BGH, Beschluss vom 14. November 2022 - NotZ(Brfg) 5/22

25.04.2023

BUNDESGERICHTSHOF

vom

14. November 2022

in dem Rechtsstreit


Nachschlagewerk: ja


BGHZ: nein

BGHR: ja


BNotO § 7b Abs. 3 Satz 2


a) Hat ein Prüfling die notarielle Fachprüfung nicht bestanden, weil er gemäß § 7b Abs. 3 Satz 2 BNotO von der mündlichen Prüfung ausgeschlossen ist, fehlt seiner - auch - auf eine Neubescheidung mit dem Ziel der Verbesserung der bestandenen Klausuren gerichteten Klage das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis. Eine "Verbesserungsklage" ist erst nach bestandener Gesamtprüfung statthaft.

b) Zur wiederholten Korrektur einer Klausur durch neu eingesetzte Prüfer nach insoweit erfolgreichem Widerspruchsverfahren.


BGH, Beschluss vom 14. November 2022 - NotZ(Brfg) 5/22 - KG


wegen notarieller Fachprüfung

Der Senat für Notarsachen des Bundesgerichtshofs hat am 14. November 2022 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Herrmann, die Richterinnen Dr. Roloff und Dr. Böttcher, die Notarin Dr. Brose-Preuß sowie den Notar Dr. Hahn

beschlossen:

Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Kammergerichts - Senat für Notarsachen - vom 15. Februar 2022 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.

Der Streitwert wird auf 25.000 € festgesetzt.

Gründe:

[1] I. Die Klägerin begehrt die Neubewertung der von ihr im Rahmen der notariellen Fachprüfung erbrachten Leistungen.

[2] Sie nahm an der Prüfungskampagne 2016/II der von dem Beklagten durchgeführten notariellen Fachprüfung teil. Mit Bescheid vom 12. Januar 2017 wurde ihr folgende Bewertung der Aufsichtsarbeiten

Klausur F20-74: 7,00 Punkte,

Klausur F20-76: 6,00 Punkte,

Klausur F20-75: 2,00 Punkte und

Klausur F20-73: 3,00 Punkte

[3] mitgeteilt sowie festgestellt, dass sie gemäß § 7b Abs. 3 Satz 2 Fall 1 BNotO von der mündlichen Prüfung ausgeschlossen sei und die notarielle Fachprüfung nicht bestanden habe.

[4] Die Klägerin focht diesen Bescheid rechtzeitig mit dem Widerspruch an und beanstandete zunächst nur die Bewertung der Aufsichtsarbeiten F20-73 und F20-75, im Verlaufe des Verfahrens aber weiterhin auch die der - bestandenen - Klausuren F20-74 und F20-76. Der Beklagte führte ein Überdenkungsverfahren durch, bei dem alle Prüfer an ihren ursprünglichen Bewertungen festhielten. Die Parteien einigten sich im Folgenden auf einen außergerichtlichen Vergleich, wonach die Klägerin ihren Widerspruch zurücknahm, der Prüfungsbescheid aufgehoben und die Klausur F20-75 durch zwei neue Prüfer ein weiteres Mal bewertet wurde. Einwendungen gegen die übrigen Aufsichtsarbeiten wurden der Klägerin vorbehalten.

[5] Die beiden neu bestellten Korrektoren - unter anderem die Rechtsanwältin und Notarin a.D. V. F. als Zweitkorrektorin - bewerteten die Klausur F20-75 erneut mit der Note "mangelhaft" (2,00 Punkte). Der Beklagte erteilte der Klägerin daraufhin am 1. Februar 2019 einen neuen - mit dem früheren inhaltlich übereinstimmenden - Prüfungsbescheid.

[6] Die Klägerin legte gegen diesen Bescheid erneut Widerspruch ein. Auch in dem neuen Überdenkungsverfahren blieben die Korrektoren der Klausur F20-75 bei ihren bisherigen Bewertungen. Der Beklagte wies den Widerspruch mit Bescheid vom 9. Oktober 2019 zurück.

[7] Dagegen richtet sich die von der Klägerin erhobene Klage, mit der sie sich gegen den Prüfungsbescheid und die Bewertung der vier Aufsichtsarbeiten wendet.

[8] Das Kammergericht hat dem Begehren teilweise stattgegeben, indem es den Bescheid vom 1. Februar 2019 teilweise aufgehoben und den Beklagten dazu verurteilt hat, die Klägerin nach Neubewertung der Aufsichtsarbeit F20-75 unter Beachtung seiner Rechtsauffassung (betreffend eine einzelne Beanstandung der Zweitkorrektorin) neu zu bescheiden. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Soweit die Klägerin die Bewertung der bestandenen Aufsichtsarbeiten F20-74 und F20-76 angegriffen habe, sei die Verpflichtungsklage bereits unstatthaft. Die Neubewertung dieser Klausuren könne keinen Einfluss darauf haben, dass die Klägerin zur mündlichen Prüfung zuzulassen sei und eine Chance habe, die Prüfung insgesamt zu bestehen. Darüber hinaus sei sie unbegründet. Erfolglos mache die Klägerin Verfahrensfehler bei der Korrektur der Klausur F20-75 wegen der Auswahl der Zweitkorrektorin und der Übermittlung der Klausur an die beiden neu eingesetzten Prüfer zur Neubewertung geltend. Ebenso wenig sei die Bewertung der Klausuren F20-75 und F20-73 - von dem für begründet erachteten Punkt abgesehen - inhaltlich zu beanstanden. Begründungs- oder fachliche Bewertungsfehler seien den Korrektoren nicht vorzuwerfen.

[9] Das Kammergericht hat die Berufung nicht zugelassen. Mit ihrem Antrag begehrt die Klägerin die Zulassung des Rechtsmittels durch den Senat.

