BGH, Urteil vom 18. Januar 2024 - III ZR 245/22

19.02.2024

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

Verkündet am:

18. Januar 2024

UytterhaegenJustizangestellteals Urkundsbeamtinder Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit


Nachschlagewerk: ja


BGHZ: nein

BGHR: ja


Transparenzgebot, Darlegungs- und Beweislast


BGB § 307 Abs. 1 Satz 2 Be, Cl, § 280 Abs. 1

a) Zum Verstoß gegen das Transparenzgebot bei unverbrieften Namensschuldverschreibungen (Anschluss an BGH, Urteil vom 16. Januar 2020 - IX ZR 351/18, NJW 2020, 986).

b) Zur Darlegungs- und Beweislast bei der Vereitelung der Durchsetzung von (Zins- und Kapitalrückzahlungs-)Forderungen (Anschluss an BGH, Urteile vom 19. September 1985 - IX ZR 138/84, NJW 1986, 246; vom 29. Juni 2006 - IX ZR 76/04, NJW 2006, 3494 und vom 4. Dezember 2012 - VI ZR 378/11, WM 2013, 306; Beschluss vom 8. November 2007 - IX ZR 221/06, juris).


BGH, Urteil vom 18. Januar 2024 - III ZR 245/22 - OLG Hamburg, LG Hamburg


Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 14. Dezember 2023 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Herrmann und die Richter Reiter, Dr. Kessen, Dr. Herr und Liepin

für Recht erkannt:

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Hanseatischen Oberlandesgerichts - 6. Zivilsenat - vom 5. August 2022 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil des Beklagten erkannt worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszugs, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

[1] Der Kläger macht Schadensersatzansprüche im Zusammenhang mit einer Kapitalanlage geltend.

[2] Der Kläger zeichnete am 17. September 2014 eine unverbriefte Namensschuldverschreibung der US Öl und Gas NSV 5 GmbH & Co. KG (im Folgenden: NSV 5, NSV 5 KG oder Emittentin) über 20.000 € nebst einem Agio von 800 € (Zeichnungsbetrag: 20.800 €). Des Weiteren bevollmächtigte er im Zeichnungsschein die T. GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft (im Folgenden: Treuhänderin oder Insolvenzschuldnerin), die Namensschuldverschreibung für ihn zu verwalten und sämtliche mit ihr verbundenen Rechte und Pflichten in seinem Interesse wahrzunehmen. Diese war zu keinem Zeitpunkt als Gesellschafterin an der Emittentin beteiligt. Deren persönlich haftende Gesellschafterin war die E. C. I. Beteiligungsgesellschaft mbH (im Folgenden: ECI GmbH). Der Kläger leistete den Zeichnungsbetrag. Er erhielt in der Folgezeit Zahlungen in Höhe von insgesamt 1.800 €.

[3] Die näheren Bedingungen der Kapitalanlage waren in einem Verkaufsprospekt niedergelegt. Danach sollte die Emittentin das von den Anlegern eingezahlte Kapital (ohne Agio) in inhaltsgleiche Namensschuldverschreibungen der D. O. & G. AG (im Folgenden: DOG AG) investieren, welche es nach Abzug von näher bezeichneten Kosten in Form von Gesellschafterdarlehen an ihre US-Tochtergesellschaft, die Cornucopia Oil & Gas Company LLC. (im Folgenden: Cornucopia), weitergeben sollte. Diese wiederum sollte die Darlehensmittel zur Exploration, Produktion und zum Verkauf von Erdöl und Erdgas in dem Fördergebiet "Kitchen Lights Unit" in Alaska verwenden. Zur Erfüllung aller Ansprüche der Anleger aus den von ihnen erworbenen Rechten gegen die Emittentin trat diese die ihr gegen die DOG AG zustehenden Ansprüche aus den Namensschuldverschreibungen an die Anleger erfüllungshalber ab. Jeder Anleger konnte seine Ansprüche also sowohl gegenüber der Emittentin als auch gegenüber der DOG AG geltend machen; Letztere musste er vorrangig in Anspruch nehmen.

