BGH, Beschluss vom 9. Oktober 2018 - EnVR 42/17

16.11.2018

BUNDESGERICHTSHOF

Verkündet am:

9. Oktober 2018

BürkAmtsinspektorinals Urkundsbeamtinder Geschäftsstelle

in der energiewirtschaftsrechtlichen Verwaltungssache


Nachschlagewerk: ja


BGHZ: nein

BGHR: ja


StromNEV § 19 Abs. 3


a) Bei der Frage nach der singulären Nutzung von Betriebsmitteln nach § 19 Abs. 3 StromNEV ist eine anschlussbezogene Betrachtung vorzunehmen.

b) Der Vereinbarung eines individuellen Netzentgelts nach § 19 Abs. 3 StromNEV steht nicht entgegen, dass die singulär genutzten Betriebsmittel einer Netz- oder Umspannebene vom Anschlussnetzbetreiber zur Versorgung weiterer, nicht unmittelbar an die Betriebsmittel angeschlossener Netzkunden genutzt werden.

c) Für die singuläre Nutzung eines Betriebsmittels ist es auch unerheblich, ob im

(n-1)-Fall das nachgelagerte Netz des Anschlussnetzbetreibers zur Gewährleistung der Versorgungssicherheit des Netznutzers erforderlich ist.


BGH, Beschluss vom 9. Oktober 2018 - EnVR 42/17 - OLG Düsseldorf


Der Kartellsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 9. Oktober 2018 durch die Präsidentin des Bundesgerichtshofs Limperg und die Richter Dr. Grüneberg, Dr. Bacher, Sunder und Dr. Deichfuß

beschlossen:

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 3. Kartellsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 26. April 2017 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens einschließlich der notwendigen Auslagen der Bundesnetzagentur und der Antragstellerin werden der Betroffenen auferlegt.

Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 500.000 € festgesetzt.

Gründe:

[1] I. Zwischen den Beteiligten steht im Rahmen eines besonderen Missbrauchsverfahrens in Streit, ob die Betroffene der Antragstellerin für die Nutzung von vier Direktleitungen zu den beiden der Antragstellerin gehörenden Umspannanlagen S. und St. nach § 19 Abs. 3 Satz 1 StromNEV ein individuelles

Netzentgelt für singulär genutzte Betriebsmittel einzuräumen hat.

[2] Die Antragstellerin betreibt im E. -Kreis ein Elektrizitätsverteiler-

netz in den Spannungsebenen Hoch-, Mittel- und Niederspannung. Die Betroffene betreibt ein 110-kV-Verteilernetz, das dem Netz der Antragstellerin vorgelagert ist. Das Netz der Antragstellerin ist mit dem Netz der Betroffenen und dem Elektrizitätsverteilernetz der W. Netz GmbH auf derselben Hochspannungsebene mit einzel-

nen 110-kV-Leitungen und Schaltfeldern verbunden. Vorgelagert ist die Umspannebene Höchst-/Hochspannung der Am. GmbH. Das Netz der Betroffenen wird

über die Umspannanlagen H. , L. und Wi. der Am. GmbH und aus

dezentralen Erzeugungsanlagen gespeist.

[3] Die Umspannanlage S. der Antragstellerin wird aus drei Richtungen

gespeist. Zur Umspannanlage H. der Am. GmbH führt eine ca. 15 km

lange 110-kV-Hochspannungsleitung der Betroffenen. Außerdem besteht eine ca. 11 km lange 110-kV-Hochspannungsleitung der Betroffenen zum Umspannwerk L.

. An diese beiden - streitgegenständlichen - Direktleitungen ist kein anderer Netz-

nutzer angeschlossen. Darüber hinaus speisen zwei ca. 2,5 km lange 110-kV-Hochspannungsleitungen der Betroffenen ein, die mit dem Hochspannungsnetz der W.

Netz GmbH verbunden sind.

[4] Die Umspannanlage St. der Antragstellerin wird durch zwei 10 km

und 7 km lange 110-kV-Hochspannungsleitungen der Betroffenen gespeist, die mit den Umspannanlagen H. bzw. Wi. der Am. GmbH verbunden sind und

an die ebenfalls kein anderer Netznutzer angeschlossen ist.

[5] Bis Ende 2013 erfolgte die Abrechnung der Netznutzung der vier Direktleitungen der Betroffenen gegenüber der Antragstellerin auf der Grundlage einer im Vergleichswege geschlossenen Vereinbarung. Seit dem 1. Januar 2014 stellt die Betroffene der Antragstellerin die Netznutzung an den Übergabestellen Umspannwerk S. und Umspannwerk St. aufgrund eines Abrechnungsmodells für

die gemeinsam genutzte Hochspannungsebene in Hochspannung in Rechnung. Für die Nutzung der vier 110-kV-Leitungen fordert sie die Zahlung der üblichen Hochspannungsbriefmarke.

