BGH, Urteil vom 20. Dezember 2018 - I ZR 112/17

25.01.2019

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

Verkündet am:

20. Dezember 2018

FühringerJustizangestellteals Urkundsbeamtinder Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit


Nachschlagewerk: ja


BGHZ: nein

BGHR: ja


GG Art. 5 Abs. 1 Satz 2, Art. 28 Abs. 2 Satz 1; UWG § 3 Abs. 1, §§ 3a, 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1


a) Bei dem aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG abzuleitenden Gebot der Staatsferne der Presse handelt es sich um eine Marktverhaltensregelung im Sinne von § 3a UWG (Fortführung von BGH, Urteil vom 15. Dezember 2011 ­ I ZR 129/10, GRUR 2012, 728 Rn. 9 und 11 - Einkauf Aktuell).

b) Umfang und Grenzen des Gebots der Staatsferne der Presse bestimmen sich bei gemeindlichen Publikationen unter Berücksichtigung der aus der Garantie der kommunalen Selbstverwaltung des Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG folgenden gemeindlichen Kompetenzen einerseits und der Garantie des Instituts der freien Presse aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG andererseits.

c) Für die konkrete Beurteilung kommunaler Publikationen mit Blick auf das Gebot der Staatsferne der Presse sind Art und Inhalt der veröffentlichten Beiträge auf ihre Neutralität sowie Zugehörigkeit zum Aufgabenbereich der Gemeinde zu untersuchen und ist unter Einbeziehung des äußeren Erscheinungsbilds eine wertende Gesamtbetrachtung vorzunehmen.

d) Je stärker eine kommunale Publikation den Bereich der ohne weiteres zulässigen Berichterstattung überschreitet und bei den angesprochenen Verkehrskreisen - auch optisch - als funktionales Äquivalent zu einer privaten Zeitung wirkt, desto eher ist die Garantie des Instituts der freien Presse aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG gefährdet und die daraus abgeleitete Marktverhaltensregelung des Gebots der Staatsferne der Presse verletzt.


BGH, Urteil vom 20. Dezember 2018 - I ZR 112/17 - OLG Stuttgart, LG Ellwangen


Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 13. September 2018 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Koch, den Richter Prof. Dr. Kirchhoff, die Richterin Dr. Schwonke, den Richter Feddersen und die Richterin Dr. Schmaltz

für Recht erkannt:

Die Revision gegen das Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 3. Mai 2017 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

[1] Die Klägerin ist ein privates Verlagsunternehmen. Die Beklagte ist die große Kreisstadt Crailsheim. Die Klägerin gibt unter anderem eine kostenpflichtige Tageszeitung und ein kostenloses Anzeigenblatt heraus. Beide Publikationen erscheinen auch im Stadtgebiet der Beklagten.

[2] Die Beklagte veröffentlicht seit dem Jahr 1968 unter dem Titel "Stadtblatt" ein kommunales Amtsblatt. Seit dem Jahr 2003 erscheint das "Stadtblatt" unter Einschaltung eines privaten Verlagsunternehmens. Das "Stadtblatt" besteht aus einem amtlichen, einem redaktionellen sowie einem Anzeigenteil. Der redaktionelle Teil wird von der Beklagten selbst verantwortet. Der wöchentliche Vertrieb erfolgte zunächst kostenpflichtig im Abonnement sowie im Einzelhandel. Nach einem Gemeinderatsbeschluss vom 25. Juni 2015 lässt die Beklagte das "Stadtblatt" seit dem 1. Januar 2016 kostenlos an etwa 17.000 Haushalte im Stadtgebiet verteilen.

[3] In einem vorausgegangenen einstweiligen Verfügungsverfahren ist der Beklagten mit Berufungsurteil vom 27. Januar 2016 die Gratisverteilung des "Stadtblatts" untersagt worden, wenn es wie die ­ wie auch im vorliegenden Verfahren angegriffene ­ Beispielsausgabe vom 11. Juni 2015 (Anlage K 21) gestaltet ist (OLG Stuttgart, GRUR-RR 2016, 453). Seitdem ist der redaktionelle Teil zurückhaltender gestaltet.

[4] Im vorliegenden Hauptsacheverfahren hat die Klägerin ihren Hauptantrag, der Beklagten unter Androhung näher bezeichneter Ordnungsmittel zu untersagen,

das "Stadtblatt" wöchentlich gratis an alle Haushalte in der Großen Kreisstadt Crailsheim zu verteilen/verteilen zu lassen, wenn das "Stadtblatt" wie in der Anlage K 21 gestaltet ist,

sowie verschiedene Hilfsanträge weiterverfolgt.

[5] Die Seiten 1 bis 5 der Ausgabe des "Stadtblatts" vom 11. Juni 2015, die in ihrer Gesamtheit Gegenstand des Klageantrags ist, sind wie nachfolgend eingeblendet gestaltet:

[6] Das Landgericht hat der Klage im Hauptantrag stattgegeben. Die Berufung der Beklagten ist ohne Erfolg geblieben.

[7] Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Abweisung der Klage weiter.

Entscheidungsgründe:

[8] A. Das Berufungsgericht hat den Unterlassungsantrag der Klägerin für zulässig und begründet erachtet und hierzu ausgeführt:

[9] Der Klageantrag sei hinreichend bestimmt und die Klageerhebung nicht rechtsmissbräuchlich. Die Herausgabe des Stadtblatts durch die Beklagte sei eine geschäftliche Handlung und begründe ein konkretes Wettbewerbsverhältnis zwischen den Parteien. Die Beklagte verstoße mit der Herausgabe eines Stadtblatts in der konkreten Gestaltung wie in Anlage K 21 gegen den aus dem Grundrecht der Pressefreiheit abzuleitenden Grundsatz der Staatsfreiheit beziehungsweise der Staatsferne der Presse, der als Marktverhaltensregelung einzuordnen sei. Weder die kommunale Selbstverwaltungsgarantie noch die allgemeine Handlungsfreiheit der Einwohner oder das Sozialstaatsprinzip legitimierten eine pressemäßige Berichterstattung in der Form redaktioneller Beiträge durch die Beklagte.

[10] B. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision haben keinen Erfolg. Das Berufungsgericht hat die Beklagte zu Recht zur Unterlassung verurteilt.

[11] I. Die Klage ist zulässig. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Hauptantrag hinreichend bestimmt ist.

[12] 1. Ein Verbotsantrag darf im Hinblick auf § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO nicht derart undeutlich gefasst sein, dass Gegenstand und Umfang der Entscheidungsbefugnis des Gerichts nicht erkennbar abgegrenzt sind, sich die beklagte Partei nicht erschöpfend verteidigen kann und letztlich die Entscheidung darüber, was ihr verboten ist, dem Vollstreckungsgericht überlassen bleibt (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 9. November 2017 - I ZR 134/16, GRUR 2018, 417 Rn. 21 = WRP 2018, 466 - Resistograph, mwN). Dagegen abzuwägen ist das schutzwürdige Interesse der klagenden Partei an einem wirksamen Rechtsschutz (vgl. BGH, Urteil vom 28. November 2002 ­ I ZR 168/00, BGHZ 153, 69, 75 f. [juris Rn. 46] - P-Vermerk). In der Regel ist ein Unterlassungsantrag hinreichend bestimmt, wenn lediglich das Verbot der Handlung begehrt wird, so wie sie begangen worden ist (vgl. BGH, Versäumnisurteil vom 26. Oktober 2000 - I ZR 180/98, GRUR 2001, 453 [juris Rn. 16] = WRP 2001, 400 - TCM-Zentrum). Die Anforderungen an die Bestimmtheit eines Unterlassungsantrags unterscheiden sich bei der vorbeugenden Unterlassungsklage nicht von denjenigen einer Verletzungsunterlassungsklage (vgl. BGH, Urteil vom 23. September 2015 - I ZR 78/14, GRUR 2015, 1201 Rn. 42 = WRP 2015, 1487 ­ Sparkassen-Rot; vgl. auch BGH, Urteil vom 8. Februar 1963 ­ Ib ZR 76/61 GRUR 1963, 378, 381 - Deutsche Zeitung).