[10] II. Der Antrag ist unbegründet. Ein Zulassungsgrund ist nicht gegeben.

[11] 1. Einen Verfahrensmangel bei der Urteilsfindung zeigt die Klägerin nicht auf (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO iVm § 111d Satz 2 BNotO). Zutreffend hat das Kammergericht die Klage, soweit sie auf Neubewertung der von der Klägerin bestandenen Aufsichtsarbeiten F20-74 sowie F20-76 gerichtet ist, als unzulässig angesehen. Ihr fehlt das nötige Rechtsschutzbedürfnis.

[12] Gegenstand der gerichtlichen Überprüfung ist die von der Klägerin beantragte Aufhebung des Bescheids des Beklagten vom 1. Februar 2019, mit dem die Prüfung schon nach dem Ergebnis der schriftlichen Aufsichtsarbeiten für nicht bestanden erklärt worden ist, und ihr Begehren, den Beklagten zu verpflichten, das Prüfungsverfahren durch Neubewertung ihrer Leistungen fortzusetzen. Dafür kommt es aber allein auf die Benotung der nicht bestandenen Klausuren F20-73 und F20-75 an.

[13] Gemäß § 7b Abs. 3 Satz 2 BNotO ist der Prüfling dann, wenn - wie hier -mehr als eine Aufsichtsarbeit mit weniger als 4,00 Punkten bewertet wird oder der Gesamtdurchschnitt aller Aufsichtsarbeiten unter 3,50 Punkten liegt, von der mündlichen Prüfung ausgeschlossen und hat die notarielle Fachprüfung nicht bestanden. Der Klägerin würde es nicht zum Bestehen der Prüfung verhelfen, wenn (nur) die Aufsichtsarbeiten F20-74 und/oder F20-76 besser als bisher bewertet würden. Für die Zulassung zur mündlichen Prüfung ist allein maßgeblich, ob wenigstens eine der beiden als nicht bestanden gewerteten Klausuren mit 4,00 Punkten oder mehr bewertet werden kann. Erst den über das Gesamtergebnis der notariellen Fachprüfung, in das die mündliche Prüfung zu 25 % und die schriftlichen Aufsichtsarbeiten zu 75 % einfließen (§ 7a Abs. 6 Satz 1 BNotO), erteilten Bescheid könnte die Klägerin (erneut) anfechten, um damit eine bessere Bewertung des Gesamtergebnisses zu erreichen. Eine solche "Verbesserungsklage" ist statthaft, wenn es dem Prüfling darum geht, nach bestandener (Gesamt-)Prüfung eine bessere Gesamtnote zu erreichen, um auf diese Weise seine Chancen für den Berufszugang zu vergrößern (vgl. Fischer/Jeremias/Dieterich, Prüfungsrecht, 8. Aufl., Rn. 829). Solange nicht abschließend geklärt ist, ob die Klägerin überhaupt zur mündlichen Prüfung zugelassen ist und damit die Chance hat, die Prüfung insgesamt zu bestehen, ist die Inanspruchnahme der Gerichte zur Durchsetzung ihres Rechts "zur Verbesserung" nicht erforderlich.

[14] 2. Des Weiteren bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO iVm § 111d Satz 2 BNotO).

[15] a) Dieser Zulassungsgrund setzt voraus, dass der Antragsteller im Zulassungsverfahren einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt hat, was zudem die Richtigkeit des Ergebnisses erfassen muss (vgl. zB Senat, Beschlüsse vom 16. November 2020 ­ NotZ(Brfg) 6/20, NJW-RR 2021, 564 Rn. 5; vom 23. April 2018 ­ NotZ(Brfg) 6/17, NJW 2018, 2567 Rn. 11 und vom 20. Juli 2015 ­ NotZ(Brfg) 12/14, DNotZ 2015, 872 Rn. 19; jew. mwN). Das ist hier nicht der Fall. Einen - über die teilweise Verurteilung - hinausgehenden Anspruch auf (weitere) Neubewertung der Aufsichtsarbeiten und erneute Bescheidung (§ 111b Abs. 1 Satz 1 BNotO, § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO) hat die Klägerin nicht. Der ablehnende Bescheid des Beklagten ist - soweit über ihn in zweiter Instanz noch zu befinden ist - rechtmäßig.

[16] b) Gegen die Bewertung der Klausur F20-75 durch den Erstkorrektor und die Zweitkorrektorin - soweit von der Verpflichtung zur Neubescheidung nicht erfasst - ist nichts zu erinnern.

[17] aa) Fehler im Prüfungsverfahren sind dem Beklagten nicht unterlaufen.

[18] (1) Dass die eingesetzten Prüfer wussten, dass es sich um eine wiederholte Korrektur handelte, was nahelegte, dass es im Vorfeld zumindest ein Widerspruchsverfahren gegeben hatte, ist nicht zu beanstanden.

