BGH, Urteil vom 21. Juli 2022 - X ZR 82/20
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
Verkündet am:
21. Juli 2022
SchönthalJustizangestellteals Urkundsbeamtinder Geschäftsstelle
in der Patentnichtigkeitssache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
EPÜ Art. 56
a) Das Beschreiten eines bestimmten Lösungswegs lag für den Fachmann nahe, wenn er eine Entgegenhaltung zur Lösung eines technischen Problems (Aufwachsen von GaN-Schichten auf einem Saphirsubstrat zur Herstellung einer Leuchtdiode) herangezogen und diese ihm eine Möglichkeit aufgezeigt hätte, wie das Problem mit angemessener Erfolgserwartung gelöst werden kann (Aufwachsen in [0001]-Richtung mittels metallorganisch chemischer Dampfabscheidung [MOCDV]), insbesondere wenn es sich bei dieser Lösung allgemein um die vorherrschende Praxis (bei GaN-Halbleitern) handelte und alternative Ansätze keine signifikant höheren Erfolgsaussichten begründeten.
b) Der Umstand, dass die Kenntnis eines technischen Sachverhalts zum allgemeinen Fachwissen gehört, belegt noch nicht, dass es für den Fachmann nahelag, sich bei der Lösung eines bestimmten Problems dieser Kenntnis zu bedienen (Bestätigung von BGH, Urteil vom 27. März 2018 - X ZR 59/16, GRUR 2018, 716 Rn. 28 - Kinderbett; Urteil vom 30. April 2009 - Xa ZR 56/05, GRUR 2009, 743 Rn. 37 - Airbag-Auslösesteuerung).
BGH, Urteil vom 21. Juli 2022 - X ZR 82/20 - Bundespatentgericht, Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 21. Juli 2022 durch die Richter Dr. Grabinski, Hoffmann und Dr. Deichfuß, die Richterin Dr. Kober-Dehm und den Richter Dr. Crummenerl, für Recht erkannt:
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des 2. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts vom 2. Juli 2020 unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels abgeändert.
Das europäische Patent 1 697 983 wird mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland dadurch teilweise für nichtig erklärt, dass die Patentansprüche die nachfolgende Fassung erhalten:
1. A (Al,Ga,In)N light emitting diode, termed "LED" in the following, wherein light emitted from an active region (44) is extracted from the LED through an exposed nitrogen face surface, termed "N-Face-surface" in the following of an n-type layer (42) of the LED and the exposed N-face surface is roughened by an anisotropic etching process, resulting in the exposed N-face surface being structured into a plurality of randomly arranged hexagonal cones to reduce light reflections occurring repeatedly inside the LED, thereby enhancing extraction of the light from the active region out of the N-face surface as compared with an LED with a flat surface.
2. The LED of claim 1, wherein the LED is grown on a c-plane gallium nitride wafer and a gallium face "Ga-face" is a p-type layer.
3. The LED of claim 1 or 2, wherein the LED is comprised of an n-type electrode, n-type layer, active region, p-type layer and p-type electrode.
4. The LED of claim 3, wherein the n-type layer, active region and p-type layer are each comprised of a (Al,Ga,In)N alloy.
5. The LED of claim 3 or 4, wherein the LED includes a current-blocking layer aligned under the n-type electrode to keep the current from concentrating below the n-type electrode, so that absorption of light emission under the n-type electrode can be avoided and extraction efficiency can be increased.
6. The LED of claim 3, 4 or 5, wherein the LED includes a current-confining frame made of an insulator to restrain leakage current through the sidewalls of the LED without significantly decreasing an emitting area.
7. The LED of claim 1, wherein the roughened surface is comprised of a plurality of hexagonal shaped cones that have an angle equal to or smaller than:
for a gallium nitride LED, where nair is a refractive index of air and ns is a refractive index of GaN.
8. The LED of claim 1, wherein the roughened surface is comprised of a plurality of hexagonal shaped cones that have an angle equal to or smaller than:
for epoxy, where nenc is a refractive index of epoxy and ns is a refractive index of the LED.
9. A method of creating a (Al,Ga,In)N based light emitting diode, termed "LED" in the following, comprising: growing (56) epitaxial LED layers including a light emitting active region on a substrate; exposing (64-72) a nitrogen face surface, termed "N-Face surface" in the following of an n-type layer of the LED by removing the substrate from the layers; and roughening the exposed N-face surface by anisotropic etching, thereby structuring (76) the exposed N-face surface into a plurality of randomly arranged hexagonal cones after the substrate is removed to reduce light reflections occurring repeatedly inside the LED, thereby enhancing extraction of the light from the active region out of the exposed N-face surface, as compared with an LED with a flat surface.
10. The method of claim 9, wherein the anisotropic etching is a photo-enhanced chemical "PEC" etching.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
[1] Die Beklagten sind Inhaberinnen des mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 1 697 983 (Streitpatents), das am 9. Dezember 2003 angemeldet wurde und hocheffiziente Leuchtdioden auf Galliumnitridbasis mit Oberflächenaufrauung betrifft. Patentanspruch 1, auf den weitere sieben Patentansprüche zurückbezogen sind, und der nebengeordnete Patenanspruch 9, auf den weitere vier Patentansprüche zurückbezogen sind, lauten in der Verfahrenssprache:
1. A (Al,Ga,In)N light emitting diode, termed "LED" in the following, wherein light emitted from an active region (44) is extracted from the LED through an exposed nitrogen face surface, termed "N-Face-surface" in the following of an n-type layer (42) of the LED and the exposed N-face surface is structured into a plurality of cones to reduce light reflections occurring repeatedly inside the LED, thereby enhancing extraction of the light from the active region out of the N-face surface as compared with an LED with a flat surface.
9. A method of creating a (Al,Ga,In)N based light emitting diode, termed "LED" in the following, comprising: growing (56) epitaxial LED layers including a light emitting active region on a substrate; exposing (64-72) a nitrogen face surface, termed "N-Face surface" in the following of an n-type layer of the LED by removing the substrate from the layers; and structuring (76) the exposed N-face surface into a plurality of cones after the substrate is removed to reduce light reflections occurring repeatedly inside the LED, thereby enhancing extraction of the light from the active region out of the exposed N-face surface, as compared with an LED with a flat surface.
[2] Die Klägerin hat geltend gemacht, der Gegenstand des Streitpatents sei nicht patentfähig, gehe über den Umfang der ursprünglich eingereichten Anmeldung hinaus und sei nicht so deutlich und vollständig offenbart, dass ein Fachmann ihn ausführen könne. Die Beklagten haben das Streitpatent in der erteilten und zuletzt hilfsweise in zwölf geänderten Fassungen verteidigt.
[3] Das Patentgericht hat das Streitpatent insgesamt für nichtig erklärt. Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, mit der sie das Streitpatent in der erteilten Fassung und hilfsweise in den Fassungen der erstinstanzlichen Hilfsanträge 1, 1D und 3 verteidigen. Die Klägerin tritt dem Rechtsmittel entgegen. Beide Streithelferinnen haben erklärt, nicht mehr am Berufungsverfahren mitzuwirken.
Entscheidungsgründe:
[4] Die zulässige Berufung hat teilweise Erfolg und führt zur Abweisung der Nichtigkeitsklage hinsichtlich des mit Hilfsantrag 1D verteidigten Gegenstands.
[5] I. Das Streitpatent betrifft Leuchtdioden (LED) auf Galliumnitridbasis (GaN) mit einer strukturierten Oberfläche sowie ein Verfahren zu deren Herstellung.
