BGH, Beschluss vom 27. Juli 2023 - I ZB 74/22

15.08.2023

BUNDESGERICHTSHOF

Verkündet am:

27. Juli 2023

HemmingerJustizangestellteals Urkundsbeamtinder Geschäftsstelle

in dem Verfahren

auf Feststellung der Unzulässigkeit des Schiedsverfahrens


Nachschlagewerk: ja


BGHZ: nein

BGHR: ja


ZPO § 1032 Abs. 2


Als Mindestvoraussetzung für einen zulässigen Antrag nach § 1032 Abs. 2 ZPO muss eine konkrete Schiedsvereinbarung zwischen den Parteien mit einem potenziell daraus erwachsenden Schiedsverfahren vorgetragen werden. Eine nur potenzielle oder zukünftige Schiedsvereinbarung zwischen den Parteien genügt nicht.


BGH, Beschluss vom 27. Juli 2023 - I ZB 74/22 - OLG Köln


Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 17. Mai 2023 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Koch, den Richter Feddersen, die Richterinnen Pohl und Dr. Schmaltz sowie den Richter Odörfer

beschlossen:

Auf die Rechtsbeschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des 19. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 1. September 2022 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als hinsichtlich des Antrags zu 2 zum Nachteil der Antragsgegnerin erkannt worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird der Antrag zu 2 auf Feststellung, dass jegliches schiedsrichterliche Verfahren zwischen dem Antragsteller und der Antragsgegnerin auf der Grundlage von Art. 26 Abs. 3 und 4 ECV unzulässig ist, als unzulässig verworfen.

Die Kosten des Verfahrens tragen der Antragsteller zu 40 % und die Antragsgegnerin zu 60 %.

Der Wert des Beschwerdegegenstands wird bis zum 4. Mai 2023 auf 30 Mio. € und danach auf 10 Mio. € festgesetzt.

Gründe:

[1] A. Der Antragsteller ist das Königreich der Niederlande (nachfolgend "Niederlande"). Die Antragsgegnerin hat ihren satzungsmäßigen Sitz in der Bundesrepublik Deutschland (nachfolgend "Deutschland"). Sie investiert unter anderem in die konventionelle Stromerzeugung aus Kohle.

[2] Die Antragsgegnerin sieht ihre Investitionen in das im Staatsgebiet des Antragstellers in M. gelegene Kohlekraftwerk aufgrund der regulatori-

schen Entscheidung des Antragstellers, bis 2030 aus der Kohleverstromung auszusteigen, geschädigt. Sie reichte daher am 22. April 2021 mit zwei weiteren Schiedsklägerinnen einen Antrag auf Einleitung eines Schiedsverfahrens gegen den Antragsteller auf Grundlage des Energiecharta-Vertrags beim Internationalen Zentrum zur Beilegung von Investitions-Streitigkeiten (International Centre for Settlement of Investment Disputes; nachfolgend "ICSID" bzw. "Zentrum") ein. Das Verfahren wurde zum Aktenzeichen ICSID ARB/21/22 registriert. Die Schiedsklägerinnen bezifferten ihre Ansprüche auf Hunderte von Millionen Euro. Mit Schriftsatz vom 20. Dezember 2022 stellten die Schiedsklägerinnen einen Antrag auf Verfahrensbeendigung ("discontinuance of the proceedings"), dem der Antragsteller mit Schriftsatz vom 6. Januar 2023 nicht entgegentrat. Mit Beschluss vom 17. März 2023 stellte das Schiedsgericht das Verfahren ein.

[3] Der Energiecharta-Vertrag ist ein multilaterales Abkommen zur Kooperation im Energiesektor, das von 49 Staaten sowie der Europäischen Union (EU) und der Europäischen Atomgemeinschaft (Euratom) ratifiziert wurde und am 16. April 1998 in Kraft trat. Seit diesem Tag ist der Energiecharta-Vertrag nach Zustimmung durch Gesetz vom 20. Dezember 1996 (BGBl. II 1997 S. 4) auch in Deutschland (BGBl. II 1998 S. 3009; nachfolgend "ECV") und, nach Ratifikation am 11. Dezember 1997, in den Niederlanden in Kraft.

[4] In Art. 10 ECV sichern sich die Vertragsparteien die Förderung und den Schutz von Investitionen durch die Schaffung stabiler, gerechter, günstiger und transparenter Bedingungen für Investoren anderer Vertragsstaaten zu. In Art. 13 ECV wird unter anderem Schutz vor entschädigungslosen Enteignungen gewährt. Beide Regelungen finden sich in Teil III des Energiecharta-Vertrags. Nach Art. 26 ECV besteht für den Investor aus einem Vertragsstaat die Möglichkeit, einen anderen Vertragsstaat wegen möglicher Verletzungen des Energiecharta-Vertrags im Wege eines Schiedsverfahrens in Anspruch zu nehmen. Die Vorschrift lautet auszugsweise:

(1) Streitigkeiten zwischen einer Vertragspartei und einem Investor einer anderen Vertragspartei über eine Investition des letzteren im Gebiet der ersteren, die sich auf einen behaupteten Verstoß der ersteren Vertragspartei gegen eine Verpflichtung aus Teil III beziehen, sind nach Möglichkeit gütlich beizulegen.

(2) Können solche Streitigkeiten nicht innerhalb von drei Monaten nach dem Zeitpunkt, zu dem eine der Streitparteien um eine gütliche Beilegung ersucht hat, nach Absatz 1 beigelegt werden, so kann der Investor als Streitpartei die Streitigkeit auf folgende Weise beilegen lassen:

a) durch die Zivil- oder Verwaltungsgerichte der an der Streitigkeit beteiligten Vertragspartei;

b) im Einklang mit einem anwendbaren, zuvor vereinbarten Streitbeilegungsverfahren oder

c) im Einklang mit den folgenden Absätzen.

