BGH, Urteil vom 19. November 2020 - VII ZR 193/19

22.12.2020

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

Verkündet am:

19. November 2020

Boppel,Justizamtsinspektorals Urkundsbeamterder Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit


Nachschlagewerk: ja


BGHZ: nein

BGHR: ja


BGB § 204 Abs. 1 Nr. 5, §§ 213, 634, § 637 Abs. 3


a) Nach § 213 BGB erstreckt sich die Hemmung der Verjährung eines Anspruchs auf Schadensersatz wegen des Mangels eines Werks gemäß § 634 Nr. 4, §§ 280, 281 BGB auch auf einen Vorschussanspruch gemäß § 634 Nr. 2, § 637 Abs. 3 BGB (Anschluss an BGH, Urteil vom 8. Dezember 2009 - XI ZR 181/08, BauR 2010, 765 = NZBau 2010, 426).

b) Diese Hemmung ist auch dann nicht auf die Höhe des Schadensersatzanspruchs beschränkt, wenn dessen Verjährungshemmung durch die Geltendmachung einer Aufrechnung des Anspruchs im Prozess herbeigeführt wurde (Anschluss an BGH, Urteil vom 29. April 2015 - VIII ZR 180/14, BGHZ 205, 151).


BGH, Urteil vom 19. November 2020 - VII ZR 193/19 - OLG Bremen, LG Bremen


Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 19. November 2020 durch den Vorsitzenden Richter Pamp, die Richter

Halfmeier und Prof. Dr. Jurgeleit sowie die Richterinnen Graßnack und Dr. Brenneisen

für Recht erkannt:

Auf die Revision der Klägerin wird unter Zurückweisung der weitergehenden Revision das Urteil des 2. Zivilsenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Bremen vom 9. August 2019 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Klage in Höhe von 45.332,10 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 18. August 2007 abgewiesen und die Klägerin auf die Widerklage verurteilt worden ist, an die Beklagte 59.834,54 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 7. Februar 2019 zu zahlen.

Das Urteil des 2. Zivilsenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Bremen vom 9. August 2019 wird unter Einbeziehung seines Urteils vom 3. Juni 2016 insgesamt wie folgt neu gefasst:

Auf die Berufung der Klägerin wird unter Zurückweisung der weiteren Berufung das Urteil der 2. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Bremen vom 7. Mai 2015 wie folgt abgeändert und neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 45.332,10 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18. August 2007 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Auf die Anschlussberufung der Beklagten wird unter Zurückweisung der Anschlussberufung im Übrigen die Klägerin unter Abweisung der weitergehenden Widerklage verurteilt, an die Beklagte 15.576,79 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 7. Februar 2019 zu zahlen.

Die Kosten des vor dem Landgericht Bremen geschlossenen Zwischenvergleichs werden gegeneinander aufgehoben. Von den weiteren Kosten der ersten Instanz tragen die Klägerin 48 % und die Beklagte 52 %.

Die Kosten des Nichtzulassungsbeschwerde- und Revisionsverfahrens VII ZR 173/16 sowie die außergerichtlichen Kosten des ersten Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.

Die Kosten des Revisionsverfahrens und die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens nach Zurückverweisung durch den Bundesgerichtshof tragen die Klägerin zu 67 % und die Beklagte zu 33 %.

Die Gerichtskosten der Berufungsinstanz tragen die Klägerin zu 76 % und die Beklagte zu 24 %.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

[1] Die Klägerin verlangt von der Beklagten Zahlung restlichen Werklohns aus einem gekündigten Bauvertrag. Die Beklagte rechnet mit einem Vorschussanspruch für Mängelbeseitigungskosten auf und verlangt mit ihrer in der Berufungsinstanz erhobenen Widerklage die Zahlung eines die Aufrechnung übersteigenden Betrags sowie die Rückzahlung eines an die Klägerin während des Rechtsstreits zur Abwendung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen geleisteten Betrags.

