BGH, Beschluss vom 16. Dezember 2021 - I ZB 31/21

15.03.2022

BUNDESGERICHTSHOF

vom

16. Dezember 2021

in dem Verfahren

auf Vollstreckbarerklärung eines inländischen Schiedsspruchs


Nachschlagewerk: ja


BGHZ: nein

BGHR: ja


ZPO § 265 Abs. 2 Satz 1, § 1040 Abs. 2, § 1059 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b


a) Erhebt der Schiedsbeklagte im Schiedsverfahren keine Zuständigkeitsrüge, ist er damit auch im Verfahren vor den staatlichen Gerichten regelmäßig ausgeschlossen.

b) Ein vor dem Erhalt des Schiedsspruchs erklärter genereller Verzicht auf die Befugnis, einen Aufhebungsantrag zu stellen, ist unwirksam. Der Vollstreckbarerklärung eines Schiedsspruchs, der aufgrund einer Schiedsvereinbarung ergangen ist, die einen solchen Verzicht enthält, steht allerdings kein Verstoß gegen den inländischen ordre public entgegen.

c) Der Umstand, dass das Schiedsgericht trotz einer ihm mitgeteilten Abtretung des streitgegenständlichen Anspruchs auf Zahlung an den Zedenten erkannt hat, führt ebenfalls nicht zu einem Verstoß gegen den inländischen ordre public.


BGH, Beschluss vom 16. Dezember 2021 - I ZB 31/21 - Kammergericht


Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 16. Dezember 2021 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Koch, den Richter Dr. Löffler, die Richterin Dr. Schwonke, den Richter Odörfer und die Richterin Wille

beschlossen:

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des Kammergerichts - 12. Zivilsenat - vom 15. April 2021 wird auf Kosten des Antragsgegners zurückgewiesen.

Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 50.000 € festgesetzt.

Gründe:

[1] I. Die Antragstellerin und die Gesellschafter der A.

GmbH (nachfolgend Gesellschaft), darunter der Antragsgegner, schlos-

sen am 25. Januar 2018 ein zweisprachiges "Memorandum of Understanding/Absichtserklärung" (nachfolgend Absichtserklärung) über den Verkauf sämtlicher Geschäftsanteile der Gesellschaft. Der Antragsgegner erhielt hierfür eine Anzahlung von 50.000 € von der Antragstellerin. Die Gesellschaft war Eigentümerin eines Grundstücks, auf dem eine Wohnanlage gebaut werden sollte. In Ziffern 4.8 und 4.9. der Absichtserklärung ist geregelt:

4.8. Diese Erklärung unterliegt deutschem Recht mit Ausnahme der Bestimmungen des Kollisionsrechts. Die englische Version dieses Memorandums hat Vorrang.

4.9. Alle Streitfälle, Auseinandersetzungen oder Ansprüche, die sich aus oder im Zusammenhang mit dieser Erklärung ergeben, einschließlich der Gültigkeit, Ungültigkeit, Verletzung, Durchsetzung oder Kündigung dieser Erklärung, werden gemäß der Schiedsgerichtsordnung der Deutschen Institution für Schiedsgerichtsbarkeit e.V. (DIS) ohne Rückgriff auf die ordentlichen Gerichte endgültig entschieden. Ort des Schiedsverfahrens ist Berlin. Die Sprache bei derartigen Schiedsverfahren ist Deutsch. Entscheidung und Schiedsspruch des Gerichts sind endgültig und bindend, ohne dass sie einer weiteren gerichtlichen Überprüfung unterliegen.

[2] Der Verkauf kam nicht zustande. Die Antragstellerin forderte ihre Anzahlung vom Antragsgegner zurück. Auf ihre Schiedsklage verpflichtete das Schiedsgericht den Antragsgegner mit Schiedsspruch vom 9. April 2020 zur Zahlung von 50.000 € nebst Zinsen und von weiteren 11.309,39 € für die Kosten des Schiedsverfahrens.

[3] Die Antragstellerin hat beim Kammergericht am 6. November 2020 einen Antrag auf Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs gestellt. Das Kammergericht hat dem Antragsgegner Gelegenheit zur Stellungnahme gewährt. Dieser hat mehrfach Fristverlängerung beantragt und sodann keine Stellungnahme abgegeben. Das Kammergericht hat den Schiedsspruch für vollstreckbar erklärt. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Antragsgegners, deren Zurückweisung die Antragstellerin beantragt.