[4] Nach § 13 der in den Verkaufsprospekt inkorporierten Anlagebedingungen (AB) war die Laufzeit der Namensschuldverschreibungen bis zum 30. Juni 2018 befristet; die Emittentin konnte einmalig eine Verlängerung der Laufzeit von bis zu einem Jahr vornehmen. Nach § 15 Abs. 1 AB waren alle Ansprüche des Anlegers auf Rückzahlung von Kapital nachrangig und eine Rückzahlung solange und soweit ausgeschlossen, wie die Rückzahlung einen Grund für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Emittentin herbeigeführt hätte. In § 18 AB war vorgesehen, Beschlüsse in Anlegerversammlungen zu fassen, soweit es um Rechte und Pflichten des Anlegers ging. Die Anlegerversammlungen waren unter bestimmten Voraussetzungen von der Treuhänderin einzuberufen und zu leiten. Zur Beschlussfassung genügte grundsätzlich die einfache Mehrheit der abgegebenen Stimmen; Beschlüsse zur Änderung der Anlagebedingungen bedurften einer Mehrheit von 75% der abgegebenen Stimmen sowie der Zustimmung der Emittentin. Für einen Anleger, der nicht an der Versammlung teilnahm, übte die Treuhänderin seine Stimmrechte aus, und zwar nach ihrem freien Ermessen unter Berücksichtigung des Gesamtinteresses aller Anleger, wie es im Verkaufsprospekt zum Ausdruck kam.

[5] Mit Schreiben vom 8. September 2015 lud die Insolvenzschuldnerin die Anleger unter Beifügung einer Tagesordnung zu einer außerordentlichen Anlegerversammlung auf den 8. Oktober 2015 ein. Die Tagesordnungspunkte 5 und 6 sahen die Beschlussfassung über die Änderung der Bedingungen der Namensschuldverschreibungen dahingehend vor, dass die Emittentin den Anspruch auf die Rückgewähr des Anleihekapitals und die vereinbarten Zinsen vorzeitig erfüllen konnte, und sie für diesen Fall die Option erhielt, das Anleihekapital und die restlichen Anleihezinsen an Erfüllungs statt durch Aktien der D. O. & G. S.A. zu leisten.

[6] Die Anlegerversammlung stimmte am 8. Oktober 2015 mit einer Mehrheit von über 75% der abgegebenen Stimmen beiden Tagesordnungspunkten zu. Dabei gab die Zustimmung der Insolvenzschuldnerin, die über 20.189 Stimmen verfügte, bezüglich derer sie von den Anlegern keine Weisung für die Abstimmung erhalten hatte, den Ausschlag.

[7] Die Emittentin nahm die ihr eingeräumte Option noch in der Anlegerversammlung wahr. Der Kläger erhielt in der Folge 2.119 Namensaktien Klasse D der D. O. & G. S.A., Luxemburg (im Folgenden: DOG S.A.). Die Aktien waren bis zum 6. Oktober 2018 vinkuliert. Die DOG S.A. war und ist nicht an einer Börse gelistet.

[8] Die Emittentin wurde am 11. April 2016 wegen Vermögenslosigkeit im Handelsregister gelöscht. Im Dezember 2019 und Oktober 2020 wiesen die zuständigen Amtsgerichte die Anträge auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der ECI GmbH und über das der B. AG, vormals DOG AG, jeweils mangels Masse ab. Über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin hat das Amtsgericht Hamburg mit Beschluss vom 16. Dezember 2020 das Insolvenzverfahren eröffnet und den jetzigen Beklagten zum Insolvenzverwalter bestellt.

[9] Das Landgericht hat die seinerzeit noch auf Rückzahlung des Zeichnungsbetrags abzüglich erhaltener Zahlungen nebst Rechtshängigkeitszinsen Zug um Zug gegen Übertragung der Namensaktien gerichtete Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat der Klage überwiegend stattgegeben, eine Forderung in Höhe von 23.574,92 € zur Insolvenztabelle festgestellt und die weitergehende Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte seinen Antrag, die Berufung des Klägers insgesamt zurückzuweisen, weiter.