[6] 1. Das Funktionsprinzip einer GaN-basierten Leuchtdiode besteht in der Herstellung eines Kontakts zwischen einer n-dotierten und einer p-dotierten Halbleiterschicht und dem Anlegen von Spannung in Durchlassrichtung mit der Folge, dass die Elektronen des n-Halbleiters mit den Löchern des p-Halbleiters rekombinieren und Licht emittiert wird. Zur Erhöhung der Lichtemission wird bei hocheffizienten Leuchtdioden eine aktive Schicht an der Grenzfläche zwischen dem n- und p-Halbleiter eingefügt.
[7] Nach der Streitpatentschrift kann die interne Quanteneffizienz GaN-basierter Leuchtdioden, welche durch die Kristallqualität und Epitaxieschichtstruktur bestimmt werde, nur noch wenig verbessert werden. Hingegen bestehe bei der Erhöhung der Lichtextraktionseffizienz noch großes Verbesserungspotential (Abs. 5-7). Aufgrund der unterschiedlichen Brechungsindizes von GaN und Luft betrage der kritische Winkel für den Lichtaustrittskegel 23°, was dazu führe, dass der ganz überwiegende Teil des Lichts nicht aus dem Halbleiter heraus, sondern in diesen zurück reflektiert werde (Abs. 10).
[8] Die Extraktionseffizienz werde auch durch den strukturellen Aufbau der Leuchtdiode beeinflusst, wie er sich beispielhaft aus den nachfolgend wiedergegebenen Figuren 1 und 2 ergebe.
[9] Bei dem aus Figur 1 ersichtlichen Aufbau mit einem isolierenden Saphir-Substrat (22), einer n-dotierten GaN-Schicht (18), einer aktiven Schicht (16), einer p-dotierten GaN-Schicht (14) und den beiden Elektroden (10, 20) habe die wegen der schlechten Leitfähigkeit von p-GaN zusätzlich notwendige semitransparente Metallschicht (12) eine verdunkelnde Wirkung (Abs. 10).
[10] Diesen Nachteil weise die aus Figur 2 ersichtliche Diodenstruktur vom Flip-Chip-Typ mit einem lichtdurchlässigen Saphir-Substrat (24), einer n-dotierten GaN-Schicht (26), einer aktiven Schicht (30), einer p-dotierten GaN-Schicht (32) und den Elektrodenschichten (28, 34) zur Kontaktierung der n- und p-GaN-Schicht zwar nicht mehr auf, da die Lichtemission durch das transparente Saphir-Substrat und eine Kontaktierung in Flip-Chip-Weise mittels der Lötschichten (36) und des Trägers (38) erfolge. Die den Lichtaustritt beeinträchtigenden Reflexionen an den Grenzflächen des Saphir-Substrats zur GaN-Schicht einerseits und Luft andererseits seien jedoch weiterhin nachteilig (Abs. 11).
[11] Mittels einer als Laser-Lift-Off (LLO) bezeichneten Technik sei es möglich, Leuchtdioden auf GaN-Basis des Flip-Chip-Typs vom Saphir-Substrat zu befreien (Abs. 12).
[12] Ein weiterer Ansatz zur Erhöhung der Extraktionseffizienz bestehe in einem die interne Lichtreflexion herabsetzenden, das Licht nach oben streuenden Aufrauen der Diodenoberfläche (Abs. 13).
[13] GaN sei allerdings ein chemisch sehr stabiles Material, das einige Zeit als schwierig anisotrop zu ätzen galt (Abs. 13, 17). Die Verwendung von Trockenätzen zur Herstellung einer texturierten Oberfläche sei möglich, erfordere jedoch zusätzliche Verarbeitung wie etwa Fotolithographie (Abs. 17).
[14] 2. Das Streitpatent betrifft vor diesem Hintergrund das technische Problem, die Effizienz der Lichtextraktion von GaN-basierten Leuchtdioden zu verbessern.
[15] 3. Zur Lösung des Problems schlägt das Streitpatent in Patentanspruch 1 eine Leuchtdiode und in Patentanspruch 9 ein Verfahren zu ihrer Herstellung vor, deren Merkmale sich wie folgt gliedern lassen:
[16] 1.0
A (AI,Ga,In)N light emitting diode, termed "LED" in the following,
(AI,Ga,In)N-Leuchtdiode, nachstehend als "LED" bezeichnet,
1.1
wherein light emitted from an active region (44)
in der von einem aktiven Bereich (44) abgegebenes Licht
1.2
is extracted from the LED through an exposed nitrogen face surface, termed "N-Face-surface" in the following of an n-type layer (42) of the LED
aus der LED über eine freiliegende Oberfläche einer Stickstofffläche, nachstehend als "N-Oberfläche" bezeichnet, einer Schicht vom n-Typ (42) extrahiert wird
1.3
and the exposed N-face surface is structured into a plurality of cones
und die freiliegende N-Oberfläche in eine Vielzahl von Kegeln strukturiert ist,
1.4
to reduce light reflections occurring repeatedly inside the LED, thereby enhancing extraction of the Iight from the active region out of the N-face surface as compared with an LED with a flat surface.
um die im Inneren der LED auftretenden Mehrfachlichtreflexionen zu reduzieren und dadurch die Extraktion von durch den aktiven Bereich abgegebenem Licht aus der N-Oberfläche im Vergleich zu einer LED mit flacher Oberfläche zu steigern.
[17] 9.0
A method of creating a (AI,Ga,In)N based light emitting diode, termed "LED" in the following, comprising:
Verfahren zur Herstellung einer Leuchtdiode auf (AI,Ga,In)N-Basis, nachstehend als "LED" bezeichnet, das Folgendes umfasst:
9.1
growing (56) epitaxial LED layers including a Iight emitting active region on a substrate,
das Züchten (56) von Epitaxie-LED-Schichten, einschließlich eines Licht emittierenden aktiven Bereichs, auf einem Substrat,
9.2
exposing (64-72) a nitrogen face surface, termed "N-Face-surface" in the following of an n-type layer of the LED by removing the substrate from the layers,
das Freilegen (64-72) der Oberfläche einer Stickstofffläche, nachstehend als "N-Oberfläche" bezeichnet, einer Schicht vom n-Typ der LED durch die Entfernung des Substrats von den Schichten
9.3
and structuring (76) the exposed N-face surface into a plurality of cones after the substrate is removed
und das Strukturieren (76) der freiliegenden N-Oberfläche in eine Vielzahl von Kegeln nach der Entfernung des Substrats,
9.4
to reduce light reflections occurring repeatedly inside the LED, thereby enhancing extraction of the light from the active region out of the exposed N-face surface as compared with an LED with a flat surface.
um die im Inneren der LED auftretenden Mehrfachlichtreflexionen zu reduzieren, wodurch die Extraktion von durch den aktiven Bereich abgegebenem Licht aus der freiliegenden N-Oberfläche im Vergleich zu einer LED mit flacher Oberfläche gesteigert wird.
[18] 4. Einige Merkmale bedürfen der Erläuterung:
[19] a) Entscheidend für die erfindungsgemäß angestrebte Erhöhung der Lichtextraktionseffizienz ist die Ausgestaltung der Oberfläche, über die das von dem aktiven Bereich abgegebene Licht aus der LED extrahiert wird, als freiliegende bzw. freizulegende Oberfläche einer Stickstofffläche ("N-Oberfläche") einer Schicht vom n-Typ (Merkmale 1.2 und 9.2) sowie die Strukturierung der N-Oberfläche in eine Vielzahl von Kegeln (Merkmale 1.3 und 9.3).
