BGH, Beschluss vom 9. Januar 2023 - VI ZB 79/20

22.02.2023

BUNDESGERICHTSHOF

vom

9. Januar 2023

in dem Rechtsstreit


Nachschlagewerk: ja


BGHZ: nein

BGHR: ja


GG Art. 34 Satz 3


Zum Rechtsweg beim Rückgriff des Unfallversicherungsträgers gegen den für ihn tätigen Durchgangsarzt bezüglich einer fehlerhaften Behandlung im Rahmen eines Arbeitsunfalls.


BGH, Beschluss vom 9. Januar 2023 - VI ZB 79/20 - OLG Hamm, LG Dortmund


Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 9. Januar 2023 durch den Vorsitzenden Richter Seiters, den Richter Offenloch, die Richterinnen Dr. Oehler und Müller und den Richter Böhm

beschlossen:

Die Rechtsbeschwerden der Klägerin und des Beklagten gegen den Beschluss des 11. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 26. Juni 2020 werden zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens tragen die Parteien jeweils zur Hälfte.

Gründe:

[1] I. Die Parteien wenden sich gegen die Verweisung des Rechtsstreits auf den Sozialrechtsweg.

[2] Die Klägerin ist Trägerin der gesetzlichen Unfallversicherung, der Beklagte ein für sie tätiger Durchgangsarzt. Zwischen den Parteien gilt der Vertrag gemäß § 34 Abs. 3 SGB VII zwischen der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung e.V. und dem Spitzenverband der landwirtschaftlichen Sozialversicherung einerseits und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung andererseits über die Durchführung der Heilbehandlung, die Vergütung der Ärzte sowie die Art und Weise der Abrechnung der ärztlichen Leistungen (Vertrag Ärzte/Unfallversicherungsträger).

[3] Am 13. Dezember 2012 erlitt der Versicherte S. der Klägerin einen Arbeitsunfall, bei dem er sich eine Verletzung des linken Beins zuzog. Er wurde in ein Krankenhaus eingeliefert, in dem der Beklagte als Durchgangsarzt tätig ist. Der Beklagte untersuchte den Versicherten nicht persönlich, sondern setzte hierfür den ebenfalls an dem Krankenhaus tätigen Arzt M. ein. Dieser diagnostizierte eine linksseitige OSG- und Fußdistorsion. Am 18. Dezember 2012 wurden in einem anderen Krankenhaus eine Tibiafraktur, eine Luxation des linken Kniegelenks sowie ein Kompartmentsyndrom am linken Unterschenkel diagnostiziert, welche in der Folgezeit operativ behandelt wurden.

[4] Die Klägerin meint, der Beklagte habe gegen eine aus § 24 Abs. 3 des Vertrags Ärzte/Unfallversicherungsträger folgende Verpflichtung zur persönlichen Untersuchung und Behandlung des Versicherten verstoßen. Weiter behauptet sie, dass der Arzt M. fehlerhaft weitere Untersuchungen unterlassen habe. Ohne Behandlungsfehler, so die Klägerin, wäre der Heilungsverlauf komplikationsfreier verlaufen, hätte die Arbeitsunfähigkeit ihres Versicherten früher geendet und wären die von ihr für den Versicherten zu erbringenden Aufwendungen geringer gewesen.

[5] Mit ihrer beim Landgericht erhobenen Klage hat die Klägerin zunächst im Wege eines Feststellungsantrags Ansprüche gegen den Beklagten aus gemäß § 116 SGB X auf sie übergegangenem Recht ihres Versicherten geltend gemacht. Später hat sie ihre Antragstellung geändert und vorgetragen, dass sie keine übergegangenen Ansprüche, sondern einen eigenen Schadensersatzanspruch aus § 280 Abs. 1 BGB wegen einer Verletzung der Pflichten des Beklagten aus dem Vertrag Ärzte/Unfallversicherungsträger verfolge. Zuletzt hat die Klägerin beantragt, den Beklagten zur Zahlung von 94.612,16 € (behauptete Mehraufwendungen aufgrund der vermeintlichen Pflichtverletzungen) nebst Rechtshängigkeitszinsen zu verurteilen und die Verpflichtung des Beklagten zum Ersatz weiterer Mehraufwendungen festzustellen.

[6] Das Landgericht hat mit Beschluss vom 7. Februar 2019 den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit von Amts wegen an das Sozialgericht Dortmund verwiesen. Die hiergegen gerichteten sofortigen Beschwerden beider Parteien hat das Oberlandesgericht als Beschwerdegericht zurückgewiesen. Mit ihren vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerden verfolgen beide Parteien den Antrag, den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten für zulässig zu erklären.