[4] II. Das Kammergericht hat ausgeführt, nachdem der Antragsgegner nicht fristgerecht einen Aufhebungsantrag gestellt habe, komme nur eine Aufhebung des Schiedsspruchs nach § 1059 Abs. 2 Nr. 2 ZPO in Betracht. Die Schiedsabrede in der Absichtserklärung sei wirksam und betreffe nach deutschem Recht schiedsfähige Streitigkeiten. Es sei auch im Rahmen der gebotenen Amtsprüfung nicht ersichtlich, dass die Vollstreckung des Schiedsspruchs zu einem Ergebnis führe, das der öffentlichen Ordnung widerspreche. Das Schiedsverfahren lasse in verfahrensrechtlicher Hinsicht keinen Verstoß gegen den ordre public erkennen; insbesondere sei das Gehörsrecht des Antragsgegners gewahrt worden. Auch in materiell-rechtlicher Hinsicht lasse sich kein Verstoß gegen den ordre public feststellen.

[5] III. Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO in Verbindung mit § 1065 Abs. 1 Satz 1, § 1062 Abs. 1 Nr. 4 Fall 2 ZPO) und wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache auch ansonsten zulässig (§ 574 Abs. 2 Nr. 1, § 575 ZPO), aber unbegründet. Das Kammergericht hat den Schiedsspruch mit Recht für vollstreckbar erklärt.

[6] 1. Zutreffend hat das Kammergericht angenommen, dass die Aufhebungsgründe des § 1059 Abs. 2 Nr. 1 ZPO im Vollstreckbarerklärungsverfahren nicht zu prüfen waren. Hierzu rechnet auch der Aufhebungsgrund des § 1059 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a Fall 2 ZPO, der dann eingreift, wenn der Antragsteller des Aufhebungsverfahrens oder der Antragsgegner des Vollstreckbarerklärungsverfahrens begründet geltend macht, dass die Schiedsvereinbarung nach dem Recht, dem die Parteien sie unterstellt haben oder, falls die Parteien hierüber nichts bestimmt haben, nach deutschem Recht ungültig ist.

[7] a) Nach § 1060 Abs. 2 Satz 1 ZPO ist der Antrag auf Vollstreckbarerklärung unter Aufhebung des Schiedsspruchs abzulehnen, wenn einer der in § 1059 Abs. 2 ZPO bezeichneten Aufhebungsgründe vorliegt. Jedoch sind die Aufhebungsgründe des § 1059 Abs. 2 Nr. 1 ZPO nach § 1060 Abs. 2 Satz 3 ZPO nicht (mehr) zu berücksichtigen, wenn die in § 1059 Abs. 3 ZPO bestimmten Fristen abgelaufen sind, ohne dass der Antragsgegner einen Antrag auf Aufhebung des Schiedsspruchs gestellt hat. Die maßgebliche Frist hierfür beträgt - abgesehen vom Fall eines vorliegend nicht gestellten Antrags auf Berichtigung, Auslegung und Ergänzung des Schiedsspruchs nach § 1059 Abs. 3 Satz 3, § 1058 ZPO - gemäß § 1059 Abs. 3 Satz 1 und 2 ZPO drei Monate ab dem Empfang des Schiedsspruchs, sofern die Parteien nichts Anderes vereinbaren.

[8] b) Dem Antragsgegner hätte es gegebenenfalls oblegen, dem Kammergericht innerhalb der ihm nach § 1063 Abs. 1 Satz 2 ZPO auf den Vollstreckbarerklärungsantrag vom 6. November 2020 gesetzten, ausreichend bemessenen Stellungnahmefrist darzulegen, dass er den Schiedsspruch vom 9. April 2020 nicht empfangen habe oder die dreimonatige Frist noch nicht abgelaufen sei. Dies hat er nicht getan. Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde haben die Parteien die dreimonatige Frist des § 1059 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 ZPO auch nicht nach § 1059 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 1 ZPO abbedungen. Der in der Schiedsvereinbarung vereinbarte Ausschluss einer weiteren gerichtlichen Kontrolle führt auch nicht dazu, dass es der Antragstellerin verwehrt wäre, sich auf den Fristablauf zu berufen, oder dass das Kammergericht gehindert gewesen wäre, diesen zu berücksichtigen (vgl. auch nachfolgend Rn. 18).