[2] Auf der Basis eines während des Rechtsstreits in erster Instanz geschlossenen Teil- und Zwischenvergleichs hat die Klägerin unter Berücksichtigung bereits geleisteter Zahlungen anschließend noch Zahlung eines Restwerklohns in Höhe von 257.168,05 € nebst Zinsen verlangt. Die Beklagte hat sich unter anderem mit der hilfsweisen Aufrechnung mit einem Schadensersatzanspruch wegen Mängeln an einem Glasdach verteidigt, dessen Höhe sie nach den

voraussichtlichen Nettokosten einer Mangelbeseitigung berechnet hat.

[3] Das Landgericht hat die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 34.472,10 € nebst Zinsen zu zahlen. Auf die Berufung der Klägerin, mit der diese ihren Antrag in voller Höhe weiterverfolgt hat, hat das Berufungsgericht die Beklagte mit Urteil vom 3. Juni 2016 verurteilt, an die Klägerin insgesamt 45.332,10 € nebst Zinsen zu zahlen. Die weitergehende Berufung hat es zurückgewiesen. Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin hat der Senat unter Zurückweisung der Beschwerde im Übrigen die Revision ­ beschränkt auf die Höhe der Gegenforderung ­ zugelassen, soweit die Aufrechnung der Beklagten mit einem Schadensersatzanspruch in Höhe von 104.289,12 € wegen Mängeln am Glasdach Erfolg gehabt hat. In diesem Umfang hat die Klägerin Revision eingelegt, auf die der Senat mit Urteil vom 21. Juni 2018 (VII ZR 173/16, BauR 2018, 1725 = NZBau 2018, 523) das Urteil des Berufungsgerichts vom 3. Juni 2016 im

Kostenpunkt und insoweit aufgehoben hat, als die Klage in Höhe von 104.289,12 € nebst Zinsen abgewiesen und die Berufung der Klägerin insoweit zurückgewiesen worden ist. Im Umfang dieser Aufhebung hat der Senat die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

[4] Die Beklagte hat anschließend erklärt, den Mangel selbst auf Kosten der Klägerin beseitigen zu wollen, und einen dafür notwendigen Betrag als Vorschuss verlangt, welchen sie mit 165.198,01 € berechnet hat. Mit diesem Vorschussanspruch hat sie gegenüber dem Restwerklohnanspruch der Klägerin in Höhe von 149.621,22 € die Aufrechnung erklärt und den Restbetrag von 15.576,79 € im Wege der Widerklage geltend gemacht. Außerdem hat sie mit der Widerklage die Rückerstattung der zur Abwendung der Zwangsvollstreckung aus dem ersten Berufungsurteil gezahlten 59.834,54 € (45.332,10 € nebst Zinsen) verlangt. Die Klägerin hat unter anderem eingewandt, über den Betrag von 104.289,12 € hinaus sei der Vorschussanspruch der Beklagten jedenfalls verjährt.

[5] Das Berufungsgericht hat die Klage insgesamt abgewiesen und die Klägerin auf die Widerklage verurteilt, an die Beklagte 75.411,33 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 7. Februar 2019 zu zahlen.

[6] Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision möchte die Klägerin die Verurteilung der Beklagten über den bereits zuerkannten Betrag von 45.332,10 € nebst Zinsen hinaus in Höhe von weiteren 104.289,12 € nebst Zinsen sowie die Abweisung der Widerklage erreichen.

Entscheidungsgründe:

[7] Die Revision der Klägerin hat Erfolg, soweit das Berufungsgericht die Klage in Höhe eines Betrags von 45.332,10 € nebst Zinsen abgewiesen und die Klägerin auf die Widerklage zur Zahlung von 59.834,54 € nebst Zinsen verurteilt hat. Im Übrigen ist die Revision unbegründet.

