BGH, Beschluss vom 24. Juli 2024 - IV ZB 8/23

27.08.2024

BUNDESGERICHTSHOF

vom

24. Juli 2024

in der Nachlasssache


Nachschlagewerk: ja


BGHZ: nein

BGHR: ja


BGB §§ 1888, 1880 Abs. 1; VBVG § 3 Abs. 1


Bei einem teilmittellosen Nachlass sind die Gerichtskosten des Nachlasspflegschaftsverfahrens (Nr. 12311 f. KV GNotKG) und die Vergütung des berufsmäßigen Nachlasspflegers (§ 1888 Abs. 2 Satz 2 BGB) nicht gleichrangig nach dem Verhältnis ihrer Beträge aus dem Nachlass zu befriedigen. Vielmehr kommt der Vergütung des Nachlasspflegers der Vorrang zu.


BGH, Beschluss vom 24. Juli 2024 - IV ZB 8/23 - OLG Hamburg, AG Hamburg-Altona


Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitz-

enden Richter Prof. Dr. Karczewski, die Richterinnen Harsdorf-Gebhardt, Dr. Brockmöller, die Richter Rust und Piontek

am 24. Juli 2024

beschlossen:

Auf die Rechtsbeschwerde des Beteiligten zu 1 wird der Beschluss des Hanseatischen Oberlandesgerichts - 2. Zivilsenat - vom 28. Februar 2023 aufgehoben.

Die dem Beteiligten zu 1 für seine Tätigkeit als Nachlasspfleger zu bewilligende Vergütung wird auf 1.396,96 € festgesetzt. Die Vergütung ist in Höhe von 1.377,11 € aus dem Nachlass und in Höhe von 19,85 € aus der Staatskasse zu erstatten.

Die Rechtsmittelverfahren sind gerichtskostenfrei.

Gründe:

[1] I. Das Nachlassgericht ordnete mit Beschluss vom 23. April 2021 die Nachlasspflegschaft für die unbekannten Erben des Erblassers an und setzte den Beteiligten zu 1 als berufsmäßigen Nachlasspfleger zur Sicherung und Verwaltung des Nachlasses sowie zur Ermittlung der Erben ein.

[2] Mit Antrag vom 20. Oktober 2021 verlangte der Beteiligte zu 1 die Festsetzung einer Vergütung für 12 Stunden und Anerkennung eines Aufwendungsersatzes in Höhe von 40,22 € brutto. Das Nachlassgericht hat mit Beschluss vom 2. März 2022 unter Zugrundelegung eines Aktivnachlasses in Höhe von 1.417,33 € eine Vergütung in Höhe von 1.377,11 € für 11,57 Stunden zu einem Stundensatz in Höhe von 100 € zzgl. 19 Prozent Umsatzsteuer aus dem Nachlass und eine solche in Höhe von 19,85 € für 0,43 Stunden zu einem Stundensatz in Höhe von 39 € zzgl. 19 Prozent Umsatzsteuer aus der Staatskasse bewilligt. Auf die Erinnerung der Bezirksrevisorin, mit der diese die Nichtberücksichtigung von Gerichtskosten in Höhe von 200 € gerügt hat, hat das Nachlassgericht diesen Beschluss abgeändert und eine Vergütung unter Beibehaltung der im Beschluss vom 2. März 2022 zugrunde gelegten Stundensätze in Höhe von 1.204 € für zehn Stunden aus dem Nachlass und in Höhe von 92,82 € für zwei Stunden aus der Staatskasse bewilligt. Das Oberlandesgericht hat die Beschwerde des Beteiligten zu 1 zurückgewiesen.

[3] Hiergegen richtet sich die vom Oberlandesgericht zugelassene Rechtsbeschwerde des Beteiligten zu 1, mit der er die Wiederherstellung des Beschlusses vom 2. März 2022 erstrebt.

[4] II. Die zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet.