[9] c) Unabhängig davon hätte der Antragsgegner die Unwirksamkeit der Schiedsvereinbarung bereits im Schiedsverfahren geltend machen müssen. Nach § 1040 Abs. 2 Satz 1 ZPO ist die Rüge der Unzuständigkeit des Schiedsgerichts im Schiedsverfahren spätestens mit der Klagebeantwortung vorzubringen; eine spätere Rüge kann das Schiedsgericht nach § 1040 Abs. 2 Satz 3 ZPO zulassen, wenn die Partei die Verspätung genügend entschuldigt. Diese Rügeobliegenheit erfasst auch den Fall, dass eine Schiedsvereinbarung besteht, der Schiedsbeklagte sie aber für unwirksam hält (vgl. § 1040 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Erhebt der Schiedsbeklagte im Schiedsverfahren keine Zuständigkeitsrüge, ist er damit auch im Verfahren vor den staatlichen Gerichten regelmäßig ausgeschlossen (vgl. Begründung des Regierungsentwurfs eines Gesetzes zur Neuregelung des Schiedsverfahrensrechts, BT-Drucks. 13/5274, S. 4; OLG Koblenz, SchiedsVZ 2005, 260, 261 [juris Rn. 25 bis 27]; KG, SchiedsVZ 2009, 179, 180 f. [juris Rn. 30]; OLG München, SchiedsVZ 2011, 167, 168 [juris Rn. 19]; OLG Koblenz, VersR 2011, 1328, 1329 [juris Rn. 11]; OLG Frankfurt, Beschluss vom 10. September 2015 - 26 Sch 1/15, juris Rn. 72; OLG Köln, Beschluss vom 4. Mai 2018 - 19 Sch 20/17, juris Rn. 20; Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, 7. Aufl., Kap. 16 Rn. 11; MünchKomm.ZPO/Münch, 6. Aufl., § 1040 Rn. 45 mwN; Schlosser in Stein/Jonas, ZPO, 23. Aufl., § 1040 Rn. 16; Schütze in Wieczorek/?Schütze, ZPO, 5. Aufl., § 1040 Rn. 35; Voit in Musielak/Voit, ZPO, 18. Aufl., § 1059 Rn. 11; Zöller/Geimer, ZPO, 34. Aufl., § 1040 Rn. 20 f.; BeckOK.ZPO/?Wolf/?Eslami, 43. Edition [Stand 1. Dezember 2021], § 1040 Rn. 5 und 18; aA Hammer, Überprüfung von Schiedsverfahren durch staatliche Gerichte in Deutschland, Rn. 480 bis 485). So verhält es sich im Streitfall. Ob Ausnahmen von dieser Präklusionswirkung in besonderen Konstellationen (zu missbräuchlichen Klauseln in Verbraucherverträgen vgl. EuGH, Urteil vom 26. Oktober 2006 - C-168/05, NJW 2007, 135 Rn. 30 - Mostaza Claro; zu Beschlussmängelstreitigkeiten in Gesellschaften vgl. Voit in Musielak/Voit aaO § 1059 Rn. 13; zum Fall der Nichtbeteiligung des Schiedsbeklagten im Schiedsverfahren vgl. Schlosser in Stein/Jonas aaO § 1040 Rn. 12; Voit in Musielak/Voit aaO § 1059 Rn. 13; Zöller/?Geimer aaO § 1040 Rn. 21) geboten sind, bedarf angesichts der Umstände des Streitfalls keiner Entscheidung.