[8] I. Das Berufungsgericht hat angenommen, dass sich die Berufung der Klägerin in der Sache als unbegründet erweise, während die Widerklage der Beklagten zulässig und begründet sei. Es habe nur über die Gegenforderung der Beklagten zu befinden, nachdem der Bundesgerichtshof mit Beschluss vom 25. April 2018 die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin nur hierauf beschränkt zugelassen und auf die Revision mit Urteil vom 21. Juni 2018 das Urteil des Berufungsgerichts vom 3. Juni 2016 insoweit aufgehoben habe.

[9] Die Restwerklohnforderung der Klägerin in Höhe von 149.621,22 € sei durch die Aufrechnung der Beklagten erloschen (§ 389 BGB).

[10] Verfahrensrechtlich unbedenklich könne die Beklagte im Rahmen des Schadensersatzanspruchs statt der Leistung in Form des kleinen Schadensersatzes die Schadensbemessung nach § 634 Nr. 4 BGB neu vornehmen, ohne dass dies bei gleichbleibendem Lebenssachverhalt eine Klageänderung nach § 263 ZPO darstelle (§ 264 Nr. 2 und 3 ZPO). Soweit die jetzt geltend gemachte Gegenforderung der Beklagten den im Urteil des Berufungsgerichts vom 3. Juni 2016 angenommenen Schaden von 104.289,12 € sowie auch die Werklohnforderung der Klägerin von 149.621,22 € übersteige, könne die Beklagte auch den sich nun ergebenden höheren Betrag aufrechnen sowie im Rahmen einer Widerklage nach § 533 ZPO vorgehen. Die hiermit verbundene konkludente Anschlussberufung sei zulässig. Insbesondere sei die Frist für die Anschlussberufung noch nicht verstrichen gewesen.

[11] Soweit die Klägerin in Abrede stelle, dass die Beklagte überhaupt willens sei, die Mängel beseitigen zu lassen, erfolge ein solcher Vortrag ins Blaue hinein. Die Beklagte habe den Vorschuss binnen angemessener Fristen bestimmungsgemäß zu verwenden, sei zur Nachbesserung auskunftspflichtig und müsse schließlich über die Beträge zeitnah und nachvollziehbar abrechnen. Es lasse sich vorliegend nicht, wie die Klägerin meine, auf den fehlenden Willen, Mängel zu beseitigen, schließen, weil die Beklagte bislang noch keine Maßnahmen hierzu getroffen hätte. Denn das von der Klägerin insoweit in dieser Weise interpretierte "Hinauszögern" sei ohne weiteres erklärlich aufgrund des Umstandes, dass es bislang zu keiner endgültigen Klärung der gegenseitigen Verpflichtungen gekommen war und die Beklagte nicht gewusst habe, ob und wann sie mit der Zahlung beziehungsweise Anrechnung von Schadensersatz in Zusammenhang mit dem Glasdach überhaupt habe rechnen können.

[12] Auch sei keine Verjährung des Anspruchs eingetreten. Die schon erstinstanzlich von der Beklagten erklärte Hilfsaufrechnung mit Schadensersatzansprüchen wegen der Mängel des Glasdachs habe gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 5 BGB die Verjährung gehemmt. Wie auch eine Klage, die zunächst nicht substantiiert sei, die Verjährung des geltend gemachten Anspruchs, selbst wenn er erst zu einem späteren Zeitpunkt schlüssig gemacht werde, hemme, sei es unschädlich, wenn die Beklagte wie hier mit einem Schadensersatzanspruch aufrechne, den sie erst später nach rechtlich einwandfreien Grundlagen, nämlich als Vorschuss wegen tatsächlich geplanter Mängelbeseitigung berechne. Entscheidend sei, dass die Beklagte einen auf Mängelgewährleistung (§ 634 BGB) gestützten Schadensersatzanspruch nach wie vor verfolge, ihn jetzt nur anders ­ und höher ­ berechne. Im Übrigen gelte hinsichtlich der Aufrechnung selbst bei angenommener Verjährung § 215 BGB, dessen Voraussetzungen jedenfalls vorlägen. Diese Überlegungen gälten aber auch im Hinblick auf die nunmehr erhobene Widerklage.

