BGH, Urteil vom 18. Dezember 2019 - IV ZR 65/19

04.02.2020

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

Verkündet am:

18. Dezember 2019

SchickJustizangestellteals Urkundsbeamtinder Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit


Nachschlagewerk: ja


BGHZ: nein

BGHR: ja


Allgemeine Bedingungen für die Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung § 7 Abs. 2; Besondere Bedingungen für die Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung § 6 Abs. 5


Zum Erfordernis einer Änderungsmitteilung des Versicherers bei späterem Wegfall einer zunächst bestehenden Berufsunfähigkeit trotz Nichtabgabe eines Leistungsanerkenntnisses.


BGH, Urteil vom 18. Dezember 2019 - IV ZR 65/19 - OLG Naumburg, LG Magdeburg


Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch die Vorsitzende Richterin Mayen, den Richter Prof. Dr. Karczewski, die Richterinnen

Dr. Brockmöller, Dr. Bußmann und den Richter Dr. Götz auf die mündliche Verhandlung vom 18. Dezember 2019

für Recht erkannt:

Auf die Revision der Beklagten wird unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels das Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Naumburg vom 7. Februar 2019 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Beklagte zur Zahlung einer Hauptforderung von mehr als 223.144,97 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 30.839,77 € seit dem 17. Juni 2011 sowie aus je 2.372,29 € seit dem 1. Juli 2011, 1. August 2011, 1. September 2011, 1. Oktober 2011, 1. November 2011, 1. Dezember 2011, 1. Januar 2012, 1. Februar 2012, 1. März 2012, 1. April 2012, 1. Mai 2012, 1. Juni 2012, 1. Juli 2012, 1. August 2012, 1. September 2012, 1. Oktober 2012, 1. November 2012, 1. Dezember 2012, 1. Januar 2013, 1. Februar 2013, 1. März 2013, 1. April 2013, 1. Mai 2013, 1. Juni 2013 und 1. Juli 2013 verurteilt worden ist.

In Höhe der weitergehenden Hauptforderung nebst Zinsen wird die Berufung des Klägers zurückgewiesen und die Klage abgewiesen.

Die Anschlussrevision des Klägers wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen der Kläger zu 30 % und die Beklagte zu 70 %. Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Kläger zu 21 % und die Beklagte zu 79 %. Die Kosten des Revisionsverfahrens tragen der Kläger zu 15 % und die Beklagte zu 85 %.

Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf bis 200.000 € festgesetzt.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

[1] Der Kläger begehrt Leistungen aus Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherungen.

[2] Die Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH), deren Geschäftsführer der Kläger zeitweilig war, hielt bei der Beklagten drei Kapitallebensversicherungen mit Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung, die den Kläger als versicherte Person nannten. Zwei dieser Verträge wurden 1995 und 1996 abgeschlossen (Versicherungsscheine vom 17. Oktober 1995 mit 988,24 € Rente und vom 25. April 1996 mit 123,05 € Rente); ihnen liegen "Allgemeine Bedingungen für die Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung" (AB-BUZ) der Rechtsvorgängerin der Beklagten zugrunde, die unter anderem folgende Regelungen enthalten:

"§ 1 Was ist versichert?

1. Wird der Versicherte während der Dauer dieser Versicherung zu mindestens 50 % berufsunfähig so erbringen wir folgende Versicherungsleistungen:

...

b) Zahlung einer Berufsunfähigkeitsrente, wenn diese mitversichert ist. Die Rente zahlen wir monatlich im voraus.

...

3. Der Anspruch auf Beitragsbefreiung und Rente entsteht mit Ablauf des Monats, in dem die Berufsunfähigkeit eingetreten ist. ...

...

§ 2 Was ist Berufsunfähigkeit im Sinne dieser Bedingungen?

...