[10] 2. Auch ein nicht fristgebunden geltend zu machender, sondern im Vollstreckbarerklärungs- und Aufhebungsverfahren jederzeit von Amts wegen zu berücksichtigender Aufhebungsgrund nach § 1059 Abs. 2 Nr. 2 ZPO (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 30. März 2006 - III ZB 78/05, NJW 2006, 995 Rn. 12) liegt im Streitfall nicht vor. Hinsichtlich solcher Aufhebungsgründe kommt weder eine Präklusion nach § 1040 Abs. 2 Satz 1 ZPO noch nach § 1060 Abs. 2 Satz 3 ZPO in Betracht (zu § 1060 Abs. 2 Satz 3 ZPO vgl. BGH, Beschluss vom 16. März 2017 - I ZB 49/16, SchiedsVZ 2018, 37 Rn. 31; zu § 1040 Abs. 2 Satz 1 ZPO vgl. OLG München, Beschluss vom 27. Februar 2020 - 34 Sch 15/17, juris Rn. 27).

[11] a) Zutreffend hat das Kammergericht angenommen, dass der Gegenstand des Streits zwischen den Parteien nach deutschem Recht schiedsfähig (§ 1030 ZPO) ist und der Aufhebungsgrund des § 1059 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a ZPO deswegen nicht eingreift. Die Rechtsbeschwerde erhebt insoweit keine Rügen.

[12] b) Ohne Erfolg beruft sich die Rechtsbeschwerde auf den Aufhebungsgrund des § 1059 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b ZPO.

[13] aa) Nach dieser Vorschrift liegt ein Aufhebungsgrund vor, wenn die Anerkennung oder Vollstreckung des Schiedsspruchs zu einem Ergebnis führt, das der öffentlichen Ordnung (ordre public) widerspricht. Dies setzt voraus, dass das Ergebnis mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar ist. Das ist der Fall, wenn der Schiedsspruch eine Norm verletzt, die die Grundlagen des staatlichen oder wirtschaftlichen Lebens regelt, oder wenn er zu deutschen Gerechtigkeitsvorstellungen in einem untragbaren Widerspruch steht. Der Schiedsspruch muss mithin die elementaren Grundlagen der Rechtsordnung verletzen. Danach stellt nicht jeder Widerspruch der Entscheidung eines Schiedsgerichts zu zwingenden Vorschriften des deutschen Rechts einen Verstoß gegen den ordre public dar. Vielmehr muss es sich um eine nicht abdingbare Norm handeln, die Ausdruck einer für die Rechtsordnung grundlegenden Wertentscheidung des Gesetzgebers ist (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 23. Juli 2020 - I ZB 88/19, SchiedsVZ 2021, 46 Rn. 16 mwN).

[14] bb) Ohne Erfolg macht die Rechtsbeschwerde geltend, die Schiedsvereinbarung sei wegen des Ausschlusses einer weiteren gerichtlichen Überprüfung insgesamt unwirksam und dies müsse nach § 1059 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b ZPO zur Aufhebung des Schiedsspruchs führen.

[15] (1) Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde ergibt sich aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht, dass eine Schiedsvereinbarung, die eine Überprüfung eines auf ihrer Grundlage ergehenden Schiedsspruchs durch die staatlichen Gerichte in den dafür vorgesehenen Verfahren ausschließt, stets insgesamt unwirksam ist. Es ist zwar zutreffend, dass jedenfalls ein vor dem Erhalt des Schiedsspruchs erklärter genereller Verzicht auf die Befugnis, einen Aufhebungsantrag zu stellen, unwirksam ist (vgl. BGH, Urteil vom 26. September 1985 - III ZR 16/84, BGHZ 96, 40, 43 [juris Rn. 12]; Beschluss vom 24. Juli 2014 - III ZB 83/13, BGHZ 202, 168 Rn. 12; Schwab/Walter aaO Kap. 24 Rn. 53; MünchKomm.ZPO/Münch aaO § 1059 Rn. 63 mwN; Schlosser in Stein/?Jonas aaO § 1059 Rn. 2; Schütze in Wieczorek/Schütze aaO § 1059 Rn. 83 und 90; Voit in Musielak/Voit aaO § 1059 Rn. 39; Zöller/Geimer aaO § 1059 Rn. 2 u. 79 f.; BeckOK.ZPO/?Wilske/Markert aaO § 1059 Rn. 84 bis 87 mwN; Raeschke-Kessler in Prütting/Gehrlein, ZPO, 13. Aufl., § 1059 Rn. 13 f. und 21). Daraus folgt jedoch nicht, dass die Unwirksamkeit eines solchen Ausschlusses, der bereits in der Schiedsvereinbarung erklärt wird, stets die gesamte Schiedsvereinbarung erfasst. Ob die Schiedsvereinbarung im Übrigen Bestand hat oder insgesamt unwirksam ist, beurteilt sich vielmehr nach den allgemeinen Grundsätzen (insbesondere § 139 BGB; vgl. auch Schwab/Walter aaO Kap. 6 Rn. 8).