(3) a) Vorbehaltlich nur der Buchstaben b und c erteilt jede Vertragspartei hiermit ihre uneingeschränkte Zustimmung, eine Streitigkeit einem interna-tionalen Schieds- oder Vergleichsverfahren in Übereinstimmung mit diesem Artikel zu unterwerfen. ...

(4) Beabsichtigt ein Investor, die Streitigkeit einer Beilegung nach Absatz 2

Buchstabe c zu unterwerfen, so hat er ferner schriftlich seine Zustimmung zu erteilen, damit die Streitigkeit folgenden Stellen vorgelegt werden kann:

a) i) dem Internationalen Zentrum zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten, das im Rahmen des am 18. März 1965 in Washington zur Unterzeichnung aufgelegten Übereinkommens zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten zwischen Staaten und Angehörigen anderer Staaten (im folgenden als "ICSID-Übereinkommen" bezeichnet) errichtet wurde, falls sowohl die Vertragspartei des Investors als auch die an der Streitigkeit beteiligte Vertragspartei Vertragsparteien des ICSID-Übereinkommens sind, ...

(5) a) Die Zustimmung nach Absatz 3 zusammen mit der schriftlichen Zustimmung des Investors nach Absatz 4 wird so angesehen, als erfülle sie das Erfordernis

i) der schriftlichen Zustimmung der Streitparteien im Sinne des Kapitels II des ICSID-Übereinkommens und im Sinne der Regeln für die Zusatzeinrichtung, ...

(6) Ein nach Absatz 4 gebildetes Schiedsgericht entscheidet über die strittigen Fragen in Übereinstimmung mit diesem Vertrag und den geltenden Regeln und Grundsätzen des Völkerrechts. ...

[5] Mit dem Übereinkommen vom 18. März 1965 zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten zwischen Staaten und Angehörigen anderer Staaten (nachfolgend "ICSID-Übereinkommen") wurde ein Internationales Zentrum zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten errichtet, dessen Zweck es ist, nach Maßgabe des Übereinkommens Vergleichs- und Schiedseinrichtungen zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten zwischen Vertragsstaaten und Angehörigen anderer Vertragsstaaten zur Verfügung zu stellen (Art. 1 ICSID-Übereinkommen). Der Deutsche Bundestag stimmte dem ICSID-Übereinkommen mit Gesetz vom 25. Februar 1969 zu (BGBl. II S. 369; nachfolgend "InvStreitBeilG"); das Übereinkommen trat am 18. Mai 1969 in Kraft (BGBl. II S. 1191). Die Niederlande unterzeichneten das ICSID-Übereinkommen am 25. Mai 1966; es trat dort am 14. Oktober 1966 in Kraft.

[6] Der Antragsteller hat mit seinen am 10. Mai 2021 beim Oberlandesgericht eingegangenen Anträgen die Feststellung der Unzulässigkeit des zum Aktenzeichen ICSID ARB/21/22 eingeleiteten Schiedsverfahrens (Antrag zu 1) sowie jeglichen schiedsrichterlichen Verfahrens nach Art. 26 Abs. 3 und 4 ECV (Antrag zu 2) beantragt. Das Oberlandesgericht hat den Anträgen stattgegeben (OLG Köln, ZUR 2022, 684). Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Antragsgegnerin, mit der sie zunächst ihre zuletzt vor dem Oberlandesgericht gestellten Zurückweisungsanträge weiterverfolgt hat, bevor sie mit Schriftsatz vom 4. Mai 2023 abweichend von den Anträgen in der Rechtsbeschwerdebegründung beantragt hat, den angefochtenen Beschluss abzuändern und den Antrag zu 2 zurückzuweisen. Der Antragsteller beantragt, die Rechtsbeschwerde zurückzuweisen.

[7] B. Das Oberlandesgericht hat seine Entscheidung - soweit für das Rechtsbeschwerdeverfahren relevant - wie folgt begründet:

[8] Der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten sei gemäß § 13 GVG in Verbindung mit § 40 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 VwGO eröffnet. Die sachliche, örtliche und internationale Zuständigkeit folge aus § 1062 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 ZPO. Mangels inländischen Schiedsorts sei der Sitz der Antragsgegnerin maßgeblich, was die Zuständigkeit des Senats begründe. Der Antrag zu 2 sei zulässig und begründet. Die Zulässigkeit des Antrags nach § 1032 Abs. 2 ZPO erfordere noch keinen konkreten Streitfall. Das allein erforderliche allgemeine Rechtsschutzbedürfnis sei gegeben.

[9] C. Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO in Verbindung mit § 1065 Abs. 1 Satz 1, § 1062 Abs. 1 Nr. 2 Fall 1, § 1032 Abs. 2 ZPO) und auch sonst zulässig (§ 574 Abs. 2 ZPO). Sie erweist sich im Umfang des zulässig beschränkten Rechtsbeschwerdeantrags (dazu C I) auch als begründet. Der im Rechtsbeschwerdeverfahren allein noch zu überprüfende Antrag zu 2 ist unzulässig. Die deutschen Gerichte sind für die Entscheidung über den Antrag zwar international zuständig (dazu C II). Der Antrag auf Feststellung der Unzulässigkeit jeglichen schiedsrichterlichen Verfahrens zwischen den Parteien ist aber entgegen der Ansicht des Oberlandesgerichts mangels einer vom Antragsteller behaupteten Schiedsvereinbarung zwischen den Parteien unzulässig (dazu C III).

[10] I. Die Teilrücknahme durch die Beschränkung des Rechtsbeschwerdeantrags gemäß Schriftsatz vom 4. Mai 2023 ist zulässig.