[19] Einem im Zusammenhang mit der Bewertung von Prüfungsleistungen geführten Verwaltungsverfahren ist es immanent, dass eine Klausur ein weiteres Mal - unter bestimmten Voraussetzungen durch neue Prüfer - bewertet werden kann. Dabei lässt sich - schon in Anbetracht der Anzahl der vorgelegten Klausuren - kaum sicherstellen, dass der neue Prüfer nicht um die wiederholte Korrektur einer bereits bewerteten Klausur weiß. Dies ist auch unter Berücksichtigung des verfassungsrechtlichen Gebots der Chancengleichheit und der fairen Behandlung der Prüflinge unvermeidbar und - im vermuteten Interesse des Prüflings an der Neukorrektur - hinzunehmen. In Fällen eines Prüfungsmangels kann die Chancengleichheit regelmäßig nur annähernd wiederhergestellt werden, weswegen unter dem Blickwinkel der Art. 12 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 GG bei der Gestaltung der Prüfungsbedingungen, die dem Ausgleich des Mangels dienen, nicht auf jeden denkbaren Umstand Bedacht genommen werden kann, aus dem sich ein Vorteil oder ein Nachteil für den Prüfling ergeben kann. Es ist ausreichend, aber auch erforderlich, dass die Prüfung für ihn insgesamt unter Bedingungen stattfindet, die mit denjenigen bei normalem Prüfungsverlauf vergleichbar sind (vgl. zB BVerwG, NJW 2003, 1063). Diese Grundsätze verbieten es des Weiteren nicht, dass ein Prüfer weiß, dass ein Prüfling Wiederholer ist und/oder der Prüfung ein Verwaltungsstreitverfahren vorausgegangen ist, und nicht einmal, dass Prüfer in Kenntnis der Bewertung der Vorprüfung ihre Beurteilung abgeben (vgl. BVerwG, aaO S. 1064; BeckRS 1995, 31255162 unter 3; NJW 1993, 3340, 3341 und NVwZ-RR 1992, 629, 630). Vielmehr darf vorausgesetzt werden, dass der neue Prüfer zu einer selbständigen eigenverantwortlichen Bewertung fähig und bereit ist (vgl. BVerwG, NJW 2003, 1063). Abweichende Maßstäbe lassen sich den zum Prüfungsverfahren im Bereich der notariellen Fachprüfung ergangenen Vorschriften der Bundesnotarordnung sowie der auf dieser Grundlage erlassenen Rechtsverordnung nicht entnehmen. Abgesehen davon lassen sich aus dem bloßen Hinweis auf den - erfolgreichen - Rechtsbehelf keine Rückschlüsse darauf ziehen, ob der Prüfling nach der Einschätzung der zuerst eingesetzten Korrektoren die Klausur nicht bestanden hatte oder es um eine Notenverbesserung ging.

[20] Anlass zu der Annahme, die Prüfer könnten die Klausurleistung der Klägerin nicht frei und unvoreingenommen beurteilt haben, besteht nicht. Den zur Neubewertung der Aufgabe eingesetzten Korrektoren ist die Benotung der Klausur durch die Vorprüfer nicht mitgeteilt worden, sondern nur, dass aufgrund eines Rechtsbehelfs die Neubewertung einer Klausur aus der Prüfungskampagne 2016/II notwendig geworden sei. Die Klausur ist zu diesem Zweck kopiert und Randbemerkungen der Vorprüfer sind - überobligatorisch (vgl. BVerwG, NJW 2003, 1063, 1064) - entfernt worden. Den Grund für die Neubewertung kannten die "Zweitkorrektoren" nicht.

[21] (2) Ebenso durfte die Rechtsanwältin und Notarin a.D. V. F.

ohne weiteres mit der Korrektur der Klausur betraut werden.

[22] Dass sie zu diesem Zeitpunkt ihr Amt als Notarin nicht mehr ausübte, steht ihrer Prüfertätigkeit nicht entgegen.

[23] Gemäß § 7g Abs. 6 Nr. 1 bis 3 BNotO können zu Prüfern Richter und Beamte mit der Befähigung zum Richteramt, auch nach Eintritt in den Ruhestand, Notare und Notare außer Dienst, ohne dass insoweit nach den verschiedenen Möglichkeiten des Notariats differenziert würde, sowie sonstige Personen, die eine gleichwertige Befähigung haben, bestellt werden. Gemäß § 7b Abs. 2 Satz 1 BNotO wird jede Prüfungsarbeit von zwei Prüfern nacheinander bewertet. Nach Satz 3 der Vorschrift soll an der Korrektur der Bearbeitung jeder einzelnen Aufgabe mindestens ein Anwaltsnotar mitwirken. Ein gesonderter Hinweis auf die Möglichkeit, (Anwalts-)Notare außer Dienst mit der Korrektur der Aufsichtsarbeiten zu betrauen, ist angesichts der ausdrücklichen Regelung in § 7g Abs. 6 BNotO überflüssig.

[24] Ob sich eine Person im Einzelfall (noch) als Prüfer eignet, ist anlässlich ihrer Bestellung oder Wiederbestellung zu klären. Sollten sich in der Zwischenzeit gewichtige Gründe ergeben, die einer weiteren Tätigkeit als Prüfer entgegenstehen sollten, besteht gemäß § 7g Abs. 6 Satz 3 BNotO die Möglichkeit, die Bestellung zu widerrufen. Darauf, ob das Kammergericht das entsprechende Vorbringen der Klägerin zu Recht als gemäß § 87b Abs. 3 VwGO präkludiert angesehen hat, kommt es nicht mehr an.

[25] bb) Zutreffend hat das Kammergericht an der Bewertung der Klausuren durch die beiden neu eingesetzten Korrektoren nichts zu beanstanden gefunden.