[5] 1. Das Beschwerdegericht hat ausgeführt, die Gerichtskosten des Nachlasspflegschaftsverfahrens und die Gebühren des Nachlasspflegers seien analog § 324 Abs. 1 Nr. 4 InsO gleichrangig und quotal aus dem Aktivnachlass zu befriedigen, wenn das vorhandene Aktivvermögen nicht ausreiche, um beide Kostenpositionen abzudecken. Hinsichtlich seiner danach unberücksichtigt bleibenden zeitlichen Aufwände könne der Nachlasspfleger nur einen abgesenkten Gebührenanspruch gegen die Staatskasse geltend machen. Wegen der thematischen Nähe der Verwaltung eines teilmittellosen Nachlasses durch einen Pfleger zu derjenigen einer masseunzulänglichen Nachlassinsolvenz und des Umstandes, dass der Nachlasspfleger in dieser Situation im Interesse der Erben die Einleitung eines Nachlassinsolvenzverfahrens zu prüfen habe, dränge sich die Heranziehung insolvenzrechtlicher Regeln auf. Darüber hinaus lasse sich der Insolvenzordnung der allgemeine Grundsatz entnehmen, dass in Verfahren, in denen zur Wahrung privater Interessen ein amtlich bestellter Verwalter bzw. Pfleger eingesetzt werde, wodurch zu Lasten des verwalteten Vermögens sowohl Gerichtskosten als auch Kosten des Verwalters bzw. Pflegers entstünden, diese für die Durchführung des Verfahrens notwendigen Kostenpositionen gleichrangig und mit Vorrang vor anderen

(Masse-)Verbindlichkeiten zu befriedigen seien. Dies ergebe sich aus § 26 Abs. 1, § 207 Abs. 1, § 209 Nr. 1 InsO, jeweils in Verbindung mit § 54 InsO. Auch dies spreche für eine Analogie, wobei bei dieser Betrachtung die Kosten des Nachlassverfahrens denjenigen des späteren Insolvenzverfahrens gleichzusetzen seien.

[6] 2. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts sind die Gerichtskosten des Nachlasspflegschaftsverfahrens (Nr. 12311 f. KV GNotKG) und die Vergütung des berufsmäßigen Nachlasspflegers (§ 1888 Abs. 2 BGB) nicht gleichrangig nach dem Verhältnis ihrer Beträge aus dem Nachlass zu befriedigen, wenn der Nachlass nicht zur vollständigen Begleichung dieser Nachlassverbindlichkeiten ausreicht. Vielmehr kommt der Vergütung des Nachlasspflegers der Vorrang zu.

[7] a) Die Frage, ob und in welchem Umfang sich die Gerichtskosten der Nachlasspflegschaft bei einem dergestalt dürftigen Nachlass auf die Höhe der Vergütung des Nachlasspflegers auswirken, ist streitig. Teilweise wird von einer gleichrangigen und verhältnismäßigen Berücksichtigung beider Nachlassverbindlichkeiten ausgegangen (so das Beschwerdegericht und Krug in NK-BGB, 6. Aufl. § 1960 Rn. 107a). Eine andere Auffassung weist den Gerichtskosten in der Reihenfolge der Gläubigerbefriedigung einen ersten Rang zu, betont jedoch zugleich, dass der Nachlasspfleger die im Nachlassinsolvenzverfahren geltende Rangfolge nicht beachten müsse und berechtigt sei, seine Vergütung und seine Auslagen vorab dem Nachlass zu entnehmen (Schulz in Schulz, Handbuch Nachlasspflegschaft 2. Aufl. § 9 Rn. 63, 67 f., 96; Sonnenberg in Siebert, Nachlasspflegschaft 7. Aufl. Rn. 566 f., 570, 1020; Zimmermann, Die Nachlasspflegschaft 6. Aufl. Rn. 592, 593a). Eine weitere Ansicht (Bestelmeyer, Rpfleger 2021, 616, 628; Lauk, NLPrax 2022, 53, 55 f.) geht von einer Vorrangigkeit der Nachlasspflegervergütung im Verhältnis zu allen anderen Verbindlichkeiten aus und ist der Auffassung, eine andere, gleichrangige Befriedigungsreihenfolge von Nachlasspflegervergütung und Gerichtskosten sei nach § 324 InsO nur im Nachlassinsolvenzverfahren vorgesehen.