[11] 1. Die Beschränkung der Rechtsbeschwerde auf den Antrag zu 2 stellt eine Teilrücknahme der Rechtsbeschwerde dar. Da die Antragsgegnerin innerhalb der verlängerten Frist des § 575 Abs. 2 Satz 1 und 3, § 551 Abs. 2 Satz 6 ZPO die Entscheidung des Oberlandesgerichts zunächst vollumfänglich angefochten hat, handelt es sich insbesondere nicht um die erstmalige Bestimmung des Rechtsmittelumfangs (siehe dazu BGH, Beschluss vom 3. Juli 1968 - VIII ZB 26/68, NJW 1968, 2106 [juris Rn. 4]; zur Revision vgl. BGH, Urteil vom 13. April 2010 - XI ZR 197/09, BGHZ 185, 166 [juris Rn. 7]; MünchKomm.ZPO/?Rimmelspacher, 6. Aufl., § 516 Rn. 17).

[12] 2. Für die (teilweise) Rücknahme der Rechtsbeschwerde gelten mangels besonderer Bestimmungen grundsätzlich die in § 516 ZPO normierten Regelungen zur Zurücknahme der Berufung entsprechend, sofern das Gesetz nichts anderes bestimmt (vgl. MünchKomm.ZPO/Hamdorf aaO § 575 Rn. 23 und § 569 Rn. 23). Eine Zustimmung des Gegners ist damit, zumindest wenn die (Teil­)Rücknahme - wie hier - vor der mündlichen Verhandlung erklärt wird, nicht erforderlich.

[13] 3. Die Teilrücknahme ist auch im Übrigen zulässig.

[14] a) Ein Rechtsmittel kann zwar nicht auf einzelne Rechtsfragen oder Anspruchselemente beschränkt werden, wohl aber auf einen tatsächlich und rechtlich selbständigen und damit abtrennbaren Teil des Gesamtstreitstoffs. Dafür reicht es aus, dass der von der Beschränkung betroffene Teil des Streits in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht unabhängig von dem übrigen Prozessstoff beurteilt werden kann und kein Widerspruch zwischen dem noch zur Entscheidung stehenden und dem unanfechtbaren Teil des Streitstoffs auftreten kann (zur Beschränkung der Revisionszulassung vgl. BGH, Beschluss vom 25. Juni 2019 - I ZR 91/18, juris Rn. 7 mwN).

[15] b) Danach ist die nach der Teilrücknahme auf den Antrag zu 2 als separaten Streitgegenstand beschränkte Rechtsbeschwerde zulässig. Insbesondere kann mit Blick auf die Frage der Statthaftigkeit eines Antrags nach § 1032 Abs. 2 ZPO bei (drohenden) ICSID-Schiedsverfahren kein Widerspruch zu der aufgrund der Teilrücknahme rechtskräftigen Entscheidung des Oberlandesgerichts über den Antrag zu 1 auftreten, weil es um unterschiedliche Zeitpunkte geht. Der Antrag zu 1 betrifft ein bereits eingeleitetes Schiedsverfahren, bei dem Antrag zu 2 geht es dagegen um potenzielle zukünftige Schiedsverfahren.

[16] II. Die deutschen Gerichte sind gemäß § 1025 Abs. 2 ZPO für den Antrag zu 2 nach § 1032 Abs. 2 ZPO international zuständig.

[17] 1. Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte ist im Rechtsbeschwerdeverfahren von Amts wegen zu prüfen. Die Prüfung ist nicht durch § 576 Abs. 2 ZPO ausgeschlossen; für das Rechtsbeschwerdeverfahren gilt nichts anderes als für das Revisionsverfahren, in dem § 545 Abs. 2 ZPO der Prüfung der internationalen Zuständigkeit nicht entgegensteht (vgl. BGH, Beschluss vom 13. August 2009 - I ZB 43/08, WRP 2009, 1559 [juris Rn. 10]; Beschluss vom 22. September 2016 - V ZB 125/15, RIW 2017, 138 [juris Rn. 8]; zu § 545 Abs. 2 ZPO vgl. nur BGH, Urteil vom 14. Juli 2022 - I ZR 121/21, GRUR 2022, 1675 [juris Rn. 29] = WRP 2022, 1519 - Google-Drittauskunft, mwN).

[18] 2. Die internationale Zuständigkeit für den Antrag zu 2 nach § 1032 Abs. 2 ZPO ergibt sich im Streitfall aus der analogen Anwendung des § 1025 Abs. 2 ZPO.

[19] a) Nach § 1032 Abs. 2 ZPO kann bei Gericht bis zur Bildung des Schiedsgerichts Antrag auf Feststellung der Zulässigkeit oder Unzulässigkeit eines schiedsrichterlichen Verfahrens gestellt werden. Nach § 1025 Abs. 2 ZPO sind die Bestimmungen der §§ 1032, 1033 und 1050 ZPO auch dann anzuwenden, wenn der Ort des schiedsrichterlichen Verfahrens im Ausland liegt oder noch nicht bestimmt ist.

[20] b) Die Vorschrift des § 1025 Abs. 2 ZPO regelt damit die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte für - unter anderem - das Verfahren nach § 1032 Abs. 2 ZPO (vgl. Geimer, IZPR, 8. Aufl., Rn. 1258 f.; MünchKomm.ZPO/?Münch aaO § 1025 Rn. 18; Schlosser in Stein/Jonas, ZPO, 23. Aufl., § 1062 Rn. 4, § 1025 Rn. 6; Voit in Musielak/Voit, ZPO, 20. Aufl., § 1062 Rn. 1, § 1025 Rn. 5; aA Kröll, IHR 2005, 142, 144). Bei der Einbeziehung von § 1032 Abs. 2 ZPO in § 1025 Abs. 2 ZPO handelt es sich auch nicht um ein gesetzgeberisches Versehen. Zwar wird in der Gesetzesbegründung nur auf die Schiedseinrede in Klageverfahren vor den staatlichen Gerichten gemäß § 1032 Abs. 1 ZPO Bezug genommen (vgl. Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Schiedsverfahrensrechts vom 12. Juli 1996, BT-Drucks. 13/5274, S. 31). Ein damit möglicherweise intendierter Ausschluss von § 1032 Abs. 2 und 3 ZPO bei der Anwendung von § 1025 Abs. 2 ZPO hat im Gesetz aber keinen Niederschlag gefunden. Für die Auslegung einer Gesetzesvorschrift ist jedoch der in dieser zum Ausdruck kommende objektivierte Wille des Gesetzgebers maßgeblich, so wie er sich aus dem Wortlaut der Gesetzesbestimmung und dem Sinnzusammenhang ergibt, in den diese hineingestellt ist. Die vorrangig am objektiven Sinn und Zweck des Gesetzes zu orientierende Auslegung kann durch Motive, die im Gesetzgebungsverfahren dargelegt wurden, im Gesetzeswortlaut aber keinen Ausdruck gefunden haben, nicht gebunden werden (vgl. BGH, Urteil vom 6. Juni 2019 - I ZR 67/18, GRUR 2019, 970 [juris Rn. 66] = WRP 2019, 1304 - Erfolgshonorar für Versicherungsberater, mwN).