[16] (2) Ob die Schiedsvereinbarung danach insgesamt unwirksam ist, kann im Streitfall offenbleiben. Ein Verstoß gegen den inländischen ordre public läge entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde selbst dann nicht vor, wenn die zwischen den Parteien geschlossene Schiedsvereinbarung insgesamt unwirksam wäre. Die Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs führte auch in diesem Fall nicht zu einem Ergebnis, das mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar ist.

[17] Zwar gehört die durch § 1062 Abs. 1 Nr. 4 ZPO eröffnete Möglichkeit zur Überprüfung eines Schiedsspruchs durch die staatliche Gerichtsbarkeit in den durch § 1059 Abs. 2 ZPO gezogenen Grenzen zu den elementaren Grundlagen der deutschen Rechtsordnung. Für die Konstellation des Streitfalls ist jedoch zu berücksichtigen, dass ein bereits in der Schiedsvereinbarung enthaltener genereller Ausschluss der in § 1062 Abs. 1 Nr. 4 ZPO genannten Rechtsbehelfe - wie ausgeführt - unwirksam ist, so dass diese ungeachtet eines vertraglichen Ausschlusses eingelegt werden können. Wird ein solcher Rechtsbehelf eingelegt, findet eine Überprüfung des Schiedsspruchs durch die staatliche Gerichtsbarkeit statt. Soweit eine durch den Schiedsspruch beschwerte Partei sich im Verfahren vor dem staatlichen Gericht auf die Ungültigkeit der gesamten Schiedsvereinbarung nach § 1059 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a Fall 2 ZPO beruft und damit durchdringt, führt dies zur Aufhebung des Schiedsspruchs. Soweit sie bewusst davon absieht, die Rüge präkludiert ist oder das staatliche Gericht die Schiedsvereinbarung für im Übrigen wirksam hält und auch sonst keinen durchgreifenden Aufhebungsgrund erkennt, führt die Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs nicht (mehr) zu einem Ergebnis, das dem ordre public widerspricht (zur Relevanz des Ergebnisses vgl. Schlosser in Stein/Jonas aaO § 1063 Rn. 22).

[18] Nichts Anderes folgt aus der Möglichkeit, dass eine durch den Schiedsspruch beschwerte Partei in Unkenntnis der Unwirksamkeit eines generellen vertraglichen Ausschlusses der in § 1062 Abs. 1 Nr. 4 ZPO genannten Rechtsbehelfe zunächst keinen Aufhebungsantrag stellt und daher die in § 1059 Abs. 3 Satz 1 und 2, § 1061 Abs. 3 Satz 3 ZPO genannte dreimonatige Frist versäumt. Einer Partei, die sich durch einen Schiedsspruch in ihren Rechten verletzt sieht, ist es zumutbar, sich innerhalb von drei Monaten ab Empfang des Schiedsspruchs über ihre Rechtsschutzmöglichkeiten - und damit auch über die Wirksamkeit der vertraglichen Vereinbarungen - rechtlich beraten zu lassen, sofern sie dies nicht bereits im Zusammenhang mit der Durchführung des Schiedsverfahrens getan hat.

[19] (3) Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde hat das Kammergericht nicht den Anspruch des Antragsgegners auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt. Die Frage, welche Partei im Vollstreckbarerklärungs- und Aufhebungsverfahren die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen einer wirksamen Schiedsvereinbarung trägt, ist für die Entscheidung des Streitfalls unerheblich, weil der Antragsgegner einen Aufhebungsgrund nach § 1059 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a Fall 2 ZPO nicht geltend gemacht hat und der Anwendungsbereich des § 1059 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b ZPO nicht eröffnet ist. Selbst wenn bei der Anwendung des § 1059 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a Fall 2 ZPO von einer Beweislast der Antragstellerin auszugehen sein sollte, befreite das den Antragsgegner nicht davon, den Aufhebungsgrund geltend zu machen und die für dessen Prüfung erforderlichen Tatsachen substantiiert darzulegen (vgl. Schlosser in Stein/Jonas aaO § 1059 Rn. 12 und 14; Voit in Musielak/Voit aaO § 1059 Rn. 10 und 23 mwN). Einen Hinweis nach § 139 ZPO (vgl. hierzu Zöller/Geimer aaO § 1059 Rn. 33; Voit in Musielak/Voit aaO § 1059 Rn. 23) hätte das Kammergericht schon deswegen nicht erteilen müssen, weil kein Anhaltspunkt ersichtlich gewesen ist, dass der Antragsgegner diesen Aufhebungsgrund noch fristgerecht hätte geltend machen können.