[8] b) Die letztgenannte Ansicht trifft zu. Eine analoge Anwendung insolvenzrechtlicher Rangvorschriften kommt nicht in Betracht.

[9] aa) Eine Analogie ist nur zulässig, wenn das Gesetz eine planwidrige Regelungslücke enthält und der zu beurteilende Sachverhalt in rechtlicher Hinsicht so weit mit dem Tatbestand vergleichbar ist, den der Gesetzgeber geregelt hat, dass angenommen werden kann, der Gesetzgeber wäre bei einer Interessenabwägung, bei der er sich von den gleichen Grundsätzen hätte leiten lassen wie bei dem Erlass der herangezogenen Gesetzesvorschrift, zu dem gleichen Abwägungsergebnis gekommen. Die Lücke muss sich also aus einem unbeabsichtigten Abweichen des Gesetzgebers von seinem - dem konkreten Gesetzgebungsvorhaben zugrundeliegenden - Regelungsplan ergeben (Senatsurteile vom 30. November 2022 - IV ZR 143/21, NJW-RR 2023, 177 Rn. 13; vom 18. Oktober 2017 - IV ZR 97/15, NJW-RR 2017, 1416 Rn. 22; jeweils m.w.N.; st. Rspr.).

[10] bb) Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Es fehlt bereits an einer planwidrigen Regelungslücke.

[11] (1) Zwar findet sich im Bürgerlichen Gesetzbuch keine ausdrückliche Regelung zur Befriedigungsreihenfolge von Gerichtskosten und Vergütung des Nachlasspflegers. Aus den Vorschriften zur Vergütungshöhe ergibt sich aber, dass die Vergütung des Nachlasspflegers im Range vorgeht. So hat der berufsmäßig tätige Nachlasspfleger gemäß § 1888 Abs. 2 Satz 2 BGB Anspruch auf eine - im Vergleich zu den Stundensätzen des § 3 Abs. 1 Vormünder- und Betreuervergütungsgesetz in Verbindung mit § 1888 Abs. 2 Satz 1 BGB - höhere Vergütung, sofern der Nachlass nicht mittellos ist. Für die Frage der Mittellosigkeit kommt es gemäß § 1880 Abs. 1 BGB in Verbindung mit § 1888 Abs. 1 BGB bzw. der Vorgängerregelung in § 1836d BGB allein darauf an, ob ausreichend Mittel für die Begleichung der Ansprüche des Nachlasspflegers vorhanden sind. Ob daneben noch Nachlassvermögen zur Verfügung steht, um die Gerichtskosten des Nachlasspflegschaftsverfahrens begleichen zu können, ist demgegenüber aufgrund des eindeutigen Wortlauts für die Beurteilung der Mittellosigkeit irrelevant. Hätten die Verbindlichkeiten im Verhältnis der Gleichrangigkeit stehen sollen, wäre es naheliegend gewesen, dies im Gesetz eindeutig zum Ausdruck zu bringen. Dies gilt umso mehr, als Gerichtskosten - ebenso wie die Vergütung des Nachlasspflegers - bei Anordnung einer Nachlasspflegschaft immer anfallen (vgl. Nr. 12311 f. KV GNotKG).

[12] Eine vom Wortlaut abweichende gesetzgeberische Intention eines Gleichrangs ist auch den Gesetzesmaterialien nicht zu entnehmen (vgl. BT-Drucks. 19/24445 S. 314, 316 f.; ferner BT-Drucks. 15/4874 S. 27

zur Vorgängerregelung in § 1915 Abs. 1 Satz 2 BGB sowie BT-Drucks. 13/7158 S. 31 f., 48 zur Vorgängerregelung in § 1836d BGB).