[13] 2. Danach ist der Hauptantrag hinreichend bestimmt. Der Unterlassungsanspruch der Klägerin richtet sich gegen die von der Beklagten angekündigte kostenlose Verteilung des "Stadtblatts" ab dem 1. Januar 2016. Die Klägerin stützt ihren Unterlassungsanspruch damit entgegen der Annahme des Berufungsgerichts nicht auf Wiederholungsgefahr, sondern auf eine Erstbegehungsgefahr. Anders als bei einem auf Wiederholungsgefahr gestützten Unterlassungsanspruch kann die Klägerin ihren Antrag nicht durch Verweis auf eine bereits begangene Verletzungshandlung konkretisieren. Mit der Bezugnahme auf die Ausgabe des Stadtblatts gemäß Anlage K 21 als drohende Verletzungshandlung sowie der Formulierung "wie ... gestaltet" hat sie jedoch zum Ausdruck gebracht, dass von dem begehrten zukünftigen Verbot ein Verhalten erfasst sein soll, in dem sich - auch wenn nicht alle Einzelmerkmale übereinstimmen - das Charakteristische dieser konkreten Verletzungsform wiederfindet (zur Wiederholungsgefahr vgl. BGH, Urteil vom 10. Juli 1997 - I ZR 62/95, GRUR 1998, 483, 484 [juris Rn. 17] = WRP 1998, 296 - Der M.-Markt packt aus). Aus dem Klagevorbringen, das zur Auslegung des Klageantrags heranzuziehen ist (vgl. BGH, Urteil vom 19. Juli 2012 - I ZR 40/11, GRUR 2013, 421 Rn. 42 = WRP 2013, 479 - Pharmazeutische Beratung über Call-Center, mwN), ergibt sich, dass die Klägerin das Charakteristische dieser Verletzungsform darin sieht, dass im Stadtblatt überwiegend nicht Öffentlichkeitsarbeit der Kommune stattfindet, sondern pressemäßige Berichterstattung über allgemeine Stadtereignisse. Weder dem Antrag selbst noch dem sonstigen Klagevorbringen ist zu entnehmen, dass das Klagebegehren in dem Sinne zu verstehen wäre, dass jedes dem beanstandeten auch nur ähnliche Verhalten untersagt werden soll (vgl. BGH, GRUR 1998, 483, 484 [juris Rn. 17] - Der M.-Markt packt aus, mwN).

[14] II. Die Klage ist begründet. Der Klägerin steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch aus § 8 Abs. 1, § 3 Abs. 1, § 3a UWG in Verbindung mit dem aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG folgenden Gebot der Staatsferne der Presse zu.

[15] Der rechtlichen Beurteilung ist das zum Zeitpunkt der Entscheidung in der Revisionsinstanz geltende Recht zu Grunde zu legen (dazu B II 1). Das aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG abzuleitende Gebot der Staatsferne der Presse stellt eine Marktverhaltensregelung im Sinne des § 3a UWG dar (dazu B II 2). Gegen dieses Gebot, dessen Umfang und Grenzen unter Berücksichtigung der aus der Garantie der kommunalen Selbstverwaltung (Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG) folgenden gemeindlichen Kompetenzen einerseits und der Garantie des Instituts der freien Presse (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG) andererseits zu bestimmen sind (dazu B II 3), verstößt eine kostenlose Verteilung des Stadtblatts, das wie die Ausgabe vom 11. Juni 2015 (Anlage K 21) gestaltet ist (dazu B II 4). Die Herausgabe des Stadtblatts stellt eine geschäftliche Handlung im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG dar (dazu B II 5); die Parteien stehen auch in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis (dazu B II 6). Eine Erstbegehungsgefahr der kostenlosen Verteilung des "Stadtblatts" in der beanstandeten Form ist ebenfalls gegeben (dazu B II 7). Der Anspruch der Klägerin ist nicht verwirkt (dazu B II 8).

[16] 1. Für den Anspruch der Klägerin ist das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb in der durch das Zweite Gesetz zur Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb mit Wirkung vom 10. Dezember 2015 novellierten Fassung (BGBl. I 2015 S. 2158) maßgeblich. Ist ein Unterlassungsanspruch ­ wie hier - auf die Abwehr künftiger Rechtsverstöße im Sinne von § 8 Abs. 1 Satz 2 UWG gerichtet, ist er begründet, wenn auf der Grundlage des zum Zeitpunkt der Entscheidung in der Revisionsinstanz geltenden Rechts Unterlassung verlangt werden kann (vgl. BGH, Urteil vom 12. Juli 2012 - I ZR 54/11, GRUR 2013, 301 Rn. 17 = WRP 2013, 491 - Solarinitiative).

[17] 2. Das Berufungsgericht hat zu Recht angenommen, dass es sich bei dem aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG abzuleitenden Gebot der Staatsferne der Presse um eine Marktverhaltensregelung im Sinne von § 3a UWG handelt.

[18] a) Die Bestimmung des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG fordert zur Sicherung der Meinungsvielfalt die Staatsferne der Presse. Dieser Grundsatz schließt es aus, dass der Staat unmittelbar oder mittelbar Presseunternehmen beherrscht, die nicht lediglich Informationspflichten öffentlicher Stellen erfüllen. Der Staat darf sich nur in engen Grenzen auf dem Gebiet der Presse betätigen (vgl. BVerfGE 20, 162, 175 [juris Rn. 37]; zur Rundfunkfreiheit vgl. BVerfGE 121, 30, 52 [juris Rn. 95] mwN). Das verfassungsrechtliche Gebot, die Presse von staatlichen Einflüssen freizuhalten, bezieht sich nicht nur auf manifeste Gefahren unmittelbarer Lenkung oder Maßregelung der im Bereich der Presse tätigen Unternehmen, sondern weitergehend auch auf die Verhinderung aller mittelbaren und subtilen Einflussnahmen des Staates (wiederum zur Rundfunkfreiheit vgl. BVerfGE 121, 30, 52 f. [juris Rn. 96] mwN).

[19] b) Das für den Staat bestehende, aus der Garantie des Instituts der freien Presse des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG abgeleitete Gebot, sich nur in engen Grenzen auf dem Gebiet der Presse zu betätigen, regelt die Frage, wie sich Hoheitsträger und von Hoheitsträgern beherrschte Unternehmen im Falle ihrer Teilnahme am Wettbewerbsgeschehen auf dem Gebiet der Presse zu verhalten haben (vgl. BGH, Urteil vom 15. Dezember 2011 - I ZR 129/10, GRUR 2012, 728 Rn. 9 und 11 = WRP 2012, 935 - Einkauf Aktuell). Dieses Gebot ist im Sinne des § 3a UWG zumindest auch dazu bestimmt, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln (vgl. BGH, GRUR 2012, 728 Rn. 11 ­ Einkauf Aktuell; BGH, Urteil vom 30. April 2015 ­ I ZR 13/14, BGHZ 205, 195 Rn. 59 - Tagesschau-App; Kahl/Waldhoff/?Walter/?Degenhart, Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Stand: Juli 2017, Art. 5 Abs. 1 und 2 Rn. 256; aA LG Dortmund, Beschluss vom 26. Juni 2018 ­ 3 O 262/17, BeckRS 2018, 15932; Ohly in Ohly/Sosnitza, UWG, 7. Aufl., § 3a Rn. 20). Das Gebot der Staatsferne der Presse setzt der am Markt tätigen öffentlichen Hand zugunsten der anderen Marktteilnehmer ­ insbesondere der institutionell geschützten Presse, aber auch im Interesse der Bürgerinnen und Bürger an einer unabhängigen Information und Meinungsbildung - enge Grenzen. Es soll nicht bestimmte Anbieter von bestimmten Märkten fernhalten (vgl. BGHZ 205, 195 Rn. 47 und 56 - Tagesschau-App, mwN), sondern lässt zu, dass private und staatliche Stellen sich in einem überschneidenden Bereich auf dem Markt begegnen.