3. Ist der Versicherte sechs Monate ununterbrochen infolge Krankheit, Körperverletzung oder Kräfteverfalls, die ärztlich nachzuweisen sind, vollständig oder teilweise außerstande gewesen, seinen Beruf oder eine andere Tätigkeit auszuüben, die aufgrund seiner Kenntnisse und Fähigkeiten ausgeübt werden kann und seiner bisherigen Lebensstellung entspricht, so gilt die Fortdauer dieses Zustandes von Beginn an als vollständige oder teilweise Berufsunfähigkeit.

...

§ 5 Wann geben wir eine Erklärung über unsere Leistungspflicht ab?

...

2. Wir können ein zeitlich begrenztes Anerkenntnis unter einstweiliger Zurückstellung der Frage aussprechen, ob die versicherte Person eine andere Tätigkeit im Sinne von § 2 Absatz 1 ausüben kann.

...

§ 7 Was gilt für die Nachprüfung der Berufsunfähigkeit?

1. Nach Anerkennung oder Feststellung unserer Leistungspflicht sind wir berechtigt, das Fortbestehen der Berufsunfähigkeit und ihren Grad oder die Pflegestufe und das Fortleben des Versicherten nachzuprüfen; dies gilt auch für zeitlich begrenzte Anerkenntnisse nach § 5 Absatz 2.

...

4. Ist die Berufsunfähigkeit weggefallen oder hat sich ihr Grad auf weniger als 50 % vermindert, können wir unsere Leistungen einstellen. Die Einstellung teilen wir dem Anspruchsberechtigten unter Hinweis auf seine Rechte aus § 6 mit, sie wird nicht vor Ablauf eines Monats nach Absenden dieser Mitteilung wirksam, frühestens jedoch zu Beginn der darauffolgenden Rentenzahlungsperiode. ...

..."

[3] Dem 2009 abgeschlossenen Versicherungsvertrag (Versicherungsschein vom 3. Februar 2009 mit 1.261 € Rente) liegen "Besondere Bedingungen für die Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung" (BB-BUZ) der Beklagten zugrunde, die auszugsweise wie folgt lauten:

"§ 1 Was ist versichert?

Leistung infolge Berufsunfähigkeit

(1) Wird die versicherte Person während der Versicherungsdauer zu mindestens 50 % berufsunfähig, so erbringen wir ­ je nach vertraglicher Vereinbarung - folgende Versicherungsleistungen:

...

Rente (BUZ-R)

Zahlung einer Berufsunfähigkeitsrente. Die Rente zahlen wir monatlich im Voraus, erstmals zu Beginn des Monats, der auf den Monat folgt, in dem die Berufsunfähigkeit eingetreten ist. ...

...

Anspruchsentstehung

(3) Der Anspruch auf Beitragsbefreiung und Rente entsteht mit Ablauf des Monats, in dem die Berufsunfähigkeit eingetreten ist. ...

...

§ 5 Wann geben wir eine Erklärung über unsere Leistungspflicht ab?

...

(3) Wir können einmalig ein zeitlich begrenztes Anerkenntnis aussprechen. Es ist bis zum Ablauf der Frist für uns bindend.

§ 6 Was gilt für die Nachprüfung der Berufsunfähigkeit?

...

(5) Ist die Berufsunfähigkeit weggefallen oder hat sich ihr Grad auf weniger als 50 % vermindert, können wir unsere Leistungen einstellen. In diesem Fall legen wir Ihnen die Veränderung in Textform dar und teilen die Einstellung unserer Leistungen dem Anspruchsberechtigten in Textform mit. Die Einstellung unserer Leistungen wird mit dem Ablauf des dritten Monats nach Zugang unserer Erklärung bei Ihnen wirksam. ..."

[4] In den vorgenannten Vertrag einbezogen sind außerdem "Besondere Bestimmungen zum Versicherungsschein", die unter anderem folgende Regelungen enthalten:

"4.1. § 2 Absätze 1 - 3 der "Besonderen Bedingungen für die Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung" erhalten folgende Fassung:

...