[13] (2) Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Senatsbeschluss vom 29. Juni 2021 (IV ZB 16/20, ZEV 2021, 567). Zwar hat der Senat dort entschieden, dass die (durch § 1880 BGB mit Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts vom 4. Mai 2021 zum 1. Januar 2023 ersetzte) Vorschrift des § 1836d Nr. 1 BGB in der damals geltenden Neufassung des Bürgerlichen Gesetzbuchs vom 2. Januar 2002 (BGBl. I S. 42) auf die Frage, ob der Nachlass im Sinne von § 1915 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 BGB in der damals geltenden Fassung des Gesetzes vom 17. Dezember 2008 (BGBl. I S. 2586) mittellos ist, nicht anzuwenden ist (Senatsbeschluss vom 29. Juni 2021 aaO Rn. 12). Dies gilt aber, wie sich der Begründung im Einzelnen entnehmen lässt (vgl. Senatsbeschluss vom 29. Juni 2021 aaO Rn. 13 ff.), lediglich, soweit die Vorschrift Regelungen zur Schonung des Vermögens und der finanziellen Leistungsfähigkeit sowie zu einer fiktiven Mittellosigkeit trifft. Dies hindert es nicht, diese Regelungen auf die anders liegende Frage anzuwenden, welche Nachlassverbindlichkeiten bei der Beurteilung der Mittellosigkeit Berücksichtigung finden können, denn insoweit stehen der Wortlaut der Regelung, der Charakter der in Frage stehenden Art der Pflegschaft und der Sinn und Zweck der Vorschrift (vgl. Senatsbeschluss vom 29. Juni 2021 aaO Rn. 13 m.w.N. zu den einzelnen Gründen für die Unanwendbarkeit einer Vorschrift) einer Anwendung nicht entgegen. Hinzu kommt, dass auch von Rechtsprechung und Schrifttum - jedenfalls im Grundsatz - der Begriff der Mittellosigkeit dahingehend verstanden wird, dass ein mittelloser Nachlass dann nicht vorliegt, wenn der Nachlass über hinreichende Mittel zur Bezahlung der Nachlasspflegervergütung verfügt (Senatsbeschluss vom 29. Juni 2021 aaO Rn. 10; OLG Düsseldorf FamRZ 2020, 873 [juris Rn. 19]; OLG Frankfurt FamRZ 2019, 393 [juris Rn. 16]; OLG Schleswig NZI 2014, 712 [juris Rn. 16]; BayObLG FamRZ 2000, 1447 [juris Rn. 23]; Leipold in MünchKomm-BGB, 9. Aufl. § 1960 Rn. 90; Mešina in Staudinger, BGB (2017) § 1960 Rn. 34c; Naczinsky in Soergel, BGB 14. Aufl. § 1960 Rn. 47; Weidlich in Grüneberg, BGB 83. Aufl. § 1960 Rn. 24; Gleumes in Schulz, Handbuch Nachlasspflegschaft 2. Aufl. § 7 Rn. 9; Homann, Die Vergütung von Nachlasspfleger, Testamentsvollstrecker, Nachlassverwalter und Nachlassinsolvenzverwalter, 2007, S. 32; Sonnenberg in Siebert, Nachlasspflegschaft 7. Aufl. Rn. 1020; Zimmermann, Die Nachlasspflegschaft 6. Aufl. Rn. 769; Reinert, ErbR 2021, 97).