[7] II. Die gemäß § 17a Abs. 4 Satz 4 GVG statthaften und auch im Übrigen zulässigen Rechtsbeschwerden der Parteien sind unbegründet.

[8] 1. Das Beschwerdegericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, es liege eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit in Angelegenheiten der gesetzlichen Unfallversicherung im Sinne von § 51 Abs. 1 Nr. 3 SGG vor, über die die Sozialgerichte zu entscheiden hätten. Nachdem die Klägerin erklärt habe, ihr Klagebegehren nicht mehr auf übergegangene Ansprüche ihres Versicherten stützen zu wollen, seien Gegenstand des Rechtsstreits nur noch eigene Ansprüche der Klägerin wegen schuldhafter Verletzung der Pflichten des Beklagten aus dem Vertrag Ärzte/Unfallversicherungsträger. Die Beziehungen der Unfallversicherungsträger zu den an der besonderen unfallmedizinischen Heilbehandlung teilnehmenden Ärzten und Krankenhäusern seien öffentlich-rechtlicher Natur. Der Vertrag Ärzte/Unfallversicherungsträger sei ein öffentlich-rechtlicher Vertrag. Für alle Ansprüche aus öffentlich-rechtlichen Verträgen sei grundsätzlich der Rechtsweg zu dem jeweils zuständigen Zweig der Verwaltungsgerichtsbarkeit - im Streitfall zur Sozialgerichtsbarkeit - gegeben. Dass § 280 Abs. 1 BGB als Anspruchsgrundlage in Betracht komme, rechtfertige keine abweichende Beurteilung. Die ordentlichen Gerichte seien auch nicht aufgrund besonderer gesetzlicher Zuweisung für den Rechtsstreit zuständig. Art. 34 Satz 3 GG sei nicht einschlägig. Die Klägerin regressiere keinen durch einen Dritten gegen sie geltend gemachten Schaden. Ein Sachzusammenhang mit einem vor den Zivilgerichten geltend zu machenden Amtshaftungsanspruch sei hinsichtlich des Rechtswegs für Ersatzansprüche aus der Nicht- oder Schlechterfüllung eines öffentlich-rechtlichen Vertrags unerheblich.

[9] 2. Das hält der rechtlichen Prüfung stand. Das Beschwerdegericht hat zutreffend entschieden, dass nicht die ordentlichen Gerichte, sondern die Sozialgerichte für die Entscheidung des Rechtsstreits zuständig sind.

[10] a) Es handelt sich vorliegend nicht um eine bürgerliche Rechtsstreitigkeit gemäß § 13 GVG, sondern um eine - vorbehaltlich einer abdrängenden Sonderzuweisung - den Sozialgerichten zugewiesene öffentlich-rechtliche Streitigkeit in einer Angelegenheit der gesetzlichen Unfallversicherung gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 3 SGG.

[11] aa) Ob eine Streitigkeit öffentlich-rechtlicher oder bürgerlich-rechtlicher Art ist, richtet sich, wenn - wie hier - eine ausdrückliche gesetzliche Regelung dieser Frage fehlt, nach der Natur des Rechtsverhältnisses, aus dem der Klageanspruch hergeleitet wird (st. Rspr.; etwa Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes, Beschluss vom 10. April 1986 - GmS-OGB 1/85, BGHZ 97, 312, 313 f., juris Rn. 10; Senatsbeschluss vom 14. April 2015 - VI ZB 50/14, BGHZ 204, 378 Rn. 12; BGH, Beschluss vom 9. Februar 2021 - VIII ZB 20/20, NVwZ 2021, 660 Rn. 17; jeweils mwN). Dieser Grundsatz bestimmt die Auslegung sowohl von § 13 GVG als auch von § 51 Abs. 1 SGG (Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes, Beschluss vom 10. April 1986 - GmS-OGB 1/85, BGHZ 97, 312, 314, juris Rn. 10; BSG, Beschluss vom 6. September 2007 - B 3 SF 1/07 R, juris Rn. 9). Es kommt nicht auf die Bewertung durch die klagende Partei, sondern darauf an, ob sich das Klagebegehren nach den zu seiner Begründung vorgetragenen Tatsachen bei objektiver Würdigung aus einem Sachverhalt herleitet, der von Rechtssätzen des Zivil- oder des öffentlichen Rechts geprägt wird (Senatsbeschluss vom 14. April 2015 - VI ZB 50/14, BGHZ 204, 378 Rn. 12; BGH, Beschluss vom 9. Februar 2021 - VIII ZB 20/20, NVwZ 2021, 660 Rn. 17; jeweils mwN).