Entscheidungsgründe

[10] Die Revision ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils, soweit darin zum Nachteil des Beklagten erkannt worden ist, und in diesem Umfang zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

[11] I. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seines Urteils im Wesentlichen ausgeführt: Der Schadensersatzanspruch des Klägers beruhe auf § 280 BGB in Verbindung mit dem Treuhandvertrag, weil die Insolvenzschuldnerin mit der Einladung zur Anlegerversammlung und bei der Abstimmung am 8. Oktober 2015 ihre aus dem Treuhandvertrag erwachsenen Pflichten gegenüber dem Kläger verletzt habe.

[12] Durch die Beschlüsse am 8. Oktober 2015 habe sich die Vermögensanlage wesentlich in ihrer Struktur von Fremdkapital mit klarem Laufzeitende zu Eigenkapital geändert. Nach dem ursprünglichen Konzept habe der Anleger spätestens am 30. Juni 2019 einen Anspruch auf Rückzahlung des Anlagekapitals nebst Zinsen vorrangig erfüllungshalber gegen die DOG AG, aber auch gegen die Emittentin gehabt. Nach dem neuen Konzept hätten die Anleger ihre Ansprüche aus den Namensschuldverschreibungen gegen die DOG AG und die Emittentin verloren und seien stattdessen Aktionäre eines anderen Unternehmens mit Sitz im Ausland, der DOG S.A. in Luxemburg, geworden. Die eingezahlte Einlage von Fremdkapital sei dadurch zu Eigenkapital geworden, die Aktien seien zudem bis zum 6. Oktober 2018 vinkuliert und auch danach nicht an einer Börse handelbar gewesen. Die Vermögensanlage habe sich damit zu einem Investment von unüberschaubarer Dauer gewandelt. Außerdem seien Sicherheiten verloren gegangen, weil sich diese nur auf Ansprüche gegen die DOG AG und die Emittentin bezogen hätten. Auf diese weitreichenden Konsequenzen habe die Einladung vom 8. September 2015 in keiner Weise hingewiesen. Die Insolvenzschuldnerin habe somit den Anlegern und so auch dem Kläger wesentliche für deren Willensbildung unabdingbare Informationen vorenthalten, so dass die Anleger nicht auf ausreichender Tatsachengrundlage über eine eigene Teilnahme an der Versammlung oder über die Erteilung von Stimmrechtsweisungen an die Insolvenzschuldnerin zu entscheiden vermocht hätten.

[13] Die Insolvenzschuldnerin habe ihre Pflichten aus dem Treuhandvertrag ferner dadurch verletzt, dass sie, soweit Anleger ihr keine Stimmrechtsweisung erteilt hätten, den Vorlagen zu den Tagesordnungspunkten 5 und 6 zugestimmt habe, so dass die gemäß § 18 Abs. 5 AB erforderliche Mehrheit von 75% der abgegebenen Stimmen erreicht worden sei. Nach § 18 Abs. 4 Satz 3 AB habe die Insolvenzschuldnerin als Treuhänderin bei der Ausübung der nicht weisungsgebundenen Stimmrechte nach ihrem freien Ermessen unter Berücksichtigung des Gesamtinteresses aller Anleger, wie es im Verkaufsprospekt zum Ausdruck gekommen sei, zu entscheiden gehabt. Aus denselben Gründen, die die Insolvenzschuldnerin verpflichtet hätten, die Anleger umfassend über die mit dem geplanten "debt-to-equity-swap" verbundenen Risiken zu informieren, folge auch, dass es nicht dem Gesamtinteresse aller Anleger entsprochen habe, diesem Vorhaben zuzustimmen. Die Kapitalanlage habe sich von der Übernahme einer Namensschuldverschreibung von klar befristeter Laufzeit in ein Investment von unübersehbarer Dauer geändert. Eine Pflichtverletzung hätte allenfalls verneint werden können, wenn den Anlegern anderenfalls erhebliche Verluste gedroht hätten. Das habe der Beklagte zwar behauptet, aber nicht mit der erforderlichen Substanz.