[20] b) Auch der von der Rechtsbeschwerde geltend gemachte Verstoß des Schiedsgerichts gegen die nach ihrer Auffassung aus § 265 Abs. 2 Satz 1, § 1055 ZPO folgenden Rechtskraftbestimmungen erfüllt den Aufhebungsgrund des § 1059 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b ZPO nicht. Nach § 265 Abs. 2 Satz 1 ZPO hat die Abtretung des geltend gemachten Anspruchs auf den Prozess keinen Einfluss. Gemäß § 1055 ZPO hat ein Schiedsspruch unter den Parteien die Wirkungen eines rechtskräftigen gerichtlichen Urteils.

[21] aa) Die Rechtsbeschwerde bringt unter Verweis auf die Randnummern 57 und 67 des Schiedsspruchs vor, dass die Antragstellerin den geltend gemachten Anspruch während des Schiedsverfahrens an die R. GmbH abgetreten

habe. Sie rügt, das Schiedsgericht habe zwar die Vorschrift des § 265 Abs. 2 ZPO gesehen, aber verkannt, dass der Kläger - ungeachtet der aus § 265 Abs. 2 Satz 1 ZPO folgenden gesetzlichen Prozessstandschaft - seinen Antrag auf Zahlung an die Zessionarin hätte umstellen müssen, um einer Abweisung der Klage als unbegründet zu entgehen (vgl. BGH, Urteil vom 29. August 2012 - XII ZR 154/09, NJW 2012, 3642 Rn. 8; zur Ausnahme bei einer dem Zedenten vom Zessionar erteilten Einzugsermächtigung vgl. auch BGH, Urteil vom 28. September 1982 - VI ZR 221/80, WM 1982, 1313 [juris Rn. 8]; Urteil vom 23. März 1999 - VI ZR 101/98, NJW 1999, 2110 [juris Rn. 9]). Eine solche Antragsumstellung habe die Antragstellerin im Schiedsverfahren bis zuletzt nicht vorgenommen.

[22] bb) Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde folgt hieraus jedoch kein Verstoß gegen den inländischen ordre public.