[14] (3) Hieraus folgt, dass bei gleicher Höhe des Aktivnachlasses und der nach § 1888 Abs. 2 Satz 2 BGB bemessenen Vergütung des Nachlasspflegers der Nachlass vollständig durch die Vergütung des Nachlasspflegers aufgezehrt wird und keine Restmittel verbleiben, aus denen die Gerichtskosten entrichtet werden könnten. Zu dem sich so ergebenden Vorrang der Nachlasspflegervergütung vor den Gerichtskosten stünde es im Widerspruch, bei einem teilmittellosen Nachlass, bei dem der Nachlass nicht zur Begleichung der gesamten Nachlasspflegervergütung ausreicht, ein gleichrangiges Befriedigungsrecht der Staatskasse anzunehmen. Es ist nicht gerechtfertigt, dass die Staatskasse in dem Fall, in dem der Nachlass gerade ausreicht, um die (erhöhten) Pflegerkosten zu decken, mit ihrer Forderung ausfallen, bei einem teilmittellosen - und damit geringeren - Nachlass jedoch ein Befriedigungsrecht erhalten soll. Eine derartige ungerechtfertigte Ungleichbehandlung vergleichbarer Sachverhalte mit der Konsequenz einer Begünstigung der Staatskasse zu Lasten des Nachlasspflegers bei teilmittellosem Nachlass stünde überdies mit dem Ziel des Gesetzgebers, eine unangemessen niedrige Vergütung des Pflegers zu verhindern (vgl. BT-Drucks. 15/4874 S. 27 zur Vorgängerregelung in § 1915 Abs. 1 Satz 2 BGB), nicht in Einklang.

[15] cc) Für einen Vorrang der Nachlasspflegervergütung spricht überdies ein Vergleich mit der Rechtslage, die dem Aufwendungsersatzanspruch des einen dürftigen Nachlass verwaltenden Erben zugrundeliegt.

[16] (1) Kommt - wie hier - die Anordnung der Nachlassverwaltung oder die Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens wegen Mangels einer den Kosten entsprechenden Masse nicht in Betracht, kann der Erbe gemäß § 1990 Abs. 1 Satz 1 BGB die Dürftigkeitseinrede erheben. § 1991 Abs. 1 BGB bestimmt für diesen Fall, dass auf den Ersatz der Aufwendungen des Erben die Vorschrift des § 1978 Abs. 3 BGB Anwendung findet. Danach sind dem Erben Aufwendungen aus dem Nachlass zu ersetzen, soweit er nach den Vorschriften über den Auftrag oder über die Geschäftsführung ohne Auftrag Ersatz verlangen könnte. Erbringt der Erbe im Zuge der Verwaltung des Nachlasses Dienste, die zu seinem Gewerbe oder Beruf gehören, so kann er in analoger Anwendung des § 1877 Abs. 3 BGB abweichend von § 662 BGB aus § 670 BGB auch ein Entgelt für seine Tätigkeit verlangen (vgl. Herzog in BeckOGK-BGB, § 1978 Rn. 76 [Stand: 1. April 2024]; ähnlich Dobler in Staudinger, BGB (2020) § 1978 Rn. 26). Der Erbe ist mit Ausnahme der in § 1991 Abs. 3 und 4 BGB geregelten Verbindlichkeiten bei einem dürftigen Nachlass an eine Befriedigungsreihenfolge nicht gebunden (vgl. BGH, Urteil vom 13. Juli 1989 - IX ZR 227/87, NJW-RR 1989, 1226 [juris Rn. 37]; Gottwald in Praxiskommentar Erbrecht, 4. Aufl. § 1991 Rn. 5; Horn in Erman, BGB 17. Aufl. § 1991 Rn. 3; Weidlich in Grüneberg, BGB 83. Aufl. § 1991 Rn. 3 ff.; Pfeuffer in Roth/Pfeuffer, Praxishandbuch für Nachlassinsolvenzverfahren, 2009 S. 389; Tidow, Aufwendungen und Vergütungen des Nachlaßpflegers, 1990, S. 43 f.; Herzog, ErbR 2013, 70, 76). Die im Nachlassinsolvenzverfahren geltende Rangordnung hat er lediglich für die in § 1991 Abs. 4 BGB aufgeführten Verbindlichkeiten zu beachten. Hinsichtlich seiner eigenen Aufwendungen (§ 1991 Abs. 1, § 1978 Abs. 3 BGB) oder sonstiger (§ 1991 Abs. 2 BGB) Ansprüche darf er sich vorweg befriedigen (Senatsurteil vom 10. November 1982 - IVa ZR 29/81, BGHZ 85, 274, 287 [juris Rn. 38] m.w.N.). Wird der Nachlass hierdurch erschöpft, verbleibt kein Restnachlass, der vom Erben gemäß § 1990 Abs. 1 Satz 2 BGB herausgegeben werden könnte. Die übrigen Gläubiger fallen mit ihren Forderungen aus.