[20] b) Wie das Patentgericht unter Bezugnahme auf die Fachliteratur ausgeführt hat, erklärt sich der in den Merkmalen 1.2 und 9.2 verwendete Begriff der als "N-Oberfläche" bezeichneten Stickstofffläche der Schicht vom n-Typ aus der Wurtzit-Kristallstruktur sowie der Wachstumsrichtung der epitaktisch gewachsenen (AI,Ga,ln)N-Schichten. Das Wachstum erfolgt entweder in der [0001]- oder in der entgegengesetzten [0001¯]-Richtung, wobei erstere definiert ist als Vektor entlang der c-Achse der hexagonalen Elementarzelle ausgehend vom Kation, das heißt dem Gruppe Ill-Element (AI,Ga,In) zum benachbarten Anion, das heißt dem Gruppe V-Element (N). Liegt die Oberflächennormale auf der (AI,Ga,ln)N-Schicht parallel zur [0001]-Richtung, handelt es sich um die Ga-Oberfläche (Ga-Face-surface).
[21] Bezogen auf die entgegengesetzte Richtung, also parallel zur [0001¯]-Richtung handelt es sich um die N-Oberfläche (N-Face-surface). Die Ga-Oberfläche ist nach den Angaben der Streitpatentschrift im Hinblick auf das Kristallwachstum und die Bauelementqualität die bevorzugte Wachstumsebene (Abs. 31).
[22] Die N-Oberfläche wird in den Merkmalen 1.2 und 9.2 als freiliegend bezeichnet, da sie nach dem Entfernen des Substrats nicht mehr mit diesem verbunden ist.
[23] c) Mit den Kegeln, die die freiliegende N-Oberfläche in einer Vielzahl strukturieren, benennen die Merkmale 1.3 und 9.3 einen geometrischen Körper, der nach dem zutreffenden Verständnis des Patentgerichts gebildet wird, wenn alle Punkte eines in einer Ebene liegenden, begrenzten und zusammenhängenden Flächenstücks geradlinig mit einem Punkt (Spitze) außerhalb der Ebene verbunden sind, worunter mangels Beschränkung der Grundfläche auf eine bestimmte geometrische Form neben Kreiskegeln auch pyramidale Strukturen fallen.
[24] d) Die Strukturierung der freiliegenden N-Oberfläche bewirkt eine Streuung des Lichts, reduziert im Inneren der Leuchtdiode auftretende Mehrfachreflexionen und trägt dadurch zu einer erhöhten Lichtextraktion bei (Abs. 16, 24, 29, 32, 57). Der in den Patentansprüchen verwendete Begriff des Strukturierens (structured bzw. structuring) beinhaltet keine inhaltliche Abweichung zu dem in der Beschreibung verwendeten Begriff des Aufrauens (roughened bzw. roughening).
[25] e) Wie die Strukturierung in eine Vielzahl von Kegeln erreicht wird, ist nicht Gegenstand der erteilten Patentansprüche 1 und 9.
[26] Den abhängigen Ansprüchen 10 bis 13 ist jedoch zu entnehmen, dass die Strukturierung durch anisotropes Trocken- oder Nassätzen erfolgen und es sich bei letzterem um durch Licht verstärktes chemisches Ätzen (photo-enhanced chemical, PEC) handeln kann. Insoweit geht das Streitpatent davon aus, dass anisotropes Ätzen und insbesondere PEC-Ätzen der N-Oberfläche ohne weiteres zur Ausbildung der kegelartigen Oberflächenstruktur führt (Abs. 16, 18). Der allgemeine Hinweis des Streitpatents (Abs. 17) auf die schwere anisotrope Ätzbarkeit von GaN steht dem nicht entgegen, da er zwischen der Ga- und N-Oberfläche nicht unterscheidet und die Erkenntnis der leichteren Ätzbarkeit einer freigelegten N-Oberfläche nicht einbezieht.
[27] f) Die Struktur einer Leuchtdiode mit einer freiliegenden Oberfläche der Stickstoffseite der n-dotierten GaN-Schicht (42) und einer aktiven Schicht (44) zeigt beispielhaft die nachfolgende Figur 3 des Streitpatents, bei der sich unter der aktiven Schicht die p-dotierte GaN-Schicht (46) befindet, die GaN-Schichten (42, 46) mit einer Elektrode (40) bzw. Elektrodenschicht (48) verbunden sind und in Flip-Chip-Bauweise mittels einer Lötschicht (50) eine Verbindung zu einem Siliziumsubstrat (52) hergestellt ist.
[28] Die zu einem solchen Aufbau führenden Herstellungsschritte sind schematisch in Figur 5 veranschaulicht:
[29] Auf einem Saphir-Substrat (84) wird durch metallorganisch chemische Dampfabscheidung (metal organic chemical vapour deposition, MOCVD) eine Schichtenfolge (82) aus n-dotierter, aktiver und p-dotierter Schicht epitaktisch aufgewachsen und eine Elektrodenschicht (80) aufgebracht. Über diese Schicht wird die Struktur mittels einer Lötschicht (86) mit einem Trägersubstrat (88) verbunden (gebondet). Das Saphir-Substrat wird durch Laser-Lift-Off (LLO) entfernt, die Elektroden (90) werden aufgebracht und die Oberfläche strukturiert (Abs. 46).
[30] II. Das Patentgericht hat seine Entscheidung, soweit für die Berufungsinstanz noch von Bedeutung, im Wesentlichen wie folgt begründet:
[31] Die Merkmale der die Ätzverfahren betreffenden abhängigen Ansprüche 10, 11 und 13 seien zwar in der ursprünglichen Anmeldung (FROH01) offenbart, nicht jedoch der Gegenstand von Unteranspruch 12, nach dem das anisotrope Ätzen ein Nassätzen sei. Im Zusammenhang mit der Ausbildung der Kegelstrukturen sei der ursprünglichen Anmeldung lediglich zu entnehmen, dass das Aufrauen bzw. die Strukturierung durch anisotropes Ätzen erfolge, das entweder ein Trockenätz- oder ein PEC-Verfahren sei. Eine Verallgemeinerung des offenbarten anisotropen PEC-Verfahrens auf anisotrope Nassätzverfahren könne der ursprünglichen Anmeldung nicht entnommen werden. Denn dort werde hervorgehoben, dass GaN mit üblichen Nassätzverfahren schlecht anisotrop geätzt werden könne, dies aber mit PEC-Verfahren möglich sei.
[32] Der Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1 sei dem Fachmann, einem Physiker oder Ingenieur der Fachrichtung Elektrotechnik mit Universitätsabschluss sowie mehreren Jahren Berufserfahrung auf dem Gebiet der Entwicklung von Leuchtdioden, insbesondere auf GaN-Basis, durch die US-amerikanische Anmeldung 2003/0222263 (FROH08) sowie durch die Veröffentlichung von V. Härie et al., Light extraction technologies for high efficiency GalnN-LED devices; in: Procedings of SPIE 4996, Light-Emitting Diodes: Research, Manufacturing, and Applications VII, 2003, S. 133-138 (FROH14), und sein durch das Handbuch P. Ruterana et al., Nitride Semiconductors, Handbook on Materials and Devices, WILEY-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim, 2003, S. 306, 317 (FROH12), belegtes Fachwissen nahegelegt gewesen.