Absatz 3 wird ersetzt durch:

Ist die versicherte Person mindestens sechs Monate ununterbrochen infolge Krankheit, Körperverletzung oder mehr als altersentsprechenden Kräfteverfalls, die ärztlich nachzuweisen sind, vollständig oder teilweise außerstande gewesen, ihren zuletzt ausgeübten Beruf - so wie er ohne gesundheitliche Beeinträchtigung ausgestaltet war - auszuüben, so gilt dieser Zustand von Beginn an als vollständige oder teilweise Berufsunfähigkeit, es sei denn, sie übt eine andere ihrer Ausbildung, Erfahrung und Lebensstellung entsprechende Tätigkeit konkret aus.

...

§ 6 Absatz 1 der "Besonderen Bedingungen für die Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung" erhält folgende Fassung:

Nach Anerkennung oder Feststellung unserer Leistungspflicht sind wir berechtigt, das Fortbestehen der Berufsunfähigkeit und ihren Grad oder die Pflegebedürftigkeit nachzuprüfen. ..."

[5] Der Kläger beendete am 4. Mai 2010 seine Tätigkeit als Geschäftsführer der GmbH. Anschließend beantragte er bei der Beklagten Berufsunfähigkeitsleistungen und gab unter dem 13. August 2010 im Antragsformular an, er sei noch immer krankgeschrieben und habe kein Beschäftigungsverhältnis. Die Beklagte lehnte mit Schreiben vom 14. Juni 2011 ihre Einstandspflicht mit der Begründung ab, dass keine bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit vorliege, und kündigte die Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherungen außerordentlich und fristlos. Sie erstattete außerdem Strafanzeige gegen den Kläger. Der Kläger wurde später vom Vorwurf des versuchten Betruges zum Nachteil der Beklagten rechtskräftig freigesprochen.

[6] Der Kläger behauptet, seit Mai 2010 aufgrund einer psychischen Erkrankung in seinem Beruf als Geschäftsführer berufsunfähig zu sein. Mit seiner Klage hat er, soweit für die Revision noch von Interesse, rückständige Berufsunfähigkeitsrenten in Höhe von 93.250,16 € nebst gestaffelter Zinsen sowie monatliche Rentenzahlungen von 2.372,29 € ab 1. August 2013 bis zum jeweiligen Vertragsende und Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten verlangt. Das Landgericht hat dem Kläger 30.839,77 € (für die Zeit von Mai 2010 bis einschließlich Mai 2011) nebst gestaffelter Zinsen sowie 1.590,91 € Rechtsanwaltskosten zugesprochen und die Klage im Übrigen abgewiesen. Nach Berufungen beider Parteien hat das Oberlandesgericht das landgerichtliche Urteil dahingehend abgeändert, dass an den Kläger insgesamt 225.367,55 € (für die Zeit von Juni 2010 bis einschließlich April 2018) nebst gestaffelter Zinsen und 4.345,88 € Rechtsanwaltskosten zu zahlen sind. Mit der Revision erstrebt die Beklagte die Abweisung der Klage, soweit sie über einen bereits erstinstanzlich erfolgreichen Feststellungsantrag hinausgeht. Der Kläger verfolgt mit der Anschlussrevision seine Anträge auf Zahlung rückständiger und künftiger Renten, soweit ihnen das Berufungsgericht nicht stattgegeben hat, weiter.

Entscheidungsgründe:

[7] Die unbeschränkt zugelassene Revision der Beklagten ist nur zu einem geringen Teil erfolgreich, während die Anschlussrevision des Klägers insgesamt ohne Erfolg bleibt.