[21] c) Die internationale Zuständigkeit deutscher Gericht folgt nicht bereits aus dem Wortlaut des § 1025 Abs. 2 ZPO. Das von der Antragsgegnerin eingeleitete Schiedsverfahren findet weder im Sinne dieser Vorschrift "im Ausland" statt (Fall 1) noch ist der Ort des schiedsrichterlichen Verfahrens "noch nicht bestimmt" (Fall 2).

[22] aa) Das Schiedsverfahren wurde von der Antragsgegnerin vor dem Zentrum eingeleitet. Der Sitz des Zentrums ist gemäß Art. 2 Satz 1 ICSID-Übereinkommen am Sitz der Internationalen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung und damit in Washington D.C., Vereinigte Staaten von Amerika (USA). Gemäß Art. 62 f. in Kapitel VII des ICSID-Übereinkommens finden vorbehaltlich anderweitiger Parteivereinbarungen am Sitz des Zentrums, das vom Schiedsgericht zu unterscheiden ist (vgl. Schöbener/?Markert, ZVglRWiss 2006, 65, 73), die Schiedsverfahren statt.

[23] bb) Daraus folgt indes nicht, dass der für § 1025 Abs. 2 ZPO maßgebliche Ort des schiedsrichterlichen Verfahrens in den USA und damit im Ausland liegt.

[24] Anders als die Bezeichnung von Kapitel VII des ICSID-Übereinkommens - "Ort des Verfahrens" ("Place of Proceedings") - nahelegen könnte, wird in Art. 62 f. ICSID-Übereinkommen nur der Tagungsort als derjenige Ort geregelt, an dem das Schiedsgericht seine Verhandlungen faktisch abhält. Dieser Tagungsort ist nicht gleichzusetzen mit dem Schiedsort als dem Legaldomizil des Schiedsverfahrens, das der Verankerung des Schiedsverfahrens in einer bestimmten Rechtsordnung dient (vgl. BT-Drucks. 13/5274, S. 47; BeckOK.ZPO/?Wilske/?Markert, 48. Edition [Stand 1. März 2023], § 1043 Rn. 1; MünchKomm.ZPO/Münch aaO § 1043 Rn. 3 und 5; Zöller/Geimer, ZPO, 34. Aufl., § 1043 Rn. 1 und 4).

[25] Das entspricht der ganz überwiegenden Ansicht in der nationalen sowie internationalen Literatur zum ICSID-Übereinkommen. Danach finden Investor-Staat-Schiedsverfahren nach diesem Übereinkommen delokalisiert statt (vgl. Kern, Schiedsgericht und Generalklausel, 2017, S. 62, 78; Bertolini, Die Durchsetzung von ISDS-Entscheidungen in Deutschland, 2019, S. 92; Köster, Investitionsschutz in Europa, 2022, S. 16 f.; Schütze/Thümmel, Schiedsgericht und Schiedsverfahren, 7. Aufl., § 25 Rn. 6; Happ in Schütze, Institutionelle Schiedsgerichtsbarkeit, 3. Aufl., XV. Kapitel, Abschnitt II Rn. 13, Abschnitt IV Rule 13 ICSID Arbitration Rules Rn. 5; Sasson in Fouret/Gerbay/Alvarez, The ICSID Convention, Regulations and Rules, A Practical Commentary, Art. 62 Rn. 7.03 f.; Schütze in Wieczorek/Schütze, ZPO, 5. Aufl., § 1025 Rn. 56b; Gaillard, ICSID Review - Foreign Investment Law Journal 1988, 136, 138 f.; Berger, SchiedsVZ 2017, 282, 289; von Marschall, RIW 2021, 785, 787; Nikolov, EuR 2022, 496, 501; Seelmann-Eggebert, SchiedsVZ 2023, 32, 35 f.; aA Semler, SchiedsVZ 2003, 97, 101).

[26] Bei den von ICSID-Schiedsgerichten erlassenen Schiedssprüchen handelt es sich daher weder um inländische noch um ausländische Schiedssprüche im Sinne der §§ 1060 f. ZPO, sondern um Schiedssprüche sui generis (vgl. Semler, SchiedsVZ 2003, 97, 99; von Marschall, RIW 2021, 785, 787). Entgegen dem in der Handelsschiedsgerichtsbarkeit geltenden Grundsatz, dass es keine von jeder nationalen Rechtsordnung losgelösten privaten Schiedsverfahren gibt (vgl. Geimer aaO Rn. 3718 mwN; MünchKomm.ZPO/Münch aaO § 1025 Rn. 11; Schütze in Wieczorek/Schütze aaO § 1043 Rn. 6 f.), kommt es in einer Investitionsstreitigkeit vor dem Zentrum ausnahmsweise zu einem anationalen Schiedsverfahren (Köster aaO S. 16 f.).