[17] (2) Ähnlich liegt es bei der Tätigkeit des zur Sicherung und Verwaltung eines dürftigen Nachlasses bestellten Nachlasspflegers. Dieser ist gesetzlicher Vertreter des Erben (Senatsbeschluss vom 16. März 2022 - IV ZB 27/21, ZEV 2022, 341 Rn. 7). Als solcher ist er wie der Erbe selbst gemäß § 1990 Abs. 1 BGB befugt, die Dürftigkeitseinrede zu erheben (vgl. Senatsbeschluss vom 16. März 2022 aaO Rn. 14 m.w.N.). In Ausübung seiner Pflicht, den Nachlass zu erhalten, zu verwalten und die Vermögensinteressen der noch festzustellenden Erben wahrzunehmen (Senatsbeschluss vom 17. Mai 2023 - IV ZR 344/22, ZEV 2024, 25 Rn. 19), entstehen Vergütungs- und Aufwendungsersatzansprüche, die - wie die Aufwendungsersatzansprüche des Erben - mit der ordnungsgemäßen Verwaltung des Nachlasses einhergehen. Auch der Nachlasspfleger ist vorbehaltlich der in § 1991 Abs. 3 und 4 BGB geregelten Fälle bei der Begleichung von Nachlassverbindlichkeiten keiner Befriedigungsreihenfolge unterworfen (Schulz in Schulz, Handbuch Nachlasspflegschaft 2. Aufl. § 9 Rn. 63; Sonnenberg in Siebert, Nachlasspflegschaft 7. Aufl. Rn. 566; Zimmermann, Die Nachlasspflegschaft 6. Aufl. Rn. 593a; Eulberg/Ott-Eulberg, Die Nachlaßpflegschaft in der anwaltlichen Praxis, 1999, § 3 Rn. 20). Da er anstelle des Erben den Nachlass verwaltet, besteht kein Grund, Nachlassgläubiger allein deswegen zu privilegieren, weil nicht der (unbekannte) Erbe selbst, sondern sein gesetzlicher Vertreter die erforderlichen Verwaltungsmaßnahmen vornimmt und Ansprüche in eigenem Namen geltend macht. Dies spricht dafür, den Nachlasspfleger dem Erben hinsichtlich seiner Ansprüche auf Vergütung und Aufwendungsersatz gleichzustellen und ihm wie diesem ein Vorwegbefriedigungsrecht zuzugestehen (so bereits für das Nachlassinsolvenzverfahren BGH, Beschluss vom 15. Dezember 2005 - IX ZA 3/04, FamRZ 2006, 411 [juris Rn. 5]; siehe auch Küpper in MünchKomm-BGB, 9. Aufl. § 1991 Rn. 8 und Fn. 20).

[18] dd) Entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts ist die Anwendung insolvenzrechtlicher Rangvorschriften auch nicht wegen einer inhaltlichen Nähe der Verwaltung eines teilmittellosen Nachlasses durch einen Nachlasspfleger zu einem Insolvenzverfahren, bei dem Masseunzulänglichkeit (§ 208 InsO) vorliegt, gerechtfertigt.