[8] I. Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass der in Bezug auf den Leistungsantrag aktivlegitimierte Kläger ab Mai 2010 berufsunfähig gewesen sei. Der Leistungsanspruch sei deshalb ab Juni 2010 begründet. Es habe eine mittlere bis schwere depressive Episode vorgelegen, die auch länger als sechs Monate angedauert habe. Seit Oktober 2012 sei der Kläger wieder berufsfähig. Die Beklagte sei aber nicht bereits ab dann leistungsfrei geworden, denn der Versicherer müsse die Änderung des Gesundheitszustands grundsätzlich auf dem vertraglich vorgesehenen Weg des Nachprüfungsverfahrens geltend machen. Dass die Beklagte den Anspruch des Klägers nicht anerkannt habe, ändere an der Notwendigkeit einer ordnungsgemäßen Einstellungsmitteilung nichts. Die mit Schriftsatz vom 12. Dezember 2017 hilfsweise erklärte Einstellungsmitteilung, die der Gegenseite am 11. Januar 2018 zugegangen sei, werde den Erfordernissen der Darlegung der Veränderung gerecht. Damit sei die Beklagte erst mit Ablauf des dritten Monats nach Zugang der Erklärung, mithin zum 30. April 2018 leistungsfrei geworden. Soweit den Verträgen eine abweichende Regelung in § 7 Abs. 4 AB-BUZ zugrunde liege, sei diese wegen Benachteiligung des Klägers gemäß § 175 VVG unwirksam, so dass an ihre Stelle die gesetzliche Vorschrift des § 174 Abs. 2 VVG trete. Verzugszinsen auf die Versicherungsleistungen bis einschließlich Juni 2011 seien erst ab Zugang des Ablehnungsschreibens vom 14. Juni 2011 zuzusprechen.

[9] II. Das hält rechtlicher Nachprüfung überwiegend stand.

[10] 1. Die Revision der Beklagten ist nur teilweise begründet. Die vom Berufungsgericht zugesprochene Hauptforderung ist um 2.222,58 € zu reduzieren.

[11] a) Das Berufungsgericht hat in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise festgestellt, dass der Kläger als versicherte Person hier die Versicherungsansprüche selbst geltend machen kann, was auch von der Revision zu Recht nicht angegriffen wird. Weiter hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei festgestellt, dass der Kläger von Mai 2010 bis einschließlich September 2012 aufgrund einer mindestens mittelgradigen depressiven Episode bedingungsgemäß berufsunfähig war. Ohne Erfolg macht die Revision geltend, die tatrichterliche Würdigung verstoße gegen § 286 ZPO. Das Revisionsgericht hat diese lediglich daraufhin zu überprüfen, ob sie den Sachvortrag und die Beweisergebnisse vollständig berücksichtigt und nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt (vgl. Senatsurteile vom 19. Juli 2017 ­ IV ZR 535/15, VersR 2017, 1134 Rn. 24; vom 22. Juni 2011 ­ IV ZR 225/10, VersR 2011, 1037 Rn. 8 [insoweit in BGHZ 190, 120 nicht abgedruckt]). Der Senat hat die in diesem Zusammenhang von der Revision gerügten Verfahrensmängel geprüft und für nicht durchgreifend erachtet. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 564 Satz 1 ZPO abgesehen.

[12] b) Zu Recht hat das Berufungsgericht dem Kläger Berufsunfähigkeitsrenten ab Juni 2010 zugesprochen. Die Leistungspflicht der Beklagten begann gemäß § 1 Abs. 3 AB-BUZ und § 1 Abs. 3 BB-BUZ mit Ablauf des Monats, in dem Berufsunfähigkeit eingetreten ist. Das war hier nach den Feststellungen des Berufungsgerichts im Mai 2010 der Fall. Das Berufungsgericht hat die Voraussetzungen der Berufsunfähigkeit gemäß § 2 Abs. 3 AB-BUZ und § 2 Abs. 3 BB-BUZ in der Fassung von Ziff. 4.1. der Besonderen Bestimmungen zum Versicherungsschein festgestellt, wonach die versicherte Person sechs Monate ununterbrochen außerstande gewesen sein muss, ihren Beruf auszuüben. Beim Kläger lag nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ab Mai 2010 eine mittlere bis schwere depressive Episode vor, die auch länger als sechs Monate angedauert hat.