[27] cc) Es liegt auch kein Fall eines "noch nicht bestimmten" Schiedsorts vor (§ 1025 Abs. 2 Fall 2 ZPO). Die Formulierung "noch nicht bestimmt" spricht für einen nur vorübergehenden Zustand. Nach § 1043 Abs. 1 Satz 1 ZPO können die Parteien eine Vereinbarung über den Ort des schiedsrichterlichen Verfahrens treffen. Fehlt eine solche Vereinbarung, so wird der Ort des schiedsrichterlichen Verfahrens vom Schiedsgericht bestimmt (§ 1043 Abs. 1 Satz 2 ZPO). Bis zu einer solchen Bestimmung besteht ein Schwebezustand ohne die Möglichkeit einer territorialen Anknüpfung. Für diesen Schwebezustand gilt die Regelung in § 1025 Abs. 2 Fall 2 ZPO (vgl. MünchKomm.ZPO/Münch aaO § 1025 Rn. 24).

[28] Ein solcher - vorübergehender - Schwebezustand liegt im Streitfall nicht vor. Bei einem ICSID-Schiedsverfahren wird kein Schiedsort, sondern allein ein Tagungsort bestimmt. Eine spätere Bestimmung des Schiedsorts durch das Schiedsgericht scheidet damit von vornherein aus.

[29] d) Die Regelung des § 1025 Abs. 2 ZPO ist aber, jedenfalls soweit sie auf die Bestimmung des § 1032 ZPO verweist, entsprechend anzuwenden, wenn es keinen inländischen Schiedsort gibt (ähnlich BeckOK.ZPO/Wolf/Eslami, 48. Edition [Stand 1. September 2022], § 1032 Rn. 39; ablehnend BeckOK.ZPO/?Wilske/?Markert aaO § 1062 Rn. 2.4 mwN).

[30] aa) Die analoge Anwendung einer Vorschrift setzt eine planwidrige Regelungslücke und eine vergleichbare Interessenlage voraus (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 7. November 2019 - I ZR 42/19, GRUR 2020, 429 [juris Rn. 32] = WRP 2020, 452 - Sportwetten in Gaststätten, mwN). Diese Voraussetzungen sind erfüllt.

[31] bb) Soweit die delokalisierten und damit anationalen ICSID-Investitionsschiedsverfahren vom Gesetzeswortlaut nicht erfasst werden, ergibt sich eine planwidrige Regelungslücke. Es gibt keinen Anhaltspunkt dafür, dass der Gesetzgeber diese besondere Konstellation aus dem 10. Buch der Zivilprozessordnung ausgrenzen wollte.

[32] (1) Nach § 1025 Abs. 1 ZPO sind die Vorschriften des 10. Buchs der Zivilprozessordnung anzuwenden, wenn der Ort des schiedsrichterlichen Verfahrens im Sinne des § 1043 Abs. 1 ZPO in Deutschland liegt. Für einige Vorschriften des 10. Buchs der Zivilprozessordnung, unter anderem die Schiedseinrede nach § 1032 Abs. 1 ZPO sowie das hier maßgebliche Feststellungsverfahren nach § 1032 Abs. 2 ZPO, eröffnet die Vorschrift des § 1025 Abs. 2 ZPO - wie bereits dargestellt - einen darüber hinausgehenden Anwendungsbereich, wenn der Ort des schiedsrichterlichen Verfahrens im Ausland liegt oder noch nicht bestimmt ist (vgl. Schlosser in Stein/Jonas aaO § 1062 Rn. 4, § 1025 Rn. 6; Voit in Musielak/Voit aaO § 1025 Rn. 5 bis 7).

[33] (2) Mit den sich danach aus § 1025 Abs. 1 und 2 ZPO ergebenden drei Fallgruppen - "Schiedsort in Deutschland", "Schiedsort im Ausland" und "Schiedsort noch nicht bestimmt" - waren für die internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit im Sinne des als Grundlage für die Schiedsverfahrensreform dienenden UNCITRAL-Modellgesetzes (vgl. BT-Drucks. 13/5274, S. 24; zum Anwendungsbereich des Modellgesetzes vgl. Melis in Kronke/Melis/?Kuhn, Handbuch Internationales Wirtschaftsrecht, 2. Aufl., Teil P Rn. 230) alle denkbaren Konstellationen erfasst.

[34] (3) Der deutsche Gesetzgeber hat sich bewusst dafür entschieden, das 10. Buch der Zivilprozessordnung über den Anwendungsbereich des UNCITRAL-Modellgesetzes hinaus auf alle Schiedsverfahren auszudehnen (vgl. BT-Drucks. 13/5274, S. 25 und 31). Damit sind alle nationalen und internationalen privatrechtlichen ­ und nicht nur die handelsrechtlichen ­ Schiedsverfahren erfasst (vgl. Kulick/Scheu in Fouret, Enforcement of Investment Treaty Arbitration Awards, 2. Aufl., S. 385, 389; Lachmann, Handbuch für die Schiedsgerichtspraxis, 3. Aufl., Rn. 190; MünchKomm.ZPO/Münch aaO Vorb. zu § 1025 Rn. 23 f., § 1029 Rn. 93). Trotz ihres engen Bezugs zum Völkerrecht gehört hierher als Sonderform auch die internationale Investitionsschiedsgerichtsbarkeit zwischen privaten Investoren und Staaten (zu Schiedsverfahren aufgrund eines bilateralen Investitionsschutzabkommens vgl. BGH, Beschluss vom 3. März 2016 - I ZB 2/15, SchiedsVZ 2016, 328 [juris Rn. 15]; Beschluss vom 31. Oktober 2018 - I ZB 2/15, SchiedsVZ 2019, 46 [juris Rn. 16]; Beschluss vom 17. November 2021 - I ZB 16/21, IWRZ 2022, 129 [juris Rn. 8, 34]; Raeschke-Kessler in Prütting/?Gehrlein, ZPO, 14. Aufl., § 1061 Rn. 11; Köster aaO S. 30; Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, 7. Aufl., Kapitel 41 Rn. 22 mwN; vgl. auch BeckOK.ZPO/?Wolf/?Eslami aaO § 1025 Rn. 9a mwN; MünchKomm.ZPO/?Münch aaO Vorb. zu § 1025 Rn. 18 bis 22), zu der auch die ICSID-Investitionsschiedsverfahren zählen (vgl. Herdegen, Internationales Wirtschaftsrecht, 13. Aufl., § 23 Rn. 97; Kern aaO S. 66 bis 88; Schöbener/Markert, ZVglRWiss 2006, 65, 68 bis 70 mwN; offen Schwab/Walter aaO Kapitel 41 Rn. 5, Fn. 42; aA Raeschke-Kessler in Festschrift Schlick, 2015, S. 57 f., 75; insgesamt dazu Pirrung, Die Schiedsgerichtsbarkeit nach dem Weltbankübereinkommen für Investitionsstreitigkeiten, 1972, S. 183 bis 192 mwN).