[33] Aus FROH08 sei eine Leuchtdiode bekannt, die bis auf die explizite Angabe, dass die in eine Vielzahl von Kegeln strukturierte Oberfläche der n-dotierten GaN-Schicht eine Stickstofffläche sei, sämtliche Merkmale der Leuchtdiode nach Patentanspruch 1 aufweise. Entsprechendes gelte für das Herstellungsverfahren des erteilten Patentanspruchs 9. FROH08 offenbare, dass die Ill-V-Halbleiterschichten zunächst etwa mittels eines MOCVD-Verfahrens auf einem hinsichtlich der Kristalleigenschaften gut geeigneten Saphir-Substrat aufgewachsen und danach in Flip-Chip-Bauweise kopfüber mit einem thermisch und elektrisch gut geeigneten Substrat wie Silizium gebondet werden. Weitere Verfahrensschritte hätten das Entfernen des Saphirsubstrats etwa mittels LLO zum Gegenstand.
[34] FROH12 und der Übersichtsartikel von E.S. Hellmann, The Polarity of GaN: a Critical Review; in: MRS Internet J. Nitride Semicond. Res. 3, 11 (1998), S. 1-1 (FROH05), belegten als Fachwissen, dass GaN-basierte MOCVD-Filme mit hexagonaler Wurtzit-Struktur auf Saphirsubstraten üblicherweise in [0001]-Richtung oder in der entgegengesetzten [0001¯]-Richtung aufwachsen, wobei sich im ersten Fall an der GaN-Oberfläche eine Galliumfläche (Ga-face) und an der Rückseite folglich eine Stickstofffläche (N-face) ausbilde, wohingegen sich im zweiten Fall an der GaN-Oberfläche eine Stickstofffläche (N-face) ausbilde und an der Rückseite folglich eine Galliumfläche (Ga-face). Dabei zeichne sich die "Ga-Face-surface" durch eine glatte Oberfläche aus, die "N-Face-surface" hingegen durch eine raue Oberfläche. Auch die Qualität des Kristalls in Bezug auf Kristallfehler, die Konzentration von Verunreinigungen, ausgedehnte Defekte und die Morphologie sei von der Wachstumsrichtung abhängig und für die [0001]-Richtung (Ga-face) besser. Da für effiziente Leuchtdioden keine rauen, sondern qualitativ hochwertige, glatte epitaktische Schichten benötigt würden, hätte der Fachmann die in FROH08 beschriebenen MOCVD-GaN-basierten Schichten auf dem Saphir-Substrat in [0001]-Richtung (Ga-face) aufgewachsen, um effiziente Leuchtdioden mit den üblichen Aufwachsverfahren erhalten zu können. Die nach Entfernen des Saphir-Substrats freiliegende n-dotierte GaN-Schicht sei dann die Stickstofffläche der GaN-Schicht und somit sei auch die nach den weiteren Verfahrensschritten in eine Vielzahl von Kegeln strukturierte Oberfläche der n-dotierten GaN-Schicht die Stickstofffläche bzw. N-Oberfläche der n-dotierten GaN-Schicht der LED-Struktur.
[35] Ausgehend von FR0H14 ergebe sich entsprechendes. Auch aus dieser Veröffentlichung sei eine Leuchtdiode bekannt, die bis auf die Angabe, dass die in eine Vielzahl von Kegeln strukturierte Oberfläche der n-dotierten GaN-Schicht eine Stickstofffläche bzw. N-Oberfläche sei, sämtliche Merkmale der Leuchtdiode nach Patentansprüchen 1 und 9 aufwiesen.
[36] Die in FROH14 offenbarten GaN-Leuchtdioden würden hergestellt, indem GaN-basierte Schichten auf einem Saphirsubstrat mittels MOVPE aufgewachsen und danach das Saphirsubstrat durch Laser-Lift-Off-Verfahren (LLO) entfernt werde. MOVPE sei eine Abkürzung für Metal Organic Chemical Vapor Phase Epitaxy, welches eine andere Bezeichnung für Metal Organic Chemical Vapor Deposition (MOCVD) sei. Da FROH14 keine weiteren, das Aufwachsen der GaN-Schichten betreffenden Angaben enthalte, greife der Fachmann auch hier auf sein durch das Lehrbuch FROH12 dokumentiertes Fachwissen zurück, wonach er die für effiziente Leuchtdioden benötigten glatten epitaktischen Schichten üblicherweise dadurch erhalte, dass er die MOVPE-GaN-basierten Schichten auf dem Saphir-Substrat in [0001]-Richtung (Ga-face) aufwachse, so dass die nach Entfernen des Saphir-Substrats freiliegende n-dotierte GaN-Schicht die Stickstofffläche der GaN-Schicht sei, welche in den weiteren Verfahrensschritten in eine Vielzahl von Kegeln strukturiert werde.
[37] Hilfsantrag 1 sei unzulässig, da die aufgenommenen Merkmale des erteilten Patentanspruchs 12 eine unzulässige Erweiterung beinhalteten.
[38] Hilfsantrag 1D sei zwar zulässig, aber nicht patentfähig. Das zusätzlich aufgenommene Merkmal, wonach die freiliegende N-Oberfläche durch ein anisotropes Ätzen, das eine Strukturierung der freiliegenden N-Oberfläche in eine Vielzahl von zufällig angeordneten hexagonalen Kegeln zum Ergebnis hat, aufgeraut ist bzw. wird, sei ausgehend von FROH14 in Verbindung mit der Veröffentlichung von T. Palacios et al., Wet etching of GaN grown by molecular beam epitaxy on Si (111), Semicond. Sci. Technol. 15 (2000), S. 996-1000 (HGF05), und dem durch FROH12 und die Veröffentlichung von A.K. Nath, Laser etching and dry processing, Bull. Mater. Sci., Volume 11, Nos 2 & 3, November 1988, S. 159-166 (HGF06), belegten Fachwissen nahegelegt.
[39] FROH 14 weise darauf hin, dass der TiAl n-contact auf einer lasergeätzten Oberfläche aufgebracht werde, was bedeute, dass das Aufrauen der GaN-Oberfläche durch Laserätzen erfolge. Wie durch HGF06 belegt sei, verstehe der Fachmann unter dem Begriff "laser etched" solche Ätzverfahren, die unter Zuhilfe-nahme von Laserstrahlung durchgeführt werden, nämlich laserunterstützte trocken- und nasschemische Ätzverfahren, beispielsweise laserunterstütztes Nassätzen mit KOH-Ätzlösungen sowie laserangeregtes fotochemisches Ätzen und Laserablationsverfahren. Ein nasschemisches Ätzen mittels KOH wirke stärker auf N-Flächen-GaN als auf Ga-Flächen-GaN, indem es N-Flächen-GaN unter Ausbildung von zufällig angeordneten pyramiden- bzw. kegelförmigen Strukturen anisotrop ätze. Die gegen diese Beurteilung erhobenen Einwände der Beklagten überzeugten nicht.
[40] Da HGF05 zu entnehmen sei, dass die Ätzwirkung durch UV-Licht verstärkt werde, werde der Fachmann direkt zum PEC-Ätzen hingeführt, so dass auch die in Hilfsantrag 3 aufgenommene Beschränkung, dass die Vielzahl von Kegeln durch ein PEC-Ätzen erhalten werde, erfinderische Tätigkeit nicht begründen könne.
[41] III. Diese Beurteilung hält der Überprüfung im Berufungsverfahren hinsichtlich der erteilten und der Fassung nach Hilfsantrag 1, nicht jedoch hinsichtlich der Fassung nach Hilfsantrag 1D stand.
[42] 1. Das Patentgericht hat zu Recht entschieden, dass der Gegenstand der erteilten Patentansprüche 1 und 9 ausgehend von FROH08 nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruht.