[13] Damit trat der Versicherungsfall der Berufsunfähigkeit aber entgegen der Auffassung der Revision nicht nur im Rahmen des 2009 abgeschlossenen Versicherungsvertrages, sondern auch für die 1995 und 1996 abgeschlossenen Verträge bereits mit dem Beginn dieses Sechsmonatszeitraums ein. § 2 Abs. 3 AB-BUZ bestimmt für den Fall, dass der Versicherte sechs Monate ununterbrochen außerstande gewesen ist, seinen Beruf auszuüben, dass "die Fortdauer dieses Zustandes von Beginn an als vollständige oder teilweise Berufsunfähigkeit" gilt. Allgemeine Versicherungsbedingungen sind so auszulegen, wie ein durchschnittlicher, um Verständnis bemühter Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs versteht. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit ­ auch ­ auf seine Interessen an (vgl. nur Senatsurteil vom 6. Juli 2016 ­ IV ZR 44/15, BGHZ 211, 51 Rn. 17 m.w.N.; st. Rspr.). Der durchschnittliche Versicherungsnehmer wird den hier maßgeblichen Bedingungen entnehmen, dass die Fortdauer des mindestens sechs Monate andauernden Zustands "von Beginn an" und damit bereits ab dem ersten Tag dieser sechs Monate als Berufsunfähigkeit gilt (vgl. auch OLG Celle VersR 2006, 1201 [juris Rn. 10]; HK-BU/Ernst, § 2 BUV Rn. 362). Der Versicherungsnehmer wird nicht annehmen, dass die Worte "von Beginn an" inhaltsleer und damit überflüssigerweise in die Klausel eingefügt sind.

[14] Dieser Einschub unterscheidet die Klausel von anderen Bedingungen, nach denen "die Fortdauer dieses Zustands als Berufsunfähigkeit" gilt und der Versicherungsfall demnach erst sechs Monate nach Beginn der Arbeitsunfähigkeit eintritt (vgl. dazu Senatsurteil vom 21. März 1990 ­ IV ZR 39/89, BGHZ 111, 44 unter I 1 [juris Rn. 17]).

[15] c) Zutreffend ist das Berufungsgericht auch davon ausgegangen, dass die Leistungspflicht der Beklagten erst mit dem Wirksamwerden ihrer Änderungsmitteilung geendet hat. In der Senatsrechtsprechung ist geklärt, dass ein Versicherer auch dann, wenn er kein Anerkenntnis seiner Leistungspflicht abgegeben hat, den späteren Wegfall einer zunächst bestehenden Berufsunfähigkeit nur durch eine den inhaltlichen Anforderungen des Nachprüfungsverfahrens genügende Änderungsmitteilung geltend machen kann (vgl. zuletzt Senatsbeschluss vom 13. März 2019 ­ IV ZR 124/18, NJW 2019, 2385 Rn. 17 m.w.N.). Daran hält der Senat auch unter Berücksichtigung der Angriffe der Revision fest.

[16] aa) Eine Änderungsmitteilung ist auch dann erforderlich, wenn die zugrundeliegenden Versicherungsbedingungen ein befristetes Anerkenntnis erlauben (Senatsbeschluss vom 13. März 2019 aaO Rn. 25). Entgegen der Ansicht der Revision kommt es nicht darauf an, ob dem Kläger bereits zu Beginn seiner Erkrankung eine zeitlich bestimmte Genesungsprognose hätte gestellt werden können. Selbst wenn aus der maßgeblichen Perspektive ex ante ein sachlicher Grund für eine Befristung des Anerkenntnisses vorgelegen hätte (vgl. zu seiner Notwendigkeit Senatsurteil vom 9. Oktober 2019 ­ IV ZR 235/18, WM 2019, 2127 Rn. 13 ff.), blieb es der Entscheidung des Versicherers überlassen, ob er ein befristetes Anerkenntnis abgeben will. Macht er von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch, kann er nicht im Nachhinein so gestellt werden, als hätte er eine tatsächlich nicht erfolgte Befristung vorgenommen.