[35] (4) Der Gesetzgeber hat mit der Änderung von Art. 2 Abs. 2 InvStreitBeilG im Zuge der Neuregelung des Schiedsverfahrensrechts durch Gesetz vom 22. Dezember 1997 (BGBl. I S. 3224) auch keine abschließende Regelung für ICSID-Verfahren treffen wollen.

[36] Erklärte die Vorschrift vor der Reform des Schiedsverfahrensrechts für das Verfahren über den Antrag, die Zulässigkeit der Zwangsvollstreckung aus einem ICSID-Schiedsspruch festzustellen, die Vorschriften über das Verfahren bei der Vollstreckbarerklärung inländischer Schiedssprüche, die gemäß § 1044 Abs. 1 Satz 1 ZPO aF auch für ausländische Schiedssprüche galten, für entsprechend anwendbar, sind auf das Verfahren nunmehr ausdrücklich die Vorschriften über das Verfahren der Vollstreckbarerklärung ausländischer Schiedssprüche (§ 1025 Abs. 4, §§ 1061 bis 1065 ZPO) entsprechend anzuwenden.

[37] Diese Änderung stellt lediglich eine von vielen notwendigen Folgeanpassungen von bereits bestehenden Regelungen an die Neuregelung des 10. Buchs der Zivilprozessordnung dar (vgl. BT-Drucks. 13/5274, S. 68). Sie ändert nichts daran, dass Art. 2 InvStreitBeilG nach wie vor allein die postarbitrale Phase nach Erlass des Schiedsspruchs regelt und die insoweit angeordnete entsprechende Anwendung von Vorschriften des 10. Buchs der Zivilprozessordnung nur die Vollstreckung von ICSID-Schiedssprüchen betrifft. Aussagen zur (Nicht-)Anwendbarkeit von § 1025 Abs. 2 ZPO (und § 1032 Abs. 2 ZPO) bei ICSID-Schiedsverfahren lassen sich dem, zumal unter Berücksichtigung der bewussten Ausweitung des sachlichen Anwendungsbereichs des 10. Buchs der Zivilprozessordnung über das UNCITRAL-Modellgesetz hinaus auf alle Schiedsverfahren (vgl. BT­Drucks. 13/5274, S. 25 und 31), nicht entnehmen.

[38] (5) Jedenfalls für das hier zur Entscheidung stehende Feststellungsverfahren nach § 1032 Abs. 2 ZPO zeigt sich die insoweit vorhandene Regelungslücke des § 1025 Abs. 2 ZPO auch bei einem Blick auf die Regelungen der örtlichen Zuständigkeit in § 1062 Abs. 1 und 2 ZPO, die mit der Abgrenzung allein vom inländischen Schiedsort einen im Grundsatz globalen Anwendungsbereich eröffnen.

[39] Die Vorschrift des § 1062 Abs. 1 Nr. 2 Fall 1 ZPO regelt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts, das in der Schiedsvereinbarung bezeichnet ist oder, wenn eine solche Bezeichnung fehlt, in dessen Bezirk der Ort des schiedsrichterlichen Verfahrens liegt, für Entscheidungen über Anträge betreffend die Feststellung der Zulässigkeit oder Unzulässigkeit eines schiedsrichterlichen Verfahrens (§ 1032 ZPO). Besteht in diesem Fall kein deutscher Schiedsort, so ist für die Entscheidungen das Oberlandesgericht zuständig, in dessen Bezirk der Antragsgegner seinen Sitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat oder sich Vermögen des Antragsgegners oder der mit der Schiedsklage in Anspruch genommene oder von der Maßnahme betroffene Gegenstand befindet, hilfsweise das Kammergericht (§ 1062 Abs. 2 ZPO).

[40] Diese Regelung spricht unter Berücksichtigung des Rechtsgedankens der Doppelfunktionalität der örtlichen Zuständigkeit dafür, dass § 1025 Abs. 2 ZPO für die internationale Zuständigkeit - wie § 1062 Abs. 2 ZPO für die örtliche Zuständigkeit - trotz des positiv anknüpfenden Wortlauts ("im Ausland", "noch nicht bestimmt") immer dann (entsprechend) anwendbar ist, wenn "kein deutscher Schiedsort" besteht.

[41] Die internationale Zuständigkeit ergibt sich im Zweifel, wenn besondere Zuständigkeitsregeln fehlen, mittelbar aus den Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit (so genannte "Doppelfunktionalität"; zu § 32 ZPO vgl. BGH, Urteil vom 28. Juni 2007 - I ZR 49/04, BGHZ 173, 57 [juris Rn. 23] - Cambridge Institute, mwN; allgemein Roth in Stein/Jonas aaO Vor § 12 Rn. 32, 32b; Zöller/?Schultzky aaO § 1 Rn. 8). Soweit nach diesen Vorschriften ein deutsches Gericht örtlich zuständig ist, ist es nach deutschem Recht auch international zuständig (vgl. MünchKomm.ZPO/Patzina aaO § 12 Rn. 90).