[13] Nur aus Gründen der rechtskräftigen Teilabweisung der Klage, die zu einer Verurteilung der Beklagten lediglich in Höhe von 45.332,10 € geführt habe, sei es der Beklagten hier verwehrt, weitere Beträge aufzurechnen, ohne nach den dargestellten Überlegungen in die "Gefahr" der Verjährung zu kommen. Dieser Umstand könne ihr nicht zum Nachteil gereichen, nur weil sie ihren Schadensersatzanspruch auf der Grundlage der neuen, früher nicht absehbaren höchstrichterlichen Rechtsprechung neu berechne. Vielmehr müsse zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen und zufälligen Ergebnissen die gesamte jetzt von der Beklagten erhobene Gegenforderung hinsichtlich einer möglichen Verjährungseinrede einheitlich betrachtet werden.

[14] Im Übrigen sei die hier vorliegende Konstellation nicht anders zu beurteilen als der Fall einer Vorschussklage auf Mangelbeseitigung. Diese sei nämlich mit einer die Verjährung hemmenden Wirkung auch hinsichtlich späterer Forderungserhöhungen ausgestattet, sofern nur derselbe Mangel betroffen sei. Der Umstand, dass hier die Beklagte ihre Aufrechnung nicht von Anfang an auf einen Vorschussanspruch gestützt habe, führe zu keiner anderen Beurteilung. Denn die Beklagte habe zunächst nicht mit der Notwendigkeit unmittelbarer Mängelbeseitigung und konkreter Schadensbezifferung rechnen müssen. Daher dürfe sich ihr hier gewähltes Vorgehen nicht nachteilig auswirken.

[15] Was die Höhe der voraussichtlichen Mangelbeseitigungskosten betreffe, so halte der Senat im Grundsatz an seinen bisherigen, im Urteil vom 3. Juni 2016 getroffenen Feststellungen fest und beziehe sich auf die nachvollziehbar vorgetragenen Einzelheiten der Kostenermittlung durch den Sachverständigen

K. . Auf die Berechnung der Gegenforderungen werde auf die nachvollziehbare Aufstellung der Beklagten in ihrem Schriftsatz vom 1. Februar 2019 verwiesen, worin sie insbesondere die Erhöhungsbeiträge nachvollziehbar auf der Grundlage von Indexwerten dargestellt habe, die dem Senat eine verlässliche Schätzungsgrundlage nach § 287 ZPO gäben. Die Klägerin habe das Zahlenwerk der Beklagten bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung nicht substantiiert bestritten.

[16] II. Das hält der rechtlichen Überprüfung nur teilweise stand.

[17] 1. a) Rechtsfehlerhaft hat das Berufungsgericht die Klage in Höhe eines Betrags von 45.332,10 € nebst Zinsen abgewiesen. Die (teilweise) Verurteilung der Beklagten in dieser Höhe durch das Berufungsgericht in seinem Urteil vom 3. Juni 2016 konnte durch das angefochtene Urteil nicht mehr abgeändert werden. Denn im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht, auf die das angefochtene Urteil ergangen ist, war diese Verurteilung bereits formell rechtskräftig.

[18] Die Nichtzulassungsbeschwerde und anschließende Revision der

Klägerin gegen das Urteil des Berufungsgerichts vom 3. Juni 2016 hat zwar gemäß § 705 Satz 2 ZPO den Eintritt der Rechtskraft dieses Urteils vorübergehend auch hinsichtlich der Verurteilung der Beklagten gehemmt. Denn die durch die Einlegung eines Rechtsmittels eintretende Hemmung erstreckt sich grundsätzlich auf das gesamte Urteil und insbesondere auch auf Teile, die von der insoweit obsiegenden Partei mangels Beschwer von vornherein nicht angefochten werden können (BGH, Urteil vom 1. Dezember 1993 - VIII ZR 41/93, NJW 1994, 657, juris Rn. 24 m.w.N.).