[17] bb) Bereits geklärt ist auch, dass im Rahmen der Änderungsmitteilung der Gesundheitszustand der versicherten Person, der einem gebotenen Anerkenntnis hätte zugrunde gelegt werden müssen, dem späteren Gesundheitszustand gegenüberzustellen ist (vgl. Senatsbeschluss vom 13. März 2019 aaO Rn. 23). Dieser Vergleich setzt ­ anders als die Revision meint ­ nicht voraus, dass bereits abschließende gerichtliche Feststellungen zum früheren Gesundheitszustand vorliegen. Der frühere Gesundheitszustand kann sich im Rechtsstreit aus dem gerichtlichen Sachverständigengutachten ergeben, ohne dass der Versicherer aber auf ein solches Gutachten als Vergleichsgrundlage beschränkt wäre. Da der Versicherer eine Änderungsmitteilung auch hilfsweise unter Aufrechterhaltung seiner ursprünglichen Leistungsablehnung abgeben kann (vgl. Senatsbeschluss vom 13. März 2019 aaO Rn. 22), bindet er sich damit nicht an eine bestimmte Bewertung des Gesundheitszustands. Auch die vom Versicherungsnehmer vorgelegten und vom Versicherer in Frage gestellten Befunde könnten daher Grundlage einer hilfsweise erklärten Änderungsmitteilung sein, um geltend zu machen, dass dieser ­ bestrittene ­ Gesundheitszustand jedenfalls jetzt nicht mehr besteht.

[18] cc) Entgegen der Ansicht der Revision setzt das Erfordernis einer Änderungsmitteilung nicht voraus, dass die Ablehnung des Anerkenntnisses durch den Versicherer schuldhaft oder treuwidrig erfolgte.

[19] Der Versicherer ist vielmehr bereits dann an die Regeln gebunden, die er selbst in seinen Versicherungsbedingungen für die Nachprüfung von Berufsunfähigkeit aufgestellt hat, wenn er ein nach Sachlage gebotenes Anerkenntnis bislang nicht abgegeben hat (vgl. Senatsbeschluss vom 13. März 2019 aaO Rn. 19 m.w.N.). Voraussetzung dieser Bindung ist daher allein, dass ein Anerkenntnis objektiv geboten war, weil bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit vorlag (vgl. auch Klenk in Looschelders/Pohlmann, VVG 3. Aufl. § 173 Rn. 23). Ob der Versicherer subjektiv zum damaligen Zeitpunkt Anlass hatte, seine Leistungspflicht in Frage zu stellen, ist dabei ohne Belang (a.A. Neuhaus, Berufsunfähigkeitsversicherung 3. Aufl. L Rn. 14; Rixecker in Langheid/Rixecker, VVG 6. Aufl. § 173 Rn. 5; HK-VVG/Mertens, 4. Aufl. § 173 Rn. 6).

[20] dd) Entgegen der Ansicht der Revision verliert der Kläger seine in den Versicherungsbedingungen geregelten Rechte aus dem Nachprüfungsverfahren auch nicht wegen des Vorwurfs, er habe nach Eintritt des Versicherungsfalls falsche Angaben gegenüber der Beklagten gemacht.

[21] Falls der Versicherer wegen eines Verhaltens des Versicherungsnehmers oder Versicherten nach dem Versicherungsfall, insbesondere einer Obliegenheitsverletzung, leistungsfrei bleibt, wäre nach Sachlage auch kein Anerkenntnis geboten. Das Berufungsgericht ist jedoch rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass dies hier nicht der Fall war. Nach den vom Berufungsgericht nicht beanstandeten Feststellungen des Landgerichts hat der Kläger im Leistungsantrag vom 13. August 2010 zwar erklärt, keiner Beschäftigung nachzugehen, obwohl er seit Juni 2010 geringfügig beschäftigt war. Diese Falschangabe war aber nach den Feststellungen der Vorinstanzen nicht kausal für die Feststellung des Versicherungsfalls oder den Umfang der Leistungspflicht, da die neue Beschäftigung nicht im Sinne einer Verweisungstätigkeit vergleichbar mit der bisherigen Geschäftsführertätigkeit war. Noch während der laufenden Leistungsprüfung teilte der Kläger der Beklagten das neue Beschäftigungsverhältnis mit. Anhaltspunkte für Arglist hat das Landgericht nicht gesehen. Dies hat auch die Beklagte mit ihrer Berufung nicht angegriffen.