[12] bb) Die Klägerin leitet die streitgegenständlichen Ansprüche aus dem zwischen ihr als Trägerin der gesetzlichen Unfallversicherung und dem Beklagten als Durchgangsarzt bestehenden, durch den gemäß § 34 Abs. 3 Satz 1 SGB VII geschlossenen Vertrag Ärzte/Unfallversicherungsträger geregelten Rechtsverhältnis her. Dieses Rechtsverhältnis ist öffentlich-rechtlicher Natur (vgl. Senatsurteil vom 28. Juni 1994 - VI ZR 153/93, BGHZ 126, 297, 299, juris Rn. 9; BSGE 97, 47 Rn. 22; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl., § 51 Rn. 8; Gutzeit in BeckOGK-SGG, Stand: 1.8.2022, § 51 Rn. 57; Wolff-Dellen in Fichte/Jüttner, SGG, 3. Aufl., § 51 Rn. 72). Dementsprechend handelt es sich bei dem Vertrag Ärzte/Unfallversicherungsträger - was der Senat in seinem Urteil vom 28. Juni 1994 - VI ZR 153/93 noch offen gelassen hat (BGHZ 126, 297, 300, juris Rn. 10) - um einen öffentlich-rechtlichen Vertrag im Sinne des § 53 Abs. 1 Satz 1 SGB X (sog. Normsetzungsvertrag, vgl. BSGE 97, 47 Rn. 25; OLG Dresden, Beschluss vom 22. Juli 2019 - 4 W 497/19, juris Rn. 9; Feddern in Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht, Stand: 1.3.2018, § 34 SGB VII Rn. 23; Schmitt, SGB VII, 4. Aufl., § 34 Rn. 11; allgemein zur Abgrenzung von öffentlich-rechtlichen und privatrechtlichen Verträgen vgl. etwa BGH, Beschluss vom 9. Februar 2021 - VIII ZB 20/20, NVwZ 2021, 660 Rn. 41 mwN).

[13] Dass die Klägerin ihre Ansprüche auf § 280 Abs. 1 BGB stützt, also auf eine Norm des bürgerlichen Rechts, ist unerheblich. Ob es sich um eine bürgerliche Rechtsstreitigkeit handelt, hängt nicht von der geltend gemachten Anspruchsgrundlage ab, sondern - wie bereits dargelegt - von der Rechtsnatur der Pflichten, aus deren Verletzung der Klageanspruch hergeleitet wird (vgl. BSGE 105, 210 Rn. 9 mwN). Im Übrigen gelten für öffentlich-rechtliche Verträge aus dem Bereich des Sozialrechts die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches und damit auch § 280 BGB entsprechend (§ 61 SGB X); es bleibt damit aber auch bei Anwendung des § 280 BGB bei dem Charakter einer öffentlich-rechtlichen Streitigkeit. Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde der Klägerin wird das Rechtsverhältnis der Parteien nicht "maßgeblich durch das bürgerlich-rechtliche Arzthaftungsrecht geprägt". Die §§ 630a ff. BGB regeln die (privatrechtliche) Beziehung zwischen Behandler und Patient. Auf das Verhältnis des Durchgangsarztes zum Unfallversicherungsträger finden sie jedenfalls keine unmittelbare Anwendung.

[14] Der von der Rechtsbeschwerde der Klägerin gezogene Vergleich mit dem als bürgerlich-rechtlich angesehenen Aufwendungsersatzanspruch aus § 110 Abs. 1 SGB VII geht fehl, da dieser Anspruch sich auch gegen Dritte richtet, die zum Unfallversicherungsträger - anders als der Durchgangsarzt - nicht in einem öffentlich-rechtlichen Sonderverhältnis stehen (vgl. Senatsbeschluss vom 14. April 2015 - VI ZB 50/14, BGHZ 204, 378 Rn. 15).

[15] cc) Es handelt sich um eine Angelegenheit der gesetzlichen Unfallversicherung gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 3 SGG (vgl. Wagner, NZS 2020, 410, 415; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl., § 51 Rn. 28a; Groß in Berchtold, SGG, 6. Aufl., § 51 Rn. 9 a.E.). Das Durchgangsarztverfahren gehört gemäß § 34 SGB VII zu den Maßnahmen, mit denen die Unfallversicherungsträger die ihnen übertragenen Aufgaben auf dem Gebiet der gesetzlichen Unfallversicherung erfüllen (vgl. BSGE 37, 267, 268, juris Rn. 17). Streitigkeiten im Verhältnis des Unfallversicherungsträgers zum Durchgangsarzt fallen daher grundsätzlich unter die umfassende (Wenner in Knickrehm/Kreikebohm/Waltermann, Sozialrecht, 7. Aufl., § 51 SGG Rn. 9) Zuständigkeitsregel des § 51 Abs. 1 Nr. 3 SGG (Gutzeit in BeckOGK-SGG, Stand: 1.8.2022, § 51 Rn. 57 mwN).