[19] Eine solche Hemmung endet aber im Fall der Revision mit dem Ablauf der Frist für eine mögliche Anschlussrevision. Der Grundsatz, dass auch die Teilanfechtung eines Urteils den Eintritt der Rechtskraft für das gesamte Urteil hemmt, beruht auf der Erwägung, dass der ursprüngliche Umfang des Rechtsmittelangriffs sich im Laufe des Rechtsmittelverfahrens unter anderem dadurch erweitern kann, dass der Gegner sich dem Rechtsmittel anschließt und hierdurch Teile des vorinstanzlichen Urteils in das Rechtsmittelverfahren einbezogen werden, die der Rechtsmittelkläger nicht angefochten hat und mangels Beschwer auch nicht anfechten konnte. Dieser Teil des Urteils wird daher erst dann rechtskräftig, wenn er nicht mehr durch ein Anschlussrechtsmittel in das Rechtsmittelverfahren einbezogen werden kann und damit insoweit jede Möglichkeit einer Änderung im Rechtsmittelzug ausgeschlossen ist. In der Revisionsinstanz ist das hinsichtlich derjenigen prozessualen Ansprüche, mit denen der Revisionskläger im Berufungsverfahren obsiegt hat, regelmäßig in dem Zeitpunkt der Fall, in welchem der Revisionsbeklagte infolge Fristablaufs (§ 554 Abs. 2 Satz 2 ZPO) die Möglichkeit verloren hat, sich der Revision anzuschließen (vgl. BGH, Urteil vom 1. Dezember 1993 - VIII ZR 41/93, NJW 1994, 657, juris Rn. 25 m.w.N.) oder jedenfalls mit Erlass des Revisionsurteils, ohne dass eine Anschließung erfolgt ist.

[20] Das Berufungsurteil kann nicht - wie die Revision erwägt - dahin ausgelegt werden, dass die tenorierte (umfassende) Klageabweisung diesen Teil nicht umfassen sollte. Aus den Entscheidungsgründen ergibt sich Derartiges nicht. Im Gegenteil folgt aus der auf die Widerklage erfolgten Verurteilung zur Rückzahlung des zur Abwendung der Zwangsvollstreckung gezahlten Betrags, dass das Berufungsgericht eine solche Verurteilung der Beklagten gerade nicht aufrechterhalten wollte.

[21] b) Hieraus folgt zugleich, dass das Berufungsgericht rechtsfehlerhaft der Widerklage in Höhe von 59.834,54 € (Rückerstattung des an die Klägerin zur Abwendung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen geleisteten Betrags in Höhe von 45.332,10 € zuzüglich Zinsen) nebst Zinsen stattgegeben hat. Das Berufungsgericht begründet seine Verurteilung in diesem Punkt nicht. Die Beklagte hat ihren Antrag auf die allein in Betracht kommende Anspruchsgrundlage des § 717 Abs. 3 Satz 2 ZPO gestützt. Diese setzt voraus, dass die Verurteilung der Beklagten aufgehoben wird. Das ist gerade nicht der Fall.

[22] 2. Im Ergebnis zu Recht hat das Berufungsgericht dagegen die weitere Klage in Höhe von 104.289,12 € nebst Zinsen abgewiesen. Die Aufrechnung der Beklagten in dieser Höhe ist begründet. Sie führt zum Erlöschen der Restwerklohnforderung der Klägerin in dieser Höhe, § 389 BGB.