[26] (1) Nach ständiger Rechtsprechung unterliegt die Prüfertätigkeit, die sich aufgrund ihrer Komplexität weitgehend nicht durch allgemeingültige Regeln erfassen lässt, einer nur eingeschränkten gerichtlichen Überprüfung. Die Eigenart dieses Bewertungsvorgangs und die dabei zu beachtenden Anforderungen des Gebots der Chancengleichheit machen es notwendig, den Prüfern einen Bewertungsspielraum zuzuerkennen, dessen Wahrnehmung nur einer eingeschränkten Nachprüfung unterliegt (vgl. zB BVerfGE 84, 34, 51 ff sowie NVwZ 1995, 469, 470; BVerwG, NJW 2018, 2142 Rn. 8 ff). Unter diesen prüfungsspezifischen Bewertungsspielraum fallen zum Beispiel die Einordnung des Schwierigkeitsgrades der Aufgabenstellung, die Gewichtung verschiedener Aufgaben untereinander

oder die Würdigung der Qualität der Darstellung im Gesamtzusammenhang des Prüfungsverfahrens, ferner Wertungen, die sich damit befassen, ob der Bearbeiter die von der Prüfungsaufgabe aufgeworfenen Fragen vollständig oder nur

lückenhaft erkannt hat, oder die Frage, ob ein in der Prüfungsarbeit enthaltenes Problem lediglich ein "Randproblem" oder ein "entscheidendes Problem" der Arbeit darstellt. Dies gilt gleichermaßen für das Gewicht positiver Ausführungen in der Prüfungsarbeit oder die Bedeutung eines Mangels in der Gesamtbewertung (vgl. zB BVerwG, NJW 2018 aaO Rn. 10 f; NVwZ 2004, 1375, 1377; BeckRS 1998, 30438741 sowie BeckRS 1994, 20420). Schließlich ist die Vergabe von Punkten und Noten - sofern nicht (anders als hier) mathematisch determiniert - sowie die Frage, ob eine Prüfungsleistung als "brauchbar" zu bewerten ist, Gegenstand des Bewertungsspielraums (vgl. BVerwG, Beschluss vom 16. August 2011 - 6 B 18/11, juris Rn. 16; NVwZ 2004 aaO).

[27] In den Bereich des prüfungsspezifischen Bewertungsspielraumes dürfen die Gerichte grundsätzlich nicht eindringen, sondern haben nur zu überprüfen, ob die Prüfer die objektiven auch rechtlich beachtlichen Grenzen ihres Bewertungsspielraums überschritten haben, etwa, weil sie von falschen Tatsachen ausgegangen sind oder sachfremde Erwägungen angestellt haben, ihre autonomen Bewertungsmaßstäbe nicht einheitlich angewandt oder allgemeingültige Bewertungsgrundsätze nicht beachtet haben. Ferner müssen prüfungsspezifische Wertungen und Gewichtungen nachvollziehbar sein und dürfen keine inhaltlichen Widersprüche aufweisen (vgl. zB BVerfGE 84, 34, 53 ff; BVerwG, NJW 2018 aaO Rn. 10; NVwZ 2004 aaO). Ob ein angerufenes Gericht zu einer abweichenden Bewertung kommt, ist mithin unerheblich, denn es darf sich nicht an die Stelle des Prüfers setzen (BVerwG, NVwZ 2004 aaO).

[28] Anderes gilt für die fachliche Wertung durch den Prüfer, das heißt dessen Entscheidungen über die fachliche Richtigkeit konkreter Ausführungen des Prüfungsteilnehmers. Deren Bewertung hängt davon ab, ob der vom Prüfungsteilnehmer eingenommene Standpunkt nach dem Stand der Fachwissenschaft vertretbar ist. Dieser objektive - gerichtlich voll überprüfbare - Bewertungsmaßstab tritt für die Beantwortung von Fachfragen an die Stelle der autonomen Einschätzung des Prüfers, der fachlich vertretbare Antworten und brauchbare Lösungen nicht als falsch bewerten darf. Soweit die Richtigkeit oder Angemessenheit von Lösungen wegen der Eigenart der Prüfungsfrage nicht eindeutig bestimmbar ist, die Beurteilung vielmehr unterschiedlichen Ansichten Raum lässt, muss dem Prüfling ein angemessener Antwortspielraum zugestanden werden (vgl. zB Senat, Beschlüsse vom 16. November 2020 - NotZ(Brfg) 5/20, NJOZ 2021, 564 Rn. 11 und vom 13. März 2017 - NotZ(Brfg) 6/16, BeckRS 2017, 107462 Rn. 4; BVerfGE 84, 34, 55; BVerwG, NJW 2018 aaO Rn. 9).

[29] (2) Ob der Prüfer seinen Bewertungsspielraum eingehalten hat, kann nur anhand seiner Begründung festgestellt werden. Der Prüfer hat bei schriftlichen Prüfungsarbeiten daher die tragenden Erwägungen darzulegen, die zur Bewertung der Prüfungsleistung geführt haben, um dem Prüfling eine - gegebenenfalls gerichtliche - Kontrolle der Prüfungsentscheidung zu ermöglichen. Die Begründung muss so beschaffen sein, dass der Prüfling diese in den Grundzügen nachvollziehen kann, das heißt die Kriterien erfährt, die für die Benotung maßgeblich waren, und verstehen kann, wie die Anwendung dieser Kriterien in wesentlichen Punkten zu dem Bewertungsergebnis geführt hat. Es muss insoweit nicht in allen Einzelheiten, aber doch in den für das Ergebnis ausschlaggebenden Punkten erkennbar sein, welchen Sachverhalt sowie welche allgemeinen und besonderen Bewertungsmaßstäbe der Prüfer zugrunde gelegt hat und auf welcher wissenschaftlich-fachlichen Annahme die Benotung beruht. Dies schließt allerdings nicht aus, dass die Begründung nur kurz ausfällt, vorausgesetzt, die vorstehend dargestellten Kriterien für ein mögliches Nachvollziehen der grundlegenden Gedankengänge des Prüfers sind erfüllt (vgl. zB BVerwG, NJW 2012, 2054, Rn. 8 mwN; NVwZ-RR 1994, 582, 583 f; BVerwGE 91, 262, 265 ff). Eine zunächst fehlende Begründung kann insoweit auch im Verlauf des Verwaltungsstreitverfahrens - etwa im Rahmen der Überdenkung durch den Prüfer - nachgeholt werden (vgl. BVerwGE 91 aaO S. 270).