[16] dd) Vermeintliche privatrechtliche, gemäß § 116 Abs. 1 Satz 1 SGB X auf die Klägerin übergegangene Ansprüche des Versicherten gegen den Beklagten, für die die ordentlichen Gerichte zuständig wären, macht die Klägerin ausdrücklich nicht mehr geltend. Dass sie ihr Klagebegehren ursprünglich auf derartige Ansprüche gestützt hat, führt nicht zu einer fortgesetzten Zulässigkeit des ordentlichen Rechtswegs. § 17 Abs. 1 Satz 1 GVG gilt nicht für den Fall einer Änderung des Streitgegenstands nach Rechtshängigkeit (BAG, NZA 2007, 110 Rn. 3; Jacobs in Stein/Jonas, ZPO, 23. Aufl., § 17 GVG Rn. 11; Lückemann in Zöller, ZPO, 34. Aufl., § 17 GVG Rn. 1). Im Streitfall ist es dadurch, dass die Klägerin ihr Begehren nicht mehr auf Ansprüche aus übergegangenem, sondern aus eigenem Recht stützt, zu einer Änderung des Streitgegenstands gekommen. Die Frage, ob eine Klage auf eigene oder übergegangene Ansprüche gestützt wird, betrifft nicht lediglich verschiedene rechtliche Begründungen desselben prozessualen Anspruchs, sondern verschiedene Streitgegenstände (vgl. BGH, Beschluss vom 3. März 2016 - IX ZB 33/14, BGHZ 209, 168 Rn. 31; Urteil vom 23. Juli 2008 - XII ZR 158/06, NJW 2008, 2922 Rn. 19 mwN). Dass die Ansprüche denselben Lebenssachverhalt betreffen, rechtfertigt entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde des Beklagten keine andere Beurteilung.

[17] b) Die ordentlichen Gerichte sind vorliegend nicht kraft einer Sonderzuweisung gemäß Art. 34 Satz 3 GG zuständig. Denn die Klage stellt sich nicht als Rückgriff der Klägerin gegen den Beklagten im Sinne von Art. 34 Satz 3 GG dar.

[18] aa) Gemäß Art. 34 Satz 3 GG darf der ordentliche Rechtsweg für den Anspruch auf Schadensersatz aus Amtspflichtverletzung und für den Rückgriff nicht ausgeschlossen werden. Ein Rückgriff im Sinne von Art. 34 Satz 3 GG ist dabei nur dann anzunehmen, wenn der klagende öffentlich-rechtliche Dienstherr die von ihm geltend gemachten Regressansprüche darauf stützt, dass er aufgrund eines aus § 839 BGB hergeleiteten Schadensersatzanspruchs Leistungen an einen Dritten erbracht und dadurch einen - mittelbaren - Schaden (Haftungsschaden) erlitten hat (vgl. BVerwG, NJW 1963, 69, 70; Papier/Shirvani in Dürig/Herzog/Scholz, GG, 97. EL, Art. 34 Rn. 301; Burth in BeckOK BeamtenR Bund, Stand: 1.8.2022, § 75 BBG Rn. 26; Lemhöfer in Plog/Wiedow, BBG, Werkstand: Juli 2022, § 75 Rn. 123 f.). Nicht erfasst werden Ansprüche des Dienstherrn gegen den Amtsträger wegen anderer Schäden, mögen diese auch auf eine Amtspflichtverletzung zurückzuführen sein.

[19] bb) Im Streitfall ist nichts dafür ersichtlich, dass die Klägerin den Ersatz ihres aus einem etwaigen Amtshaftungsanspruch des Versicherten resultierenden Haftungsschadens geltend macht. Die Klägerin beruft sich hierauf nicht und Entsprechendes ergibt sich auch nicht eindeutig aus dem Gegenstand der von ihr erbrachten Leistungen, so dass es eines ausdrücklichen Sich-Berufens nicht bedürfte.