[23] a) Zu Unrecht nimmt das Berufungsgericht allerdings an, mit dem von der Beklagten nunmehr geltend gemachten Vorschussanspruch verfolge die Beklagte "einen auf Mängelgewährleistung (§ 634 BGB) gestützten Schadensersatzanspruch nach wie vor weiter", berechne ihn jetzt nur anders und höher. Der Anspruch der Beklagten ist vielmehr gemäß § 637 Abs. 3 BGB begründet. Ein Besteller, der Schadensersatz statt der Leistung in Form des kleinen Schadensersatzes gemäß § 634 Nr. 4, §§ 280, 281 BGB verlangt hat, hat grundsätzlich weiterhin das Recht, Vorschuss gemäß § 634 Nr. 2, § 637 BGB zu fordern, wenn er den Mangel beseitigen will (BGH, Urteil vom 22. Februar 2018 ­ VII ZR 46/17 Rn. 48, BGHZ 218, 1). Dieser Anspruch tritt dann an die Stelle des zunächst begehrten Schadensersatzes. Der Besteller hat grundsätzlich ein Wahlrecht zwischen den in § 634 BGB genannten Mängelrechten. Nichts anderes gilt im Rahmen von § 13 VOB/B (vgl. BGH, Urteil vom 22. Februar 2018 ­ VII ZR 46/17 Rn. 37, BGHZ 218, 1).

[24] b) In revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise hat das Berufungsgericht festgestellt, dass die Beklagte den Willen hat, die Mängelbeseitigungsarbeiten durchzuführen, was Voraussetzung für einen Anspruch gemäß § 637 Abs. 3 BGB ist. Die Revision vermag keine vom Berufungsgericht bei seiner Würdigung übergangenen Umstände aufzuzeigen. Insbesondere hat das Berufungsgericht hierbei auch den Zeitablauf ausdrücklich berücksichtigt und hieraus lediglich nicht den von der Revision gewünschten Schluss gezogen.

[25] c) Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht die Höhe der Gegenforderung festgestellt.

[26] aa) Das Berufungsgericht ist aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahmen in erster und zweiter Instanz durch Sachverständigengutachten bereits in seinem Urteil vom 3. Juni 2016 zu der Überzeugung gelangt, die Mangelbeseitigungskosten ließen sich gemäß § 287 ZPO auf netto 104.289,12 € schätzen. Hiervon ist es unter Bezugnahme auf dieses Urteil auch im angefochtenen Urteil ausgegangen. Die Revision vermag hierzu keine Verfahrensfehler aufzuzeigen. Entgegen der Auffassung der Revision bezieht sich die von ihr angegriffene Feststellung des Berufungsgerichts, die Klägerin habe nicht substantiiert bestritten, hierauf nicht.

[27] Diesen Betrag hat das Berufungsgericht entsprechend der Darlegung der Beklagten um weitere inzwischen eingetretene Baupreiserhöhungen nach einem Baupreisindex, einen bisher nicht enthaltenen Zuschlag für Wagnis und Gewinn sowie um die Umsatzsteuer auf einen Betrag von insgesamt 165.198,01 € erhöht. Auch hierbei hat es gemäß § 287 ZPO geschätzt. Es hat in diesen Berechnungen eine verlässliche Schätzungsgrundlage gesehen, weil die Berechnung nachvollziehbar sei und die Klägerin das Zahlenwerk nicht substantiiert bestritten habe. Die Revision zeigt hierzu Gegenteiliges nicht auf.

[28] bb) Ohne Erfolg rügt die Revision, das Berufungsgericht habe nicht geprüft, ob die Beklagte gegen ihre Pflicht zur Schadensminderung verstoßen habe, indem sie den Schaden an dem Bauwerk im Hinblick auf steigende Baupreise nicht unverzüglich beseitigt habe. Die Revisionsbegründung vermag keinen Vortrag der für ein Mitverschulden der Beklagten darlegungspflichtigen Klägerin aufzuzeigen, der eine Kürzung des Anspruchs gemäß § 637 Abs. 3 BGB in entsprechender Anwendung von § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB rechtfertigen könnte.