[30] (3) Dies zugrunde gelegt, sind die - hinreichend begründeten - Voten der Korrektoren - soweit in zweiter Instanz noch zu überprüfen - in jeder Hinsicht von dem ihnen zustehenden prüfungsspezifischen Bewertungsspielraum gedeckt und enthalten auch keine fachlich angreifbaren Einschätzungen. Die dagegen gerichteten Rügen der Klägerin greifen nicht durch.

[31] (a) In der Klausuraufgabe ging es um die Begutachtung der Risiken und Gefahren von Kettenkaufverträgen, die dem Notar bei der Beratung der Beteiligten obliegenden Pflichten sowie den Entwurf eines Vertragstextes auf der Grundlage einer etwas abgewandelten - ebenfalls gutachterlich zu erläuternden - Kon-stellation.

[32] (b) Der Erstkorrektor und die Zweitkorrektorin haben ihren Erwartungshorizont zur Lösung der Aufgabe und die ihre Bewertung tragenden Gesichtspunkte auf der Grundlage der oben wiedergegebenen Maßstäbe in einer Weise deutlich gemacht, die es der Klägerin ohne weiteres ermöglichte, ihr Recht auf (gerichtliche) Kontrolle wahrzunehmen.

[33] Der Erstkorrektor hat seine Vorstellungen zu den Anforderungen der Klausur in Form eines Lösungsvorschlags über mehrere Seiten schriftlich dargelegt. Anhand dieses Maßstabs hat er die von der Klägerin vorgeschlagenen Lösung bewertet und in ihrem Gesamtbild als nicht brauchbar erachtet. Er hat dabei vor allem ihre zu allgemeinen zu wenig fallbezogenen Ausführungen sowie einen zu unpräzisen und unstrukturierten Klausuraufbau ohne die nötige Stringenz kritisiert. Es seien nur ein Teil der Probleme der Aufgabenstellung behandelt und die insoweit angesprochenen Gesichtspunkte nicht mit hinreichender Tiefe erörtert worden. Den - von ihm als nicht brauchbar angesehenen - Kaufvertragsentwurf hat er als unvollständig sowie die darin enthaltenen Klauseln als unklar und unzureichend bemängelt. Die Zweitprüferin hat sich diesem Votum nicht nur - was zulässig ist (vgl. dazu BVerwGE 91, 262, 269) - angeschlossen, sondern darüber hinaus ihre eigenen Vorstellungen dargelegt und auf dieser Grundlage eine - mit der des Erstkorrektors im Wesentlichen übereinstimmende - Bewertung vorgenommen.

[34] Es ist damit nachvollziehbar, welche Lösung die Prüfer als geboten beziehungsweise zumindest als zweckmäßig ansahen, weshalb die Klausur diesen Erwartungen nicht entsprach und was sie zu der vergebenen Endnote bewogen hat. Einer noch eingehenderen Befassung mit dem Inhalt der Klausur, die die Prüfer im Einzelnen durchgegangen sind, bedurfte es nicht. Der Vorwurf der Klägerin, der Erstkorrektor habe lediglich pauschale Kritik geübt, ist unbegründet. Der vorliegende Fall gab dem Prüfer weder Anlass zu erläutern, warum er der Aufgabe - anders als die Klägerin - (nur) einen mittleren Schwierigkeitsgrad zumaß, noch Veranlassung, die von ihm vorgenommene Gewichtung der Aufgabenteile und deren Aspekte im Einzelnen niederzulegen (vgl. dazu zB BVerwG, NJW 2012 aaO Rn. 11; OVG Lüneburg, Urteil vom 24. Mai 2011 - 2 LB 158/10, juris Rn. 61; VGH Mannheim, Beschluss vom 16. September 2002 - 9 S 1704/02, juris Rn. 7).

[35] (c) Beurteilungsfehler sind den Korrektoren nicht unterlaufen. Weder haben sie den ihnen zustehenden prüfungsspezifischen Bewertungsspielraum überschritten noch fachliche Aspekte unzutreffend bewertet.

[36] (aa) Die von den Korrektoren niedergelegten Erwartungen - insbesondere des Erstprüfers, gegen die sich die Klägerin maßgeblich wendet - sind fachlich zutreffend und in sich schlüssig.

[37] Die Beanstandung der Klägerin, es sei aufgrund der ausführlichen Darstellung des Erwartungshorizonts des Erstkorrektor schon aus zeitlichen Gründen unmöglich gewesen, den Anforderungen gerecht zu werden, bezieht sich im Ergebnis nicht auf die vom Prüfer angestellten "Muster-Überlegungen", sondern die Auswahl der Klausuraufgabe als solcher. Diese betrifft jedoch eine praxisrelevante Konstellation, die auch unter Berücksichtigung der zur Verfügung stehenden Zeit die Prüflinge nicht vor unlösbare Probleme stellte.