[14] Dem Kläger sei aufgrund der Pflichtverletzungen der Insolvenzschuldnerin ein Schaden in Höhe des investierten Kapitals entstanden. Denn Ansprüche gegen seine Vertragspartnerin, die Emittentin, könne er nicht mehr geltend machen, weil diese, unmittelbar auf dem den "debt-to-equity-swap" ermöglichenden Abstimmungsergebnis der Anlegerversammlung vom 8. Oktober 2015 beruhend, bereits am 11. April 2016 ohne Liquidationsverfahren wegen Vermögenslosigkeit im Handelsregister gelöscht worden sei. Soweit der Beklagte einwende, der Kläger wäre auch dann mit Ansprüchen gegen die Emittentin ausgefallen, wenn die Insolvenzschuldnerin gegen die unter den Tagesordnungspunkten 5 und 6 vorgelegten Beschlussvorlagen gestimmt hätte, so dass der "debt-to-equity-swap" nicht durchgeführt worden wäre, berufe er sich auf ein rechtmäßiges Alternativverhalten. Die Darlegungs- und Beweislast hierfür treffe allerdings den Schädiger. Der Beklagte sei ihr nicht nachgekommen.

[15] Es sei auch nicht die Ansicht zu teilen, dem Kläger sei deswegen kein Schaden entstanden, weil er Erfüllung sowohl von der ECI GmbH als auch von der DOG AG verlangen könne. Zwar habe der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 16. Januar 2020 zu einer gleich gestalteten Vermögensanlage entschieden, der Anspruch der Anleger auf Rückzahlung des Kapitals sei nicht durch den Beschluss der Anlegerversammlung vom 8. Oktober 2015 wirksam dahingehend abbedungen worden, dass die Emittentin vorzeitig Anleihekapital und Zinsen durch Übertragung von Aktien der DOG S.A. tilgen könne. Hinsichtlich des Vermögens der ECI GmbH und der DOG AG, die seit dem 22. März 2019 als B. ? AG firmiere, sei jedoch jeweils die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens mangels Masse abgelehnt worden, so dass eine Rechtsverfolgung gegen diese Gesellschaften keine Aussicht auf Erfolg habe.

[16] II. Diese Ausführungen halten revisionsgerichtlicher Nachprüfung nicht in allen Punkten stand.

[17] 1. Das Berufungsgericht hat im Ausgangspunkt zutreffend erkannt, dass die Insolvenzschuldnerin ihre Pflichten aus dem Treuhandvertrag jedenfalls dadurch verletzte, dass sie die Stimmrechte derjenigen Anleger, die ihr keine Weisung für die Abstimmung erteilt hatten ("neutrale" Stimmrechte), so ausübte, dass die auf eine Änderung der Anleihebedingungen gerichteten Vorlagen zu den Tagesordnungspunkten 5 und 6 die hierfür in § 18 Abs. 5 AB vorgesehene Mehrheit von 75% der abgegebenen Stimmen fanden. Denn einer derart gravierenden Änderung - die von den Anlegern gezeichneten Namensschuldverschreibungen mit begrenzter Laufzeit sollten durch zunächst bis zum 6. Oktober 2018 vinkulierte und auch danach nicht an einer Börse handelbare Aktien "ersetzt" werden - hätte die Insolvenzschuldnerin als Treuhänderin in Ausübung der "neutralen" Stimmrechte allenfalls dann zustimmen dürfen, wenn hierfür eine hinreichend klare Regelung in den Anleihebedingungen vorhanden gewesen wäre. Das aber war nicht der Fall.