[20] 3. Umfang und Grenzen des Gebots der Staatsferne der Presse bestimmen sich bei gemeindlichen Publikationen unter Berücksichtigung der aus der Garantie der kommunalen Selbstverwaltung des Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG folgenden gemeindlichen Kompetenzen einerseits und der Garantie des Instituts der freien Presse des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG andererseits.

[21] a) Das Berufungsgericht hat angenommen, staatliche Pressetätigkeit sei zulässig, soweit es um die Erfüllung öffentlicher Aufgaben wie amtliche Bekanntmachungen, Bekanntgabe von Vorschriften und Warnung vor Gefahren gehe oder in untergeordnetem Umfang redaktionelle Pressetätigkeit betrieben werde. Aus der Selbstverwaltungsgarantie folge keine Kompetenz für die Veröffentlichung eines redaktionell gestalteten Amtsblatts. Der Grundsatz örtlicher Aufgabenerledigung sei für die Gemeinde kein Zuständigkeitstitel, private Grundrechtsinitiative zu verdrängen oder einzuschränken. Die Selbstverwaltungsgarantie legitimiere weder eine pressemäßige Berichterstattung noch Einschränkungen der Pressefreiheit. Bezugspunkt der Allzuständigkeit aus Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG seien nicht alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft, sondern sei nur die Wahrnehmung von Aufgaben der öffentlichen Verwaltung.

[22] Inhaltlich müsse eine Aufgabe der handelnden Stelle betroffen sein. Redaktionelle Beiträge dürften nur veröffentlicht werden, wenn sie mit der staatlichen Aufgabe zusammenhingen oder von untergeordnetem Gewicht seien. Etwas anderes gelte nur bei einem Informationsungleichgewicht, das von den übrigen gesellschaftlichen Kräften nicht ausgeglichen werden könne. Als "Faustformel" gelte, dass Berichte aus der Verwaltung und dem Gemeinderat immer zulässig, Berichte über die lokale Wirtschaft sowie über Aktivitäten privater Personen oder Institutionen grundsätzlich unzulässig seien. Die Randbereiche blieben unscharf und bedürften einer wertenden Betrachtung im Einzelfall. Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung stand.

[23] b) Das Gebot der Staatsferne der Presse lässt eine pressemäßige Betätigung von Hoheitsträgern nur im Rahmen der ihnen zugewiesenen Aufgaben und nur insoweit zu, als die Garantie des Instituts der freien Presse aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG nicht gefährdet wird (vgl. Sachs/Bethge, GG, 8. Aufl., Art. 5 Rn. 80; Maunz/?Dürig/?Grabenwarter, GG, Stand: Januar 2018, Art. 5 Abs. 1 Rn. 375 f.). Ausgangspunkt für die rechtliche Beurteilung einer kommunalen Publikation unter dem Blickwinkel von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG ist die in Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG sowie in Art. 71 Abs. 1 Landesverfassung für Baden-Württemberg (LV BW) gewährleistete Selbstverwaltungsgarantie als Kompetenznorm, die hinsichtlich gemeindlicher Informationspflichten von § 20 Gemeindeordnung für Baden-Württemberg (GemO BW) konkretisiert wird.

[24] aa) Staatliche Teilhabe an öffentlicher Kommunikation bedeutet Kompetenzwahrnehmung im zugewiesenen Aufgabenbereich. Die Kompetenz zur Staatsleitung schließt als integralen Bestandteil die Befugnis zur Öffentlichkeitsarbeit ein. Staatliche Öffentlichkeitsarbeit ist nicht nur zulässig, sondern notwendig, um den Grundkonsens im demokratischen Gemeinwesen lebendig zu erhalten. Darunter fällt namentlich die Darlegung und Erläuterung der Politik hinsichtlich getroffener Maßnahmen und künftiger Vorhaben angesichts bestehender oder sich abzeichnender Probleme sowie die sachgerechte, objektiv gehaltene Information über den Bürger unmittelbar betreffende Fragen und wichtige Vorgänge auch außerhalb oder weit im Vorfeld der eigenen gestaltenden politischen Tätigkeit (vgl. BVerfGE 138, 102 Rn. 40 mwN; vgl. auch Stern, Staatsrecht IV/1, S. 1555).

[25] bb) Äußerungs- und Informationsrechte der Gemeinden finden ihre Legitimation danach in der staatlichen Kompetenzordnung, namentlich der Selbstverwaltungsgarantie des Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG und Art. 71 Abs. 1 LV BW (vgl. Degenhart, AfP 2018, 189, 195; Gersdorf, AfP 2016, 293, 294; Sachs/?Bethge, GG, 8. Aufl., Art. 5 Rn. 80; Merten/Papier/Trute aaO § 104 Rn. 35; zum Äußerungsrecht des Oberbürgermeisters vgl. BVerwG, NVwZ 2018, 433 Rn. 16 und 18). Diese gewährleistet den Gemeinden das Recht, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln. Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft sind diejenigen Bedürfnisse und Interessen, die in der örtlichen Gemeinschaft wurzeln oder auf sie einen spezifischen Bezug haben, die also den Gemeindeeinwohnern gerade als solchen gemeinsam sind, indem sie das Zusammenleben und -wohnen der Menschen in der (politischen) Gemeinde betreffen (BVerfGE 79, 127, 151 f. [juris Rn. 59]; BVerfG, NVwZ 2018, 140 Rn. 70). Bezugspunkt der Allzuständigkeit der Gemeinden sind dabei jedoch immer die Angelegenheiten, die als Aufgaben der öffentlichen Verwaltung anzusehen sind (vgl. BeckOK.GG/?Hellermann, Stand: 15. August 2018, Art. 28 Rn. 30 f.; Müller-Franken, K&R 2018, 73, 76). Die Vorschrift des Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG hat als Kompetenznorm zudem ausschließlich staatsgerichtete Funktion und entfaltet keine Wirkung im Staat-Bürger-Verhältnis (vgl. Sachs/?Nierhaus/?Engels, GG, 8. Aufl., Art. 28 Rn. 40; Dreier in Dreier, GG, 3. Aufl., Art. 28 Rn. 98). Sie stellt, wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat, ein Aufgabenverteilungsprinzip zugunsten der Gemeinden im Bereich der Staatsorganisation (vgl. BVerfG, NVwZ 2018, 140 Rn. 59) und keine Verteilungsregel für das Verhältnis von Staat und Wirtschaft oder Staat und Bürger dar.

[26] cc) Für gemeindliche Informationspflichten enthält § 20 GemO BW konkretisierende Regelungen. Nach § 20 Abs. 1 GemO BW unterrichtet der Gemeinderat die Einwohner durch den Bürgermeister über die allgemein bedeutsamen Angelegenheiten der Gemeinde und sorgt für die Förderung des allgemeinen Interesses an der Verwaltung der Gemeinde. § 20 Abs. 2 GemO BW verlangt für wichtige Planungen und Vorhaben der Gemeinde eine möglichst frühzeitige Information der Einwohner. § 20 Abs. 3 GemO BW sieht vor, dass die Gemeinden in einem kommunalen Amtsblatt den Fraktionen des Gemeinderats Gelegenheit geben müssen, ihre Auffassung zu Angelegenheiten der Gemeinde darzulegen.