[6] Die Antragstellerin macht geltend, dass sie die vier 110-kV-Hochspannungsleitungen der Betroffenen singulär nutze und ihr deswegen von der Betroffenen nach § 19 Abs. 3 Satz 1 StromNEV ein individuelles Netzentgelt einzuräumen sei. Sie stellte deshalb im August 2014 bei der Bundesnetzagentur einen Antrag auf Überprüfung des ablehnenden Verhaltens der Betroffenen nach § 31 EnWG. Mit Beschluss vom 11. Januar 2016 hat die Bundesnetzagentur festgestellt, dass das Verhalten der Betroffenen, der Antragstellerin für die Nutzung der vier streitgegenständlichen 110-kV-Leitungen kein individuelles Netzentgelt einzuräumen und die betroffenen Entnahmestellen nicht mit der Preisstellung Höchstspannung auf Hochspannung abzurechnen, nicht mit § 19 Abs. 3 Satz 1 StromNEV übereinstimme. Die Betroffene sei insoweit verpflichtet, der Antragstellerin ab dem 1. Januar 2015 gemäß § 19 Abs. 3 Satz 1 StromNEV ein individuelles Netzentgelt einzuräumen und entsprechend abzurechnen. Die dagegen gerichtete Beschwerde der Betroffenen hat das Beschwerdegericht zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich die Betroffene mit der - vom Beschwerdegericht zugelassenen - Rechtsbeschwerde.

[7] II. Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg. Das Beschwerdegericht hat den angefochtenen Beschluss der Bundesnetzagentur zu Recht für rechtmäßig gehalten.

[8] 1. Das Beschwerdegericht hat seine Entscheidung (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 26. April 2017 - 3 Kart 12/16, juris) im Wesentlichen wie folgt begründet:

[9] Die Bundesnetzagentur habe zu Recht angenommen, dass der Antragstellerin gegen die Betroffene ein Anspruch auf Vereinbarung eines angemessenen Nutzungsentgelts für die streitgegenständlichen Betriebsmittel und auf eine Abrechnung mit der Preisstellung Umspannung von Höchstspannung auf Hochspannung zustehe. Die Voraussetzungen des § 19 Abs. 3 Satz 1 StromNEV seien für die vier streitgegenständlichen 110-kV-Leitungen erfüllt. Außer der Antragstellerin würden keine anderen Netznutzer Elektrizität aus diesen Leitungen entnehmen oder in diese einspeisen. Es entspreche sowohl der Systematik der Stromnetzentgeltverordnung als auch dem Sinn und Zweck des § 19 Abs. 3 StromNEV, eine anschlussbezogene Betrachtung vorzunehmen, die allein auf die Nutzung der streitgegenständlichen Betriebsmittel abstelle.

[10] Aufgrund dessen sei es im Hinblick auf die Umspannanlage S. uner-

heblich, dass über die beiden dortigen streitgegenständlichen 110-kV-Leitungen und das Netz der Antragstellerin in bestimmten Schaltzuständen Lastflüsse zum Netz der W. Netz GmbH möglich seien. Nach Sinn und Zweck des gesetzlichen Netzzu-

gangsmodells in Form eines transaktionsunabhängigen Punktmodells seien solche Lastflussbetrachtungen gerade nicht anzustellen. Außerdem diene § 19 Abs. 3 StromNEV der Vermeidung eines Direktleitungsbaus. Für einen Direktleitungsbau müsse die Antragstellerin nur die streitgegenständlichen Betriebsmittel errichten. An diese Betriebsmittel sei die W. Netz GmbH nicht angeschlossen. Vielmehr sei de-

ren Netz über zwei andere Leitungen mit der Umspannanlage S. verbunden.