[18] Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat im Urteil vom 16. Januar 2020 (IX ZR 351/18, NJW 2020, 986 Rn. 24 bis 26) die Regelung des § 18, wie sie - wortlautidentisch mit dem hier zur Beurteilung stehenden § 18 AB - in den Bedingungen der US Öl und Gas NSV 1 GmbH & Co. KG, der US Öl und Gas NSV 2 GmbH & Co. KG, der US Öl und Gas NSV 4 GmbH & Co. KG und der US Öl und Gas NSV 6 GmbH & Co. KG enthalten ist, für unwirksam erklärt, weil mit dem Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB unvereinbar. Er hat ausgeführt, dessen Anforderungen werde § 18 der Anleihebedingungen nicht gerecht. Die Klausel sehe lediglich vor, dass die Anlegerversammlung Beschlüsse "um Rechte und Pflichten" der Anleger treffen könne. Der Begriff der Rechte und Pflichten entbehre jeder Konkretisierung. Der Anleger müsse sich wenigstens ein grobes Bild davon machen können, welche Belastungen auf ihn zukämen (Hinweis auf BGH, Urteil vom 6. April 2005 - XII ZR 158/01, WM 2005, 2153, 2155). Daran fehle es im Streitfall. Würde die Regelung des § 18 der Anleihebedingungen gebilligt, könnte durch Beschluss der Anlegerversammlung nach Belieben in die Rechtsposition der Anleihegläubiger eingegriffen werden. Eine Änderung des Äquivalenzverhältnisses zwischen den beiderseitigen Leistungen müsse für den Anleger erkennbar und kalkulierbar sein. Ein mehr oder weniger schrankenloses Ermessen sei mit dem Transparenzgebot unvereinbar (Hinweis auf MüKoBGB/Wurmnest, 8. Aufl., § 307 Rn. 61). Dabei falle zusätzlich ins Gewicht, dass nicht erschienene Anleger in der Anlegerversammlung durch die von der Emittentin bestimmte und nur kraft der vorformulierten Anleihebedingungen bevollmächtigte Treuhänderin vertreten würden.

[19] Dem schließt sich der in der vorliegenden Sache erkennende Senat in Bezug auf die hier in Rede stehende Bestimmung des § 18 AB an.

[20] Mit ihrer Zustimmung in Ausübung der "neutralen" Stimmrechte verletzte die Insolvenzschuldnerin infolgedessen ihre Pflichten aus dem Treuhandvertrag gegenüber jedem der 20.189 Anleger, der ihr keine Weisung zur Zustimmung erteilt hatte, und mithin auch gegenüber dem Kläger. (Auch) er kann daher diese - für das Abstimmungsergebnis ausschlaggebende - Pflichtverletzung geltend machen. Anders als die Revision meint, ist er nicht darauf beschränkt, nur die - für das Ergebnis folgenlose - pflichtwidrige Ausübung seines eigenen Stimmrechts durch die Insolvenzschuldnerin zu rügen.

[21] 2. Vor diesem Hintergrund kann der Senat offenlassen, ob mit dem Berufungsgericht anzunehmen ist, die Insolvenzschuldnerin habe darüber hinaus schon bei der Einladung zur Anlegerversammlung ihre aus dem Treuhandvertrag erwachsenen Pflichten (etwa) dadurch verletzt, dass sie die Anleger nicht hinreichend über die mit einer Zustimmung zu den Beschlussvorlagen zu den Tagesordnungspunkten 5 und 6 verbundenen Folgen unterrichtet habe.

[22] 3. Die Ansicht des Berufungsgerichts, dem Kläger sei aufgrund der Pflichtverletzungen der Insolvenzschuldnerin ein Schaden in Höhe des investierten Kapitals entstanden, ist hingegen von Rechtsirrtum beeinflusst.

[23] So kann entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts "ein Schaden in Höhe des investierten Kapitals" nicht schon deswegen als entstanden angesehen werden, weil die Emittentin bereits am 11. April 2016 "ohne Liquidationsverfahren im Handelsregister gelöscht wurde" und infolgedessen "nicht mehr in Anspruch genommen werden kann". Ebenso wenig kann ohne Weiteres angenommen werden, dass "dem Kläger bereits dadurch der geltend gemachte Schaden entstanden ist", dass die Emittentin, "kausal eingeleitet durch das Abstimmungsergebnis vom 8. Oktober 2015, schon im April 2016 liquidiert wurde und deshalb nicht mehr in Anspruch genommen werden kann".