[27] Weitergehende Äußerungs- und Informationsrechte der Kommune folgen daraus nicht. Die gemeindlichen Unterrichtungspflichten des § 20 GemO BW bestehen allein hinsichtlich von "allgemein bedeutsamen Angelegenheiten" und bleiben damit hinter der staatsorganisationsrechtlich bestehenden gemeindlichen Allzuständigkeit des Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG zurück. Sie regeln insbesondere kein allgemeines Informationsrecht der Gemeinden. Allgemein bedeutsam ist nicht gleichzusetzen mit allgemein interessierend (Kunze/Schmidt, GemO BW, 4. Aufl., § 20 Rn. 2). Allgemein bedeutsame Angelegenheiten sind vielmehr (nur) die Vorgänge und Tatsachen, die nicht nur geringfügige Auswirkungen auf das Leben der örtlichen Gemeinschaft und seine Weiterentwicklung haben oder deren Kenntnis für das Verständnis der Kommunalpolitik der Gemeinde unentbehrlich ist (vgl. Kunze/Schmidt aaO § 20 Rn. 2).

[28] c) Die verfassungsrechtlich begründete staatliche Aufgabenzuweisung und die darin liegende Ermächtigung zur Information der Bürgerinnen und Bürger erlaubt den Kommunen allerdings nicht jegliche pressemäßige Äußerung, die irgendeinen Bezug zur öffentlichen Gemeinschaft aufweist (vgl. Maunz/?Dürig/?Grabenwarter aaO Art. 5 Abs. 1 Rn. 377; von Münch/Kunig/Wendt, GG, 6. Aufl., Art. 5 Rn. 43). Die innere Grenze wird durch den erforderlichen Bezug auf die Gemeinde und ihre Aufgaben gesetzt; die äußere Grenze zieht die Garantie des Instituts der freien Presse.

[29] aa) Kommunale Pressearbeit ist begrenzt durch das Erfordernis eines spezifischen Orts- und Aufgabenbezugs; die Gemeinde erlangt aus Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG nur ein kommunalpolitisches, kein allgemeines politisches Mandat (vgl. BVerfGE 79, 127, 147 [juris Rn. 49]; BVerwGE 87, 228, 230 [juris Rn. 20]).

[30] bb) Ihre äußere Grenze finden kommunale Publikationen in der institutionellen Garantie des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG, die ihrerseits nicht durch die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung, Grundrechte Dritter oder das Sozialstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1 GG) eingeschränkt wird.

[31] (1) Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG enthält nicht nur ein subjektives Abwehrrecht gegen staatliche Eingriffe in die Pressefreiheit, sondern garantiert als objektive Grundsatznorm die Freiheitlichkeit des Pressewesens insgesamt (vgl. BVerfGE 20, 162, 175 [juris Rn. 37]). Der Staat muss in seiner Rechtsordnung überall, wo der Geltungsbereich einer Norm die Presse berührt, dem Postulat ihrer Freiheit Rechnung tragen (vgl. BVerfGE 20, 162, 175 [juris Rn. 38]). Eine freie, nicht von der öffentlichen Gewalt gelenkte, keiner Zensur unterworfene Presse ist ein Wesenselement des freiheitlichen Staates und für die Meinungsbildung in einer Demokratie unentbehrlich. Die Presse steht als Verbindungs- und Kontrollorgan zwischen dem Volk und seiner gewählten Vertretung (vgl. BVerfGE 20, 162, 174 [juris Rn. 36]; EGMR [GK], NJW 2006, 1645, 1648 Rn. 71; BGHZ 51, 236, 247 f. [juris Rn. 33] - Stuttgarter Wochenblatt I). Diese der Presse zufallende "öffentliche Aufgabe" kann von der organisierten staatlichen Gewalt, zu der auch die Kommune als mittelbare Staatsverwaltung zählt, nicht erfüllt werden (vgl. Ladeur, DÖV 2002, 1, 7). Presseunternehmen müssen sich im gesellschaftlichen Raum frei bilden können. Sie stehen miteinander in geistiger und wirtschaftlicher Konkurrenz, in die die öffentliche Gewalt grundsätzlich nicht eingreifen darf (vgl. BVerfGE 20, 162, 175 [juris Rn. 36]; Paulus/Nölscher, ZUM 2017, 177, 180). Eine ausufernde hoheitliche Öffentlichkeitsarbeit birgt Gefahren für die Neutralität der Kommunikationsprozesse; die öffentliche Hand muss sich in Art, Frequenz und Umfang in Zurückhaltung üben (BeckOK.InfoMedienR/?Kühling, Stand: 1. Februar 2018, Art. 5 GG Rn. 54), zumal staatlichen Druckschriften eine erhöhte Glaubwürdigkeit und damit ein besonderes Beeinflussungspotential zukommt (vgl. Ricker, AfP 1981, 320, 322 und 325).

[32] (2) Die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung aus Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG schränkt die Garantie des Instituts der freien Presse des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG nicht ein. Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG ist eine staatsorganisationsrechtliche Kompetenznorm, die den Gemeinden in Abgrenzung zu Bund und Ländern einen eigenen Aufgabenbereich zuweist (vgl. BVerfG, NVwZ 2018, 140 Rn. 59). Die Regelung hat ausschließlich staatsgerichtete Funktion (Sachs/?Nierhaus/Engels aaO Rn. 40) und begründet keine grundrechtlich geschützte Position der Gemeinde, die gegen die Garantie des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG abzuwägen wäre; die Beklagte kann als Teil des Staates nicht Trägerin von Grundrechten sein. Auch eine vermeintlich unzureichende Versorgung mit Informationen über das örtliche Geschehen durch die private Presse gibt staatlichen Stellen nicht die Befugnis, eine solche angeblich vorhandene Informationslücke durch eigene, von amtlichen Bezügen losgelöste Pressetätigkeit zu schließen, und zwar auch nicht unter Berufung auf die Allzuständigkeit der Gemeinde im Sinne von Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG. Im Gegenteil, eine Einflussnahme des Staates auf den Meinungsmarkt könnte mit dem Institut der freien Presse überhaupt nur vereinbar sein, wenn sie wegen der Konkurrenz mit der Fülle der vom Staat unabhängigen Zeitungen und Zeitschriften am Bild der freien Presse substantiell nichts änderte (vgl. BVerfGE 12, 205, 260 [juris Rn. 182]). Diese Voraussetzung ist auf dem Markt der Lokalpresse aber regelmäßig nicht erfüllt.

[33] (3) Weder die allgemeine Handlungsfreiheit der Gemeindemitglieder (Art. 2 Abs. 1 GG) noch das Sozialstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1 GG) setzen der Institutsgarantie aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG Grenzen.

[34] Grundrechte Privater können die Garantie des Instituts der freien Presse nicht zu Gunsten der Beklagten beschränken. Nimmt die Gemeinde öffentliche Aufgaben im Allgemeininteresse wahr, wird sie dadurch nicht zum grundrechtsgeschützten "Sachwalter" der Einzelnen bei der Wahrnehmung ihrer Grundrechte, mag die Erfüllung der öffentlichen Aufgaben auch der Verwirklichung ihrer Grundrechte (möglicherweise mittelbar) förderlich sein (vgl. BVerfGE 61, 82, 103 f. [juris Rn. 62]). Das Sozialstaatsprinzip als allgemeine, aus Art. 20 Abs. 1 GG abgeleitete Staatszielbestimmung ist schon nicht geeignet, die Institutsgarantie des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG zu beschränken (vgl. BVerfGE 59, 231, 263 [juris Rn. 67]). Das gilt umso mehr, als der Gesetzgeber den Erwerb von Zeitungen und Zeitschriften bei der Gewährleistung des menschenwürdigen Existenzminimums berücksichtigt hat (vgl. BT-Drucks. 17/3404, S. 61).