[11] In Bezug auf die Umspannanlage St. gelte nichts anderes. Für ei-

nen Direktleitungsbau an die Umspannebene der Am. GmbH müsse die Antrag-

stellerin nur die streitgegenständlichen Betriebsmittel errichten, nicht aber Teile des ebenfalls an die Umspannebene der Am. GmbH angeschlossenen vermaschten

Hochspannungsnetzes der Betroffenen. Es komme daher nicht im Wege einer Gesamtbetrachtung auf Lastflüsse aus dem vermaschten Netz der Betroffenen an. Insoweit sei auch unerheblich, dass die Umspannwerke H. und Wi. nicht

(n-1)-sicher ausgestaltet seien und daher bei Ausfall eines Betriebsmittels in einem der Umspannwerke die unterspannungsseitige Sammelschiene im jeweiligen Umspannwerk über die dort ebenfalls angeschlossenen 110-kV-Leitungen der Betroffenen gespeist werde. Insoweit liege es in der Verantwortung der Am. GmbH, wie

sie die (n-1)-Sicherheit für die von ihr betriebene Sammelschiene herstelle. Die Anschlusssituation zwischen der Am. GmbH und der Betroffenen habe keinen Ein-

fluss auf das individuelle Netzentgelt gegenüber der Antragstellerin.

[12] 2. Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung stand.

[13] a) Das Beschwerdegericht hat zu Recht angenommen, dass es für die Prüfung der Voraussetzungen eines individuellen Netzentgelts nach § 19 Abs. 3 StromNEV allein darauf ankommt, dass an die betroffenen Betriebsmittel keine weiteren Netznutzer direkt angeschlossen sind. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde ist es deshalb unerheblich, ob die singulär genutzten Betriebsmittel einer Netz- oder Umspannebene vom Anschlussnetzbetreiber zur Versorgung weiterer, nicht unmittelbar an die Betriebsmittel angeschlossener Netzkunden genutzt wird oder ob im (n-1)-Fall das nachgelagerte Netz des Anschlussnetzbetreibers zur Gewährleistung der Versorgungssicherheit des Netznutzers erforderlich ist.

[14] aa) Eine solche auf die konkrete Entnahmestelle bezogene Betrachtungsweise legt bereits der Wortlaut des § 19 Abs. 3 Satz 1 StromNEV nahe. Danach hat der Netznutzer einen Anspruch auf ein individuelles Netzentgelt, sofern er sämtliche in einer Netz- oder Umspannebene von ihm genutzten Betriebsmittel ausschließlich selbst nutzt. Nach der Legaldefinition in § 3 Nr. 28 EnWG ist Netznutzer eine natürliche oder juristische Person, die Energie in ein Elektrizitäts- oder Gasversorgungsnetz einspeist oder daraus bezieht. Der Strombezug erfolgt an der Entnahmestelle, d.h. nach § 2 Nr. 6 StromNEV an dem Ort der Entnahme elektrischer Energie aus einer Netz- oder Umspannebene durch einen Letztverbraucher, Weiterverteiler oder die jeweils nachgelagerte Netz- oder Umspannebene.

[15] Soweit die Rechtsbeschwerde demgegenüber dem Wortlaut des § 19 Abs. 3 Satz 1 StromNEV entnehmen möchte, dass durch das Abstellen auf "sämtliche in einer Netz- oder Umspannebene von ihm (d.h. dem Netznutzer) genutzten Betriebsmittel" eine Gesamtbetrachtung geboten sei, trifft dies nicht zu. Diese Tatbestandsvoraussetzung bezieht sich auf die konkrete - und als weitere Voraussetzung: ausschließliche - Nutzung eines oder mehrerer Betriebsmittel durch den Netznutzer, der die Vereinbarung eines individuellen Netzentgelts begehrt. Sie steht damit zu der konkreten Entnahmestelle in untrennbarem Zusammenhang.

[16] bb) Diese Betrachtungsweise wird durch die Systematik der Netzentgeltermittlung bestätigt.

[17] Grundlage des Systems der Entgeltbildung für den Netzzugang ist nach § 15 Abs. 1 Satz 1 StromNEV ein transaktionsunabhängiges Punktmodell. Die Kosten für die Netznutzung richten sich nach den fiktiv vom "virtuellen Handelspunkt" in Höchstspannung bis zur Entnahmeebene des Netznutzers in Anspruch genommenen Netz- und Umspannebenen und sind nach § 17 Abs. 1 Satz 1 StromNEV entfernungsunabhängig. Welche Betriebsmittel einer Netz- oder Umspannebene der einzelne Netznutzer tatsächlich nutzt, hat keine Auswirkungen auf die Höhe der Netzentgelte. Des Weiteren hat das transaktionsunabhängige Punktmodell zur Folge, dass zur Ermittlung der Netzentgelte keine Lastflussbetrachtungen vorzunehmen sind, sondern sich deren Höhe allein nach der Anschlusskonstellation, also dem Ort der Entnahme, richtet. Zudem erfolgt die Zuteilung der Kosten einer Netz- oder Umspannebene nach § 16 Abs. 1 Satz 1 StromNEV ausschließlich auf die aus dieser Netz- oder Umspannebene entnehmenden Netznutzer. Das Netzentgelt berechnet sich gemäß § 17 Abs. 2 Satz 1 StromNEV pro Entnahmestelle. Die Kosten der Netz- und Umspannebenen werden, beginnend bei der Höchstspannung, jeweils anteilig auf die nachgelagerte Netz- oder Umspannebene verteilt (sogenannte Kostenwälzung; § 14 StromNEV). Eine "Nutzung" der vorgelagerten Netzebene durch die an ein nachgelagertes Netz angeschlossenen Nutzer erfolgt dagegen nicht (vgl. Voß/Hartmann, IR 2017, 178, 179).