[29] d) Auf eine etwaige Verjährung des Anspruchs der Beklagten gemäß § 637 Abs. 3 BGB kommt es für die Aufrechnung nicht an. Dies macht die Revision selbst zu Recht nicht geltend. Das Berufungsgericht hat unangegriffen festgestellt, dass die Klägerin sich nur hinsichtlich des 104.289,12 € übersteigenden Betrags auf die Verjährung des Vorschussanspruchs der Beklagten berufen hat und dass außerdem auch die Voraussetzungen des § 215 BGB vorliegen. Im Übrigen ist dieser Anspruch ebenso wenig wie der mit der Widerklage verlangte Teilbetrag verjährt (vgl. unter II. 3.).

[30] 3. Im Ergebnis zutreffend hat das Berufungsgericht die Klägerin auf die Widerklage zur Zahlung von 15.576,79 € verurteilt.

[31] Dieser Teilbetrag aus dem Anspruch der Beklagten gemäß § 637 Abs. 3 BGB, der nach den Feststellungen des Berufungsgerichts insgesamt in Höhe von 165.198,01 € begründet und jedenfalls in dieser Höhe (15.576,79 €) nicht durch Aufrechnung erloschen ist, ist nicht verjährt. Die Klägerin kann die Zahlung nicht gemäß § 214 Abs. 1 BGB verweigern. Ihre insoweit erhobene Einrede hat keinen Erfolg.

[32] Durch die Erhebung der Widerklage im Februar 2019 ist die Verjährung dieses Anspruchs gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB gehemmt worden, so dass der seitdem laufende Zeitraum nicht in die Verjährungsfrist eingerechnet wird, § 209 BGB. Zu diesem Zeitpunkt war die Verjährungsfrist jedenfalls noch nicht abgelaufen.

[33] Das Berufungsgericht ist unangegriffen davon ausgegangen, dass die schon erstinstanzlich von der Beklagten erklärte Hilfsaufrechnung mit Schadensersatzansprüchen wegen der Mängel des Glasdachs gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 5 BGB die Verjährung gehemmt hat; Rechtsfehler sind insoweit nicht ersichtlich. Diese Hemmung gilt gemäß § 213 BGB auch für den nunmehr geltend gemachten Vorschussanspruch gemäß § 637 Abs. 3 BGB (a). Hiervon erfasst ist auch der mit der Widerklage geltend gemachte, den Betrag der ursprünglichen Hilfsaufrechnung mit Schadensersatzansprüchen übersteigende Betrag (b).

[34] a) Nach § 213 BGB erstreckt sich die Hemmung der Verjährung eines Anspruchs auf alle Ansprüche, die aus demselben Grund wahlweise neben dem Anspruch oder an seiner Stelle gegeben sind. Nach allgemeiner Auffassung trifft dies für alle in § 634 BGB geregelten werkvertraglichen Nacherfüllungs- und Mängelrechte zu, die auf demselben Mangel beruhen (vgl. BGH, Urteil vom 8. Dezember 2009 - XI ZR 181/08 Rn. 49, BauR 2010, 765 = NZBau 2010, 426). Entsprechendes gilt auch für die kaufvertraglichen Mängelrechte (BGH, Urteil vom 29. April 2015 - VIII ZR 180/14 Rn. 30 m.w.N., BGHZ 205, 151). Im Werkvertragsrecht fällt hierunter auch der Vorschussanspruch gemäß § 634 Nr. 2, § 637 Abs. 3 BGB. Dieser steht dem Besteller aufgrund eines Werkmangels etwa wahlweise zu einem Schadensersatzanspruch gemäß § 634 Nr. 4, §§ 280, 281 BGB zu (vgl. BGH, Urteil vom 22. Februar 2018 ­ VII ZR 46/17 Rn. 48, BGHZ 218, 1).

[35] Damit hat die bis zum Wechsel auf den Vorschussanspruch andauernde Hemmung der Verjährung des letztlich nicht durchgreifenden Schadensersatzanspruchs auch zur Hemmung der Verjährung des Vorschussanspruchs bis zu dem Zeitpunkt geführt, in dem er mit der Widerklage verfolgt wurde.