[35] d) Für die konkrete Beurteilung kommunaler Publikationen mit Blick auf das Gebot der Staatsferne der Presse sind Art und Inhalt der veröffentlichten Beiträge auf ihre Neutralität sowie Zugehörigkeit zum Aufgabenbereich der Gemeinde zu untersuchen und ist unter Einbeziehung des äußeren Erscheinungsbilds eine wertende Gesamtbetrachtung vorzunehmen.

[36] aa) Die Staatsferne der Presse verlangt unter Berücksichtigung des Grundsatzes einer vom Volk ausgehenden Meinungsbildung sowie des staatlichen Sachlichkeitsgebots, dass sich die Gemeinde in ihren Publikationen wertender oder meinungsbildender Elemente enthält und sich auf Sachinformationen beschränkt. Dazu gehört auch, dass sich gemeindliche Publikationen keiner (boulevard)pressemäßigen Illustration bedienen und das Layout nicht nach Art einer Tages- oder Wochenzeitung gestalten dürfen, um schon den Eindruck eines freien, von einem privaten Unternehmen stammenden Presseerzeugnisses zu vermeiden. Staatliche Publikationen müssen eindeutig als solche erkennbar sein; andernfalls wird die Unabhängigkeit der Informationsfunktion der Presse gefährdet (vgl. Maunz/Dürig/Grabenwarter aaO Art. 5 Abs. 1 Rn. 376).

[37] bb) Bezogen auf den Inhalt einer gemeindlichen Publikation besteht ein Bereich auf jeden Fall zulässigen Informationshandelns durch die Kommune, der die Garantie des Instituts der freien Presse nicht berührt. Staatliche Information mit dem Ziel, Politik verständlich zu machen, die Bevölkerung über Politik und Recht im jeweiligen Aufgabenkreis zu informieren und staatliche Tätigkeit transparent zu gestalten, ist auch in presseähnlicher Form zulässig (vgl. von Münch/Kunig/Wendt aaO Art. 5 Rn. 43; Kahl/Waldhoff/Walter/Degenhart aaO Art. 5 Abs. 1 und 2 Rn. 253; Merten/Papier/Trute aaO § 104 Rn. 36). So erfüllt die Gemeinde mit der Veröffentlichung amtlicher Mitteilungen in legitimer Weise öffentliche Aufgaben (vgl. Gersdorf, AfP 2016, 293, 296). Auch Berichte über die kommunale Wirtschaftsförderung können Teil der zulässigen Öffentlichkeitsarbeit einer Gemeinde sein. Gleichfalls ohne weiteres zulässig - und sogar geboten, wenn die Information nur über die Gemeinde gewonnen werden kann ­ ist die Unterrichtung der kommunalen Öffentlichkeit über die aktuelle Tätigkeit und künftigen Vorhaben der Kommunalverwaltung und des Gemeinderats (vgl. Merten/Papier/?Trute aaO § 104 Rn. 36; Gersdorf, AfP 2016, 293, 297; Ludyga, ZUM 2016, 706, 709 mwN; Müller-Franken, K&R 2018, 73, 76). Allerdings wird nicht jedes Ereignis durch die Anwesenheit eines Mitglieds der Gemeindeverwaltung zum Gegenstand zulässiger kommunaler Öffentlichkeitsarbeit.

[38] Daneben lässt sich eine die Grenzen zulässiger staatlicher Kommunikation klar überschreitende Tätigkeit ausmachen, die eine vom Staat unabhängige Meinungsbildung der Öffentlichkeit gefährdet. Hierzu zählen allgemeine Beiträge über ortsansässige Unternehmen, die Bewertung privater Initiativen oder die allgemeine Beratung der Leserinnen und Leser. Ebenso sind rein gesellschaftliche Ereignisse etwa aus den Bereichen Sport, Kunst und Musik in der Regel keine Aufgabe der öffentlichen Verwaltung und kein zulässiger Gegenstand gemeindlicher Öffentlichkeitsarbeit (vgl. Gersdorf, AfP 2016, 293, 300 f.; Müller-Franken, K&R 2018, 73, 76). Diese Ereignisse tragen zwar zur Identifikation der Bürgerinnen und Bürger mit ihrer Gemeinde bei und liegen damit auch im Interesse der Gemeinde; die pressemäßige Berichterstattung über das gesellschaftliche Leben in einer Gemeinde ist aber gerade originäre Aufgabe der lokalen Presse und nicht des Staates (Müller-Franken, K&R 2018, 73, 76).

[39] Jenseits dieser eindeutig zuzuordnenden Kategorien ist eine Öffentlichkeitsarbeit denkbar, die - wie Informationen über (aktuelle) Gefahrsituationen (Ludyga, ZUM 2016, 706, 709, insbesondere Fn. 84; für die unmittelbare Staatsverwaltung vgl. BVerfGE 105, 252, 268 f. [juris Rn. 53 f.]; 105, 279, 301 f. [juris Rn. 73 bis 75]) - nur in bestimmten Situationen zulässig ist. Aus dem Informationsauftrag des Staates bei besonderen Gefahrenlagen und aktuellen Krisen (vgl. BVerfGE 105, 252, 269 [juris Rn. 54]; 105, 279, 302 [juris Rn. 75]) lässt sich jedoch keine grenzenlose Ermächtigung der Gemeinden zu allgemeiner Öffentlichkeitsarbeit über alle nicht-amtlichen Themen herleiten.

[40] cc) Einzelne, die Grenzen zulässiger staatlicher Öffentlichkeitsarbeit überschreitende Artikel allein begründen allerdings keine Verletzung des Gebots der Staatsferne der Presse. Notwendig ist vielmehr eine wertende Betrachtung der Publikation insgesamt, bei der sich jede schematische Betrachtungsweise verbietet. Im Rahmen einer Einzelfallprüfung ist entscheidend, ob der Gesamtcharakter des Presseerzeugnisses geeignet ist, die Institutsgarantie des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG zu gefährden (vgl. Gersdorf, AfP 2016, 293, 300 f.). Dabei ist neben den dargestellten inhaltlichen Kriterien insbesondere zu berücksichtigen, wie die Informationen den angesprochenen Gemeindemitgliedern präsentiert werden. Anhaltspunkte für eine Gefährdung der Pressefreiheit bestehen zum Beispiel, wenn die Gemeinde als Teil des Staates auf den lokalen Kommunikationsprozess bestimmend Einfluss nimmt (vgl. Gersdorf, AfP 2016, 293, 300; Ricker, AfP 1981, 320, 322; vgl. auch BeckOK.InfoMedienR/Kühling aaO Art. 5 GG Rn. 54). Je stärker die kommunale Publikation den Bereich der ohne weiteres zulässigen Berichterstattung überschreitet und bei den angesprochenen Verkehrskreisen als funktionales Äquivalent zu einer privaten Zeitung wirkt (vgl. Maunz/Dürig/?Grabenwarter aaO Art. 5 Abs. 1 Rn. 375 f.; Merten/Papier/Trute aaO § 104 Rn. 35; Ricker, AfP 1981, 320, 325; Kohl, AfP 1981, 326, 329; Bock, BWGZ 2005, 491, 495), desto eher ist die Institutsgarantie des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG und die daraus abgeleitete Marktverhaltensregelung des Gebots der Staatsferne der Presse verletzt. Keinesfalls darf die kommunale Publikation den Lesern eine Fülle von Informationen bieten, die den Erwerb einer Zeitung ­ jedenfalls subjektiv - entbehrlich macht. Je deutlicher - in Quantität und Qualität ­ ein erweitertes Amtsblatt Themen besetzt, deretwegen Zeitungen gekauft werden, desto wahrscheinlicher ist der Leserverlust bei der privaten Presse und eine damit einhergehende, dem Institut der freien Presse zuwiderlaufende Meinungsbildung durch den Staat von oben nach unten.