[19] (1) Nachlasspflegschaftsverfahren und Nachlassinsolvenzverfahren liegen unterschiedliche Regelungszwecke zugrunde, die einer Vergleichbarkeit entgegenstehen. Das Nachlasspflegschaftsverfahren bezweckt die Sicherung und Erhaltung des Nachlasses (vgl. Senatsurteile vom 8. Dezember 2004 - IV ZR 199/03, BGHZ 161, 281, 287 [juris Rn. 19]; vom 22. Januar 1981 - IVa ZR 97/80, NJW 1981, 2299 [juris Rn. 9]). Es handelt sich um eine staatliche Fürsorgemaßnahme, die allein im Interesse des Erben erfolgt (vgl. OLG Dresden ZEV 2010, 582 [juris Rn. 7]; Heinemann in BeckOGK-BGB, § 1960 Rn. 62 [Stand: 1. Mai 2024]; Leipold in MünchKomm-BGB, 9. Aufl. § 1960 Rn. 25; Mešina in Staudinger, BGB (2017) § 1960 Rn. 13; Weidlich in Grüneberg, BGB 83. Aufl. § 1960 Rn. 5; Krätzschel in Krätzschel/Falkner/Döbereiner, Nachlassrecht 12. Aufl. § 41 Rn. 11; Haas, ZEV 2009, 270, 273). Die Befriedigung der Nachlassgläubiger ist nicht Zweck der Nachlasspflegschaft, sondern allenfalls eine mit der Amtstätigkeit des Nachlasspflegers verbundene Nebenwirkung (OLG München ZEV 2019, 267 Rn. 4; Heinemann aaO; Fröhler, BWNotZ 2011, 2, 7; Haas aaO).

[20] Das Nachlassinsolvenzverfahren dient demgegenüber wie jedes Insolvenzverfahren gemäß § 1 InsO der gemeinschaftlichen Gläubigerbefriedigung. Neben der Nachlassverwaltung ist es überdies ein Mittel zur Beschränkung der Haftung des Erben auf den Nachlass (§ 1975 BGB). Schon im Hinblick auf die unterschiedlichen Zielsetzungen des Gesetzgebers erscheint es nicht gerechtfertigt, gesetzliche Wertungen aus dem Nachlassinsolvenzverfahren auf das Nachlasspflegschaftsverfahren zu übertragen. Dies ist auch bei teilmittellosen Nachlässen nicht anders zu bewerten, denn ob ein Nachlass nicht mittellos, teilmittellos oder mittellos ist, hat keinen Einfluss auf die Verfahrenszwecke.

[21] (2) Auch die Begrifflichkeiten "teilmittellos" und "masseunzulänglich" sind weder deckungsgleich noch vergleichbar. Bei einem teilmittellosen Nachlass sind - wie eingangs dargelegt - bereits die Kosten des Pflegschaftsverfahrens in Gestalt der Nachlasspflegervergütung nicht gedeckt. Eine vergleichbare Kostenunterdeckung hinsichtlich der Vergütung des Insolvenzverwalters würde im Falle des Nachlassinsolvenzverfahrens gemäß § 26 Abs. 1 Satz 1 InsO in Verbindung mit § 54 InsO zur Abweisung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse führen. Ein Nachlasspfleger würde bei einer derartigen Sachlage entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts die Einleitung eines Nachlassinsolvenzverfahrens in Anbetracht der offensichtlichen Kostenunterdeckung nicht prüfen, sondern hiervon von vornherein absehen. Die Problematik der Kürzung der Vergütung des Insolvenzverwalters im Hinblick auf gleichrangige Gerichtskosten stellt sich in einem solchen Fall nicht.

[22] Im Falle der Masseunzulänglichkeit sind demgegenüber gemäß § 208 Abs. 1 Satz 1 InsO die Kosten des Insolvenzverfahrens und damit auch die Vergütung des Insolvenzverwalters (§ 54 Nr. 2 InsO) gedeckt. Dies entspricht wiederum im Nachlasspflegschaftsverfahren keinem teilmittellosen, sondern einem nicht mittellosen Nachlass, der hier gerade nicht vorliegt.