[24] Bei der Prüfung, ob infolge des Verhaltens der Insolvenzschuldnerin zum Nachteil des Klägers ein Schaden eingetreten ist, ist vielmehr zunächst zugrunde zu legen, dass die Ansprüche des Klägers aus der Namensschuldverschreibung gegen die Emittentin, die B. AG, vormals DOG AG, und - gemäß den §§ 128, 161 Abs. 2 HGB - die ECI GmbH rechtlich uneingeschränkt fortbestehen (vgl. auch Hanseatisches OLG, Beschluss vom 13. Juli 2022 - 15 U 109/20, S. 2, unveröff.), weil § 18 AB, auf den die auf der Anlegerversammlung am 8. Oktober 2015 zu den Tagesordnungspunkten 5 und 6 gefassten Beschlüsse gestützt wurden, unwirksam ist (siehe oben unter 1). Des Weiteren ist von der im Revisionsrechtszug nicht angegriffenen Feststellung auszugehen, dass die Emittentin am 11. April 2016 "wegen Vermögenslosigkeit" im Handelsregister gelöscht wurde. Daran anknüpfend setzt die Annahme eines beim Kläger eingetretenen Schadens voraus, dass die Emittentin am 8. Oktober 2015 hinreichend vermögend war, um aus den Namensschuldverschreibungen resultierende fällige Forderungen zumindest teilweise zu bedienen, und sich an diesem Zustand bis zur Fälligkeit der Zinsforderungen aus der am 17. September 2014 von ihm erworbenen Namensschuldverschreibung und bis zur Fälligkeit der sich aus ihr ergebenden Kapitalrückzahlungsforderung, die bis zum 30. Juni 2019 hätte hinausgeschoben werden können, ohne die am 8. Oktober 2015 gefassten Beschlüsse nichts geändert hätte.

[25] Dies darzulegen und unter Beweis zu stellen, ist Sache des Klägers als Anspruchsteller. Anders als das Berufungsgericht meint, geht es hier nämlich nicht um die Frage, ob der (behauptete) Schaden bei rechtmäßigem (Alter-

nativ-)Verhalten der Insolvenzschuldnerin ebenfalls entstanden wäre, so dass der Beklagte entsprechend darlegungs- und beweisbelastet wäre. Denn die Frage der Werthaltigkeit der Ansprüche aus den Namensschuldverschreibungen im Zeitpunkt der Beschlussfassung am 8. Oktober 2015 beantwortet sich unabhängig davon, welchen Inhalt das Einladungsschreiben hatte und wie die Insolvenzschuldnerin auf der Anlegerversammlung abstimmte (vgl. Hanseatisches OLG, Beschluss vom 13. Juli 2022 aaO S. 5). Es liegt vielmehr ein Fall vor, in dem die Vereitelung von (Zins- und Kapitalrückzahlungs-)Forderungen in Rede steht. In einem solchen Fall jedoch ist die Durchsetzbarkeit der Forderung Vor-aussetzung für den Schadensersatzanspruch und demgemäß vom Anspruchsteller zu beweisen (vgl. BGH, Urteile vom 19. September 1985 - IX ZR 138/84, NJW 1986, 246, 247; vom 29. Juni 2006 - IX ZR 76/04, NJW 2006, 3494 Rn. 16 und vom 4. Dezember 2012 - VI ZR 378/11, WM 2013, 306 Rn. 13 f; Beschluss vom 8. November 2007 - IX ZR 221/06, juris Rn. 2).

[26] III. Das angefochtene Urteil ist demnach aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da weitere Feststellungen zu treffen sind, kann der Senat in der Sache nicht selbst entscheiden (§ 563 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 ZPO). Für das weitere Verfahren merkt der Senat in Bezug auf den hilfsweise geltend gemachten - und vom Berufungsgericht aus seiner Sicht folgerichtig nicht beschiedenen - Anspruch wegen vorvertraglicher Aufklärungspflichtverletzung an, dass der in der Berufungsbegründung des Klägers vom 28. Mai 2020 als Zitat aus Seite 11 des Verkaufsprospekts wiedergegebene Passus nicht mit dem Text des vorgelegten Prospekts übereinstimmt. Zudem finden sich auf Seite 12 dieses Prospektexemplars im unmittelbaren Anschluss an die - allerdings mit abweichendem Wortlaut zitierte - Passage

auf Seite 11 die vom Kläger als fehlend gerügten Hinweise zum Nachrang der Sicherheiten.

Herrmann Reiter Kessen

Herr Liepin

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