungsgrundlage die Absonderungsrechte gemäß § 11 Abs. 1 InsVV mitberechnet wurden, liegt zudem eine unzulässige Teilentscheidung vor, die lediglich eine rechtliche Vorfrage betrifft.

[14] aa) Die Frage, in welchem Umfang bei einem Antrag auf Festsetzung der Vergütung Teilentscheidungen getroffen werden können, ist bislang allerdings nicht geklärt. Ihre Zulässigkeit ist von Amts wegen zu prüfen (vgl. BGH, Urteil vom 11. Mai 2011 - VIII ZR 42/10, BGHZ 189, 356 Rn. 19 ff; vom 19. Mai 2015 - XI ZR 27/14, NJW 2015, 2667 Rn. 14).

[15] Entsprechend den nach § 4 InsO geltenden Grundsätzen der Zivilprozessordnung zum Teilurteil (§ 301 ZPO) und zur Beschränkung der Rechtsmittel, insbesondere der Revision und der Rechtsbeschwerde, auf einen Teil der angegriffenen Entscheidung, ist im Vergütungsfestsetzungsverfahren eine Teilentscheidung nur zulässig, wenn diese einen tatsächlich und rechtlich selbständigen Teil des Streitstoffes betrifft, über den unabhängig vom übrigen Streitgegenstand entschieden werden kann (vgl. BGH, Beschluss vom 11. Januar 2011 - VIII ZB 92/09, WuM 2011, 137 Rn. 4 f; vom 12. April 2011 - II ZB 14/10, NJW 2011, 2371 Rn. 5; vom 9. Juni 2016 - IX ZB 17/15, zVb Rn. 5; Urteil vom 27. Januar 2010 - VIII ZR 159/09, BGHZ 184, 138 Rn. 16 mwN; vom 20. Januar 2011 - IX ZR 58/10, ZIP 2011, 438 Rn. 6).

[16] bb) Diese Voraussetzungen werden bei der Vergütungsfestsetzung in der Regel nicht vorliegen. Denn bei dem Vergütungsanspruch des (vorläufigen) Insolvenzverwalters handelt es sich um einen einheitlichen Anspruch, dessen Höhe sich nach unselbständigen Berechnungsfaktoren bestimmt. Er stellt ein Produkt aus der Berechnungsgrundlage und dem durch Zu- und Abschläge erhöhten oder verminderten Regelsatz dar. Die Zu- und Abschlagstatbestände stehen zudem teilweise im Zusammenhang und in Abhängigkeit von Umfang und Entwicklung der Masse, so dass der Vergütungssatz nicht unabhängig von möglichen Zu- und Abschlägen oder der Höhe der Berechnungsgrundlage bestimmt werden kann (BGH, Beschluss vom 20. Mai 2010 - IX ZB 11/07, BGHZ 185, 353 Rn. 9; vom 9. Juni 2016, aaO Rn. 5).

[17] Die angenommene Höhe der Berechnungsgrundlage und die bejahten oder verneinten Zu- und/oder Abschläge nehmen als reine Vorfragen der Vergütungsfestsetzung an der Rechtskraft der Entscheidung nicht teil (BGH, Beschluss vom 20. Mai 2010, aaO Rn. 10). Umso weniger gilt dies für rechtliche Vorfragen wie diejenige, welches Recht für die Vergütungsfestsetzung anwendbar ist. Die vom Beschwerdegericht bestätigte Entscheidung des Insolvenzgerichts hat den Vergütungsantrag zurückgewiesen, soweit er auf die Anwendbarkeit eines erst nach Ende des Eröffnungsverfahrens neu gesetzten Rechts gestützt ist. Sie betrifft zudem nur die Berechnungsgrundlage. Gilt aber, wie das Insolvenzgericht angenommen hat, noch das zuvor geltende Recht in der Ausprägung durch den Bundesgerichtshof, können statt einer Erhöhung der Berechnungsgrundlage durch Einbeziehung des Wertes der Gegenstände, an denen Absonderungsrechte bestehen, Zuschläge nach § 3 Abs. 1 Buchst. a InsVV begründet sein. Die Zurückweisung eines Vergütungsantrags allein im Hinblick auf die Höhe der Berechnungsgrundlage ist auch deshalb ausgeschlossen (vgl. BGH, Beschluss vom 15. November 2012 - IX ZB 130/10, BGHZ 195, 336 Rn. 46).

[18] c) Die Rechtsbeschwerde ist danach auch begründet, weil sowohl das Insolvenzgericht wie auch das Beschwerdegericht über den Vergütungsantrag insgesamt hätten entscheiden müssen und nicht lediglich über eine rechtliche Vorfrage zu einem Einzelaspekt des Vergütungsbegehrens durch Teilentscheidung hätten erkennen dürfen.

[19] III. Die Entscheidungen der Vorinstanzen können deshalb keinen Bestand haben. Sie sind aufzuheben. Die Sache ist zur erneuten Entscheidung zurückzuverweisen. Dabei macht der Senat von der Möglichkeiten Gebrauch, das Insolvenzgericht nochmals mit der Sache zu befassen (vgl. BGH, Beschluss vom 26. Juni 2014 - IX ZB 87/13, WM 2014, 1432 Rn. 16 mwN). Es wird nunmehr über den Vergütungsantrag insgesamt zu entscheiden haben.

[20] Für das weitere Verfahren weist der Senat darauf hin, dass Insolvenzgericht und Beschwerdegericht zutreffend davon ausgegangen sind, auf die Beurteilung des Falles finde das Recht Anwendung, das vor dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Stärkung der Gläubigerrechte vom 15. Juli 2013 (BGBl I S. 2379) gegolten und durch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs seine Ausprägung erhalten

habe. Wegen der Einzelheiten zu dieser Frage wird auf die Entscheidung des Senats vom heutigen Tag in der Sache IX ZB 46/14 Bezug genommen.

Kayser Gehrlein Vill

Grupp Schoppmeyer

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