[43] a) FROH08 möchte die Photonenextraktion GaN-basierter Leuchtdioden (LED) verbessern (Abs. 1 ff.) und macht insoweit Vorschläge zur Strukturierung der lichtemittierenden Oberfläche (Abs. 7 ff.; Ansprüche 1 ff.).
[44] Die nachfolgend wiedergegebene Figur 3 zeigt in schematischer Weise die Schritte eines Verfahrens zur Herstellung einer solchen LED.
[45] Durch metallorganisch chemische Dampfabscheidung (metal-organic chemical vapour deposition, MOCVD) wird auf einem Saphirsubstrat (24) eine LED-Struktur aufgewachsen, die eine untere n-GaN-Schicht, eine mittlere InGaN-Quantentrogstruktur als aktive Schicht und eine obere p-GaN-Schicht umfasst (Abs. 28). Darauf wird eine Elektroden-Schicht (18) als p-Kontakt aufgebracht. Nach Verbindung mit dem Siliziumträgersubstrat (20) über die Lötschicht (22) wird das Saphir-Substrat mittels Laser-Lift-Off (LLO) entfernt und die n-dotierte GaN-Schicht der LED für eine anschließende Strukturierung freigelegt (Abs. 29).
[46] Nachstehende Figur 2 zeigt die Querschnittsansicht einer so hergestellten LED.
[47] Die LED-Struktur (16) ist aufgrund des Herstellungsprozesses so aufgebaut, dass die p-GaN-Schicht unten und darüber die aktive Schicht mit der darauf befindlichen n-GaN-Schicht liegt, auf die die n-Kontakt-Elektrode (32) aufgebracht ist (Abs. 27).
[48] Die lichtemittierende n-GaN-Schicht ist in ein halbkugelförmiges Muster (12) strukturiert. Gemäß einer anderen Ausführungsform kann die Schicht aber auch ein pyramidales Muster mit quadratischer oder hexagonaler Grundfläche aufweisen (Abs. 21). Die Strukturierung bewirkt, dass der Einfallswinkel für die Lichtübertragung variiert und das intern erzeugte Licht mehr Möglichkeiten hat, in einem Winkel, der kleiner als der kritische Winkel ist, auf die Oberfläche zu treffen und emittiert zu werden (Abs. 21).
[49] b) Damit sind, wie das Patentgericht zutreffend festgestellt hat, sämtliche Merkmale der Patentansprüche 1 und 9 offenbart mit Ausnahme der Merkmalsteile, die voraussetzen, dass die freiliegende Oberfläche der Schicht vom n-Typ eine Stickstofffläche (N-Oberfläche) ist.
[50] Der FROH08 sind zwar weder Ausführungen zur Polarität des GaN-Kristalls noch dazu zu entnehmen, dass die freiliegende n-Typ-Oberfläche eine Stickstofffläche ist. Das in den Absätzen 28 und 29 der FROH08 offenbarte Verfahren führt jedoch zwangsläufig dazu, dass nach Entfernung des Saphirsubstrats die n-dotierte GaN-Schicht (n-Typ Schicht) für die Lichtextraktion freigelegt wird. Die weitergehende Offenbarung, dass die gemusterte lichtemittierende Oberfläche eine Oberfläche des n-dotierten oder des p-dotierten Halbleiters sein kann (Abs. 22), belegt lediglich, dass die Lehre der FROH08 hierauf nicht beschränkt ist.
[51] c) Das Patentgericht hat zu Recht entschieden, dass der Gegenstand der erteilten Patentansprüche 1 und 9 ausgehend von FROH08 unter Heranziehung des ihm durch FROH12 vermittelten Fachwissens nahegelegt war.
[52] Das Patentgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Fachmann mangels entsprechender Angaben in FROH08 für die Lösung des technischen Problems, wie das Aufwachsen der GaN-Schichten umzusetzen ist, auf Fachwissen zurückgreifen musste.
[53] aa) FROH12 gibt an, die übliche Wachstumsrichtung von wurtzitischem GaN sei lotrecht zur hexagonalen {0001}- Basalebene. Es sei experimentell festgestellt worden, dass die Volumen- und Oberflächeneigenschaften (Defekt- und Verunreinigungskonzentrationen, Art und Konzentration von ausgedehnten Defekten, Morphologie) empfindlich davon abhängen, ob das Wachstum auf einer Oberfläche der Ga- oder N-Seite erfolge, und es sei berichtet worden, dass auf Saphirsubstrat qualitativ hochwertiges MOCVD-gewachsenes GaN üblicherweise bei einem Wachstum in [0001]-Richtung erzielt werde (S. 306 unter 6.3.3).
[54] bb) Entgegen der Auffassung der Berufung hätte der Fachmann diese mitgeteilten Erkenntnisse zum Aufwachsen der GaN-Schichten als Teil des Fachwissens berücksichtigt.
[55] Dass die Veröffentlichung GaN-Halbleiter allgemein, ohne konkrete Bezugnahme auf deren Verwendung für Leuchtdioden betrifft, steht dem nicht entgegen, da das Aufwachsen der GaN-Schichten und deren dadurch bedingte Eigenschaften auch hier von Bedeutung ist. Nach FROH08 erfolgt das Aufwachsen der GaN-Schichten auf einem Saphirsubstrat mittels des MOCVD-Verfahrens (Abs. 28). Eben dieses ist auch Gegenstand der Ausführungen in FROH12. Damit bestand für den Fachmann unmittelbar Anlass, sich mit der Frage der Polarität und Auswahl der geeigneten Wachstumsrichtung zu befassen und insoweit die FROH12 als einschlägiges Schrifttum heranzuziehen.
[56] cc) Ausgehend hiervon ist das Patentgericht mit Recht zu der Annahme gelangt, dass es bei Umsetzung der Lehre von FROH08 für den Fachmann nahe lag, die GaN-Schichten in [0001]-Richtung mittels MOCVD auf dem Saphirsubstrat aufwachsen zu lassen. Denn allein dieser Richtung wird gemäß FROH12 ein positiver Effekt auf ein qualitativ hochwertiges GaN-Wachstum zugeschrieben. Bestätigt wird dies durch die Druckschriften E. Kuokstis et al., Polarization effects in photoluminescence of C- and M-plane GaN/AIGaN multiple quantum wells; in: Applied Physics Letters 81, 4130 (2002); doi: 10.1063/1.1524298 (SB8), und H.M. Ng, Molecular-beam epitaxy of GaN/AlxGa1-xN multiple quantum wells on R-plane (1012) sapphire substrates; in: Appl. Phys. Lett. 80, 4369 (2002); doi: 10.1063/1.1484543 (SB9), die offenbaren, dass die [0001]-Richtung auch bei Leuchtdioden vorherrschend gewesen ist (jeweils Sp. 1 Satz 2). Die Veröffentlichung von M.D. Craven et al., Nonpolar (1120) a-Plane Gallium Nitride Thin Films Grown on (11.02) r-Plane Sapphire: Heteroepitaxy and Lateral Overgrowth, in: Physica Status Solidi (a). Band 194, Seiten 541 ff. (2002) (SB10), bezeichnet sie sogar als "state-of-the-art" (S. 1 Introduction, Satz 1).
[57] dd) Ob der Fachmann die Angaben in FROH12, was die Berufung in Abrede stellt, für in jeder Hinsicht hinreichend ausgeführt und belegt gehalten hat, kann dahingestellt bleiben. Denn diesen entnahm der Fachmann zumindest eine Möglichkeit, wie das Aufwachsen der GaN-Schichten mit angemessener Erfolgserwartung durchgeführt werden kann, zumal es sich dabei um die vorherrschende Praxis zur Aufwachsrichtung handelte und alternative Ansätze jedenfalls keine signifikant höhere Erfolgserwartung begründeten.