[38] Die Prüfer - namentlich der Erstkorrektor - haben nicht die Erörterung von Lösungsmöglichkeiten verlangt, die nach der Aufgabenstellung nicht geboten waren. Entgegen der Behauptung der Klägerin hat der Erstvotant auch das "Geheimhaltungsinteresse" des Erstkäufers B - der den Wunsch hatte, dass Verkäufer (A) und Zweitkäufer (C) bei den in den Blick genommenen Geschäften "idealerweise" nichts voneinander wissen sollten - nicht übersehen. Gefragt war nach den sich aus dem Gestaltungswunsch des B ergebenden Risiken und Gefahren für Erstverkäufer und Zweitkäufer vor allem in Form von ungesicherten Vorleistungen, die daher zunächst aufzuzeigen waren, um sodann Gestaltungsmöglichkeiten vorzuschlagen, die diese vermieden oder zumindest verringerten. Aufgabe des Notars als unabhängigem und unparteiischem Träger eines öffentlichen Amts ist es, für eine - keinen Beteiligten unangemessen benachteiligende - möglichst ausgewogene Vertragsgestaltung zu sorgen. Dies kann auch bedeuten, von bestimmten Gestaltungswünschen abzuraten. Da A und C nach den Vorgaben nur "idealerweise" nichts voneinander wissen sollten, schloss dies Vorschläge mit ein, die ohne gewisse Hintergrundinformationen der Beteiligten schwer umsetzbar erschienen, den Sicherungsinteressen aber besser gerecht wurden. Insoweit sprach nichts dagegen, auch gegenläufige Lösungswege zu erörtern. Der Erstkorrektor hat im Übrigen bei den von ihm angestellten inhaltlichen Überlegungen berücksichtigt, dass bestimmte Urkundsgestaltungen unter den bestehenden Prämissen näherlagen als andere. Insoweit lassen sich der Lösungsskizze des Prüfers auch keine Widersprüche entnehmen. Solche ergeben sich ebenso wenig aus dem Urteil des Kammergerichts.

[39] (bb) Soweit die Klägerin rügt, der Erstprüfer habe den ihr zuzubilligenden Antwortspielraum missachtet, zeigt sie bereits nicht auf, welche fachlich vertretbare Lösung sie vorgeschlagen hat, die der Prüfer nicht akzeptiert oder als unzutreffend erachtet hat. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass er die - als nicht zielführend eingeschätzten - allgemeinen Ausführungen der Klägerin als fachlich unzutreffend und falsch bewertet hätte. Die Klägerin verkennt vielmehr, dass der Prüfer nicht die juristische Richtigkeit der von ihr angebotenen Lösung beanstandet hat, sondern die zu allgemeine, zu wenig vertiefte, unvollständige und zu wenig strukturierte Bearbeitung ohne genügenden Fallbezug. Dies betraf jedoch allein den prüfungsspezifischen Bewertungsspielraum.

[40] (cc) Auch die Beurteilung der Qualität der Klausurlösung in Bezug auf die Art der Darstellung, ihre Vollständigkeit und Bearbeitungstiefe fiel unter den prüfungsspezifischen Bewertungsspielraum. Diesen haben die Prüfer nicht überschritten. Es gibt keinen Anhalt dafür, dass sie den Inhalt der Klausur nicht richtig oder vollständig erfasst hätten und damit von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen wären.

[41] So hat der Erstprüfer gewürdigt, dass die Klägerin einige - in seiner Lösungsskizze vorgesehene - Probleme (etwa die Sicherungsinteressen der Beteiligten) angesprochen hat. Ob und inwieweit die Klägerin damit seine Erwartungen erfüllte, war jedoch seiner persönlichen Einschätzung vorbehalten. Soweit die Klägerin mit ihren gegen die Beurteilung ihrer Klausurleistung gerichteten Einwänden aufzuzeigen versucht, ihre Lösung habe dem Erwartungshorizont des Erstkorrektors tatsächlich besser entsprochen, als dieser angenommen habe, versucht sie lediglich in rechtlich unbeachtlicher Weise, ihre eigene Würdigung an die Stelle derjenigen des Prüfers zu setzen. Dies gilt gleichermaßen für die Beurteilung der Zweitkorrektorin betreffend die Frage, ob die Klägerin die denkbaren Sicherungsmöglichkeiten im gebotenen Umfang erkannt und behandelt sowie - bezogen auf die in Rede stehende Fallkonstellation - zielführend erörtert hat, ihre Bewertung der in der Abwandlung gemäß Aufgabenteil C behandelten Sicherung des Verkäufers A als nicht lösungsorientiert oder ihre Einschätzung, dass es für die Lösung "überflüssig" ist, wenn der Prüfling - hier die Klägerin - den Sachverhalt der inhaltlichen Erörterung der Aufgaben voranstelle. Entgegen der Behauptung der Klägerin hat die Zweitprüferin dabei auch nicht übersehen, dass sie im Ausgangsfall das Sicherungsmittel "Eintragung einer Auflassungsvormerkung" im Verhältnis zwischen B und C erwogen hat. Im Ergebnis hat die Prüferin die Leistung der Klägerin nur anders bewertet, als diese es selbst für richtig hält.

[42] Dafür, dass die Prüfer ein und denselben "Fehler" mehrfach berücksichtigt haben könnten, gibt es keine Anhaltspunkte. Damit nicht zu verwechseln ist eine sich in verschiedenen Zusammenhängen wiederholende Beanstandung wie der vorliegend im Zusammenhang mit der Bearbeitung der verschiedenen Problemkreise mehrfach kritisierte Aspekt der zu wenig fallbezogenen Argumentation. Ebenso wenig liegt darin, dass sich die Zweitkorrektorin zum einen dem Erstvotum angeschlossen, zum anderen aber einzelne dieser Gesichtspunkte in der ihrer eigenen schriftlichen Bewertung nochmals hervorgehoben hat, eine doppelt negative Berücksichtigung derselben Umstände.

[43] Schließlich fiel es in den originären Bewertungsspielraum der Prüfer, welches Gewicht sie den positiven und negativen Aspekten zumessen wollten und ob die positiven Ansätze es im Rahmen der gebotenen Gesamtbetrachtung rechtfertigten, die Klausur (noch) als ausreichend zu benoten. Einen nicht mehr von dem prüfungsspezifischen Bewertungsspielraum gedeckten zu strengen Bewertungsmaßstab haben die Prüfer dabei nicht angelegt.

[44] c) Ebenfalls zu Recht hat das Kammergericht die Bewertung der Klausur F20-73 mit 3,00 Punkten nicht beanstandet.