[23] ee) Der Insolvenzordnung lässt sich - anders als das Beschwerdegericht meint - auch kein allgemeiner Grundsatz entnehmen, dass Gerichtskosten und Verwalter- bzw. Pflegervergütung immer gleichrangig und mit Vorrang vor anderen Verbindlichkeiten zu befriedigen seien, wenn zur Wahrung privater Belange ein amtlich bestellter Verwalter bzw. Pfleger eingesetzt werde. Die zitierten Vorschriften (§ 26 Abs. 1, § 207 Abs. 1, § 209 Abs. 1 Nr. 1 InsO i.V.m. § 54 InsO) betreffen nur das Insolvenzverfahren. Da eine Regelungslücke - wie bereits aufgezeigt - nicht besteht, kommt eine analoge Anwendung nicht in Betracht. Das Beschwerdegericht verkennt in diesem Zusammenhang überdies, dass eine nur teilweise Übertragung der insolvenzrechtlichen Vorschriften - hier der Rangregelungen - zu einer nicht gerechtfertigten Schlechterstellung des Nachlasspflegers führen würde. Denn im Gegensatz zum Nachlassinsolvenzverwalter hat der Nachlasspfleger, dessen Vergütung nach Ansicht des Beschwerdegerichts in analoger Anwendung der § 209 Abs. 1 Nr. 1, § 54 InsO den Rang der Gerichtskosten teilen soll, keine Möglichkeit, den Nachlass durch anfechtungsrechtliche Ansprüche nach §§ 129 ff. InsO anzureichern und damit indirekt auf die Höhe seiner Vergütung Einfluss zu nehmen (vgl. hierzu Schulz in Schulz, Handbuch Nachlasspflegschaft 2. Aufl. § 9 Rn. 47; Roth, Rpfleger 2019, 495, 496). Überdies hat der Nachlassinsolvenzverwalter im Gegensatz zum Nachlasspfleger Anspruch auf eine Mindestvergütung in Höhe von in der Regel 1.400 € (§ 2 Abs. 2 Insolvenzrechtliche Vergütungsverordnung). Auch diese Umstände verdeutlichen, dass die Übertragung insolvenzrechtlicher Regelungen nicht interessengerecht wäre.

[24] III. Die angefochtene Entscheidung des Beschwerdegerichts kann daher keinen Bestand haben. Die Sache ist zur Endentscheidung reif (§ 74 Abs. 6 Satz 1 FamFG), weil eine weitere Sachaufklärung nicht erforderlich ist. Die Feststellungen des Beschwerdegerichts zu den sonstigen vergütungsrelevanten Tatsachen lassen Rechtsfehler nicht erkennen.

[25] Ausgehend von einem Aktivnachlass in Höhe von 1.417,33 €, einem Stundensatz im Anwendungsbereich des § 1888 Abs. 2 Satz 2 BGB in Höhe von 100 € und zwölf geleisteten Stunden ist nach Abzug der Aufwendungen in Höhe von 40,22 €, hinsichtlich derer es in analoger Anwendung des § 292 Abs. 1 Nr. 1 FamFG jedenfalls, soweit der Aktivnachlass wie hier zu deren Deckung ausreicht, keiner Vergütungsfestsetzung bedarf (Giers in Sternal, FamFG 21. Aufl. § 292 Rn. 3; Heinemann in BeckOGK-BGB, § 1960 Rn. 477 [Stand: 1. Mai 2024]), eine Vergütung in Höhe von 1.396,96 € einschließlich Umsatzsteuer festzusetzen. Diese ist in Höhe von 1.377,11 € (11,57235 Stunden x 100 € zzgl. 19 Prozent Umsatzsteuer) aus dem Nachlass und in Höhe von 19,85 € (0,42765 Stunden x 39 € zzgl. 19 Prozent Umsatzsteuer) aus der Staatskasse zu erstatten.

[26] Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird gemäß § 74 Abs. 7 FamFG abgesehen.

Prof. Dr. Karczewski Harsdorf-Gebhardt Dr. Brockmöller

Rust Piontek

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