[22] d) Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass die Beklagte erst mit ihrem Schriftsatz vom 12. Dezember 2017 die Anforderungen an eine Änderungsmitteilung erfüllt hat. Dagegen wendet sich die Revision ­ zu Recht ­ nicht.

[23] Nicht in vollem Umfang Bestand kann dagegen die Entscheidung des Berufungsgerichts haben, dass die Leistungspflicht der Beklagten erst zum 30. April 2018 geendet habe. Vielmehr ist die Beklagte hinsichtlich der beiden Versicherungsverträge, die 1995 und 1996 abgeschlossen wurden, für die Monate März und April 2018 (2.222,58 €) zu Unrecht verurteilt worden. Der die Änderungsmitteilung enthaltende Schriftsatz ist dem Kläger nach den Feststellungen des Berufungsgerichts am 11. Januar 2018 zugegangen, nachdem das Landgericht am 8. Januar 2018 eine Abschrift formlos an den Klägervertreter abgesandt hat. Auf dieser Grundlage hat das Berufungsgericht für den im Jahr 2009 abgeschlossenen Versicherungsvertrag noch zutreffend erkannt, dass gemäß § 6 Abs. 5 Satz 3 BB-BUZ die Leistungspflicht der Beklagten erst mit dem Ablauf des dritten Monats nach Zugang der Erklärung beim Kläger und damit am 30. April 2018 entfiel. Für die beiden 1995 und 1996 abgeschlossenen Versicherungsverträge gilt dagegen § 7 Abs. 4 Satz 2 AB-BUZ, so dass die Änderungsmitteilung nicht vor Ablauf eines Monats nach Absenden der Mitteilung, frühestens jedoch zu Beginn der darauffolgenden Rentenzahlungsperiode wirksam wurde. Die Leistungspflicht der Beklagten aus diesen Verträgen endete daher bereits am 28. Februar 2018. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist § 7 Abs. 4 Satz 2 AB-BUZ nicht gemäß § 175 VVG wegen einer dem Kläger nachteiligen Abweichung von § 174 Abs. 2 VVG ­ jeweils in der seit dem 1. Januar 2008 geltenden Fassung ­ unwirksam. Auf vor diesem Zeitpunkt abgeschlossene Altverträge über eine Berufsunfähigkeitsversicherung sind gemäß Art. 4 Abs. 3 EGVVG die §§ 174, 175 VVG nicht anzuwenden.

[24] e) Verzugszinsen hat das Berufungsgericht dem Kläger nur aus den bis zum 1. Juli 2013 fällig gewordenen Rentenbeträgen zu Recht zugesprochen. Mit der Verurteilung zur Zahlung von Zinsen aus den ab 1. August 2013 fälligen Rentenbeträgen hat es dagegen dem Kläger etwas zugesprochen, was er nicht beantragt hatte. Dieser Verstoß gegen § 308 ZPO ist von Amts wegen zu beachten (vgl. BGH, Urteile vom 5. März 1998 ­ I ZR 250/95, NJW-RR 1998, 1639 unter B III 2 c [juris Rn. 120] m.w.N.; vom 20. November 1992 ­ V ZR 82/91, BGHZ 120, 239 unter B I 1 [juris Rn. 37]).