[45] aa) Gegenstand jener Klausur war die Auseinandersetzung einer aus zwei zerstrittenen Brüdern (A und B) bestehenden ungeteilten Erbengemeinschaft, für die von dem von einem Bruder (A) aufgesuchten Notar (N) rechtsgeschäftliche Lösungsvorschläge zu unterbreiten, ihre Formbedürftigkeit und die Höhe der jeweils entstehenden Notarkosten aufzuzeigen, das notarielle Vermittlungsverfahren darzustellen und die Auswirkungen einer vom Erblasser angeordneten Testamentsvollstreckung eines (anderen) Urkundsnotars (F) zu erörtern.

[46] bb) Die an die Lösung der Aufgabe zu stellenden Erwartungen der Prüfer ließen sich auf der Grundlage ihrer Anmerkungen nachvollziehen, die den obigen Maßstäben entsprachen.

[47] (1) Der Erstkorrektor hat zunächst zu den einzelnen Teilen der aus vier Aufgaben bestehenden Aufsichtsarbeit dargestellt, welche Überlegungen aus seiner Sicht jeweils anzustellen waren. Damit hatte er die Klausurlösung abzugleichen. Seine darauf gestützte Bewertung der Klausur hat er nachvollziehbar begründet. Insbesondere trifft der Vorwurf der Klägerin nicht zu, der Prüfer habe sich dabei nur auf eine oberflächliche Wiedergabe ihrer Bearbeitung beschränkt.

[48] Vielmehr hat er sich mit dem Vorschlag der Klägerin inhaltlich im Einzelnen auseinandergesetzt. Dabei hat er die mit seiner Lösungsskizze übereinstimmenden Ansätze ebenso aufgeführt wie Unklarheiten oder Auslassungen. Die von der Klägerin ausführlicher erörterten Voraussetzungen und Auswirkungen der Teilungsversteigerung hat er - da nicht Gegenstand der Fragestellung - zwar nicht als nicht fehlerhaft, aber auch nicht als zielführend angesehen. Zusammenfassend hat er ausgeführt, die Klägerin habe die Aufgabenstellung der ersten Frage nicht erkannt. Ihr sei es nicht gelungen, die unterschiedlichen Möglichkeiten (der Erbauseinandersetzung) sachgerecht darzustellen. Ferner habe sie insbesondere die Kostenlast nicht angesprochen. Erörtert würden überwiegend allgemeine Erwägungen zur Auseinandersetzung, die jedoch im Ergebnis kaum Fallbezug hätten. Auch im Übrigen seien die Aufgabenstellungen nicht zutreffend erfasst worden. Die Leistung könne insgesamt nicht mehr als gerade noch durchschnittlich angesehen werden.

[49] Die Gründe für die Bewertung ihrer Klausurlösung mit der Note "mangelhaft" sind damit hinreichend nachzuvollziehen. Einer weitergehenden Darstellung bedurfte es nicht (vgl.o.).

[50] (2) Der Zweitkorrektor hat sich dieser Bewertung in zulässiger Weise angeschlossen.

[51] cc) Die Bewertung des von ihr erarbeiteten Lösungsvorschlags greift die Klägerin vergeblich an. Die mit der Korrektur dieser Klausur beauftragten Prüfer haben weder fachliche Fehler begangen noch den ihnen zustehenden prüfungsspezifischen Bewertungsspielraum überschritten.

[52] (1) Fehl geht der Einwand, der Erstprüfer habe durch die Darstellung seines Erwartungshorizonts seinen Bewertungsspielraum verkürzt, indem er sich durch die ausführliche Lösungsskizze den Blick für die positive Bewertung abweichender Lösungsansätze verstellt habe. Allein die Niederlegung eingehenderer Vorstellungen über die - aus seiner Sicht vorzugsweise - Lösung der Klausuraufgaben führt für sich betrachtet nicht zu einer Verengung des Blickwinkels des Prüfers, sondern erleichtert es, die Korrektur nachzuvollziehen. Erst dann, wenn der Korrektor von seinem Bearbeitungsvorschlag abweichende, fachlich aber vertretbare Lösungen nicht akzeptiert, kann darin ein Bewertungsfehler liegen. Derartiges ist dem Vortrag der Klägerin indessen nicht zu entnehmen (vgl. auch nachfolgend).

[53] (2) Der Prüfer hat - wie sich schon aus der obigen zusammenfassenden Darstellung ergibt - entgegen der Behauptung der Klägerin positive wie negative Aspekte ihrer Lösung in die Bewertung einbezogen. Eine (unnötige) Wiederholung des Sachverhalts hat er mit dem Hinweis, es sei bei den Ausführungen zur Teilungsauseinandersetzung unklar geblieben, was die Klägerin mit Blick auf die Aufgabenstellung erörtert habe, gerade nicht verlangt, sondern den fehlenden Fallbezug beanstandet.

[54] (3) Auch die - seinem prüfungsspezifischen Bewertungsspielraum unterfallende - Kritik des Prüfers, die Klägerin habe den Inhalt der ersten Aufgabe nicht erkannt und die verschiedenen Möglichkeiten einer rechtsgeschäftlichen Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft, die Gegenstand der notariellen Beratung hätten sein können, nicht aufgezeigt, ist fehlerfrei erfolgt. Entscheidungsrelevanten Sachverhalt hat der Erstkorrektor dabei nicht übersehen. Vielmehr hat sich die Klägerin bei der Lösung der Aufgabe lediglich mit der (vertraglichen) Auseinandersetzung des Nachlasses im Sinne der §§ 2042 ff BGB und dem Verfahren gemäß §§ 363 ff FamFG befasst, nicht jedoch mit den weiteren rechtsgeschäftlichen Möglichkeiten wie der Erbteilsübertragung, § 2033 Abs. 1 BGB und der Abschichtungsvereinbarung analog § 783 Abs. 1 Satz 1 BGB (vgl. dazu BGH, Urteil vom 21. Januar 1998 - IV ZR 346/96, BGHZ 138, 8, 10 f). Soweit sie ihren - weitgehend unkonkreten - Ausführungen auf den Seiten 7 bis 9 der Klausur anderes entnehmen möchte, versucht sie erneut lediglich, ihre eigene Würdigung an die Stelle derjenigen des Prüfers zu setzen. Dies gilt auch für die Tiefe der vom Prüfer erwarteten Darstellung des notariellen Vermittlungsverfahrens sowie die von ihm in diesem Zusammenhang vermisste Auseinandersetzung mit der vom Erblasser angeordneten Testamentsvollstreckung (vgl. § 363 Abs. 1 Halbsatz 2