[23] (1) Nach weit überwiegender Auffassung im Schrifttum ist die Vorschrift des § 265 ZPO, die (unter anderem) die Befugnis zur Abtretung einer rechtshängigen Forderung und die daraus entstehenden prozessualen Folgen betrifft, im Schiedsverfahren nicht entsprechend anwendbar (vgl. MünchKomm.ZPO/?Becker-Eberhard aaO § 265 Rn. 11; MünchKomm.ZPO/Münch aaO § 1055 Rn. 23 mwN; Schlosser in Stein/Jonas aaO § 1042 Rn. 88 und § 1055 Rn. 33 mwN; Anders in Anders/Gehle, ZPO, 80. Aufl., § 1055 Rn. 6; Voit in Musielak/Voit aaO § 1042 Rn. 17 und § 1055 Rn. 8 mwN; Loritz, ZZP 105 [1992], 1, 15; Martens, Wirkungen der Schiedsvereinbarung und des Schiedsverfahrens auf Dritte, 2005, S. 168 bis 182; Pika, ZZP 131 [2018], 225, 245 f.; für eine Prozessstandschaft des Zedenten, soweit auch der Zessionar an die Schiedsvereinbarung gebunden ist, Schwab/Walter aaO Kap. 16 Rn. 7 und Kap. 21 Rn. 2 f.; Wagner in Die Beteiligung Dritter am Schiedsverfahren, 2005, S. 22 bis 25; ebenso wohl auch Pfeiffer, SchiedsVZ 2017, 135, 139 f.; einschränkend Lühmann, Die Rechtskraft des Schiedsspruchs im deutschen und US-amerikanischen Recht, 2014, S. 167 f.). Stattdessen wird vertreten, dass der Zessionar das Schiedsverfahren übernehmen oder den Zedenten ermächtigen kann, es in eigenem Namen weiter zu betreiben, wobei der hiervon in Unkenntnis bleibende Schuldner durch eine (doppelt) analoge Anwendung des § 407 Abs. 2 BGB geschützt ist (vgl. Schlosser in Stein/Jonas aaO § 1055 Rn. 33; ähnlich wohl auch Martens aaO S. 182 bis 200; zu Letzterem auch Voit in Musielak/Voit aaO § 1042 Rn. 17; Pika, ZZP 131 [2018], 225, 246 f.; zweifelnd insoweit aber BGH, Urteil vom 17. März 1975 - VIII ZR 245/73, BGHZ 64, 122, 128 [juris Rn. 22]). Nach anderen Auffassungen soll die Berechtigung des Zedenten zur Fortführung des Schiedsverfahrens von der Schiedsvereinbarung oder dem anwendbaren materiellen Recht abhängen (vgl. Loritz, ZZP 105 [1992], 1, 15), der Zessionar unter Bindung an den bisherigen Stand in das Schiedsverfahren eintreten (vgl. MünchKomm.ZPO/?Münch aaO § 1055 Rn. 27 f.; Pika, ZZP 131 [2018], 225, 246) oder ohne Bindung an den bisherigen Stand ein neues Schiedsverfahren beginnen müssen (vgl. Voit in Musielak/Voit aaO § 1042 Rn. 17). Welche Ansicht zutrifft, bedarf im Streitfall keiner Entscheidung.

[24] (2) Der Umstand, dass das Schiedsgericht den Antragsgegner ungeachtet der offengelegten Abtretung zur Zahlung an die Antragstellerin verurteilt hat, führte selbst dann nicht zu einem Verstoß gegen den ordre public, wenn die Vorschrift des § 265 Abs. 2 Satz 1 ZPO entsprechend anwendbar gewesen wäre. Die von der Rechtsbeschwerde gezogene Parallele zur Verkennung der Rechtskraft, die in klaren Fällen einen Verstoß gegen den verfahrensrechtlichen ordre public darstellt (vgl. BGH, Beschluss vom 11. Oktober 2018 - I ZB 9/18, SchiedsVZ 2019, 150 Rn. 6 und 13 bis 15 mwN), trägt nicht. Im Streitfall läge sowohl dann, wenn das Schiedsgericht die Vorschrift des § 265 ZPO gänzlich zu Unrecht angewendet hätte, als auch dann, wenn es zwar zu Recht von einer Prozessstandschaft entsprechend § 265 Abs. 2 Satz 1 ZPO ausgegangen wäre, den Antragsgegner aber zu Unrecht zur Zahlung an die nicht mehr aktivlegitimierte Antragstellerin verurteilt hätte, kein Ergebnis vor, das mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar wäre. Das Argument der Rechtsbeschwerde, dass der Antragsgegner sich wegen seiner Kenntnis der Abtretung nicht mit Erfolg auf die Schutzvorschrift des § 407 Abs. 1 BGB berufen könne und daher der Gefahr einer - wegen des Sitzes der Antragstellerin in Zypern faktisch irreversiblen - Doppelzahlung ausgesetzt sei, überzeugt nicht. Gegen eine doppelte Inanspruchnahme kann sich der Antragsgegner zum einen durch eine Hinterlegung des Betrags und zum anderen durch eine nach § 409 Abs. 1 BGB auch gegenüber der Antragstellerin wirksame Zahlung an die Zessionarin schützen (vgl. BGH, Urteil vom 26. Januar 1983 - VIII ZR 258/81, BGHZ 86, 337, 339 f. [juris Rn. 15] mwN; Urteil vom 19. Oktober 2000 - IX ZR 255/99, BGHZ 145, 352, 355 bis 357 [juris Rn. 15 f.]).

[25] III. Danach ist die Rechtsbeschwerde mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

Koch Löffler Schwonke

Odörfer Wille

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