[42] § 1025 Abs. 2 ZPO enthält zwar eine besondere Vorschrift für die internationale Zuständigkeit. Die Regelung ist aber im Einklang mit § 1062 Abs. 2 ZPO auszulegen. Sieht § 1062 Abs. 2 ZPO in Fällen, in denen - wie hier - "kein deutscher Schiedsort" besteht, für das Feststellungsverfahren des § 1032 Abs. 2 ZPO grundsätzlich hilfsweise eine örtliche Zuständigkeit des Kammergerichts vor, offenbart eine für diesen Fall fehlende internationale Zuständigkeit eine planwidrige Regelungslücke.

[43] cc) Das Merkmal der vergleichbaren Interessenlage erfordert die Annahme, dass der Gesetzgeber bei einer Interessenabwägung nach den Grundsätzen, von denen er sich bei Erlass der herangezogenen Normen hat leiten lassen, zum gleichen Abwägungsergebnis gekommen wäre (BGH, GRUR 2020, 429 [juris Rn. 34] - Sportwetten in Gaststätten). So liegt es hier.

[44] Nach dem Willen des Gesetzgebers, der sich im Gesetzeswortlaut manifestiert hat, sollten die deutschen Gerichte in den in § 1025 Abs. 2 ZPO aufgeführten Fällen auch dann angerufen werden können, wenn das Schiedsverfahren im Ausland stattfindet (vgl. BT-Drucks. 13/5274, S. 31). Das darin zum Ausdruck kommende Interesse an einer globalen Zuständigkeit der deutschen Gerichte in den genannten Fällen ist bei delokalisierten Schiedsverfahren nach dem ICSID-Übereinkommen ebenso gegeben wie bei Schiedsverfahren mit Schiedsort im Ausland. Das zeigt sich insbesondere an der in der Gesetzesbegründung ausdrücklich in Bezug genommenen Regelung des § 1032 Abs. 1 ZPO zur Schiedseinrede in Klageverfahren vor dem staatlichen Gericht. Diese Einrede mit der möglichen Folge der Unzulässigkeit der Klage wird im Fall von ICSID-Schiedsverfahren ebenfalls erst über eine entsprechende Geltung des § 1025 Abs. 2 ZPO eröffnet. Könnte die Einrede der (ICSID-)Schiedsvereinbarung vor dem staatlichen Gericht mangels Anwendbarkeit des § 1032 Abs. 1 ZPO (über § 1025 Abs. 2 ZPO) nicht zur Unzulässigkeit der Klage führen, widerspräche das dem Sinn und Zweck von Schiedsvereinbarungen auch im Anwendungsbereich des ICSID-Übereinkommens.

[45] III. Der Antrag zu 2 ist bereits mangels einer vom Antragsteller behaupteten Schiedsvereinbarung zwischen den Parteien unzulässig. Auf die Frage, ob ein Antrag nach § 1032 Abs. 2 ZPO im Kontext eines ICSID-Schiedsverfahrens statthaft ist, kommt es damit im Streitfall nicht an.

[46] 1. Das Oberlandesgericht hat angenommen, es sei unerheblich, dass bislang nur das Schiedsverfahren ICSID ARB/21/22 vorliege, das durch Annahme des Angebots gemäß Art. 26 Abs. 3 ECV eingeleitet worden sei. Es sei ferner unerheblich, dass eine Schiedsvereinbarung erst zustande komme, wenn die Antragsgegnerin das "stehende Angebot" gemäß Art. 26 Abs. 3 ECV annehme, was diese in Bezug auf weitere Streitigkeiten in Abrede stelle. Aufgrund der derzeit noch geltenden Regelung des "stehenden" Schiedsverfahrensangebots des Antragstellers im Energiecharta-Vertrag könne die Antragsgegnerin jederzeit die Annahme erklären und dadurch ein Schiedsverfahren auf unionsrechtlich unwirksamer Basis in Gang setzen. Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

[47] 2. Im Rahmen eines Antrags nach § 1032 Abs. 2 ZPO prüft das staatliche Gericht, ob eine wirksame Schiedsvereinbarung besteht, diese durchführbar ist und der Gegenstand des Schiedsverfahrens der Schiedsvereinbarung unterfällt (BGH, Beschluss vom 19. September 2019 ­ I ZB 4/19, SchiedsVZ 2020, 50 [juris Rn. 11]). Aus diesem Prüfungsumfang folgt, dass als Mindestvoraussetzung für einen zulässigen Antrag nach § 1032 Abs. 2 ZPO eine Schiedsvereinbarung zwischen den Parteien vorgetragen werden muss (vgl. Anders in Anders/Gehle, ZPO, 81. Aufl., § 1032 Rn. 3; BeckOK.ZPO/?Wolf/Eslami aaO § 1032 Rn. 2; Schlosser in Stein/?Jonas aaO § 1032 Rn. 38). Eine nur potenzielle oder zukünftige Schiedsvereinbarung zwischen den Parteien genügt nicht.

[48] Streitig ist, wie weit im Vorfeld eines konkreten Schiedsverfahrens der Antrag statthaft ist, insbesondere, ob sich ein gegenständlich abgrenzbares individualisierbares Schiedsverfahren abzeichnen muss (so OLG München, Beschluss vom 26. August 2015 - 34 SchH 2/14, juris Rn. 20, 22; Saenger/Saenger, ZPO, 9. Aufl., § 1032 Rn. 14; Hilger, NZG 2003, 575, 576; vgl. auch Schlosser in Stein/?Jonas aaO § 1032 Rn. 38, 40; Spohnheimer in Festschrift Käfer, 2009, S. 357, 366), oder ob eine abstrakte Überprüfung der Gültigkeit vertraglicher Schiedsklauseln möglich ist (so KG, SchiedsVZ 2012, 337, 338; OLG Frankfurt, SchiedsVZ 2015, 47 [juris Rn. 21 f.]; BeckOK.ZPO/Wolf/Eslami aaO § 1032 Rn. 6, 26 bis 32; MünchKomm.ZPO/?Münch aaO § 1032 Rn. 33; Voit in Musielak/?Voit aaO § 1032 Rn. 12; Seiler in Thomas/?Putzo, ZPO, 44. Aufl., § 1032 Rn. 5).