FamFG). Dabei unterschied sich der letztgenannte Punkt grundsätzlich von der Fragestellung der Aufgabe 4.

[55] Es stellt auch keinen Widerspruch dar, wenn der Prüfer auf der einen Seite eine umfassende Beschäftigung mit den rechtsgeschäftlichen Möglichkeiten der Auseinandersetzung erwartete, die Ausführungen zu der Teilungsversteigerung indessen für entbehrlich und nicht zielführend hielt, denn nach gerichtlichen Möglichkeiten der Auseinandersetzung war nicht gefragt.

[56] (4) In Bezug auf die Kostenproblematik hat der Erstprüfer zutreffend darauf hingewiesen, dass sich die Ausführungen der Klägerin zu Aufgabe 1 nicht zu der Frage der Notarkosten verhalten, obwohl danach gefragt war. Im Übrigen hat er gesehen und auch gewürdigt, dass sich die Klägerin bei Aufgabe 2, die das notarielle Vermittlungsverfahren betraf, zumindest im Ansatz mit den Notarkosten befasst hat. Seine - im Zusammenhang mit den verschiedenen Gestaltungsmöglichkeiten stehende - Anmerkung, es seien keine Kosten erörtert worden, ist daher nicht zu beanstanden. Erst recht ist dem Korrektor keine Doppelverwertung ein und desselben Fehlers vorzuwerfen.

[57] (5) Ebenso wenig zu beanstanden ist, dass der Erstkorrektor bei Aufgabe 3 ein vom Notar im Zusammenhang mit dem notariellen Vermittlungsverfahren zu entwerfendes - von der Klägerin aber nicht angefertigtes - Ladungsschreiben an den Bruder B vermisst hat. Die Fragestellung war insoweit auch nicht missverständlich (vgl. dazu BFHE 188, 502, 509; OVG Saarlouis, Beschluss vom 30. Juni 2003 - 3 Q 70/02 juris Rn. 22; VG Braunschweig, Urteil vom 6. Juni 2007 - 6 A 311/06, juris Rn 21). Schon aus der im Plural formulierten Aufforderung ("Entwerfen Sie die Schreiben [...]") war zu ersehen, dass mehrere Schriftstücke anzufertigen waren. Dazu gehörte die Ladung zu dem Verhandlungstermin, die die notwendigen Hinweise enthalten musste (§ 365 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 FamFG).

[58] (6) Fachlich nicht zu beanstanden ist ferner, dass der Zweitkorrektor ergänzend zu den Ausführungen des Erstkorrektors die nicht näher begründete Feststellung der Klägerin, die Ernennung des Urkundsnotars des Testaments (F) zum Testamentsvollstrecker verstoße gegen §§ 7, 27 BeurkG, sofern dies nicht als Ernennungswunsch an das Nachlassgericht formuliert sei, mit Blick auf die Ernennung in einem gesonderten privatschriftlichen Testament als in dieser Pauschalität nicht für zutreffend erachtet hat (vgl. dazu zB BGH, Beschluss vom 23. Februar 2022 - IV ZB 24/21, FGPrax 2022, 72 Rn. 17 ff sowie schon OLG Bremen, NJW-RR 2016, 979 Rn. 10 ff). Ebenso hält sich seine ergänzende Bewertung im Überdenkungsverfahren, eine Subsumtion habe letztlich nicht stattgefunden, innerhalb seines Bewertungsspielraums. Seine dort ebenfalls erfolgten Anmerkungen zur "Abschichtungsvereinbarung" beziehen sich hingegen auf den Vortrag im Widerspruchsverfahren und nicht auf die Klausur, der eine entsprechende Überlegung gerade fehlte. Ob sie auf die Erörterung dieser Möglichkeit, wie die Klägerin meint, ganz verzichten durfte, weil eine solche Vereinbarung - anders als ein damit verbundener Antrag auf Grundbuchberichtigung gemäß § 29 GBO - nicht formbedürftig gewesen sei, stellt sich im Hinblick auf die Frage nach den rechtsgeschäftlichen Möglichkeiten einer Nachlassteilung und deren Formbedürftigkeit wiederum nur als abweichende Wertung dar, welche Erwartungen an die Lösung der Klausur gestellt werden durften.

[59] (7) Schließlich war es allein Aufgabe der Prüfer zu bewerten, ob die Leistung trotz ihrer Mängel noch den durchschnittlichen Anforderungen entsprach und daher mit "ausreichend" zu benoten war oder nicht. Eine Überschreitung des prüfungsspezifischen Bewertungsspielraums lässt sich dem Klägervortrag nicht entnehmen und ist auch nicht ersichtlich.

[60] 3. Weitergehende Zulassungsgründe macht die Klägerin nicht geltend.

[61] III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 111b Abs. 1 Satz 1 BNotO i.V.m. § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 111g Abs. 1 BNotO i.V.m. § 52 Abs. 2 GKG.

Herrmann Roloff Böttcher

Brose-Preuß Hahn

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