[25] Für die ab 1. August 2013 fällig gewordenen Rentenbeträge hat der Kläger in den Vorinstanzen keinen Zinsantrag gestellt. Zwar ist ­ worauf der Kläger zu Recht hinweist ­ bei der Auslegung von Klageanträgen nicht allein der Wortlaut der Erklärung, sondern vielmehr der erklärte Wille maßgebend, wie er auch aus Begleitumständen und nicht zuletzt der Interessenlage hervorgehen kann; im Zweifel gilt, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und der wohlverstandenen Interessenlage entspricht (vgl. Senatsurteil vom 14. Dezember 2016 ­ IV ZR 527/15, VersR 2017, 216 Rn. 16 m.w.N.). Aber auch unter Zugrundelegung dieses Maßstabs lässt sich dem Berufungsvortrag des Klägers kein entsprechender Zinsantrag entnehmen. In der Berufungsbegründung vom 19. Februar 2018 hat der Kläger für die ab 1. August 2013 fällig gewordenen Raten keinen Zinsantrag formuliert, obwohl sein Antrag auf Rentenleistungen insoweit einen inzwischen bereits zurückliegenden Zeitraum umfasste. Auch der Kläger macht in der Revisionsinstanz nicht geltend, dass sich der Berufungsbegründung im Übrigen ein entsprechender Zinsantrag entnehmen ließe. Entgegen der Ansicht des Klägers kann aber auch seine Berufungserwiderung nicht dahingehend ausgelegt werden, dass er für die späteren Raten einen Zinsantrag stellen wollte. Er hat dort das landgerichtliche Urteil verteidigt, das ihm Rentenleistungen nebst Zinsen von Mai 2010 bis Mai 2011 zugesprochen hatte, und erklärt, dass ihm ein Leistungsanspruch bereits ab Eintritt und nicht erst ab dem siebten Monat der Berufsunfähigkeit zustehe. Daher seien "Zinsen ab Beginn der Leistungspflicht" zu zahlen; das erstinstanzliche Urteil sei insofern nicht zu beanstanden. Diesem Vortrag, der sich auf den Beginn seines Leistungsbegehrens im Jahr 2010 bezog, kann nicht entnommen werden, dass der Kläger entgegen der Formulierung seiner Anträge auch für alle späteren Rentenbeträge eine Verzinsung geltend machen wollte.

[26] Der Verstoß des Berufungsgerichts gegen § 308 Abs. 1 ZPO ist auch nicht dadurch geheilt worden, dass der Kläger die Zurückweisung der Revision beantragt und sich dadurch die Entscheidung des Berufungsgerichts zu Eigen gemacht hat. Denn insoweit handelt es sich um eine Klageerweiterung, die im Revisionsverfahren grundsätzlich nicht zulässig ist (vgl. BGH, Urteil vom 29. Juni 2006 ­ I ZR 235/03, BGHZ 168, 179 unter II 2 [juris Rn. 24]).

[27] f) Der vom Berufungsgericht zugesprochene Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten, der der Höhe nach von der Revision auch nicht substantiiert angegriffen wird, übersteigt nicht die begründete Forderung des Klägers.

[28] 2. Die Anschlussrevision des Klägers ist unbegründet.

[29] a) Das Berufungsgericht hat in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise festgestellt, dass der Kläger seit Oktober 2012 nicht mehr bedingungsgemäß berufsunfähig ist. Der Senat hat die in diesem Zusammenhang von der Anschlussrevision gerügten Verfahrensmängel geprüft und für nicht durchgreifend erachtet. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 564 Satz 1 ZPO abgesehen.

[30] b) Soweit die Anschlussrevision durch die Aufrechterhaltung von Berufungsanträgen des Klägers weiterhin Berufsunfähigkeitsrente für den Monat Mai 2010 und gestaffelte Verzugszinsen aus den zugesprochenen Rentenbeträgen vom 1. Juni 2010 bis zum 1. Juni 2011 verlangt, kann sie keinen Erfolg haben. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Rentenanspruch gemäß § 1 Abs. 3 AB-BUZ und § 1 Abs. 3 BB-BUZ erst mit Ablauf des Monats ­ hier: Mai 2010 ­ entstand, in dem Berufsunfähigkeit eintrat, und Verzugszinsen erst geschuldet waren, nachdem der Anspruch auf Versicherungsleistungen gemäß § 14 Abs. 1 VVG durch Beendigung der notwendigen Erhebungen des Versicherers fällig wurde und die Beklagte durch den Zugang ihrer Leistungsablehnung vom 14. Juni 2011 in Verzug geraten ist.

Mayen Prof. Dr. Karczewski Dr. Brockmöller

Dr. Bußmann Dr. Götz

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