[58] ee) Schließlich kann auch nicht der Ansicht der Berufung beigetreten werden, der Fachmann hätte ausgehend von FROH08 keine polare, sondern eine nicht polare Kristallorientierung in Betracht gezogen.
[59] Im Ansatz ist es zwar zutreffend, dass SB8, SB9 und SB10 bei der vorherrschenden [0001]-Orientierung die Auswirkungen der auftretenden elektrostatischen Felder im Hinblick auf eine Reduzierung der internen Quanteneffizienz kritisieren und zur Vermeidung dieses Nachteils das Aufwachsen in einer unpolaren Kristallorientierung vorschlagen (jeweils einleitender Absatz).
[60] Die Steigerung der internen Quanteneffizienz ist jedoch nicht Gegenstand von FROH08, so dass der Fachmann keinen Anlass hatte, dieser Problematik bei der Umsetzung der Lehre der FROH08 maßgebliche Bedeutung beizumessen und nicht mehr auf die vorherrschende polare [0001]-Orientierung zurückzugreifen. SB8, SB9 und SB10 ist auch nicht zu entnehmen, was von der Berufung auch nicht behauptet wird, dass die nicht polare Orientierung die polare Orientierung bereits als überholte Technik abgelöst hätte und aus diesem Grund vom Fachmann nicht mehr ernsthaft in Betracht gezogen worden wäre.
[61] 2. Der Gegenstand der erteilten Patentansprüche 1 und 9 beruht, wie das Patentgericht zutreffend angenommen hat, auch ausgehend von FROH14 nicht auf erfinderischer Tätigkeit.
[62] a) FROH14 befasst sich mit der Verbesserung der Lichtextraktion von auf GaInN-Basis hergestellten Leuchtdioden und stellt eine Diode mit dem nachfolgend in schematischer Weise wiedergegebenen Querschnitt und in Draufsicht vor (Abb. 1 (a) u. (b)).
[63] Für die Herstellung wird zunächst durch das nach den Feststellungen des Patentgerichts MOCVD entsprechende MOVPE-Verfahren das Aufwachsen einer GaInN-Multi-Quantentopfstruktur (MQW) auf Saphir bewirkt und die Struktur auf einen GaAs-Submount gebondet. Dann wird das GaN durch das transparente Substrat hindurch mit einem gepulsten UV-Laser belichtet, wodurch das an das Substrat angrenzende GaN zersetzt wird. Die Oberfläche wird mit einem Oberflächenprozess definiert. Die Verarbeitung endet mit der Abscheidung eines standardmäßigen TiAl-n-Kontakts auf der lasergeätzten Oberfläche (S. 136 erster Abs.).
[64] Das Licht kann den Chip ausschließlich durch die aufgeraute n-GaN-Oberfläche verlassen. Durch die randomisierende Oberfläche wird das Licht in einem echten Lambert'schen Emissionsmuster emittiert (S. 136 zweiter Abs.). Die Druckschrift gibt an, dass gegenüber Standard-Leuchtdioden eine Verbesserung von 260 % der optischen Leistung beobachtet wurde (S. 136 dritter Abs.).
[65] b) Damit sind, wie auch die Berufung nicht in Zweifel zieht, mit Ausnahme der Merkmale 1.3 und 9.3 sämtliche Merkmale der erteilten Patentansprüche 1 und 9 offenbart, soweit sie nicht eine freiliegende N-Oberfläche voraussetzen.
[66] c) Entgegen der Ansicht der Berufung hat das Patentgericht aber auch die Offenbarung einer Strukturierung der Oberfläche in eine Mehrzahl von Kegeln zutreffend angenommen.
[67] Gegen die Annahme des Patentgerichts, dass bei der in FROH14 offenbarten Streuung des Lichts in zufällige Richtungen eine Strukturierung in Rillen ausscheide, hat die Berufung keine konkreten Einwendungen erhoben. In der Draufsicht gemäß Abbildung 1(b) ist eine Rillenstruktur der aufgerauten Oberfläche ebenfalls nicht erkennbar.
[68] Abbildung 1(a) offenbart zufällig verteilte Aufrauungsstrukturen, die im Querschnitt ganz überwiegend dreiecksförmig sind und durch eine dreidimensionale Oberflächenstruktur gebildet werden. Aus dem Ausscheiden einer spitzwinkligen Rillenstruktur hat das Patentgericht den Schluss gezogen, dass der dreiecksförmige Querschnitt sich in dreidimensionaler Hinsicht nur durch das Vorliegen einer patentgemäßen Kegelstruktur erklären lässt, also einer Struktur, bei der die aus einer Grundfläche aufragenden Seiten in einer Kegelspitze zusammenlaufen.
[69] Das Vorbringen der Berufung, dass unterschiedliche Oberflächentopographien möglich seien, die schematisch mit einer zufällig gezackten Linie darstellbar seien, zieht den Schluss des Patentgerichts ohne Benennung einer konkreten Struktur, die weder eine Kegel- noch eine Rillenstruktur ist, nicht hinreichend in Zweifel.
[70] Da FROH14 ebenso wie FROH08 keine Angaben zur Lösung des technischen Problems macht, wie das Aufwachsen der GaN-Schichten umzusetzen ist, ist es aus den gleichen Gründen wie zu FROH08 dargestellt für den Fachmann unter Heranziehung des aus FROH12 ersichtlichen Fachwissens naheliegend gewesen, die Kristallstruktur so aufzuwachsen, dass die freiliegende Oberfläche im Sinne der Merkmale 1.2 und 9.2 eine N-Oberfläche ist.
[71] 3. Der Gegenstand des Streitpatents ist auch nicht in der Fassung des Hilfsantrags 1 dem Patentschutz zugänglich.
[72] Mit diesem Hilfsantrag wird die Vorgabe der Merkmale 1.3 und 9.3 zur Strukturierung der freiliegenden N-Oberfläche in eine Vielzahl von Kegeln dahingehend ergänzt, dass die Strukturierung durch ein anisotropes Nassätzen erhalten wird.
[73] Zu Recht ist das Patentgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass die Patentansprüche 1 und 9 mit dieser dem Gegenstand des erteilten abhängigen Patentanspruchs 12 entsprechenden Fassung über den Inhalt der ursprünglich eingereichten Unterlagen (WO 2005/064666; FROH01) hinausgehen.
[74] a) Eine verallgemeinernde Fassung des Anspruchs ist unter dem Gesichtspunkt der unzulässigen Erweiterung unbedenklich, wenn sich ein in der Anmeldung beschriebenes Ausführungsbeispiel oder in sonstiger Weise beschriebene Anweisungen für den Fachmann als Ausgestaltung der im Anspruch umschriebenen allgemeineren technischen Lehre darstellen und diese Lehre in der beanspruchten Allgemeinheit für ihn bereits der Anmeldung als zur Erfindung gehörend zu entnehmen ist (BGH, Urteil vom 11. Februar 2014 - X ZR 107/12, BGHZ 200, 63 = GRUR 2014, 542 Rn. 23 - Kommunikationskanal; Urteil vom 19. Mai 2015 - X ZR 48/13, juris Rn. 43).