[18] Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde durchbricht § 19 Abs. 3 StromNEV nicht das transaktionsunabhängige Punktmodell. Vielmehr führt die Vorschrift lediglich zu einer Verschiebung der Abrechnungsebene, indem der Netznutzer nicht mehr das Netzentgelt für die Anschlussnetzebene schuldet, sondern - unter Einschluss der zurechenbaren Kosten der singulär genutzten Betriebsmittel - dasjenige der vorgelagerten Netz- oder Umspannebene.

[19] cc) Für dieses Auslegungsergebnis sprechen auch der Sinn und Zweck des § 19 Abs. 3 StromNEV.

[20] § 19 Abs. 3 StromNEV enthält eine Sonderregelung für den Fall, dass ein einzelner Nutzer alle in einer Netz- oder Umspannebene von ihm genutzten Betriebsmittel ausschließlich selbst nutzt. Unter den genannten Voraussetzungen ist das Entgelt abweichend von den in § 17 StromNEV normierten allgemeinen Grund-sätzen nicht anhand der Jahreshöchstleistung und der entnommenen elektrischen Arbeit zu ermitteln, sondern anhand der zurechenbaren Kosten der singulär genutzten Betriebsmittel (Senatsbeschluss vom 24. Januar 2017 - EnVR 36/15, RdE 2017, 192 Rn. 18 - Singulär genutzte Betriebsmittel II).

[21] Die besonderen Regeln in § 19 StromNEV dienen - ebenso wie die allgemeinen Regeln in §§ 16 ff. StromNEV - dem in § 16 Abs. 1 Satz 1 StromNEV vorgegebenen Zweck, die Netzkosten möglichst verursachungsgerecht zu verteilen (vgl. BR-Drucks. 245/05 S. 40 oben). Zur Erreichung dieses Zwecks gibt § 16 Abs. 1 Satz 3 StromNEV den Anteil der einzelnen Nutzer an der zeitgleichen Jahreshöchstlast als grundsätzlich geeigneten Verteilungsmaßstab vor. Für Nutzer, die eine Netz- oder Umspannebene ausschließlich mit allein von ihnen genutzten Betriebsmitteln nutzen, stellt § 19 Abs. 3 StromNEV demgegenüber allein auf die Kosten dieser Betriebsmittel ab. Dahinter steht die Erwägung, dass es im Falle einer singulären Benutzung eines sekundären Zuordnungskriteriums nicht bedarf, weil sich schon aus der alleinigen Benutzung eine eindeutige Zuordnung zu einem bestimmten Nutzer ergibt. Mit der Regelung soll ein doppelter Leitungsbau vermieden und dem Grundsatz der Verursachungsgerechtigkeit der Netzentgelte zugunsten des Netznutzers Rechnung getragen werden. Hierzu wird der Netznutzer so gestellt, als habe er eine eigene Anbindung an die nächsthöhere Netzebene; zugleich leistet er einen Beitrag zur Deckung der Kosten des Netzbetreibers für diese Spannungsebene (BGH, Urteil vom 15. Dezember 2015 - EnZR 70/14, RdE 2016, 134 Rn. 20 - Singulär genutzte Betriebsmittel I; Beschluss vom 24. Januar 2017 - EnVR 36/15, RdE 2017, 192 Rn. 19

- Singulär genutzte Betriebsmittel II).

[22] Dies ist bei der Antragstellerin der Fall. Sie nutzt die vier streitgegenständlichen 110-kV-Hochspannungsleitungen der Betroffenen singulär, weil an diese Leitungen kein anderer Netznutzer mit einer eigenen Entnahme- oder Einspeisestelle angeschlossen ist. Würde man dies anders sehen, bestünde für sie ein erheblicher Anreiz zum Bau einer Direktleitung. Dies soll nach § 19 Abs. 3 StromNEV indes gerade vermieden werden.