[49] 3. Diese Streitfrage bedarf hier keiner Entscheidung. Der Antrag zu 2 ist unzulässig, weil es schon an einer vom Antragsteller behaupteten (und möglicherweise unwirksamen) Schiedsvereinbarung zwischen den Parteien fehlt.

[50] Im Streitfall liegt allein das so genannte "stehende Angebot" gemäß Art. 26 Abs. 3 ECV des Antragstellers vor. Die Annahme dieses Angebots durch die Antragsgegnerin mit der Einreichung des Schiedsantrags im Verfahren ICSID ARB/21/22 hat nicht eine jegliche Streitigkeit aus dem Energiecharta-Vertrag erfassende Schiedsvereinbarung begründet.

[51] Soweit der Antragsteller vorbeugend geklärt wissen möchte, dass die Antragsgegnerin durch eine mögliche zukünftige Annahme des "stehenden Angebots" - hinsichtlich eines anderen Streitgegenstands - keine wirksame Schiedsvereinbarung herbeiführen kann, betrifft diese Fragestellung keine konkrete Schiedsvereinbarung mit einem potenziell daraus erwachsenden Schiedsverfahren, sondern lediglich eine potenzielle Schiedsvereinbarung und ist mithin nicht vom Prüfungsumfang eines Antrags nach § 1032 Abs. 2 ZPO umfasst.

[52] 4. Von der Mindestvoraussetzung einer jedenfalls behaupteten Schiedsvereinbarung kann nicht mit Blick auf die Besonderheiten von Intra-EU-Investor-Staat-Schiedsverfahrens abgesehen werden. Der Grundsatz der Effektivität des Unionsrechts (vgl. dazu EuGH, Urteil vom 11. November 2015 - C-505/14, EuZW 2016, 57 [juris Rn. 40 f.] - Klausner Holz; Urteil vom 5. März 2019 - C-349/17, EuZW 2019, 379 [juris Rn. 137 f.] - Eesti Pagar; Urteil vom 7. April 2022 - C­116/20, juris Rn. 100 f. - Avio Lucos, jeweils mwN) gebietet zwar eine möglichst frühe Prüfung der Zulässigkeit von Intra-EU-Investor-Staat-Schiedsverfahren auf der Grundlage des Energiecharta-Vertrags. Dies wird aber bereits dadurch gewährleistet, dass der Rechtsbehelf des § 1032 Abs. 2 ZPO eröffnet ist, sobald eine Schiedsvereinbarung vorliegt.

[53] D. Auf die Rechtsbeschwerde ist der angefochtene Beschluss daher hinsichtlich des Antrags zu 2 aufzuheben und der Feststellungsantrag als unzulässig zu verwerfen. Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden, weil die Aufhebung der Entscheidung nur wegen einer Rechtsverletzung bei Anwendung des Rechts auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist (§ 577 Abs. 5 Satz 1 ZPO).

[54] Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO, § 516 Abs. 3 Satz 1 ZPO analog.

[55] E. Der Gegenstandswert ist bis zum 4. Mai 2023 auf 30 Mio. € und danach auf 10 Mio. € festzusetzen.

[56] I. Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert gemäß § 47 Abs. 1 Satz 1 GKG nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Mit ihren Anträgen (§ 575 Abs. 3 Nr. 1 ZPO) in der Rechtsbeschwerdebegründung hat die Antragsgegnerin die Entscheidung des Oberlandesgerichts vollumfänglich angefochten. Erst mit dem Schriftsatz vom 4. Mai 2023 hat sie ihr Rechtsmittel teilweise zurückgenommen und auf eine Anfechtung der Entscheidung betreffend den Antrag zu 2 beschränkt.

[57] II. Im Verfahren auf Feststellung der Zulässigkeit oder Unzulässigkeit des Schiedsverfahrens (§ 1032 Abs. 2 ZPO) ist der Wert auf ein Fünftel des Hauptsachewerts festzusetzen (vgl. BGH, SchiedsVZ 2020, 50 [juris Rn. 26] mwN; Beschluss vom 9. Februar 2023 ­ I ZB 62/22, NJOZ 2023, 497 [juris Rn. 22]).

[58] Danach beträgt der Gegenstandswert bis zur Teilrücknahme des Rechtsmittels 30 Mio. €. Ausgehend von dem in der Schiedsklage geltend gemachten Entschädigungsbetrag für drei Schiedsklägerinnen in Höhe von "Hunderten von Millionen Euro" hat der Senat für den Antrag zu 1 einen Gegenstandswert von 20 Mio. € angenommen (ein Fünftel von mindestens 100 Mio. € für die hiesige Antragsgegnerin als eine von drei Schiedsklägerinnen). Für den Antrag zu 2 sind gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG, § 3 ZPO nach freiem Ermessen die Hälfte des

Werts des Antrags zu 1, mithin weitere 10 Mio. €, anzusetzen und für den Gegenstandswert nach § 39 Abs. 1 GKG hinzuzurechnen. Der Wertansatz für den Antrag zu 2 berücksichtigt dabei die (potenzielle) wirtschaftliche Bedeutung dieses Antrags mit Blick auf Schiedsverfahren über denkbare künftige Investitionen der Antragsgegnerin auf dem Gebiet des Antragstellers.

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