[75] a) Derartiges lässt sich hier nicht feststellen. Unter den Begriff der anisotropen Ätzmethode fasst die Anmeldung sowohl Trocken- als auch Nassätzen. Letzteres ist nicht von vornherein auf durch Licht verstärktes chemisches (photo-enhanced chemical, PEC) Ätzen beschränkt, da in der Beschreibung auch gewöhnliche Nassätzverfahren ("ordinary wet etching method") angesprochen werden (S. 3 Z. 15-16). Den in diesem Zusammenhang erfolgten Ausführungen, dass diese gegenüber dem sehr haltbaren Material GaN keine große Wirkung zeigen, ist allerdings zu entnehmen, dass die Anmeldung der Effektivität der Ätzverfahren in Bezug auf ihren Einsatzzweck Bedeutung beimisst. Bestätigung findet dies darin, dass das effektivere PEC-Ätzen auf der Galliumfläche zur Bildung kleiner Gruben und auf der Stickstofffläche (N-Fläche) zu kegelartigen Strukturen führt (S. 4 Z. 17-19).
[76] Damit der Fachmann das PEC-Ätzen vor diesem Hintergrund lediglich als besondere Ausgestaltung einer allgemein auf die Verwendung von Nassätzverfahren bezogenen technischen Lehre verstehen kann, müsste er der Anmeldung eindeutig und unmittelbar entnehmen können, dass auch solche Verfahren noch in hinreichend effektiver Weise zur Ausbildung der Kegelstruktur auf der N-Fläche führen.
[77] Hieran fehlt es. Die Berufung weist zwar im Ansatz zutreffend darauf hin, dass in der Anmeldung in allgemeiner Weise ausgeführt wird, dass die kegelartigen Strukturen auf der N-Fläche unter Verwendung eines anisotropen Ätzverfahrens erzeugt werden (S. 4 Z. 7-8, Z. 21-22; S. 5 Z. 1; S. 6 Z. 27 bis S. 7 Z. 2). Dass anisotrope Nassätzverfahren allgemein hierunter fallen, da auch sie bereits hinreichend effektiv auf der N-Fläche wirken, lässt sich dem aber nicht unmittelbar und eindeutig entnehmen. Bezogen auf Nassätzverfahren offenbart die Anmeldeschrift die Bildung der Kegelstrukturen ausschließlich im Zusammenhang mit PEC-Ätzverfahren. Neben dem Trockenätzen wird es als einzig weitere Möglichkeit des anisotropen Ätzens benannt (S. 5 Z.1-3). Dass der Fachmann dies auf Grundlage seines Fachwissens um weitere Nassätzverfahren ergänzt, die er für die Ätzung der N-Fläche bereits ausreichend hält, reicht für eine unmittelbare und eindeutige Offenbarung des Merkmals nicht aus (vgl. BGH, Urteil vom 14. Dezember 2021 - X ZR 109/19, GRUR 2022, 554 Rn. 39 - Procalcitonin-Schwellenwert, mwN).
[78] Daran ändert auch nichts, dass in Anspruch 4 der Anmeldung vorgesehen ist, die Oberfläche der N-Fläche durch ein anisotropes Ätzen aufzurauen. Denn dies wird in den Ansprüchen 5 und 6 in Übereinstimmung mit dem weiteren Offenbarungsgehalt der Anmeldung dahin spezifiziert, dass das anisotrope Ätzen ein Trockenätzen oder ein durch Licht verstärktes chemisches Ätzen (photo-enhanced chemical [PEC] etching) sein kann. Dass neben PEC-Ätzverfahren auch sonstige Nassätzverfahren von dem in Anspruch 4 genannten Begriff des anisotropen Ätzens umfasst sind, ergibt sich daraus nicht.
[79] 2. Hinsichtlich des mit Hilfsantrag 1D verteidigten Gegenstands erweist sich die Entscheidung des Patentgerichts hingegen nicht als zutreffend.
[80] Nach diesem Hilfsantrag sind die Merkmale 1.3 und 9.3 in der Weise ergänzt, dass die freiliegende N-Oberfläche durch anisotropes Ätzen aufgeraut ist bzw. wird, wodurch eine Strukturierung der freiliegenden N-Oberfläche in eine Vielzahl von zufällig angeordneten hexagonalen Kegeln erfolgt.
[81] a) Der in der ursprünglichen Anmeldung (S. 4 Z. 7-9; Fig. 8) offenbarte Gegenstand von Hilfsantrag 1D ist entgegen der Ansicht der Klägerin durch die Aufnahme des Ätzverfahrens in Patentanspruch 1 nicht unzulässig geworden.
[82] Ist die Kennzeichnung eines Erzeugnisses durch Parameter seiner Eigenschaften unmöglich oder ganz unpraktikabel, kann es durch das Verfahren zu seiner Herstellung gekennzeichnet werden (BGH, Beschluss vom 30. März 1993 - X ZB 13/90, GRUR 1993, 651, 655 - Tetraploide Kamille).
[83] Die Umschreibung der Strukturierung der N-Oberfläche als eine Vielzahl von zufällig angeordneten Kegeln schließt - wie zum Hauptantrag im Hinblick auf FROH14 bereits dargelegt - Gestaltungen ein, die die aus der dortigen Figur 1(a) ersichtliche, mittels Laserätzen erzeugte randomisierte pyramidale Oberflächenstruktur mit unterschiedlichen Neigungswinkeln der Seitenflächen aufweisen und eine echte Lambert'sche Lichtverteilung erlauben. Hiervon grenzt sich der Gegenstand von Hilfsantrag 1D mit der Aufnahme des Ätzverfahrens jedenfalls deshalb ab, weil nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Patentgerichts durch anisotropes Ätzen lediglich Kegelstrukturen mit gleichen Neigungswinkeln der Seitenflächen erzeugt werden können und das Erzeugnis nicht zwangsläufig zu einer "optimalen" Lambert'schen Lichtverteilung führt. Dass die Anmeldung insoweit Angaben enthält, die es den Beklagten in praktikabler Weise ermöglichen würden, das Erzeugnis in anderer Weise hinreichend deutlich zu kennzeichnen, ist nicht ersichtlich.
[84] b) Zutreffend und unbeanstandet von den Parteien hat das Patentgericht angenommen, dass der Gegenstand von Hilfsantrag 1D ausgehend von FROH08 nicht nahegelegt ist, da der Fachmann keine Veranlassung hatte, die in der Entgegenhaltung (Abs. 21) ausdrücklich als nicht zufällige Muster offenbarten halbkugelförmigen oder pyramidalen Elemente durch eine zufällige Anordnung zu ersetzen.
[85] c) Anders als das Patentgericht meint, wird der Gegenstand von Patentanspruch 1 in der Fassung des Hilfsantrags 1D auch nicht ausgehend von FROH14 in Verbindung mit HGF05 und dem allgemeinen Fachwissen nahegelegt.
[86] aa) Dazu, wie die aus Figur 1(a) ersichtliche zufällige Oberflächenstruktur hergestellt wird, verhält sich FROH14 nicht näher. Sie verweist lediglich auf ein zum Patent angemeldetes Oberflächenverfahren. Einziger konkreter Anhaltspunkt ist die Bezeichnung der Oberfläche als "laser etched surface" (S. 136 erster Abs., letzter Satz), was der Fachmann dahingehend verstand, dass es möglich ist, die Oberflächenstruktur durch Laserätzen zu erzeugen.