[36] b) Es ist unerheblich, dass die Beklagte - jedenfalls zuletzt - mit einem Schadensersatzanspruch aufrechnen wollte, der den Betrag des nunmehr verfolgten Vorschussanspruchs nicht erreichte.

[37] Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist die Wirkungserstreckung des § 213 BGB nicht auf den Umfang der Hemmung durch eine erhobene Klage beschränkt. Wollte man dem Gläubiger in Anbetracht der unterschiedlichen Rechtsfolgen etwa von Minderung und Rücktritt die Erstreckung einer Verjährungshemmung nur in Höhe eines zunächst eingeklagten Betrags zubilligen, liefe der Schutz des § 213 BGB, der nach den Vorstellungen des Gesetzgebers nicht hinter dem durch § 477 Abs. 3, § 639 Abs. 1 BGB a.F. gewährleisteten Niveau zurückbleiben sollte (vgl. BT-Drucks. 14/6040, S. 121), weitgehend leer (vgl. BGH, Urteil vom 29. April 2015 - VIII ZR 180/14 Rn. 36, BGHZ 205, 151). Nichts anderes gilt, wenn eine Verjährungshemmung durch die Geltendmachung einer Aufrechnung des Anspruchs im Prozess gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 5 BGB auf einen anderen Anspruch erstreckt wird. § 213 BGB unterscheidet nicht nach dem Grund der Hemmung. Der Gläubiger - hier der Mängelansprüche - soll in allen Fällen davor geschützt werden, dass inzwischen andere Ansprüche auf dasselbe Interesse verjähren, die von vornherein wahlweise neben dem geltend gemachten Anspruch gegeben sind oder auf die er stattdessen übergehen kann. Der Gläubiger soll nicht gezwungen werden, sich etwa durch Hilfsanträge im Prozess vor der Verjährung dieser weiteren Ansprüche zu schützen. Der Schuldner ist insoweit nicht schutzbedürftig, da er durch die Hemmung hinsichtlich des einen Anspruchs hinreichend gewarnt ist und sich auf die Rechtsverfolgung des Gläubigers hinsichtlich der übrigen Ansprüche einstellen kann (vgl. BT-Drucks. 14/6040, S. 121).

[38] Dem steht - anders als die Revision meint - nicht entgegen, dass eine erfolgreiche Prozessaufrechnung mit einem Vorschussanspruch keine Hemmung der Verjährung dieses Anspruchs, soweit er über den Klageanspruch, gegen den aufgerechnet wird, hinausgeht, herbeiführen kann (vgl. BGH, Urteil vom

24. April 1986 - VII ZR 262/85, BauR 1986, 576). Diese Folge ergibt sich aus § 204 Abs. 1 Nr. 5 BGB, weil die Aufrechnung eines Anspruchs von vornherein nur bis zur Höhe der Klageforderung, die durch die Aufrechnung zu Fall gebracht werden soll, "in einem Prozess geltend gemacht" werden kann. Zur Hemmung eines überschießenden Anteils desselben Anspruchs bedarf es deshalb für diesen Teil eines eigenen Hemmungstatbestands. Die Fälle des § 213 BGB erfassen dagegen nicht den weiteren Teil eines Anspruchs, sondern andere Ansprüche, deren Verjährung nicht schon aus anderen Gründen gehemmt ist, und zwar unabhängig von deren Höhe.

[39] III. Soweit sich die Entscheidung des Berufungsgerichts als rechtsfehlerhaft erweist, ist sie aufzuheben. Der Senat kann insoweit gemäß § 563 ZPO in der Sache selbst entscheiden, weil die Aufhebung des Urteils nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist. Die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 45.332,10 € nebst Zinsen an die Klägerin ist wiederherzustellen und die Widerklage ist in Höhe von 59.834,54 € nebst Zinsen abzuweisen.

[40] Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91a, 92 Abs. 1 und 2, § 97 Abs. 1, § 98 ZPO.

Pamp Halfmeier Jurgeleit

Graßnack Brenneisen

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