[41] Bei der Beurteilung des Gesamtcharakters des Presseerzeugnisses sind auch die optische Gestaltung der Publikation, redaktionelle Elemente der meinungsbildenden Presse, wie Glossen, Kommentare oder Interviews und die Frequenz des Vertriebs zu berücksichtigen. Allein die Verwendung pressemäßiger Darstellungselemente und eine regelmäßige Erscheinungsweise führen zwar nicht automatisch zu einer Verletzung des Gebots der Staatsferne der Presse. Die Grenze wird aber überschritten, wenn das Druckwerk nicht mehr als staatliche Publikation erkennbar ist. Eine Anzeigenschaltung ist ebenfalls in die Gesamtwürdigung einzubeziehen. Sie ist nicht generell unzulässig, sondern kann zulässiger, fiskalisch motivierter Randnutzen sein (vgl. BGH, GRUR 1973, 530, 531 ­ Crailsheimer Stadtblatt). Erfolgt die Verteilung kostenlos, erhöht sich die Gefahr einer Substitution privater Presse; auch das ist zu berücksichtigen.

[42] 4. Nach diesen Maßstäben ist die Beurteilung des Berufungsgerichts, ein der Anlage K 21 entsprechendes "Stadtblatt" verstoße gegen die Marktverhaltensregelung der Staatsferne der Presse, nicht zu beanstanden.

[43] a) Das Berufungsgericht hat bei der Beurteilung der Ausgabe des "Stadtblatts", die in ihrer Gesamtheit Gegenstand des Klageantrags ist, angenommen, diese überschreite die Grenzen kommunaler Informationstätigkeit. Das werde durch eine Auswertung des vorgelegten Exemplars des "Stadtblatts" belegt. Dabei handele es sich um eine von der staatlichen Informationsaufgabe losgelöste pressemäßige Berichterstattung über Aktivitäten und Ereignisse mit und ohne Gemeindebezug. Es werde eine umfassende Darstellung auch der sonstigen Geschehnisse in der Gemeinde vorgenommen (Kirchen, Verbände, Bürgerinitiativen, Vereine, Sport, lokale Wirtschaftsnachrichten). Jedenfalls in dieser Kombination von zulässigen amtlichen Mitteilungen und allgemeiner Berichterstattung sei die Grenze überschritten und der Grundsatz der Staatsfreiheit der Presse verletzt. Im Rahmen einer Einzelauswertung verschiedener Beiträge kommt das Berufungsgericht zu dem Ergebnis, dass insgesamt elf Artikel mangels einer gemeindlichen Zuständigkeit sowie wegen der inhaltlichen und bildhaften Aufmachung gegen den Grundsatz der Staatsfreiheit der Presse verstoßen. Diese Beurteilung ist von Rechts wegen nicht zu beanstanden.

[44] b) Die vom Berufungsgericht vorgenommene Einzelbetrachtung und Gesamtwürdigung tragen die Annahme, dass die Öffentlichkeitsarbeit der Beklagten in Form des "Stadtblatts" die durch die Garantie des Instituts der freien Presse gesetzte Grenze überschreitet.

[45] aa) Das Berufungsgericht geht zutreffend davon aus, dass ausgehend vom Unterlassungsantrag eine Einzelbetrachtung sämtlicher Artikel der als drohende Verletzungsform vorgelegten Ausgabe des "Stadtblatts" nicht erforderlich ist. Ein Verstoß gegen die Marktverhaltensregelung des Gebots der Staatsferne der Presse liegt bereits dann vor, wenn einzelne Artikel den Bereich der zulässigen Öffentlichkeitsarbeit eindeutig verlassen und die Publikation insgesamt bei einer Gesamtwürdigung einen pressesubstituierenden Gesamtcharakter aufweist.

[46] bb) Bereits die vom Berufungsgericht auf den ersten fünf Seiten des "Stadtblatts" als unzulässig beanstandeten Artikel tragen bei einer Gesamtwürdigung die Annahme eines Verstoßes gegen das Gebot der Staatsferne der Presse. Die Revision tritt dem nicht in erheblicher Weise entgegen. Sie ersetzt vielmehr in revisionsrechtlich unzulässiger Weise die tatgerichtliche Bewertung durch ihre eigene, ohne einen Rechtsfehler des Berufungsgerichts aufzuzeigen.

[47] (1) Auf Seite 1 der Ausgabe des "Stadtblatts" vom 11. Juni 2015 (Anlage K 21) wird unter der Überschrift "Mobilität steigern" über die Initiative "BürgerRad" und deren bevorstehende Veranstaltung auf dem Marktplatz berichtet. Das Berufungsgericht hat den redaktionell formulierten Beitrag als pressemäßig aufgemacht beanstandet und darauf hingewiesen, dass es sich um eine private Bürgerinitiative und nicht um eine Angelegenheit der Gemeindeverwaltung handele. Diese tatrichterliche Würdigung lässt keinen Rechtsfehler erkennen. Bereits das Layout des Artikels ist offensichtlich pressemäßig. Das zeigt sich in der Überschrift nebst Unterüberschrift, dem einleitenden ersten Absatz in Fettdruck, dem beigefügten Foto sowie dem Verweis auf weitere Informationen auf Seite 4 am Ende des Artikels. Die Feststellung des Berufungsgerichts, es werde über eine private Bürgerinitiative berichtet, ist nicht zu beanstanden. Auch wenn die Gemeinde die Arbeit des ehrenamtlichen Arbeitskreises begleitet, handelt es sich nicht um eine Aktivität der Kommunalverwaltung oder des Gemeinderats. Es geht vielmehr um gesellschaftliches Engagement auf kommunaler Ebene, über das typischerweise die Lokalzeitung berichtet. Entsprechendes gilt für das auf Seite 4 abgedruckte Veranstaltungsprogramm.

[48] (2) Während auf Seite 2 offensichtlich zulässige Berichte aus dem Gemeinderat abgedruckt sind, wird auf Seite 3 unter der Überschrift "Ausbildung Handwerk" nach den Feststellungen des Berufungsgerichts über die lokale Wirtschaft und nicht über kommunale Handwerksförderung berichtet. Das ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Der Beitrag betrifft eine private Veranstaltung. Soweit die Revision meint, die Beklagte könne die Aktivität aufgrund ihrer gemeindlichen Allzuständigkeit an sich ziehen, verkennt sie, dass die Selbstverwaltungsgarantie des Art. 28 Abs. 2 Satz 2 GG eine Kompetenzzuweisung im Staatsgefüge darstellt und keine Grundlage dafür bietet, privates Engagement zu "verstaatlichen". Schließlich weist das Layout dieses Beitrags die bereits genannten pressemäßigen Merkmale auf (Überschrift, Unterüberschrift, fett gedruckte Einleitung, Foto).

[49] (3) Auf Seite 4 wird - wiederum in pressemäßiger Aufmachung - unter dem Titel "Störche wurden beringt" über eine Aktion des NABU Ellwangen berichtet. Begleitet wird der Artikel von einem "Storchengedicht". Das Berufungsgericht hat mit Recht angenommen, allein die Tatsache, dass die Störche auf einem von der Beklagten hergerichteten Horst auf dem Rathausdach nisten und sie die Aktion durch den Einsatz der Feuerwehr unterstützt hat, mache den Sachverhalt nicht zu einer Angelegenheit der Gemeinde. Hier handelt es sich vielmehr erneut um ein Ereignis, über das typischerweise die lokale Presse berichtet. Die Veröffentlichung im "Stadtblatt" schürt die Gefahr, dass die Publikation als private Presse wahrgenommen wird.