[87] bb) Ausgehend hiervon bestand für den Fachmann Anlass, Laserätzverfahren in Betracht zu ziehen, bei denen er davon ausgehen konnte, dass sie eine ausreichende Ätzwirkung für eine Strukturierung der freiliegenden GaN-Oberfläche haben und geeignet sind, die aus Figur 1(a) ersichtlichen zufälligen Strukturen zu erzeugen. Hingegen ist keine Anregung ersichtlich, weshalb der Fachmann unabhängig von dem Einsatz eines Lasers auf allgemein aus dem Stand der Technik bekannte Ätzverfahren wie anisotropes Ätzen zurückgegriffen hätte. FROH14 entnahm er bereits als eines der zu bewältigenden Probleme, dass GaN Ätzmitteln gegenüber sehr beständig sei und sich auch nur schwer trockenätzen lasse ("As GaN is very resistive to etchants and also hard to dry etch ..."), so dass Technologien wie die natürliche Lithographie nicht verwendet werden könnten (S. 135 zweiter Spiegelpunkt). Herkömmliches Ätzen, was Nassätzen einschließt, stellt im Kontext von FROH14 also gerade keinen erfolgversprechenden Ausgangspunkt für die Herstellung der dort offenbarten Oberflächenstruktur dar.
[88] cc) Danach hatte der Fachmann keinen Anlass, mit HGF05 eine Veröffentlichung heranzuziehen, die sich allgemein auf das Nassätzen von durch Molekularstrahlepitaxie auf Si(111) gezüchtetem GaN bezieht und insoweit ein auf wässrigen KOH-Lösungen basierendes Nassätzverfahren vorstellt (Abstract). Der Umstand, dass die Kenntnis eines technischen Sachverhalts zum allgemeinen Fachwissen gehört, belegt nämlich noch nicht, dass es für den Fachmann nahegelegen hat, sich bei der Lösung eines bestimmten Problems dieser Kenntnis zu bedienen (BGH, Urteil vom 27. März 2018 - X ZR 59/16, GRUR 2018, 716 Rn. 28 - Kinderbett; Urteil vom 30. April 2009 - Xa ZR 56/05, GRUR 2009, 743 Rn. 37 - Airbag-Auslösesteuerung).
[89] Etwas anderes folgt auch nicht daraus, dass HGF05 über den Versuch mehrerer Arbeitsgruppen berichtet, zur Verstärkung der Ätzreaktion unterschiedliche Energiequellen einzusetzen, wobei UV-Licht am erfolgreichsten gewesen sei, und in diesem Zusammenhang auch auf das PEC-Nassätzen Bezug nimmt (S. 996 zweiter Abs. a.E.). Denn die in der Veröffentlichung mitgeteilten Erkenntnisse über die leichtere Ätzbarkeit der N-Fläche des GaN und die erzeugten pyramidalen Nano-Strukturen (Abstract, S. 998 Fig. 4 u. zweiter Abs., S. 999 Summary) stehen gerade nicht in Zusammenhang mit dem Einsatz einer Laserätzmethode, sondern sind die Folge einfachen Nassätzens mittels wässriger KOH-Lösung.
[90] Entsprechendes gilt für die von der Klägerin angeführte und sich mit der Bildung von GaN-Nanospitzen-Pyramiden durch selektives und anisotropes Ätzen von N-polarem GaN in KOH-Lösung befassende Veröffentlichung von H.M. Ng et al., GaN nanotip pyramids formed by anisotropic etching; in: Journal of Applied Physics Volume 94, Number 1, 1. July 2003, S. 650-653 (FROH09), sowie die weiteren Entgegenhaltungen mit vergleichbarem Inhalt.
[91] dd) Da FROH14 im Hinblick auf die Fertigung der Oberflächenstrukturen mittels Laserätzen kein Hinweis auf die Bedeutung der Polarität der zu ätzenden Oberfläche zu entnehmen ist, bestand für den Fachmann auch kein Anhaltspunkt, der Unterscheidung zwischen N- und Ga-Oberfläche eine Bedeutung beizumessen. Damit konnte die Erkenntnis von der leichteren Ätzbarkeit der N-Oberfläche kein Ausgangspunkt für weitergehende Überlegungen sein, die ein anisotropes Nassätzen mittels KOH-Lösung beinhalten und dem Laser lediglich die Funktion der Verstärkung der Ätzrate beimessen.
[92] ee) Unterstellt man schließlich entgegen dem Vorstehenden, dass der Fachmann trotz der in FROH14 mitgeteilten hohen Ätzmittelbeständigkeit von GaN auch herkömmliche Ätzverfahren in Betracht gezogen hätte, fehlt es an hinreichenden Anhaltspunkten dafür, dass er bei Einsatz dieser Methoden mit hinreichender Erfolgserwartung davon ausgehen konnte, zu der in FROH14 offenbarten randomisierten Oberfläche zu gelangen, welche sich durch die Emission des Lichts in einem echten Lambert'schen Emissionsmuster auszeichnet.
[93] (1) Dass nasschemisches Ätzen mittels KOH stärker auf die N-Oberfläche von GaN als auf die Ga-Oberfläche wirkt (HGF05, S. 999, l. Sp. Abs. 2; Abstract), indem es die N-Oberfläche unter Ausbildung von zufällig angeordneten pyramidenförmigen Nano-Strukturen anisotrop ätzt (HGF05, Figuren 1 bis 4; Abstract), reicht hierfür nicht aus. Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Patentgerichts haben die offenbarten Pyramiden stets den gleichen Neigungswinkel und stellen insoweit keine randomisierte Struktur dar, die zwangsläufig zu einer echten ("optimalen") Lambert'schen Lichtverteilung führt. Soweit das Patentgericht aus dem Hinweis auf die Technik der natürlichen Lithographie den Schluss gezogen hat, FROH14 sehe solche Strukturen als ausreichend an, kann dem nicht beigetreten werden. Der Hinweis erfolgt nur im Zusammenhang mit den Ausführungen zur schweren Ätzbarkeit von GaN und belegt lediglich, dass herkömmliche Ätztechniken wie die natürliche Lithographie sich schon in grundsätzlicher Weise als unzureichend für eine Oberflächenstrukturierung erwiesen haben. Für die Annahme des Patentgerichts, die in Figur 1(a) gezeigte Querschnittslinie der Oberflächenstruktur solle vor allem die Unregelmäßigkeit der Struktur ausdrücken, welche auch bei unregelmäßig angeordneten Pyramiden mit gleichem Neigungswinkel vorliege, bietet FROH14 ebenfalls keinen Anhaltspunkt.
[94] (2) Dass der Fachmann nach Ansicht des Patentgerichts die Aussage in FROH14 zur schweren Ätzbarkeit von GaN nicht als uneingeschränkt gültig betrachtet und ihn nichts davon abgehalten hätte, die N-Oberfläche mittels einer KOH-Lösung zu ätzen und so die pyramidale Oberflächenstruktur herzustellen, steht der Annahme erfinderscher Tätigkeit ebenfalls nicht entgegen. Denn das Auffinden einer neuen Lehre zum technischen Handeln kann nicht schon dann als nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhend bewertet werden, wenn lediglich keine Hinderungsgründe zutage treten, von im Stand der Technik Bekanntem zum Gegenstand dieser Lehre zu gelangen, sondern diese Wertung setzt voraus, dass das Bekannte dem Fachmann Anlass oder Anregung gab, zu der vorgeschlagenen Lehre zu gelangen (BGH, Urteil vom 8. Dezember 2009 - X ZR 65/05, GRUR 2010, 407 Rn. 17 - einteilige Öse).
[95] IV. Der Rechtsstreit ist zur Entscheidung reif (§ 119 Abs. 5 Satz 2 PatG).
[96] Das Streitpatent erweist sich aus den oben dargelegten Gründen in dem mit Hilfsantrag 1D verteidigten Umfang als rechtsbeständig. Insoweit ist die Klage deshalb abzuweisen.
[97] V. Die Kostenentscheidung folgt aus § 121 Abs. 2 PatG und § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
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