[23] Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde widerspricht dies nicht dem Grundsatz der Kostenverursachungsgerechtigkeit. Insbesondere gebietet dieser keine einschränkende Auslegung des § 19 Abs. 3 StromNEV. Die Vereinbarung eines individuellen Netzentgelts führt zwangsläufig zu einer Mehrbelastung der anderen Nutzer dieses Netzes. Dies ist aber die unmittelbare Folge der vom Verordnungsgeber getroffenen Abwägung, dass ein - ansonsten drohendes - Ausscheiden desjenigen Netznutzers, der einzelne Betriebsmittel ausschließlich nutzt, aus der tatsächlich genutzten Anschlussebene als schwerwiegender eingestuft wird als dessen Besserstellung durch die Gewährung eines individuellen Netzentgelts für den Fall seines Verbleibs.

[24] dd) Schließlich führt eine auf die konkrete Entnahmestelle bezogene Betrachtungsweise zu einer klaren und sachgerechten Abgrenzung des Anwendungsbereichs des § 19 Abs. 3 StromNEV.

[25] Die Berücksichtigung von Lastflüssen findet in dieser Vorschrift keine Stütze und würde im Übrigen zu zufälligen Ergebnissen führen. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde ist es für die Anwendbarkeit des § 19 Abs. 3 StromNEV auch ohne Belang, ob - wie hier - ein anderer Netznutzer im Falle eines Direktleitungsbaus zur Erstellung eines Anschlusses an die nächsthöhere Umspann- oder Spannungsebene auch die von einem Netznutzer im Sinne des § 19 Abs. 3 StromNEV ausschließlich genutzten Betriebsmittel errichten müsste. Die Nutzung von Betriebsmitteln durch nachgelagerte, nicht unmittelbar an die betroffenen Betriebsmittel angeschlossene Netznutzer schließt die singuläre Nutzung durch einen anderen Netznutzer nicht aus. Denn nach dem transaktionsunabhängigen Punktmodell kommt es gerade nicht auf den physikalischen Weg an, den der vom Nutzer entnommene Strom nimmt. Vielmehr kann Nutzer der Betriebsmittel nur sein, wer unmittelbar an diese angeschlossen ist.

[26] Ebenso ist es für die Anwendbarkeit des § 19 Abs. 3 StromNEV unerheblich, wenn - wie hier - das singulär genutzte Betriebsmittel an die unterspannungsseitige Sammelschiene eines nicht eigensicheren Umspannwerks des vorgelagerten Netzbetreibers angeschlossen ist. Zwar kann es dann im (n-1)-Fall zu einer Speisung der unterspannungsseitigen Sammelschiene über das unterlagerte Netz des Anschlussnetzbetreibers kommen. Dann nutzt aber nicht der Netznutzer dieses Netz, sondern der dem Anschlussnetzbetreiber vorgelagerte Netzbetreiber nimmt es in Anspruch, um seiner Pflicht einer (n-1)-sicheren Konfiguration seines Umspannwerks gerecht zu werden (vgl. Voß/Hartmann, RdE 2016, 285, 289). Dem Netznutzer, der die Voraussetzungen des § 19 Abs. 3 StromNEV erfüllt, kann dies mangels rechtlicher Grundlage nicht zugerechnet werden.

[27] b) Nach diesen Maßgaben hat das Beschwerdegericht die Voraussetzungen des § 19 Abs. 3 StromNEV zu Recht als erfüllt angesehen. Nach seinen von der Rechtsbeschwerde nicht angefochtenen Feststellungen nutzt die Antragstellerin die vier 110-kV-Hochspannungsleitungen der Betroffenen zwischen dem Umspannwerk S. zu den Umspannwerken H. und L. sowie zwischen dem Um-

spannwerk St. zu den Umspannwerken H. und Wi. ausschließ-

lich selbst, weil außer der Antragstellerin keine weiteren Netznutzer Elektrizität aus diesen Leitungen entnehmen oder in diese einspeisen. Der Anspruch auf Vereinbarung eines individuellen Netzentgelts nach § 19 Abs. 3 StromNEV scheitert - wie dargelegt - vorliegend auch nicht daran, dass die singulär genutzten Betriebsmittel im Hinblick auf das Umspannwerk S. von der Betroffenen zur Versorgung der

nicht unmittelbar an die Betriebsmittel angeschlossenen W. Netz GmbH genutzt

werden und im Hinblick auf das Umspannwerk St. zur Gewährleistung der

Versorgungssicherheit im (n-1)-Fall aus der Sammelschiene der Umspannwerke H.

und W. der Am. GmbH erforderlich sind.

[28] III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 90 EnWG.

Limperg Grüneberg Bacher

Sunder Deichfuß

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