[50] (4) Auf Seite 5 wird unter den Überschriften "Antrag ist genehmigt", "Crailsheim beim Kirchentag" und "Welcome Center berät" über Aktivitäten berichtet, die nicht im Aufgabenkreis der Beklagten liegen. Der Bericht "Antrag ist genehmigt" betrifft Informationen zum Genehmigungsstand einer von einer privaten Gesellschaft geplanten Windparkanlage auf dem Gebiet einer Nachbargemeinde. Das Berufungsgericht hat zutreffend angenommen, dass es sich dabei nicht um eine originäre Aufgabe der Beklagten handelt; die Information darüber oblag dem Landkreis. Der Artikel über "Crailsheim beim Kirchentag" berichtet inhaltlich über den Stand des Evangelischen Kirchenbezirks und der Familienbildungsstätte beim Kirchentag. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ist ein über den im Bericht erwähnten Crailsheimer Reformator Adam Weiss hinausgehender Bezug zur Beklagten, geschweige denn einer städtischen Aktivität, aus dem Beitrag nicht ersichtlich. Die Terminsmitteilung "Welcome Center berät" berichtet über eine Institution zur Gewinnung und Unterstützung von Fachkräften in der Region Heilbronn-Franken. Mit Recht hat das Berufungsgericht angenommen, Informationspflichten der Beklagten würden damit nicht abgedeckt; es handelt sich vielmehr um die Terminsankündigung für eine gemeindefremde Institution.

[51] c) Ebenfalls zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, dass es im Rahmen des § 3a UWG nicht auf eine konkrete Gefährdung der Presse, auch nicht auf der Ebene des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG, ankommt. Bei der Institutsgarantie geht es um den Schutz der freien Presselandschaft als solcher. Wegen der objektiv-rechtlichen Grundrechtsdimension ist unerheblich, ob tatsächlich eine Konkurrenzsituation auf dem Pressemarkt vorliegt (aA Buhren, LKV 2001, 303, 305) und welche Folgen sich für das einzelne Presseorgan daraus ergeben. Aus demselben Grund ist auch die nach § 3a UWG erforderliche Eignung zur spürbaren Beeinträchtigung der Interessen der institutionell geschützten Presse zu bejahen.

[52] 5. Die Gratisverteilung des "Stadtblatts" stellt nach alledem auch eine geschäftliche Handlung der Beklagten gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG dar.

[53] a) Das Berufungsgericht hat angenommen, die (kostenpflichtige ebenso wie die kostenfreie) Verteilung des Stadtblatts stelle den Vertrieb einer Ware dar, die jedenfalls auf dem Anzeigenmarkt und bezüglich der über die amtlichen Mitteilungen hinausgehenden redaktionellen Berichterstattung eine geschäftliche Handlung sei. Da die Beklagte als Herausgeberin fungiere und die redaktionellen Beiträge verantworte, sei sie für die gesamte Ausgabe verantwortlich. Soweit die Beklagte geltend mache, Ziel ihres Handelns sei nicht die Beteiligung am Wettbewerb, sei dies unerheblich. Mit der Produktion und Verteilung eines wöchentlichen Stadtblatts mit redaktionellen Beiträgen, Berichten über städtische Aktivitäten und Anzeigen sei die Beteiligung am Wettbewerb zwingend verbunden. Gegen diese rechtliche Einordnung wendet sich die Revision ohne Erfolg.

[54] b) Nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG ist eine geschäftliche Handlung jedes Verhalten einer Person zugunsten des eigenen oder eines fremden Unternehmens, das mit der Förderung des Absatzes oder des Bezugs von Waren oder Dienstleistungen oder mit dem Abschluss oder der Durchführung eines Vertrages über Waren oder Dienstleistungen objektiv zusammenhängt.

[55] c) Für die Frage, ob die öffentliche Hand eine geschäftliche Handlung vornimmt, muss zwischen rein erwerbswirtschaftlichen und hoheitlichen Tätigkeiten unterschieden werden. Die erwerbswirtschaftliche Betätigung der öffentlichen Hand ist auch dann als geschäftliche Handlung anzusehen, wenn öffentliche Zwecke mitverfolgt werden (vgl. BGH, Urteil vom 27. Juli 2017 ­ I ZR 162/15, GRUR 2018, 196 Rn. 23 = WRP 2018, 186 - Eigenbetrieb Friedhöfe, mwN). Dagegen ist bei einer Tätigkeit zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben weiter danach zu unterscheiden, ob die öffentliche Hand aufgrund gesetzlicher Ermächtigung hoheitlich tätig wird. Ist dies der Fall, ist ihre Betätigung einer Überprüfung anhand des Wettbewerbsrechts entzogen, solange sich das Handeln innerhalb der Ermächtigungsgrundlage bewegt, die insoweit den Handlungsspielraum vorgibt (vgl. BGH, GRUR 2018, 196 Rn. 23 - Eigenbetrieb Friedhöfe, mwN; Köhler in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 36. Aufl., § 3a Rn. 2.21; MünchKomm.UWG/Bähr, 2. Aufl., § 2 Rn. 56). Handelt die öffentliche Hand zwar zur Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe, wird sie aber ohne ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung tätig, ist eine geschäftliche Handlung nicht ausgeschlossen. Eine geschäftliche Handlung ist allerdings auch in diesen Fällen nicht ohne weiteres zu vermuten, sondern anhand einer umfassenden Würdigung der relevanten Umstände des Einzelfalls besonders festzustellen (vgl. BGH, GRUR 2013, 301 Rn. 20 f. - Solarinitiative; BGH, GRUR 2018, 196 Rn. 23 - Eigenbetrieb Friedhöfe).

[56] d) Ausgehend von diesen Maßstäben stellt sich die Herausgabe des "Stadtblatts" als eine geschäftliche Handlung der Beklagten dar. Die Beklagte nimmt mit dem "Stadtblatt" zwar auch gesetzliche Unterrichtungspflichten aus § 20 Abs. 1 GemO BW wahr und erfüllt insoweit eine öffentliche Aufgabe. Nach den Ausführungen unter B II 4 verstößt sie dabei aber gegen das Gebot der Staatsferne der Presse und bewegt sich damit deutlich erkennbar außerhalb des ihr zugewiesenen Aufgabenbereichs. Verlässt die Beklagte aber mit der Herausgabe eines Amtsblatts in erweiterter Form den öffentlich-rechtlichen Bereich, muss sie sich an den insoweit geltenden Regeln des Wettbewerbsrechts messen lassen.

[57] 6. Die Annahme des Berufungsgerichts, der Klägerin stehe als Mitbewerberin der Beklagten gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG der Unterlassungsanspruch zu, lässt Rechtsfehler ebenfalls nicht erkennen.

[58] a) Die Eigenschaft als Mitbewerberin gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG erfordert ein konkretes Wettbewerbsverhältnis im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG. Ein solches ist anzunehmen, wenn beide Parteien gleichartige Waren oder Dienstleistungen innerhalb desselben Endverbraucherkreises abzusetzen versuchen und daher das Wettbewerbsverhalten der einen die andere beeinträchtigen, das heißt im Absatz behindern oder stören kann; auch wenn die Parteien keine gleichartigen Waren oder Dienstleistungen abzusetzen versuchen, besteht ein konkretes Wettbewerbsverhältnis, wenn zwischen den Vorteilen, die die eine Partei durch eine Maßnahme für ihr Unternehmen oder das Dritter zu erreichen sucht, und den Nachteilen, die die andere Partei dadurch erleidet, eine Wechselwirkung in dem Sinne besteht, dass der eigene Wettbewerb gefördert und der fremde Wettbewerb beeinträchtigt werden kann und die von den Parteien angebotenen Waren oder Dienstleistungen einen wettbewerblichen Bezug zueinander aufweisen (vgl. BGH, Urteil vom 26. Januar 2017 ­ I ZR 217/15, GRUR 2017, 918 Rn. 16 und 19 = WRP 2017, 1085 ­ Wettbewerbsbezug, mwN). Diese Voraussetzungen liegen vor.