[20] Nach dem Inhalt des vom Berufungsgericht in Bezug genommenen Schriftsatzes der Klägerin vom 30. Januar 2019 handelt es sich bei den von der Klägerin gegenüber dem Beklagten im Regresswege geltend gemachten "Aufwendungen" um Zahlungen aus dem Leistungskatalog der gesetzlichen Unfallversicherung gemäß §§ 26 ff. SGB VII. Zu den vom Unfallversicherungsträger zu entschädigenden Folgen eines Versicherungsfalls zählen auch Gesundheitsschäden, die durch die Durchführung einer Heilbehandlung oder der zur Aufklärung des Sachverhalts eines Versicherungsfalls angeordneten Untersuchung wesentlich verursacht wurden (§ 11 Abs. 1 Nr. 1 und 3 SGB VII; BSGE 122, 162 Rn. 19; BSGE 108, 274 Rn. 33), so dass auch eine (gegebenenfalls fehlerhafte) ärztliche Maßnahme Unfallversicherungsleistungen erforderlich machen kann, wenn die Maßnahme - wie hier - der Feststellung oder Behandlung von Unfallfolgen diente. Dementsprechend hat die Klägerin auch zunächst Ersatz ihrer Mehraufwendungen nach § 116 SGB X verlangt, also die Erstattung von erbrachten Sozialleistungen auf der Grundlage eines auf den Leistenden übergegangenen Schadensersatzanspruches. Dass sie später ihre Forderung auf einen eigenen Schadensersatzanspruch gestützt hat, ändert nichts daran, dass Gegenstand der Klage die Erstattung ihrer Unfallversicherungsleistungen ist. Folgerichtig wendet sich die Klägerin auch nicht gegen die Beurteilung des Beschwerdegerichts, vorliegend regressiere sie keinen durch einen Dritten gegen sie geltend gemachten Schaden.

[21] cc) Dass der Versicherte die Klägerin hier möglicherweise aus Amtshaftung dem Grunde nach hätte in Anspruch nehmen können (vgl. zur Haftung des Unfallversicherungsträgers für Behandlungsfehler des Durchgangsarztes Senatsurteile vom 29. November 2016 - VI ZR 208/15, BGHZ 213, 120 Rn. 7 ff.; vom 20. Dezember 2016 - VI ZR 395/15, VersR 2017, 495 Rn. 11 f., 14), eröffnet den ordentlichen Rechtsweg nach Art. 34 Satz 3 GG nicht. Wie oben ausgeführt, ist allein maßgeblich, ob die Klägerin tatsächlich einen Haftungsschaden geltend macht, weil der Verfassungsgeber nur derartige Ansprüche ausnahmsweise den ordentlichen Gerichten zugewiesen hat.

[22] dd) Eine entsprechende Anwendung des Art. 34 Satz 3 GG ist nicht veranlasst. Der Verweis beider Rechtsbeschwerden auf das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 19. Februar 1953 zum Aktenzeichen III ZR 31/51 (BGHZ 9, 65) verfängt nicht. Das Urteil besagt, dass für Ausgleichsansprüche zwischen mehreren öffentlich-rechtlichen Körperschaften, die für denselben Schaden gesamtschuldnerisch aus Amtspflichtverletzung haften, gemäß Art. 34 Satz 3 GG der ordentliche Rechtsweg gegeben ist, obwohl die Ansprüche vom Wortlaut der Vorschrift nicht erfasst werden (BGHZ 9, 65, 68 ff., juris Rn. 13 ff.). Im Streitfall geht es nicht um derartige Ausgleichsansprüche (§ 840 Abs. 1, § 426 BGB). Die Fallgestaltungen sind auch nicht vergleichbar. Das besagte Urteil betraf die Klage einer Körperschaft, die aufgrund einer gegen sie erhobenen, auf Amtspflichtverletzung gestützten Schadensersatzforderung Zahlung geleistet hatte, was im Streitfall gerade nicht der Fall ist.

[23] c) Schließlich wird die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde der Klägerin auch nicht durch einen Sachzusammenhang mit dem bürgerlichen Arzthaftungsrecht begründet. Zwar bewirken die Regeln über die Rechtswegzuständigkeit, dass regelmäßig diejenigen Gerichte anzurufen sind, die durch ihre Sachkunde und Sachnähe zur Entscheidung über den in Frage stehenden Anspruch besonders geeignet sind (Senatsbe-

schluss vom 14. April 2015 - VI ZB 50/14, BGHZ 204, 378 Rn. 12). Sachkunde und Sachnähe begründen jedoch nicht die Zuständigkeit.

Seiters Offenloch Oehler

Müller Böhm

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