[59] b) Mit dem kostenlosen "Stadtblatt", das neben dem amtlichen auch einen redaktionellen sowie einen Anzeigenteil enthält, stellt sich die Beklagte in Wettbewerb zur Klägerin, die im Stadtgebiet der Beklagten eine Tageszeitung und ein kostenloses Anzeigenblatt herausgibt. Soweit die Parteien kostenlose Blätter mit Anzeigen herausgeben, versuchen sie gleichartige Waren innerhalb desselben Endverbraucherkreises abzusetzen. Aber auch soweit die Klägerin eine kostenpflichtige Tageszeitung herausgibt, besteht der für die Annahme eines konkreten Wettbewerbsverhältnisses erforderliche wettbewerbliche Bezug zu dem von der Beklagten herausgegebenen kostenlosen "Stadtblatt", weil dieses ebenso wie die Tageszeitung der Klägerin über einen Anzeigenteil verfügt und beide Parteien um Anzeigenkunden werben. Dass die von der Klägerin herausgegebene Tageszeitung auch überregionales tagespolitisches Geschehen zum Gegenstand hat, ändert nichts daran, dass das erweiterte "Stadtblatt" der Beklagten den Absatz der Klägerin stören kann, zumal wenn es kostenlos verteilt wird. Das betrifft jedenfalls die Abnehmerkreise, die entweder nur an regionalen Nachrichten interessiert sind oder sich über das überregionale tagespolitische Geschehen auf andere Weise informieren.

[60] 7. Eine Erstbegehungsgefahr im Sinne von § 8 Abs. 1 Satz 2 UWG ist gegeben, weil eine kostenlose Abgabe des "Stadtblatts" in einer Gestaltung wie die als Anlage K 21 vorgelegte Ausgabe vom 11. Juni 2015 droht.

[61] a) Der Unterlassungsanspruch nach § 8 Abs. 1 UWG setzt eine bereits erfolgte oder drohende Zuwiderhandlung voraus. Ein auf Erstbegehungsgefahr gestützter vorbeugender Unterlassungsanspruch ist gegeben, wenn ernsthafte und greifbare tatsächliche Anhaltspunkte für eine in naher Zukunft konkret

drohende Rechtsverletzung bestehen. Die eine Erstbegehungsgefahr begründenden Umstände müssen die drohende Verletzungshandlung so konkret abzeichnen, dass sich für alle Tatbestandsmerkmale zuverlässig beurteilen lässt, ob sie verwirklicht sind (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Versäumnisurteil vom 10. März 2016 ­ I ZR 183/14, GRUR 2016, 1187 Rn. 21 = WRP 2016, 1351- Stirnlampen, mwN). Allein eine Verteidigung im Prozess genügt nicht, um eine Erstbegehungsgefahr anzunehmen (vgl. BGH, Urteil vom 23. Oktober 2014 ­ I ZR 133/13, GRUR 2001, 1174, 1175 [juris Rn. 17] = WRP 2001, 1076 ­ Berühmungsaufgabe). Diese Voraussetzungen sind erfüllt.

[62] b) Aufgrund des Verhaltens der Beklagten lagen im Zeitpunkt der Klageerhebung ausreichende tatsächliche Anhaltspunkte dafür vor, dass das "Stadtblatt" ab Januar 2016 in der bisherigen Form kostenfrei vertrieben würde. Das Berufungsgericht hat festgestellt, dass das "Stadtblatt" nach dem Gemeinderatsbeschluss vom 25. Juni 2015 ab Januar 2016 in unveränderter Form kostenfrei an 17.000 Haushalte im Stadtgebiet verteilt werden sollte und ein Ausschreibungsverfahren durchgeführt wurde. Diese Ankündigungen ließen befürchten, das "Stadtblatt" werde in einer Gestaltung wie Anlage K 21, namentlich mit einer entsprechenden inhaltlichen Berichterstattung zu Ereignissen innerhalb und außerhalb der Gemeinde, künftig kostenlos vertrieben.

[63] c) Die Erstbegehungsgefahr der kostenlosen Verteilung des "Stadtblatts" in seiner bisherigen Form und seinem bisherigen Inhalt ist nicht entfallen.

[64] aa) An die Beseitigung der Erstbegehungsgefahr sind grundsätzlich weniger strenge Anforderungen zu stellen als an den Fortfall der durch eine Verletzungshandlung begründeten Wiederholungsgefahr. Anders als für die Wiederholungsgefahr besteht für den Fortbestand der Erstbegehungsgefahr keine Vermutung (vgl. BGH, GRUR 2001, 1174, 1176 [juris Rn. 42] - Berühmungsaufgabe; BGH, Urteil vom 13. März 2008 - I ZR 151/05, GRUR 2008, 912 Rn. 30 = WRP 2008, 1353 - Metrosex, mwN). Für die Beseitigung der Erstbegehungsgefahr genügt grundsätzlich ein "actus contrarius", also ein der Begründungshandlung entgegengesetztes Verhalten (BGH, GRUR 2008, 912 Rn. 30 - Metrosex; BGH, Urteil vom 22. Januar 2014 - I ZR 71/12, GRUR 2014, 382 Rn. 33 = WRP 2014, 452 - REAL-Chips). An einem solchen entgegengesetzten Verhalten der Beklagten fehlt es.

[65] bb) Der bloße Umstand, dass das ab dem 1. Januar 2016 vertriebene Stadtblatt (derzeit) eine andere Gestaltung aufweist, genügt nicht. Das gilt insbesondere mit Blick auf das im einstweiligen Verfügungsverfahren ausgesprochene Unterlassungsgebot. Es fehlt an einer uneingeschränkten und eindeutigen Erklärung, die die Annahme rechtfertigen könnte, die Beklagte werde das "Stadtblatt" künftig nicht in der angegriffenen Form vertreiben. Auch der Hinweis der Beklagten, ihre Ausführungen im Prozess erfolgten nur zum Zwecke der Rechtsverteidigung, genügen nicht. Sie hindern zwar die Annahme einer Berühmung, sind aber nicht geeignet, die Erstbegehungsgefahr zu beseitigen.

[66] 8. Eine Verwirkung des von der Klägerin geltend gemachten Anspruchs (§ 242 BGB) ist ausgeschlossen, weil dieser als vorbeugender Unterlassungsanspruch auf zukünftiges Verhalten gerichtet ist.

[67] C. Danach ist die Revision mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

Koch Kirchhoff Schwonke

Feddersen Schmaltz

Verlagsadresse

RWS Verlag Kommunikationsforum GmbH & Co. KG

Aachener Straße 222

50931 Köln

Postanschrift

RWS Verlag Kommunikationsforum GmbH & Co. KG

Postfach 27 01 25

50508 Köln

Kontakt

T (0221) 400 88-99

F (0221) 400 88-77

info@rws-verlag.de

© 2024 RWS Verlag Kommunikationsforum GmbH & Co. KG

Erweiterte Suche

Seminare

Rubriken

Veranstaltungsarten

Zeitraum

Bücher

Rechtsgebiete

Reihen



Zeitschriften

Aktuell